Vom Stromkartell zur Energiewende - Peter Becker - E-Book

Vom Stromkartell zur Energiewende E-Book

Peter Becker

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Beschreibung

Das Buch ist eine umfassende Darstellung der Geschichte sowohl der deutschen Strom- und Energiewirtschaft als auch der dazugehörigen Gesetzgebung, von den Anfängen in der Weimarer Zeit über das Entstehen der Stromkonzerne nach dem Zweiten Weltkrieg und die EU-Strommarktliberalisierung von 1998 bis zur Energiewende, samt Emissionshandel und Klimaschutzvertrag, und schließlich auch bis zum Kohleausstieg und zum Klimapaket. In der neuen dritten Auflage ist vor allem der dritte Abschnitt zur Energiewende ergänzt worden, mit einem Überblick über den europäischen Emissionshandel und den Klimaschutzvertrag von Paris und seine Folgen. Dargestellt werden die immer rascher folgenden Novellierungen des EEG und die Kernprobleme der Energiewende. Eine so umfassende Darstellung der Entwicklung und der Probleme gab es bisher nicht. In den Anhängen folgen zahlreiche wichtige Dokumente aus der Geschichte der Stromwirtschaft und der Energiewende.

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Seitenzahl: 1087

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Peter Becker

Vom Stromkartell zur Energiewende

 

Aufstieg und Krise der deutschen Stromkonzerne

 

 

 

3., aktualisierte und erweiterte Auflage 2021

Fachmedien Recht und Wirtschaft | dfv Mediengruppe | Frankfurt am Main

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN: 978-3-8005-1758-9

© 2021 Deutscher Fachverlag GmbH, Fachmedien Recht und Wirtschaft, Frankfurt am Main www.ruw.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Druckvorstufe: Lichtsatz Michael Glaese GmbH, 69502 Hemsbach

Druck und Verarbeitung: WIRmachenDRUCK GmbH, 71522 Backnang

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1. Buch Der Stromstaat entsteht

1. Kapitel Zwei geniale Unternehmer: Emil Rathenau und Werner Siemens

2. Kapitel Der erste Konzessionsvertrag zwischen der Stadt Berlin und der „Actiengesellschaft Städtische Elektricitätswerke“

3. Kapitel Die Großbanken wittern das große Geschäft

4. Kapitel Der Stromkrieg von 1901

5. Kapitel Hugo Stinnes: Die Ehe zwischen dem RWE und den Kommunen

6. Kapitel Der Staat greift ein

7. Kapitel Kein „Gasstaat“

8. Kapitel Das Glühlampenkartell Phoebus

9. Kapitel Weltwirtschaftskrise: Die Konzerne bleiben ungeschoren

10. Kapitel Die NSDAP übernimmt die Macht – aber die Energiekonzerne haben das Sagen

2. Buch Der Gesetzgeber greift nach der Energiewirtschaft – allerdings verhalten

11. Kapitel Ein Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – aber nicht für die Energiewirtschaft

1. Der Druck der Alliierten

2. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

3. Das Bundeskartellamt

4. Der „Ausnahmebereich“ Versorgungswirtschaft

5. Woran sind die Reformpläne gescheitert?

6. Nötige Änderungen

12. Kapitel Der Stromstreit

1. Die Stromverträge

2. Das Schicksal der Stadtwerke in der DDR

3. Die Rechtslage nach den Volkskammer-Gesetzen

4. Die Gegenbewegung: Stromkonzerne und Bundesregierung Hand in Hand

5. Der Widerstand im Westen

6. Erste Auseinandersetzungen vor Gericht: Die Grundsatzverständigung bleibt

7. Der Brief der Oberbürgermeister

8. Weiteres Festhalten des Staates am Weg

9. Der erste Stadtwerkskongress und die Kommunalverfassungsbeschwerde

10. Der Stromvergleich

11. Erfolg, Erfolg

12. Was blieb den Konzernen?

13. Und der Bund legt noch eins drauf

13. Kapitel Die Treuhandanstalt und der Stromvergleich: Ein Experiment, das missglückte und eines, das – mit Glück – zum guten Ende kam

1. Die Treuhandanstalt

2. Ausnahme: der Stromvergleich

14. Kapitel Die Liberalisierung der Energiemärkte

1. Vorspiel I in Deutschland

2. Vorspiel II auf der Brüsseler Bühne

3. Die Umsetzung in Deutschland

4. Der Wettbewerb bei Strom springt an: Die langfristigen Lieferverträge kippen

5. Und die langfristigen Gaslieferverträge?

6. Netznutzung: Viel Bürokratie und wenig Wettbewerb

7. Das erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts

8. Rechtsschutz

9. Die EnWG-Novelle 2005

10. Die Regulierung des Gasnetzzugangs

11. Die Problempunkte des Gesetzes

a) Erfolgsmeldungen der Lobby

b) Keine Kontrolle der Energiepreise

15. Kapitel Monopoly – mit staatlichem Segen

1. Die Ausgangslage

2. Die Fusion Energieversorgung Schwaben (EVS) und Badenwerk zur EnBW

3. Die Fusion VEBA/VIAG und ihrer Stromunternehmen PreussenElektra und Bayernwerk zur E.ON

4. RWE/VEW

5. Die Beteiligungen

a) Gemeinschaftskraftwerke

b) Gemeinsame Beteiligungen der beiden Unternehmensgruppen

c) Die Stadtwerksbeteiligungen

d) Das Fazit des Kartellamts

e) Die Bescheide des Bundeskartellamtes und der Kommission

f) Die T-Komponente

6. ... und trotzdem kein Verbot der Fusionen

7. Die Fusion E.ON/Ruhrgas

a) Der Deal

b) Das Objekt der Begierde: die Ruhrgas AG

c) Die Gesellschafterstruktur

d) Das Bundeskartellamt sagt Nein

e) So schnell wird man klüger

f) Die Ministererlaubnis

g) Und Dr. Müller?

h) Der Antrag auf Ministererlaubnis

i) Das Gutachten der Monopolkommission

j) Müller zieht sich zurück

k) David gegen Goliath

l) Mündliche Verhandlung zur Ministererlaubnis Nr. 2

m) Frau Holle schüttet den Goldsack aus

n) „Die Würde des Rechtsstaats“

8. Die „vertikale Vorwärtsintegration“ oder: Wie man Stadtwerke auf die andere Seite bekommt

a) Der erstaunliche Erfolg der Thüga

b) Die Pilotfälle „Aggertal“ und „Garbsen“

c) Aber nichts passiert

d) Der Fall E.ON/Eschwege

e) E.ON trennt sich von der Thüga

9. Traurige Ergebnisse der Fusionskontrolle

16. Kapitel Die Strompreisbildung: Der Verbraucher hatte immer das Nachsehen

1. Strompreise ohne Kontrolle

2. Nach dem Zweiten Weltkrieg: Späte und mühsame Installierung einer Preisaufsicht

3. Einer gegen alle: Der hessische Preisaufsichtsreferent Schäfer

4. Der Betriebsunfall: Wettbewerb in der Stromwirtschaft

5. Das Wunder von Leipzig

6. Zahlreiche Indizien für manipulierte Strompreise an der EEX

a) Die Untersuchungen der Europäischen Kommission

aa) Die Studie von London Economics

bb) Die Sondergutachten Strom und Gas 2007 und 2009 der Monopolkommission

cc) Der Schriftsatz des Bundeskartellamts vom 30.11.2006 im Fusionskontrollverfahren E.ON/Eschwege

dd) Einheitliche Konzernstrategien gegenüber der EEX

ee) Der Abschlussbericht der Europäischen Kommission

b) Die Folien des „Insiders“

c) Die Resonanz in den Behörden

d) Schwere Regulierungsmängel bei der EEX

7. Voraussetzungen „angemessener“ Strompreise I

8. Voraussetzungen „angemessener“ Strompreise II

a) Kartellrechtliche Instrumente der Preiskontrolle

b) Ein mutiger Schritt: Die Abmahnung gegen die Einpreisung der CO2-Zertifikate

c) Wie § 29 GWB matt gesetzt wurde

d) Die Sektoruntersuchung zu den Stromgroßhandelspreisen 2010

e) REMIT, ACER und Markttransparenzstelle

f) Preiskontrolle nach § 19 Abs. 4 Nr. 2, § 29 GWB und § 315 BGB

17. Kapitel E.ON oder die Liebe zum Risiko

1. Die E.ON AG: Der größte private Energiekonzern der Welt – zeitweise

2. E.ON fängt ein Bußgeld von 38 Mio. Euro für das „fahrlässige Brechen eines Siegels“

3. Der nächste Bußgeldbescheid der Kommission

4. Die Absprachen des marktbeherrschenden Duopols von E.ON und RWE

5. Das Deutschland-Kartell

6. Die Aufteilung von Ost- und Südeuropa

7. Das Europakartell der Energieversorger

8. Die Sensation: Der E.ON-Konzern wird aufgespalten

18. Kapitel Die Atomverstromung: Triumph der Verdrängung

1. Die kriegerische Nutzung der Atomkraft

2. Der Stromstaat will die „friedliche Nutzung“ der Atomkraft

3. „Ich grüße dich, Atomreaktor“: Atomverstromung in der DDR

4. Die Entsorgungsfrage

a) Das Problem wird nicht erkannt

b) Die Plutoniumwirtschaft

c) Die Wiederaufarbeitung

d) Das Scheitern der Wiederaufarbeitungstechnologie

e) Fazit: Stillstand in der Entsorgungsfrage

5. Das „Staats“kraftwerk Obrigheim: Ein Schwarzbau

6. Mülheim-Kärlich: Schwarzbau auf der Erdbebenspalte

7. Biblis A: Das Aha-Erlebnis Grüner Atomaufsicht

8. Der „ausstiegsorientierte Gesetzesvollzug im Atomrecht“

9. Leichen pflastern ihren Weg

10. Die Kosten der Atomverstromung

11. Der Ausstieg aus dem Ausstieg – aber nicht von Dauer

a) Kündigung des Atomkonsenses

b) Der terroristische Flugzeugabsturz

c) Atomstrom wird verdrängt

d) Kein Sachzwang

e) Und trotzdem: Der Ausstieg aus dem Ausstieg

f) Der „Atomfrieden“ war dahin

19. Kapitel Fukushima, die Falsifizierung der „Restrisiko“-Theorie und der Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg

1. Der GAU in Fukushima

a) Der Ablauf387

b) Die Sicherheitsvorkehrungen

c) Die Informationspolitik von Betreiber Tepco und Regierung: Herunterspielen, Verharmlosen

d) Ausgerechnet Japan

e) Der Unterschied zu Deutschland

2. Aber nach Fukushima: Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg

3. Gespaltene Haltungen der Stromkonzerne, nur RWE klagt

4. Der endgültige Ausstieg mit dem Energiewende-Gesetzespaket

5. Die „Restrisiko“-Theorie – und was die Juristen daraus gemacht haben

a) Die Entwicklung der deutschen Reaktorsicherheitsforschung

b) Die verschwiegenen Unfälle

c) Die Übernahme der Eintrittswahrscheinlichkeiten in die Rechtsprechung

d) Die Fragwürdigkeit der Wahrscheinlichkeitsabschätzungen

e) Aber die weltweite Atomverstromung wird wohl erst aus weiteren Schäden klug

f) Le désastre de la gloire du réacteur français – Der Zusammenbruch der französischen Reaktor-Herrlichkeit

g) Und eine Rückstellungskommission (KFK)

h) Die (deutsche) Karawane zieht weiter: Deutschland hat eine „Kommission zur Lagerung hochradioaktiver Abfallstoffe“453

20. Kapitel Warum die Stromkonzerne so mächtig waren – und warum ihnen der Staat Grenzen setzen kann

1. Einfluss über Lobbyismus

2. Dazu kommt die schiere Größe

3. Stromversorgung als Staatstätigkeit

3. Der „Staat der Industriegesellschaft“ adelt die Energiewirtschaft: Sie gehört zur staatlichen „Daseinsvorsorge“

a) Das Verhältnis Staat – Industrie

b) Der Staat steuert die Stromwirtschaft – und nicht umgekehrt (mit Ausnahmen)

c) Das Paradebeispiel: der Jahrhundertvertrag

d) Die Atomverstromung

e) Der Atomkonsens I

f) Der Atomkonsens II

g) Die Energiewende

4. Ein strategischer Fehler: Der Lobbyismusexzess 2011

21. Kapitel Die Krise der Stromkonzerne

1. Der Machtwechsel in der Erzeugung

a) Die Daten

b) Das „Duopol“ schwindet dahin

2. Der Defaitismus der Stromkonzerne

3. Das Versagen der Konzernstrategen

4. Konsequenzen für die großen Vier

a) Die RWE AG: Das alte Geschäftsmodell perdu, dazu hausgemachte Fehler. Aber die neue Strategie wird sichtbar.

b) EnBW: Per aspera ad astra?

c) Vattenfall Europe: Ein Unternehmen im Absprung

d) Die E.ON SE: Der Welt größter Energiekonzern. Zeitweise. Nur: In Deutschland merkt’s keiner.

22. Kapitel Der Innogy-Deal

1. Wer ist Innogy?

2. Der E.ON/RWE-Deal

a) Marktbeherrschung und Shareholder Value-Politik mit behördlicher Zustimmung532

b) Auswirkungen des E.ON/RWE-Deals auf den Konzessionswettbewerb

c) Verteilnetze als riesiges Geschäftsfeld mit hervorragenden Zukunftsaussichten

d) Auswirkungen des E.ON/RWE-Deals auf das Endkundengeschäft mit Strom und Gas

e) Auswirkungen auf den Zukunftsmarkt E-Mobilität

f) Zukunftsmarkt Digitalisierung

g) Auswirkungen auf die Energiewende als gesellschaftliche Gemeinschaftsaufgabe

h) Public Value statt Shareholder Value

i) Stadtwerke als wichtiges wettbewerbliches Korrektiv werden durch den Beschluss der Kartellbehörden geschwächt

j) Change-of-Control-Klauseln als Chance für Kommunen

k) Shareholder Value-Interessen als Treiber von Mega-Deals

l) Fazit und Schlussfolgerungen zum E.ON/RWE-Deal

m) Empfehlungen für Kommunen und Stadtwerke

3. Wie ist der Deal einzuschätzen?558

3. Buch Die Energiewende: Ein Jahrhundertprojekt

23. Kapitel Die Energiewende: Ein Jahrhundertprojekt

1. Die Dimensionen

2. Die „Klimakatastrophe“

3. Der europäische Emissionshandel

4. Die hausgemachten Mängel

5. Der Klimaschutzvertrag von Paris: Bemerkungen eines Insiders592

a) Die unterschiedlichen Verursacher und ihre differenzierten Verantwortungen

b) Entwicklungsschritte: Rio de Janeiro bis Paris

c) Zur konkreten Vorbereitung der Weltklimakonferenz

d) Die Bedeutung von Elmau

e) Was macht den Klimaschutzvertrag so außergewöhnlich?

f) Die „französische Meisterleistung“

g) Signale aus Paris

h) Was bedeutet Paris für Europa und Deutschland?

i) Konkret: das EU-Emission-Trading-System (ETS)

j) Wie geht es in der Europäischen Union weiter? Die unterschiedlichen Ziele der Mitgliedstaaten

k) Das deutsche Aktionsprogramm Klimaschutz 2020

l) Der Klimaschutzplan 2050: Die Ziele

m) Die Risiken

n) Paradigmenwechsel in der Energiepolitik

6. Der Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung

7. Das Klimaschutzgesetz

8. Der deutsche „Sonderweg“ – ein Glück!

24. Kapitel Stromeinspeisungsgesetz und EEG: Der Gesetzgeber entscheidet höchst selbst

1. Das Stromeinspeisungsgesetz

2. Das Erneuerbare Energien-Gesetz 2000

3. 100 % Erneuerbare Stromversorgung bis 2050: klimaverträglich, sicher, bezahlbar

4. Der aktuelle Stand der installierten Leistung, des Verbrauchs und der Anteil der EE daran

5. Die vollständige Umstellung der Stromversorgung auf EE bis 2050 ist möglich

6. Aber: massiver Speicherausbau nötig

7. Und: Netzausbau nötig

8. Die „Sterbelinie“ konventioneller Kraftwerke

9. Die Schwächen des SRU in seinen Untersuchungsempfehlungen

10. Ein Konfliktfeld: die Industriestrompreise

25. Kapitel Der Kampf um die Stromerzeugung – Vereinung des Unvereinbaren im Energiekonzept der Bundesregierung 2010

1. Das kommende Jahrzehnt: Zwei Züge rasen aufeinander zu

2. Das Energiekonzept der Bundesregierung von 2010, Teil I: EE

3. Pfad II: Kernenergie und fossile Kraftwerke

a) Fossile Kraftwerke

4. Das Gesetzespaket zur Energiewende 2011

5. Die EEG-Umlage: Ein trojanisches Pferd

6. Die gesetzlichen Regeln zur EEG-Umlage 2010; Kritik

7. Die Zusammensetzung des Strompreises

26. Kapitel Der Pulverdampf der „Dritten Industriellen Revolution“ lichtet sich: Minister Gabriel und seine „Eckpunkte“

1. Die politischen Auseinandersetzungen seit dem EEG 2000

2. Die Querschläger

3. Die Privilegien und ihre Folgen

a) Streitpunkt 1: Die Entlastungen der Industrie

b) Streitpunkt 2: Die EE-Ausbauziele und die Belastungen der Eigenerzeugung

c) Streitpunkt 3, ab in die falsche Richtung: Das Strommarktgesetz

4. Die „Eckpunkte“ des Superministers Gabriel

5. Der Staat hält an der Energiewende fest

6. Die Netze und die Kollision von EE- und Kohlestrom

27. Kapitel Das EEG 2017724: Ein verunglücktes Gesetz – Für und Wider

1. Die gesetzlichen Eckpunkte

2. Die Zeitvorgaben

3. Ein verfassungswidriges Gesetzgebungsverfahren

4. Woran liegt das?

5. Fazit

28. Kapitel Die GroKo, der Kohleausstieg und das Klimapaket

1. Energieteil des Vertrages der Großen Koalition 2017738

2. Die Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung (Kohle-Kommission)739

3. Hintergrund

4. Geschichte

a) Mitglieder

b) Ergebnisse

c) Rezeption

d) Eckpunkte zur Umsetzung der strukturpolitischen Empfehlungen

e) Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen und Kohleausstiegsgesetz

5. Das Klimapaket

29. Kapitel Greta Thunberg

30. Kapitel Plädoyer für eine wirksame CO2-Bepreisung779

1. Zusammenfassung

2. Wie müsste ein im Sinne des Pariser Klimaschutzabkommens wirksamer Umbau des Europäischen Stromhandels (ETS) ausgestaltet werden und ist er politisch realistisch durchsetzbar?

a) Der europäische Emissionshandel in der jetzigen Form führt nicht zum wirksamen Klimaschutz im Sinne des Pariser Klimaschutzabkommens

b) Emissionshandel versagt auch bei der Reduktion der Stromproduktion aus fossilen Energieträgern

c) Die Ursachen des Scheiterns des EU-ETS

d) Ist ein im Sinne des Pariser Klimaschutzabkommens wirksamer Umbau des ETS politisch realistisch durchsetzbar?

e) Emissionshandel und CO2-Mindestpreise

3. Wie kann die weitere Energie- und Klimapolitik im Sinne der Ziele von Paris wirksam, wettbewerbsgerecht, planbar, technologieneutral und kompatibel mit Europa- und Welthandelsrecht gestaltet werden?

a) Nationale oder europäische Klimaschutzpolitik?

b) Der Weg zu internationalen CO2-Preisen führt über nationale oder multinationale Initiativen.

c) Nationale CO2-Preise auf fossile Energieträger lassen sich konform sowohl zum Europa- als auch zum Welthandelsrecht umsetzen.

e) CO2-Bepreisung fossiler Energien zur Neuausrichtung der bestehenden Umlagen und Steuern auf Energie am Klimaschutz

4. Anhang: Beispielrechnungen zu den Auswirkungen der CO2-Abgabe auf die Energiekosten

a) Private Haushalte und mittelständische Unternehmen

b) Treibhausgasintensives bzw. privilegiertes (von zahlreichen Umlagen und Steuern entlastetes) Unternehmen

5. Abschließende Thesen

a) These 1: Die Zeit drängt!

b) These 2: Deutschland ist führender Klimasünder!

c) These 3: Weiter so ist keine Option!

d) These 4: Der europäische Emissionshandel (EU-ETS) ist gescheitert!

e) These 5: Geringe CO2-Preise (ETS) führen zu niedrigen Strombörsenpreisen, hohen Stromexporten in Deutschland und verzerren den Wettbewerb!

f) These 6: Preisbasierte Instrumente (CO2-Steuern) sind einfacher, schneller und an die jeweiligen nationalen Randbedingungen angepasst umsetzbar!

g) These 7: Sektorübergreifende CO2-Bepreisung für Alle ohne Ausnahme sind verursachergerecht!

h) These 8: Höhe und Anstiegspfad des CO2-Preises sind für die Wirksamkeit entscheidend, schaffen Planungssicherheit und sind technologieoffen!

i) These 9: CO2-Preise ab 40 Euro pro Tonne ermöglichen eine aufkommensneutrale Einnahmeverwendung für bisherige Umlagen und Steuern auf Energie!

j) These 10: Nationale CO2-Preise sind rechtlich zulässig und im bestehenden Rechtsrahmen umsetzbar!

k) These 11: Die Verlagerung von Emissionen und Produktion (Carbon Leakage) kann durch Grenzsteuerausgleich und Stromkennzeichnung vermieden werden!

l) These 12: Flankierende Maßnahmen können den Ausstieg aus der Braunkohle sozialverträglich gewährleisten!

m) These 13: CO2-Abgabe wirkt Paragrafenexplosion und Förderdschungel entgegen und trägt zum Bürokratieabbau bei!

n) These 14: CO2-Bepreisung ist ein Vorbild für die Internalisierung von externen Kosten und eine finanzielle Grundlage für Entzug von CO2 aus der Troposphäre!

o) These 15: Zur CO2-Bepreisung besteht ein breiter Konsens in Wissenschaft und Wirtschaft!

31. Kapitel Der Kampf um die Energiewende

1. Befürworter, Gegner – und Halbherzige

2. Die Angriffe auf die Energiewende; vor allem: die Kosten

a) Der Angriff der INSM

b) Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

c) Bundeskartellamt

3. Mit vollem Rohr dagegen: Die FAZ und die Energiewende

a) Die Frontalangriffe, gedeckt von ganz oben

b) Andreas Mihm

c) Eindeutige Botschaften

d) Cui bono?

e) Aber: Ist eine solche Berichterstattung von der journalistischen Freiheit gedeckt?

4. Speziell: Der Angriff auf die Technologielinie Photovoltaik

5. Aber was kostet EE-Strom wirklich?

6. Die Verteidiger der Energiewende

a) Der Gesetzgeber

aa) Er ist aktiv

bb) Die „Energiewende-Berichterstattung“ der Bundesregierung

cc) Die Bundesländer

b) An vorderster Front: Die Grünen

c) Agora Energiewende

d) Die Institute

e) Die Bürger

f) Die Unternehmen

g) Der Sonnenkönig

h) Die Stadtwerke

i) Die „Rekommunalisierung“

j) Die „Schönauer Stromrebellen“

32. Kapitel Die Paragrafenexplosion im Energierecht und wie man ihr beikommen könnte

1. Überlegungen zur Reduzierung der Komplexität964

a) Die Normenflut im Energierecht

b) Das Energiewirtschaftsgesetz

c) Entflechtung des EnWG

d) Der Verbraucherschutz

e) Sonderkomplexe

f) Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)

g) Exkurs: Wie der Gesetzgebungsprozess zum EEG 2009 aus dem Ruder lief

h) Wie geht man mit diesem neuartigen Gesetzgebungsprozess um?

i) Die Neuordnung des Energierechts: Vom Europarecht lernen!

j) Das Internet als Kommunikationsplattform mit den Betroffenen

2. Der Normenkontrollrat

33. Kapitel Wer hilft beim Handling der Energiewende?

1. Die Rechtsanwälte

a) Anwaltskanzleien, die auf der Seite der EE kämpfen:

aa) Boos Hummel & Wegerich (BH&W)

bb) Gaßner, Groth, Siederer & Coll. (GGSC)

cc) Karpenstein Longo Nübel (KLN) – Rechtsanwälte und Fachanwälte für Verwaltungsrecht

dd) MASLATON

ee) von Bredow Valentin Herz (vBVH)

ff) Becker Büttner Held

gg) Bund der Energieverbraucher

2. Wichtige Kompendien

34. Kapitel Visionen

1. Vision I von Dieter Attig: Wo stehen wir?

a) Die Energiewende in Deutschland kommt langsam – auf dem Stromsektor ist sie schon da1012

b) Ökonomischer Hintergrund

c) Langfristspeicher

d) Kurzfristspeicher

e) Fossile Kraftwerke

f) Sonstige Flexibilitätsoptionen

g) Stromnetze

h) Wärmemarkt

i) Verkehr

j) Was ist los in Deutschland?

k) Was ist in Deutschland zu tun?

l) Fazit für die Energiewende

2. Vision II: Peter Becker1013

a) Kein Stein bleibt auf dem anderen

b) Eigenversorgung

c) Der „Guerilla“-Speicher

d) Der Eigenverbraucher und die Allgemeinheit

e) Unterschiedliche Strompreise

f) Grund: Die Verteilnetzentgelte

g) Der nächste Schritt: Die EEG-Umlage wird zu einer Infrastrukturumlage, muss aber bereinigt werden

h) Netze als staatliche Infrastruktur

i) Und die Konzerne? Der Steuerzahler wird’s schon richten ...

35. Kapitel Die Energiewende wird von der Gesellschaft für die Gesellschaft gemacht: Alles könnte gut werden

Anhang 1

Anhang 2

Anhang 3

Anhang 4

Anhang 5

Anhang 6

Anhang 7

Vorwort

Im Jahre 1984 erschien ein Buch, dessen Titel „Der Stromstaat“ nicht auf Anhieb erkennen ließ, worum es ging. Autor war der Journalist Günter Karweina, der zum Gründungsteam des SPIEGEL gehörte und dann Bonner Korrespondent des Norddeutschen Rundfunks wurde. Er war ein großer Spezialist für die Energiewirtschaft und muss einen riesigen Zettelkasten gehabt haben (das Internet gab es noch nicht), aus dem sein Buch eine unglaubliche Farbigkeit zog.1 Sein Buch erzählt sehr detailreich die Wunderwerke des genialen Erfinders Thomas Alva Edison, dessen Firma zur Mutter des US-Konzerns General Electric wurde. Emil Rathenau, Gründer der AEG, war auf ihn aufmerksam geworden und kaufte bei ihm Patente für die Glühlampe und alles, was drum herum gebraucht wurde. Die Dynamos bekam Rathenau von einem anderen genialen Erfinder und Unternehmensgründer, Werner Siemens (geadelt wurde er erst später). Die beiden verstanden sich ausgezeichnet, aber während es Siemens’ Unternehmen heute noch gibt – es ist mit 81 Mrd. Euro eines der wertvollsten Unternehmen im DAX (7/2015) – musste die AEG wegen zahlreicher unternehmerischer Fehlleistungen 1982 Vergleich anmelden und wurde in Teilen verkauft. Ein anderer genialer Unternehmer aus der Zeit der Jahrhundertwende 1900 war Hugo Stinnes, der frühzeitig die Vorteile kostengünstiger Stromerzeugung in Großkraftwerken erkannte und damit das RWE zu einem auch heute noch großen Unternehmen machte – es steckt jetzt allerdings in der Krise. Stinnes hatte die geniale Idee, viele nordrhein-westfälische Kommunen zu Aktionären des RWE zu machen. Im Gegenzug erhielt er über 50 Jahre laufende Konzessionsverträge und riesige gesicherte Absatzgebiete. Während der Inflation hatte er sein Geld im Ausland angelegt und kaufte damit eine Vielzahl entwerteter Unternehmen auf, was ihn zum größten Unternehmer Deutschlands machte. Aber seine Kinder verspielten das Erbe.

Ein Geschäftsmerkmal der Stromwirtschaft war das Kartell. Unter Anführung der Amerikaner wurden riesige Kartelle gestrickt, beispielsweise das weltweite Glühlampenkartell Phoebus. Aber eine wirksame Kartellaufsicht konnte in Deutschland, anders als in den USA, nicht durchgesetzt werden. Im Gegenteil: Die Nazis fanden die kartellierte Stromwirtschaft gut und bewahrten sie mit dem Energiewirtschaftsgesetz 1935 vor den „schädlichen Folgen des Wettbewerbs“, wie es in der Präambel hieß.

Warum Karweina sein Buch „Der Stromstaat“ genannt hatte, erschließt sich bei Beleuchtung der Frage, wem die Stromwirtschaft eigentlich gehörte. Das waren einmal die Kommunen, deren Eigenbetriebe, quasi Ämter der Verwaltung, etwa die Hälfte der deutschen Stromwirtschaft ausmachten. Außerdem entstanden neben dem RWE, an dem Kommunen die Stimmenmehrheit hielten, in der Inflationszeit die Landeselektrizitätsgesellschaften wie PreussenElektra, Badenwerk, später die Energieversorgung Schwaben etc., über die die Länder unmittelbaren Einfluss auf die Stromwirtschaft erhielten. Bis lange nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte damit die Stromwirtschaft fast völlig dem Staat, wenn man von den privaten Stromversorgern und der industriellen Eigenerzeugung absieht. So erklärt sich, warum es bis in unsere Tage keine wirksame Aufsicht über die Stromwirtschaft gab: Der Staat wollte sich eben nicht selbst Fesseln anlegen.

Diese Erkenntnis gab den Anstoß für dieses Buch. Sein Autor, Anwalt, in verschiedenen Bereichen des Verwaltungsrechts erfahren, wurde mit einem spektakulären Prozess vor dem Bundesverfassungsgericht Quereinsteiger ins Energiewirtschaftsrecht. Es gelang, den westdeutschen Energiekonzernen die kommunalen Stromversorgungen, die sie der Regierung der DDR abgekauft hatten, wieder wegzunehmen. Das war eine Folge des geschärften Blicks für die Triebkräfte hinter unscheinbaren rechtlichen Regeln. Sie lösten den Wunsch aus, mit diesem geschärften Blick auch die weitere Entwicklung der Stromwirtschaft zu betrachten, allerdings auch unter rechtlichen Aspekten. Denn – anders als bis zum Zweiten Weltkrieg – bemächtigte sich der Staat danach auch des Energiewirtschaftsrechts (jetzt des Energierechts; warum, werden wir sehen).

Günter Karweina sollte und musste mit seinem tollen Buch ein Denkmal gesetzt werden. Deswegen bedient sich der Autor vieler wörtlicher Formulierungen, die in ihrer Aussagekraft nicht zu übertreffen sind. Aber Karweinas 170 Seiten bis zum Zweiten Weltkrieg wurden ganz stark gekürzt, auf 43 Seiten. Außerdem wird der Blick konzentriert auf die rechtlich relevanten Bereiche, die Karweina als Journalist nicht mit demselben Gewicht herausarbeitete.

Es waren die Amerikaner, die in Deutschland ein Kartellgesetz erzwangen. Aber der Staat und seine Unternehmen verhinderten den Zugriff der Kartellaufsicht auf die Energiewirtschaft, sie blieb „Ausnahmebereich“. Dieser Rechtszustand änderte sich erst 1998, nachdem die EU die Mitgliedstaaten zur Liberalisierung auch der Energiemärkte gezwungen hatte. Diese Entwicklungen – die Entstehung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, der Stromstreit vor dem Bundesverfassungsgericht in 1991/92, die Liberalisierung – werden in den ersten Kapiteln dargestellt. Dabei war sehr hilfreich, dass der Autor jedenfalls seit dem Stromstreit intensiv auf die Liberalisierung Einfluss nehmen konnte, etwa mit den Musterprozessen gegen die langfristigen Strom- und Gaslieferverträge der Konzerne. Aus diesen Aktivitäten ist übrigens eine Anwaltskanzlei entstanden, die die wohl führende europäische Energieanwaltsfirma darstellt, was auch damit zusammenhängt, dass Deutschland eine wegen der zahlreichen Stadtwerke pluralistische Energiewirtschaft hat, die viel Beratungsbedarf erzeugt.

Es folgen die Darstellungen der aktuellen Entwicklungen und Auseinandersetzungen: Die Zulassung der Fusionen RWE/VEW durch das Bundeskartellamt und von VEBA/VIAG mit ihren Töchtern PreussenElektra und Bayernwerk zu E.ON durch die Europäische Kommission. Statt das Entstehen von marktbeherrschenden Giganten zu verhindern, haben die Kartellaufsichten sie gefördert – mit fragwürdigen Rechtfertigungen. Als große Fehlleistung erwies sich auch die Zulassung der Fusion E.ON/Ruhrgas mit Hilfe einer Ministererlaubnis; eine Fehlleistung allerdings nur des Staates, während E.ON damit ein glänzender Coup gelungen ist, der das Unternehmen zu einem der größten Energiekonzerne der Welt machte. Minister Müller musste sich auf Druck der Öffentlichkeit aus dem Verfahren zurückziehen. Sein Staatssekretär Tacke übernahm die Erteilung der Ministererlaubnis – und beide wurden belohnt: Minister Müller wechselte vom Kabinett zum Vorstandsvorsitzenden der RAG, Tacke wurde Chef der STEAG; gut für die beiden, aber für den Rechtsstaat ein Trauerspiel.

Auch die staatliche Überwachung der Strompreisbildung war kein Glückserlebnis für die Verbraucher. Die staatliche Preisaufsicht, eingerichtet in den siebziger Jahren, blieb weitgehend wirkungslos, was nicht nur an der mangelhaften Ausstattung der Landesbehörden lag, sondern auch an den rechtlichen Regularien. Nach der Liberalisierung gab es kurzzeitigen heftigen Wettbewerb insbesondere zwischen RWE und EnBW. Aber der wurde beigelegt, indem sich die Konzerne über ihre Vorgehensweise bei der Preisbildung an der EEX verständigten. Da es keine „Andienungspflicht“ an der Börse gibt, wurden 80 % des Stromhandels „over the counter“ abgewickelt. Beim Rest wurde preisbestimmend nicht etwa ein Mix aus den kostengünstig produzierenden und den teureren Kraftwerken, beispielsweise auf Erdgasbasis, sondern nur das jeweils teuerste. Der Staat hat weder die grundsätzliche Konstruktion des börslichen Strompreishandels noch den Handel im Einzelnen überwacht und reguliert. Es fehlte an einer Meldepflicht für die Aufsichtsbehörde, am Verbot des Insiderhandels und am Marktmanipulationsverbot für den Spotmarkt, der der wesentliche Preissetzer ist. Eine groß angelegte Untersuchung der Europäischen Kommission, für auch die Konzernzentralen durchsucht wurden, endete trotz zahlloser belastender Indizien in einem Vergleich: E.ON musste sich zur Abwendung eines milliardenschweren Bußgeldes verpflichten, sein Höchstspannungsnetz und etwa 10 % seiner Kraftwerkskapazitäten zu verkaufen. Ergebnis für den Verbraucher: Fehlanzeige.

Aber das Verhalten von E.ON war eine vertiefte Untersuchung wert: E.ON war allein in drei Untersuchungsverfahren der Europäischen Kommission verstrickt und erntete zwei saftige Bußgelder. Es fanden zahlreiche Treffen der deutschen und europäischen Konzernlenker statt, die wohl die Funktion hatten, zu abgestimmtem Verhalten zu kommen. Das ist alles dokumentiert in einem Schriftsatz des Bundeskartellamts, der eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war, aber im E.ON-Kapitel beleuchtet und im Anhang dokumentiert wird. Warum es nicht zu weitergehenden Untersuchungen kam, legt eine Betrachtung der Ausstattung des Bundeskartellamts nahe: Der Gesetzgeber stattete das Amt so dürftig aus, dass die Beamten zu einer wirklich effektiven Kartellaufsicht, sei es Missbrauch-, sei es Fusionskontrolle, kaum kommen.

Mehrere aktuell gewordene Kapitel befassen sich mit der Atomverstromung und dem unaufhaltsamen Aufstieg der Erneuerbaren Energien. Mit der „friedlichen Nutzung der Kernenergie“ bei der Atomverstromung, vom Staat als Gegenmodell zu ihrer kriegerischen Nutzung gedacht, wie sie in den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki stattfanden, wurde – zunächst gegen den Willen der Konzerne – eine Technologie platziert, die unsicher war und ist, die wegen der ungelösten Entsorgungsfrage ein großes Zivilisationsrisiko erzeugt und letztlich ohne Zukunft ist. Aber die Kosten der Technologie sind immens – und bis heute nicht sauber aufgelistet.

Die Gefahren der Atomverstromung wurden in Deutschland hinter dem Begriff „Restrisiko“ versteckt. Die Atomgemeinde bemühte sich, die Eintrittswahrscheinlichkeit des Größten Anzunehmenden Unfalls (GAU) herunterzurechnen. Eine Basis lieferte der Rasmussen-Report (1975). Die dort ermittelten Abschätzungen – Wahrscheinlichkeit eines GAUs 1:1.000.000 – dienten der Rechtsprechung als Anknüpfungspunkt dafür, dem gegen ein AKW klagenden Bürger schon die Klagebefugnis abzusprechen: Das Bundesverfassungsgericht forderte im berühmten Kalkar-Beschluss vom 8.8.1978, dass Genehmigungen nur erteilt werden dürften, wenn es nach dem Stand von Wissenschaft und Technik praktisch ausgeschlossen erscheine, dass große Schadensereignisse eintreten. Aber was „praktisch ausgeschlossen“ war, definierte die Atomgemeinde. Alle anderen Unfallszenarien gehörten zum „Restrisiko“ und lieferten kein Klagerecht. Die GAUs von Tschernobyl und jetzt von Fukushima haben die fürchterlichen Beweise dafür geliefert, wie sehr sich Menschen irren können. Die Frage hat auch eine ethische Dimension, und daher war es richtig, dass die Bundesregierung nach dem Fukushima-Unfall eine Ethikkommission zur Bearbeitung dieser Frage berufen hat und jetzt aus der Atomversorgung aussteigt.

Es ist letztlich eine List der Technikgeschichte, dass die Erneuerbaren Energien der Atomverstromung den Garaus machen werden. Schon jetzt sind die Erneuerbaren Energien in Deutschland so ausgebaut, dass sie „in die Grundlast der Kernkraftwerke fahren“ und sie zur Drosselung des Betriebs zwingen. Im Jahr 2020 soll es die bisherige Grundlast aus Steinkohle, Braunkohle und Kernkraft nicht mehr geben. Bis 2050 könnte die Stromerzeugung vollständig auf Erneuerbare Energien umgestellt sein. Dass das möglich ist, zeigt ein aktuelles Gutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen. Aber hier liegt auch ein epochaler Konflikt: Den Stromkonzernen, die über hundert Jahre die deutsche Stromversorgung garantierten und bis heute daraus viel Geld erlösen, wird langsam das Heft aus der Hand genommen. Private Investoren und Stadtwerke, natürlich auch die Stromkonzerne, bauen Wind-, Wasserkraftwerke, Photovoltaikanlagen, verstromen Biomasse etc. Es entsteht eine bunte Vielfalt von Pfaden. Hier spielen auch Stadtwerke mit ihrer dezentralen Erzeugung und Versorgung eine entscheidende Rolle. Aber es bestehen zwei Herausforderungen: Das Höchstspannungsnetz muss ausgebaut werden, um große Strommengen über hohe Entfernungen zu transportieren. Und es sind Speicher nötig, weil Strom aus Erneuerbaren Energien „zwischengelagert“ werden muss. Dafür könnten in Deutschland z.B. Druckluft- und – im Verbund mit Norwegen – Pumpspeicherkraftwerke gebaut werden. Aber hier halten sich die Konzerne bewusst zurück, um ihre Kraftwerke möglichst lange am Netz zu haben.

Der Staat hat mit der Energiewende politischen Gestaltungswillen und Gestaltungskraft gezeigt. Die Grundlage wurde mit dem EEG 2000 und dem Energiekonzept der Bundesregierung vom September 2010 gelegt. Allerdings standen die beiden Pfade der Stromerzeugung – der fossil/nukleare und der erneuerbare – praktisch unvermittelt nebeneinander. Es musste zu Einspeisekonkurrenzen, zum „Kampf um das Netz“ kommen. Zudem stand die Laufzeitverlängerung verfassungsrechtlich auf tönernen Füßen. Aber die Art und Weise, wie der Unfall von Fukushima in der Energiewende verarbeitet wird, signalisiert nicht nur eine entschiedene Kehrtwende, sondern beschert Deutschland eine weltweit einzigartige Stellung: Der Staat hat die Energiewende bereits vor über zwanzig Jahren angestoßen, nämlich mit dem Stromeinspeisungsgesetz von 1990. Der dadurch und durch das EEG getragene Umbauprozess hat nicht nur eine starke Erneuerbare Industrie entstehen lassen. Vielmehr ist auch eine rechtliche Infrastruktur entstanden. Die Parlamentarische Demokratie hat die Energiewende bereits institutionalisiert. Eins ist absehbar: In der Stromerzeugung wird es zu einem Machtwechsel kommen. An die Stelle der Stromerzeugung in den Konzernen treten die dezentralen Einspeiser aus Erneuerbaren Energien. Die fossile und nukleare Stromerzeugung wird abgewickelt. Aber das geht nicht ohne Auseinandersetzungen. Und wir stecken mitten drin.

Das war der Schluss des Vorworts für die zweite Auflage 2011. Für die dritte Auflage 2020 habe ich ein drittes Buch geschrieben: Die Energiewende: Ein Jahrhundertprojekt. Dessen erstes Kapitel mit derselben Überschrift hat einen Schlussabschnitt: „Der deutsche ‚Sonderweg‘ – ein Glück!“. Und das ist die deutsche Energiewende in der Tat, ein Sonderweg. Es begann mit dem EEG von 1990, das weitgehend auf den linken Sozialdemokraten Hermann Scheer zurückzuführen ist. Er sorgte dafür, dass das EEG – und damit befasst sich das nächste Kapitel – nicht in der Ministerialbürokratie „weichgespült“ wurde; die Erfahrung zeigte nämlich, dass die Stromkonzerne über die jahrzehntelang aufgebauten lobbyistischen Beziehungen zum Bundeswirtschaftsministerium alles nach Kräften verwässerten. Der Bundestag stimmte daher auch nicht über eine Regierungsvorlage ab, sondern über einen Gesetzentwurf aus der Mitte des Bundestags.

Nach dem Kapitel zum Energiekonzept der Bundesregierung 2010 kommt ein weiteres Kapitel: „Der Kampf um die Energiewende“ – und in der Tat muss man einmal darauf hinweisen, dass das EEG auch viele Gegner hatte und hat. Viel Ärger hat mir ein Kapitel eingetragen, das zuerst in der ZNER erschien: „Mit vollem Rohr dagegen: Die FAZ und die Energiewende“. Gedeckt vom Herausgeber Holger Steltzner, der inzwischen gefeuert wurde, schrieben verschiedene Autoren der FAZ gegen die Energiewende an. Manches war richtig beobachtet und dargestellt, aber die Überschriften über den Artikeln und Kommentaren waren immer eindeutig: Die Energiewende ist viel zu teuer und vor allem ein Unglück.

Aber es gibt auch Verteidiger der Energiewende. Dazu würde ich vor allem den Gesetzgeber zählen, trotz allem, von den Parteien vor allem die GRÜNEN und von den Institutionen die Agora Energiewende. Und – die großen und bewundernswerten „Schönauer Stromrebellen“: Ihr unermüdlicher Kampf wird sorgfältig dargestellt und ist in Schönau gegengelesen worden; es stimmt also alles.

Im nächsten Kapitel geht es um Umwelt- und „Super“-Minister Gabriel mit seinen „Eckpunkten“. Die SPD ist heute näher dran an der Kohle-Lobby und daher wurde und wird intern gekämpft. Das ist überhaupt der Grund für den Stimmenrückgang: Der Wähler liebt zerstrittene Parteien nicht. Das ist auch kein Wunder, denn man weiß nicht, wo die Reise hingeht. Eine eindeutige Positionsbestimmung ist ausschlaggebend.

Nach dem Kapitel zum EEG 2017, das ich „Ein verunglücktes Gesetz“ genannt habe, kommen wichtige Fortschritte der letzten Zeit: Die GroKo hat, auch unter dem Einfluss der bewundernswerten Greta Thunberg und der von ihr ins Leben gerufenen Bewegung Fridays for Future, immerhin den Kohleausstieg und das Klimapaket zustande gebracht. Das Gesetz zum Kohleausstieg ist im Januar 2020 konzipiert worden – und es enthält den Einstieg in eine CO2-Bepreisung. Das 30. Kapitel, überschrieben „Plädoyer für eine wirksame CO2-Bepreisung“ (auch dieses ein Nachdruck aus der ZNER), enthält die Eckpunkte; komplex und wegen der internationalen Bezüge hochinteressant.

Das folgende Kapitel „Wer hilft beim Handling der Energiewende?“ wird mir vielleicht Ärger machen, weil es die Anwaltskanzleien darstellt, die auf der Seite der Erneuerbaren Energien kämpfen, darunter die von meinem Freund Wolf Büttner und mir gegründete Kanzlei Becker Büttner Held (BBH – Devise: „Klappern gehört zum Handwerk“). Dann kommen Visionen, deren erste von Dieter Attig geschrieben wurde, langjähriger Aktivist schon im Stromstreit und dann viele Jahre Leiter der Aachener Stadtwerke STAWAG, ein Kraft-Wärme-Kopplungs-Freak, der auch die technischen Aspekte der Energiewende (wir Juristen haben ja immer die regulatorischen Aspekte im Auge) darstellt: sehr interessant.

Und das Schlusskapitel „Die Energiewende wird von der Gesellschaft für die Gesellschaft gemacht: Alles könnte gut werden“. Das ist meine Überzeugung: Es entwickelt sich alles in die richtige Richtung, weil es sich in die richtige Richtung entwickeln muss, vorangetrieben von der Klimakatastrophe. Man sieht das an den Buschbränden in Australien: Der verknöcherte Ministerpräsident Morrison, der während der schlimmsten Brände Urlaub in Hawaii machte, musste schließlich einsehen, dass er und sein Staat die falsche Politik machen. Ihm half eine List der Geschichte, die tagelangen Regenfälle, denen Überschwemmungen folgten. Sie machten einigen Bränden den Garaus – und klärten Morrison über weitere Zusammenhänge auf!

Der Schluss liegt mir am Herzen: die Anhänge. Es gibt wichtige Dokumente, die die Verläufe prägen. Für den Abschnitt zu den Kartellen im Entwicklungsprozess ist es der berühmte Schriftsatz des Bundeskartellamts im Fusionskontrollverfahren E.ON/Eschwege vom 30.11.2006, der nur durch eine Indiskretion bekannt wurde: Er beschreibt, wie eben die Stromkonzerne vorgegangen sind. Dazu gehört auch ein visionäres Papier der Agora Energiewende, die als Vordenker immer wieder aufweist, wo die Reise hingeht: Alles wird gut (trotz Trump).

Oktober 2020

Peter Becker

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„Der Stromstaat“ erschien in 1. und 2. Auflage 1984 als STERN-Buch, vorher erschienen bei STERN-Buch die Titel „Der Megawatt-Clan“ (1981) und „Der Sechste Sinn der Tiere“ (1982).

1. Buch Der Stromstaat entsteht

1. Kapitel Zwei geniale Unternehmer: Emil Rathenau und Werner Siemens

Weltausstellung der Elektrizität 1881 in Paris: Emil Rathenau ist begeistert. Der Industriepalast an den Champs-Elysées wird von über 100 elektrischen Bogenlampen hell erleuchtet. Man spricht vom „Lichtwunder von Paris“. Aber Rathenau begeistert etwas Anderes, die Ausstellung des Erfinders Thomas Alva Edison. Er hatte seine Räume mit Glühlampen beleuchtet, die so genannt wurden, weil der Strom in ihnen einen Kohlefaden zum Glühen brachte. Auf einem kleinen Tisch stand eine Lampe, die man mit einem Schalter „anzünden“ und ausmachen konnte. Edison hatte also nicht nur die Glühlampe erfunden, sondern auch den Schalter und überhaupt alles, was für den Umgang mit Starkstrom gebraucht wurde: Steckdosen, Fassungen, Klemmen, Schalter, Sicherungen, Anschlussdosen, Stromzähler und den „Jumbo“, den größten Generator seiner Zeit, eine Dampfmaschine von 120 PS, die einen 50-Kilowatt-Dynamo antrieb (dieses Prinzip gilt noch heute: Kohle wird verstromt, indem Dampf erzeugt wird, der Dynamos antreibt; auch Atomkraftwerke sind nichts anderes als gigantische Tauchsieder, die Wasserdampf für die Generatoren erzeugen).

Rathenau hatte Geld in der Hand, weil er seit dem Verkauf einer von ihm gegründeten Maschinenfabrik Goldmark-Millionär war. Neun Jahre hatte er nach einer neuen Lebensaufgabe gesucht. Jetzt lag sie vor ihm. Er sprach Edison an, um sich die deutschen Rechte des Edison’schen Glühlampensystems zu sichern und auf dieser Grundlage eine neuartige Großindustrie aufzubauen. Die von Edison für Europa gegründete Patentverwertungsgesellschaft, die Compagnie Continentale Edison in Paris, räumte Rathenau eine kostenlose Option bis Ende 1882 ein. Die Ausübung der Option war davon abhängig, dass er ein Aktienkapital von 5 Mio. Mark innerhalb eines Jahres nachweisen musste, was damals eine hohe Summe für ein Industrieunternehmen war. Rathenau beschloss, die Elektrizität in Berlin einzuführen. Dafür waren die Verhältnisse günstig: Berlin wuchs in jenen Jahren sehr schnell. Mit dem Bau der Kanalisation für 1,2 Mio. Menschen war erst vor wenigen Jahren begonnen worden. Selbst im Palais des Kaisers gab es keine Badewanne. In dieser Riesenbaustelle konnte Rathenau damit rechnen, dass sein Stromnetz beim Bau der auf 4 Mio. Einwohner geplanten Metropole mitwachsen würde. Der Baulöwe Carstenn gründete eine „Kurfürstendamm AG“; Berlin hörte 1882 am Zoo auf. Nachts war es dunkel. Nur ein Viertel der Berliner hatte Gaslicht, die anderen nur Petroleumlampen. Nach Einbruch der Dunkelheit ging man zu Bett. Berlin war folglich ein ungeheurer Markt für Glühlampen. Die Berliner mussten sie nur kennenlernen.

Seine erste Edison-Anlage installierte Rathenau beim „Berliner Börsencourier“ – und das neue helle Licht, das man schon an der Tür einschalten konnte, wurde eine Sensation. Die zweite Lichtanlage wurde im „Böhmischen Brauhaus“ platziert. Die Brauer waren nämlich mit Gaslicht unzufrieden, weil es die Luft in den Gärkellern zu stark erhitzte und die Qualität des Bieres beeinträchtigte. Und das Brauhaus – und bald die ganze Branche – war hochzufrieden. Rathenau begeisterte auch die angesehensten Clubs der Hauptstadt für das elektrische Licht – den „Unionclub“ des Adels und die „Ressource“ der Banker. Rathenau war Gast bei einem Bankett der Ressource und konnte zuhören, wie der Bankier Pringsheim das neue Licht und seinen Propheten Rathenau pries. Aber Rathenau musste kurz darauf in den Keller verschwinden: Das Licht hatte angefangen zu flackern und er ahnte eine Katastrophe. Die Lager des Dynamos waren heiß gelaufen und Rathenau musste sie mit dem Eis kühlen, das eigentlich für die Sektkübel bestimmt war. Am nächsten Tag feierte Berlin das „fabelhaft-zuverlässige Edison-Licht“.

Der Durchbruch kam am 16.9.1882 auf der Internationalen Elektrizitätsausstellung in München. Es war überhaupt die erste Ausstellung, die nach Einbruch der Dunkelheit eröffnet werden konnte, weil die Hallen und Zufahrtsstraßen von zahlreichen Edison-Lampen beleuchtet wurden. Die Fachleute erkannten, dass Rathenau der Bogenlicht-Partei die Schau gestohlen hatte. Von nun an kam nur noch die Glühbirne in Frage. Die eigentliche Sensation war die Bühne im Theatersaal des Glaspalastes. Während der Auftritte des Königlich-Bayerischen Balletts konnte ein Techniker nach Wunsch die Lichtstärke verändern und erstaunliche Effekte erzeugen. „Diese Theaterbeleuchtung ist ein durchschlagender Erfolg des elektrischen Lichts!“, meldete die Elektrotechnische Zeitschrift. Die Münchner Zeitungen feierten Rathenau. Berliner Bankiers fragten bei den Kollegen an der Isar ungläubig nach. Die telegrafierten zurück: „Zeitungsdepeschen sind nicht übertrieben.“ Die Privatbankiers waren gewonnen und erklärten sich bereit, die Gründung der Deutschen Edison-Gesellschaft mit 5 Mio. Mark zu finanzieren. Voraussetzung war allerdings, dass sich Rathenau vorher mit der Firma Siemens & Halske und ihrem Chef arrangierte.

Auch Werner Siemens (der Adelstitel wurde ihm erst 1888 vom „Hundert-Tage-Kaiser Friedrich“ verliehen), damals schon 66 Jahre alt, im Unterschied zu dem gerade 45 Jahre alt gewordenen Rathenau, war auf der Pariser Elektrizitätsausstellung gewesen; allerdings als Anhänger der Bogenlampen. Er war zu der Zeit schon weltberühmt, denn er hatte im Jahr 1866 den Dynamo erfunden. Aus einer kleinen Werkstatt mit 10 Arbeitern hatte er – Partner Halske war längst ausgeschieden – in 35 Jahren einen der ersten multinationalen Weltkonzerne mit Tochtergesellschaften in Großbritannien, Russland, Österreich-Ungarn, Frankreich und den USA gemacht. Das war allerdings die Karriere eines Schwachstromers: Siemens war nämlich der Pionier der Telegrafenleitungen, die bis nach Indien, New York und Afrika reichten. Von seiner „genialen technischen Begabung“ (Firmengeschichte) zeugten zahlreiche Erfindungen und Entdeckungen. Die Akademie der Wissenschaften ernannte ihn zum Mitglied, obwohl er nicht einmal Akademiker war und den Unterricht in seinen Lieblingsfächern Mathematik und Naturwissenschaft in der Ausbildung zum Berufsoffizier erhalten hatte. Anders als andere Erfinder war Siemens im Laufe der Jahre zum mehrfachen Millionär geworden. Denn er war ein außerordentlich geschickter – und oft auch gerissener – Geschäftsmann, dessen „meisterhafte Ausnutzung aller nationalen und internationalen Kaufmannschancen“ die Zeitgenossen bewunderten; ein Bild, das Siemens allerdings nicht sehr lieb war. Aber sein unternehmerisches Gespür zeigte sich z.B. darin, dass er das von dem Amerikaner Alexander G. Bell entwickelte Telefon einfach nachbaute, da es in Deutschland nicht patentiert war. Der Verkauf verlief „mit großem Erfolg und einer Gewinnspanne von 50 %“.

Die Aufnahme der Verhandlungen zwischen den beiden Männern wurde durch den Umstand erleichtert, dass sie sich seit Jahren kannten. Rathenau war als Maschinenfabrikant Mitglied im Verein der Berliner Metallindustrie gewesen; einer Arbeitgeberorganisation, die Siemens gegründet hatte, um gegen die organisierten, streiklustigen Arbeiter eine geschlossene Aussperrungsfront aufbauen zu können. Das war aber eher in den jüngeren Jahren. Als älterer Unternehmer nahm er den Sozialdemokraten den Wind aus den Segeln, indem er die Sonntagsarbeit abschaffte und werktags nur noch von 7 Uhr früh bis 6 Uhr abends arbeiten ließ, bei drei Pausen und einem Spitzenlohn von 25 Mark die Woche. Zusätzlich wurde eine Alters- und Invalidenpensionskasse für die Siemens-Belegschaft gegründet. Die Beiträge zahlte die Firma. Auch das imponierte Rathenau, weil damit fähige Arbeiter an die Firma gebunden und gleichzeitig der „Betriebsfrieden“ gesichert werden konnte.

Beide Kontrahenten konnten bei dieser Verhandlungslage nur gewinnen: Siemens brauchte Rathenau und die Edison-Patente, Rathenau brauchte Siemens, weil nur Siemens genügend Erfahrung hatte, um die Massenproduktion elektrischer Aggregate aufzunehmen. Der Kompromiss: Siemens und Rathenau teilten das große Edison-Monopol in zwei kleinere Monopole auf: Rathenau sollte den Bau von Kraftwerken und den Stromverkauf übernehmen. Dafür verpflichtete er sich, alle Dynamos, Motoren, Kabel etc. bei Siemens zu kaufen. Beide Partner durften eigene Glühlampenfabriken bauen, sahen aber bereits die Gründung eines Glühlampenkartells mit strikter Preisbindung vor. Als der auf zehn Jahre befristete Kooperationsvertrag unterschrieben war, hatten Siemens und Rathenau den Elektrizitätsmarkt in Deutschland schon aufgeteilt, bevor es ihn überhaupt gab.

Nachdem Rathenau und seine Bankiers im April 1883 die Deutsche Edison-Gesellschaft mit einem Aktienkapital von 5 Mio. Mark gegründet hatten, ging er zielstrebig an den Ausbau der Elektrizität in Berlin. Dafür holte er sich einen begeisterungsfähigen jungen Mann, Oskar von Miller, der bei ihm Technischer Direktor wurde. Von Miller hatte es bis dahin nur zum königlich-bayerischen Staatsbau-Praktikanten und einem Monatsgehalt von 120 Mark gebracht. Aber er hatte aus eigener Initiative die große Elektrizitätsausstellung in München organisiert. Rathenau bot ihm daraufhin ein sensationelles Jahressalär von 20.000 Goldmark plus Gewinnbeteiligung. Mit seinem kleinen Stab, der auch einen Patentanwalt umfasste, überzog Rathenau Berlin mit einem System von „Blockstationen“, die Häuserblocks mit Strom versorgen sollten. Die erste Blockstation entstand an einer der belebtesten Kreuzungen der Reichshauptstadt, Friedrichstraße/Ecke unter den Linden. Sie konnte mit ihren sieben Dynamos 1.800 Glühlampen in den Gaststätten und Geschäften mit Strom speisen. Aber Rathenau dachte damals schon anstelle der kleinen Dynamos in den Kellern an „Riesenhallen mit vieltausendpferdigen Maschinen, die automatisch und geräuschlos ganze Millionenstädte mit Licht und Kraft beliefern“. Aber klar war, dass Rathenau solche Pläne nicht ohne und schon gar nicht gegen den Willen der Stadt verwirklichen konnte, in der sich das alles abspielte: Berlin.

2. Kapitel Der erste Konzessionsvertrag zwischen der Stadt Berlin und der „Actiengesellschaft Städtische Elektricitätswerke“

Erster Schritt war die Gründung einer „Actiengesellschaft Städtische Elektricitätswerke“ als Tochtergesellschaft von Rathenaus Deutscher Edison, wiederum mit seinen Bankiers im Rücken. Sie sollte nach ihrer Satzung „der gewerbsmäßigen Ausnutzung des elektrischen Stroms im jetzigen und künftigen Weichbild der Stadt“ dienen. Damit war sie von der Konzeption her das erste öffentliche deutsche Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU).

Die Verhandlungen mit der Stadt erwiesen sich als äußerst schwierig, obwohl der Magistrat unter seinem linksliberalen Oberbürgermeister Rathenaus Plänen ausgesprochen positiv gegenüberstand. Aber viele Abgeordnete im Stadtparlament und ihre Fraktionen diskutierten Monate über die Frage, ob man die Stromversorgung überhaupt einem privaten Unternehmen überlassen oder besser in die eigenen Hände nehmen sollte, so wie bei Gas und Wasser. Der Magistrat setzte sich durch mit dem Argument, dass Privatunternehmen für den Ausbau der Stromwirtschaft besser geeignet seien, weil sie über das erforderliche Wissen verfügten, aber auch das technische und wirtschaftliche Risiko tragen mussten.

Damit verlief die Entwicklung in Berlin anders als in Hamburg, wo der Senat mehrere Anträge auf Wegerechte ablehnte, weil die Hansestadt monatlich fast 200.000 Mark Gaseinnahmen hatte. Der Aufbau der Stromversorgung hätte also in direkter Konkurrenz zur kommunalen Gasversorgung gestanden. Daran war der Senat nicht interessiert. Rathenau machte die Berliner Stadtväter demgegenüber darauf aufmerksam, dass sie ihre Gaseinnahmen erheblich steigern könnten, wenn sie das Stadtgas nicht zur Beleuchtung, sondern für die Gasheizung propagieren würde: „Sind Gasöfen, die in wenigen Augenblicken funktionieren und das Einbringen unsauberer Brennmaterialien in unsere Wohnungen beseitigen, nicht unvergleichlich angenehmer als Kohlenfeuerungen?“ Und er versicherte: „Gas gewinnt mit der Heizung ein konkurrenzloses Feld“: Eine äußerst weitsichtige Argumentation.

Am 24.1.1884 billigte die Stadtverordnetenversammlung mit großer Mehrheit den Abschluss eines Konzessionsvertrages mit der Actiengesellschaft Städtische Elektricitätswerke. Übertragen wurde die Stromversorgung des Stadtbezirks rings um den Werderschen Markt (heute Sitz des Auswärtigen Amtes); nur wenige hundert Meter von der Prachtstraße Unter den Linden entfernt. Im Vertrag zwischen Stadt und EVU wurden jene Grundregeln festgelegt, die Konzessionsverträge bis zum Jahre 1998 aufwiesen, dem Jahr der Liberalisierung der Energiemärkte. Die Gesellschaft erhielt das exklusive Wegerecht für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen; niemand außer der Gesellschaft konnte Stromleitungen verlegen. Das war ein Transportmonopol. Außerdem erhielt sie auch das Monopol für den Stromverkauf, weil sonst der hohe Investitionsaufwand für die Leitungen nicht zu finanzieren war. Als Gegenleistung zahlte Rathenau 6 % vom Umsatz als Konzessionsabgabe an die Stadt. Außerdem verpflichtete er sich, jeden Bürger im Konzessionsgebiet an das Netz anzuschließen – die „Anschluss- und Versorgungspflicht“. Der Stadt war auch schon klar, dass im Monopol die Preise kontrolliert werden mussten. Der Magistrat behielt sich also eine Preis- und Missbrauchsaufsicht für die Tarife vor.

Das gelungene Berliner Experiment war ein Signal für andere deutsche und europäische Städte. Das Berliner Beispiel wurde vielfach kopiert. Daraus ergaben sich für Rathenaus Firmen kräftige Wachstumsimpulse. Während die Deutsche Edison im Jahr 1886 nur rund 90.000 Glühlampen verkauft hatte – was damals ein gewaltiger Erfolg war –, wurden drei Jahre später schon mehr als 1 Million Glühlampen verkauft.

Strom wurde allerdings praktisch nur für Glühlampen gebraucht. Rathenau propagierte deswegen die Umrüstung der Industrie von Dampfkraft auf Elektrizität. In Berlin liefen um 1888 tagsüber nur etwa zwölf Elektromotoren. Rathenau stieg daher in Straßenbahnen ein: Er baute städtische Pferdebahnen in Rekordzeit zu einer elektrischen Straßenbahn um. Beispiel Halle: Das städtische Kraftwerk gewann tagsüber einen Großkunden, die „Elektrische“, die hohe Gewinne abwarf. Außerdem bezog sie das gesamte elektrische Material von Rathenau. Es kam zu einem „Straßenbahnfieber“: Breslau, Chemnitz, Dortmund, Essen, Fürth, Gladbach, Königsberg, Kiew und Oslo.

Rathenau gelang es auch, die gesamte Stromversorgung von Genua in einer einzigen Gesellschaft zusammenzufassen, der als Großverbraucher auch die Straßen- und Zahnradbahn in der Hafenstadt gehörten. Danach fielen auch Mailand, Venedig und Neapel an die AEG. In der Schweiz beteiligte sich Rathenau an einem Konsortium, das das Recht besaß, den Rheinfall von Schaffhausen für die Stromgewinnung zu nutzen. Er baute die Anlagen. Finanziert wurden die Aktionen aus der Schweiz, von einer Spezialbank in Zürich, bei deren Gründung Rathenau sich mit der Schweizerischen Kreditanstalt zusammengetan hatte: „Bank für elektrische Unternehmungen“, Elektrobank. Rathenau entdeckte schließlich Südamerika. Er gewann die Konzessionen für Kraftwerksbau und Stromversorgung von Buenos Aires (Argentinien), Santiago de Chile und Montevideo (Uruguay).

Der Konzessionsvertrag garantierte mit seinen langen Laufzeiten dem Stromversorger Investitionssicherheit und ein Versorgungsmonopol, der Kommune die Erfüllung der Gemeinwohlaufgabe Elektrizitätsversorgung. Erst 1990 wurde mit einer Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) die Laufzeit auf zwanzig Jahre beschränkt. Und erst 1998 erzwang die EU mit dem „third party access“ den Wettbewerb in der Stromversorgung: Wettbewerber können den Zugang zum Netz verlangen. Der Konzessionsvertrag vermittelt nur noch ein Wegenutzungsrecht – und das nicht einmal autonom. Denn (etwa) Industrieunternehmen können von der Kommune ein Wegerecht für den Bau einer Direktleitung verlangen.

3. Kapitel Die Großbanken wittern das große Geschäft

Rathenaus kleine Berliner Zentralstationen produzierten allerdings außerordentlich teuer; die Kilowattstunde kostete 1 Goldmark. Die Bankiers, die Rathenaus Firmengründungen finanziert hatten, saßen auf unverkäuflichen Aktien. Zwar konnte das erste öffentliche Kraftwerk 6.000 Lampen mit Strom versorgen, tatsächlich am Netz waren aber nur 3.000, und zwar fast ausschließlich in Theatern, Hotels und Banken. Nicht einmal der alte Kaiser hatte elektrisches Licht. Deswegen verlangten die Bankiers drastische Sparmaßnahmen. Die Finanzierung zweier weiterer Kraftwerke in der Innenstadt, die der Magistrat forderte, lehnten sie ab.

Rathenau hielt das für einen schweren Fehler. Er wollte im Gegenteil kräftig expandieren und dazu große Dynamos einsetzen. Die Bankiers hielten ihm entgegen: „Wenn Sie mit kleinen Maschinen schon keinen Profit machen können, wieviel weniger mit großen!“ Der Magistrat drohte andererseits, die Konzession zu kündigen, wenn die geforderten Kraftwerke nicht gebaut würden. Da kam Rathenau Georg Siemens zu Hilfe, ein Vetter von Werner Siemens, der sich in der Elektrizitätsbranche bestens auskannte. Er war der Gründer und Vorstandssprecher der Deutschen Bank. Dabei stand er in regem Austausch mit dem US-Banker John Pierpont Morgan, dem Finanzier von Edison. Siemens beurteilte die Lage daher anders als die Bankiers, die hinter Rathenau standen. Die Finanzwirtschaft konnte sich mit ihren Krediten direkt an das Wachstum der Elektroindustrie und der Stromwirtschaft ankoppeln, die sich nach dem Berliner Vorbild bald über das ganze Reich ausdehnen würden. Georg Siemens war daher bereit, Rathenaus Gesellschaften die geforderten Kredite zu geben. Mit diesem „Sprung in die Elektrizitätswirtschaft“ stiftete der Sprecher der Deutschen Bank die „Ehe zwischen Großbanken und Stromern“, die heute noch funktioniert.

Während J.P. Morgan und David Rockefeller in den USA straff organisierte Dachgesellschaften (Trusts) propagierten, zeigte sich Werner Siemens eher ablehnend. Georg Siemens hingegen bewunderte seine amerikanischen Vorbilder: „Die Leute sind rücksichtslose Räuber, aber sie haben Sinn für große Konstruktionen!“ Die Deutsche Bank beschloss daher auf Vorschlag von Georg Siemens, „sich mit ihrem Namen, ihrer Arbeit und mit ihrer Kapitalkraft an der Sicherung und Erweiterung der Deutschen Edison-Gesellschaft und ihrer vorbereiteten Unternehmungen zu beteiligen“. Nach amerikanischem Vorbild setzte Georg Siemens die Deutsche Edison und die Firma Siemens & Halske unter Druck, einen neuen Kartellvertrag zu schließen. Danach durfte Rathenau jetzt auch große Dynamos bis zu 100 PS fabrizieren; bei größeren Kraftwerken aber „sollte die Bauausführung gemeinschaftlich erfolgen“. Siemens hatte damit ein Standbein im Kraftwerkbau und beteiligte sich mit 1 Million am Aktienkapital der Rathenau-Firma. Sein Sohn Arnold wurde Aufsichtsratsmitglied.

Mit dem frischen Geld wurden Edison zunächst die Patentrechte abgekauft. Außerdem gab es Rathenau Gelegenheit, seine Selbständigkeit auch im Firmennamen zu zeigen: Er taufte die Deutsche Edison in Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) um. In den nächsten zwölf Jahren brachte Rathenau die AEG von wenigen Hundert auf fast 20.000 Mitarbeiter. Auch die Berliner Elektricitätswerke AG wurde zur Goldgrube: Rathenau erhielt von Georg Siemens statt der von ihm geforderten drei von den anlagefreudigen Banken in den nächsten vier Jahren 30 Mio., die er in den Bau von Großmaschinen investierte. Die Aufträge kommentierte Werner Siemens wie folgt: „Bauen kann ich Ihnen solche Maschinen schon, aber gehen werden sie nicht.“ Das war eine Fehleinschätzung. Vielmehr wurden die Maschinen zum Verkaufsschlager des Jahrzehnts, zum „Goldesel der Firma Siemens & Halske“. Der Erfolg der AEG zeigte sich auch daran, dass Rathenau seinen Aktionären bis 1914 eine Dividende von 15 % p.a. zahlte.

So erfolgreich war die Zusammenarbeit zwischen Edison und der New Yorker Hochfinanz für ihn im Ergebnis nicht. Die Schlüsselfiguren der New Yorker Banker hatten schon früh das gewaltige Potential der Edison’schen Erfindungen erkannt und sich als Ziel die Schaffung eines monopolisierbaren Weltmarktes für neue Produkte und elektrischen Strom gesetzt. Dafür war Edison, der mit seinen mehr als tausend Patenten erfolgreichster Erfinder aller Zeiten, die richtige Persönlichkeit. Er war ein typischer Amerikaner, der nur drei Monate lang eine Schule besuchte und lesen, schreiben und rechnen zu Hause von der Mutter gelernt hatte. Schon mit 20 meldete er sein erstes Patent an und machte sich als „hauptberuflicher Erfinder“ selbständig. Allerdings machte Edison nur Erfindungen, mit denen sich auch Geld verdienen ließ. Bevor er die Arbeit aufnahm, untersuchte er in einer Art Marketingstudie das gesamte wirtschaftliche und technische Umfeld einer neuen Erfindung und passte sie den erforderlichen Bedingungen an. Typisches Beispiel war die Bogenlampe, von der Edison sofort erkannte, dass sie für die Beleuchtung von Wohnungen ungeeignet war. Nach der Besichtigung propagierte er in einem Interview, dass er demnächst in New York ein großes Elektrizitätswerk bauen werde, das hunderttausende von kleinen Lampen in Wohnungen und Geschäften mit Strom versorgen würde. Schon in diesem Interview machte er aber auch klar, dass der Strom natürlich bezahlt und der Verbrauch natürlich mit einem Stromzähler gemessen werden müsse. Das Interview erregte größtes Aufsehen in aller Welt – und über Nacht stürzten an den Börsen die Aktien der Gasanstalten in den Keller. Nur wenig später kam eine Gruppe hochkarätiger Kapitalisten im Direktorium der Edison Electric Light Company zusammen, in dem neben den engsten Mitarbeitern von Morgan auch der Präsident der größten Telegraphengesellschaft der Welt und William H. Vanderbilt saßen, der reichste Mann Amerikas. Aber die Glühlampe interessierte Edison zunächst nur am Rande. Er beschäftigte sich vielmehr mit der Struktur der Gasversorgung und übernahm von ihr die Grundidee, dass das elektrische Kabelnetz wie die Rohrleitungen der Gasgesellschaften die Form eines Baumes haben müsse, bei dem die vom Stamm abzuzweigenden Äste nach außen hin immer dünner werden. Außerdem erkannte Edison, dass Glühlampen anders, als dies konkurrierende Ingenieure propagierten, eine Lampe mit hohem elektrischem Widerstand brauche, weil nur dann die Leitungskosten konkurrenzfähig waren. Ein Jahr nach der Gründung der Edison Light Company ließ der Erfinder die Kohlefadenglühlampe patentieren. Den dafür erforderlichen neu entdeckten Dynamo hatte er schon einige Monate vorher zur Patentierung angemeldet. Daraufhin begann er sofort mit den Vorarbeiten für den Bau des ersten Kraftwerks in New York. Jetzt mussten auch Fabriken für Lampen, Kabel, Dynamos, Installationsmaterial und Motoren gebaut werden. Dafür verlangte er Millionen von seinen Wall-Street-Freunden. Die wollten ihm allerdings keinen Cent bewilligen. Denn sie wollten nicht produzieren, sondern ohne Risiko die weltweit anfallenden Lizenzgebühren kassieren.

Unter diesen Umständen trat Edison die Flucht nach vorne an: „Da die Geldgeber zu ängstlich sind, stelle ich das notwendige Kapital aus eigener Tasche zur Verfügung. Die Lösung heißt: Fabriken oder Tod!“ Edison steckte in der Tat sein gesamtes Geld in den Bau von Fabriken und überschuldete sich zusätzlich mit Zwischenkrediten, für die ihm sein Partner Morgan 20 % Zinsen abnahm. Damit wurde Edison notgedrungen auch zum Gründer der amerikanischen Elektroindustrie, obwohl er von Finanzierungsgeschäften so wenig Ahnung hatte wie von der Buchführung. Nur bei der Gründung des New Yorker Elektrizitätsversorgungsunternehmens, der Edison Electric Illuminating Company of New York, ließen ihn die Freunde von Wall-Street nicht im Stich. Dieser Kapitalanlage standen dann auch in der Tat keine Risiken gegenüber.

Zwar wurde Edison binnen kurzer Zeit zu einem der größeren Industriellen des Landes. Aber gleich nach der Patentierung der Glühlampe hatten die Kapitalisten den Erfinder mit einem Trick zum Minderheitsaktionär degradiert: Edison konnte bei einer von den Morgan-Leuten vorgeschlagenen Verdreifachung des Stammkapitals nicht mithalten und besaß plötzlich nur noch ein Viertel der Aktien. Die von ihm als Fabrikant gezahlten Lizenzgebühren für seine eigenen Erfindungen wanderten überwiegend in die Taschen von Morgan und Co.

Zur gleichen Zeit stiegen in den USA zwei andere Unternehmer auf: Einer war Charles A. Coffin, Chef der Firma Thomson-Houston, der zunächst ein erfolgreicher Schuhfabrikant gewesen war, bevor er zu Thomson-Houston kam. Er verwandelte die auf Bogenlichtanlagen spezialisierte, schläfrige Firma in ein expandierendes elektrotechnisches Universalunternehmen, das schließlich Konkurrenzunternehmen reihenweise schluckte. Zweiter großer Konkurrent war George Westinghouse, der als Erfinderfabrikant mit seiner Eisenbahn-Luftdruckbremse Millionen gemacht hatte. Er hatte bei seinen Marktstudien und bei Diskussionen mit Elektrotechnikern die große Schwachstelle des Edison-Systems entdeckt. Gleichstrom ließ sich wirtschaftlich nur etwa zwei Kilometer weit leiten. Bei größeren Entfernungen wurden die Kupferkabel zu dick. Wechselstrom konnte man dagegen mit den gerade erfundenen Transformatoren auf Hochspannung bringen. Hochgespannter Strom ließ sich in Kabeln von normaler Strecke ohne größere Verluste über weite Strecken leiten und für den Verbraucher sodann „herunter transformieren“. Westinghouse erkannte die Vorteile des Wechselstroms früher als alle anderen Fabrikanten. Er kaufte für riesige Summen alle erreichbaren Wechselstrompatente und baute die ersten Wechselstromkraftwerke.

Edison hätte zu dieser Zeit ebenfalls umsteigen müssen. Aber der geniale Techniker wollte die Vorzüge des Wechselstroms nicht sehen. „1879 war Edison einer kühner und mutiger Neurer“, schreibt ein Biograph, „zehn Jahre später hatte er sich in einen vorsichtigen und konservativen Verteidiger des status quo verwandelt.“ Edison schlug zurück: Bürgerinitiativen propagierten damals anstelle der qualvollen Hinrichtung durch den Strang den angeblich blitzschnell wirkenden elektrischen Stuhl. Um die Wähler zu überzeugen, tötete ein auf Edisons Gehaltsliste stehender Professor H. G. Brown bei Massenveranstaltungen vor den Augen des Publikums große Hunde durch Stromstöße, allerdings darauf hinweisend, dass sich nur der neumodische Wechselstrom zum Töten eigne, nicht dagegen der harmlose Gleichstrom von Edison. Der Bundesstaat New York führte 1888 den elektrischen Stuhl als Hinrichtungsmaschine ein. Professor Brown machte darauf aufmerksam, dass die Hinrichtungen mit Wechselstromgeneratoren der Firma Westinghouse vollzogen würden. Im Parlament wurde sogar vorgeschlagen, in Zukunft nicht mehr von „Hinrichten“ sondern von „Westinghousen“ zu sprechen. Das war aber nur ein publizistischer Erfolg.

Aber trotz des „Wechselstromkriegs“ hatten alle Unternehmen wirtschaftlichen Erfolg, auch Edisons Gesellschaft. Edison kam mit der Produktion nicht mehr nach und musste Schulden machen, um neue Fabriken zu bauen. Trotz größten Erfolgs als Fabrikant lebte er wegen seines zu geringen Grundkapitals ständig in der Furcht vor dem Bankrott. Unter dem Druck der Banken brachte er seine Werke in die gemeinsam mit der Muttergesellschaft gegründete Edison General Electric ein, eine Trust, unter dessen Dach Patente, Lizenzen, Beteiligungen und Fabriken vereinigt waren. An dieser Gesellschaft hielt Edison zunächst ein Viertel des Aktienkapitals. Doch dann wurde wieder einmal das Stammkapital erhöht, so dass Edison plötzlich nur noch 10 % des von ihm groß gemachten Unternehmens gehörten. Morgan dagegen hatte in wenigen Jahren einen Gewinn von 350 % gemacht.

Aber das war Morgan nicht genug. Er setzte sich zum Ziel, auch die beiden Konkurrenzgesellschaften Thomson-Houston und Westinghouse zum Eintritt in den Trust zu bringen. Dafür ließ sich nutzen, dass Edison nach langen Patentprozessen zum alleinigen Erfinder der Glühlampe erklärt wurde. In der Branche brach Panik aus. Morgan nutzte sie zu Geheimverhandlungen mit Thomson-Houston. Doch deren Chef Coffin, hinter dem schließlich die Bostoner Banker standen, wollte nicht klein beigeben. Er führte ins Feld, dass seine Firma 50 % mehr Gewinn erwirtschaftete als die Edison-Gesellschaft. Das reichte für Morgan: Er bot Coffin den Vorstandsvorsitz an der fusionierten Gesellschaft an, was dieser akzeptierte. Nur Edison legte sich quer: Er lehnte jede Zusammenarbeit mit Patentpiraten und Wechselstromern ab, aber ohne zu merken, dass eine neue Zeit angebrochen war. Da die Bankiers keinen Erfinder mehr brauchten, erhielt die fusionierte neue Gesellschaft den Namen General Electric. Edison wurde auch als Namensgeber nicht mehr gebraucht. Am nächsten Morgen erschien der New York Herald mit der riesigen Schlagzeile: „Edison ausgebootet!“ Darunter: „Er war Wall-Street nicht gewachsen.“

Nun war Westinghouse an der Reihe. Um ihn in die Knie zu zwingen, entfesselte Coffin einen Preiskrieg, bei dem beide Konzerne sich gegenseitig unterboten und enorme Verluste machten. Auf dem Höhepunkt einer Rezession kam es plötzlich zu einem konzertierten Börsenmanöver, das die Kurse der Westinghouse-Aktien so stark fallen ließ, dass die kopflosen Anleger zu jedem Preis verkauften – und zwar an eine Großbank. Diese und die Wall-Street-Banker sprachen sich ab. General Electric und Westinghouse beendeten den Preiskrieg und schlossen ein Abkommen über den Austausch ihrer Patente und sicherten sich so für Jahrzehnte die technische Vorherrschaft. An die Stelle des kämpferischen Wettbewerbs mit ruinösem Preisverfall traten heimliche Marktabsprachen mit Quoten und sicheren Profiten: Die „große Elektroverschwörung“ von 1897 (Time).

Dieses Oligopol war allerdings keine US-amerikanische Spezialität.

Auch in Deutschland gehörten Stromversorgungsmonopole, garantiert durch Konzessionsverträge, und Kartellabsprachen, wie die zwischen Rathenau und Siemens, zu den Konstruktionsprinzipien der Stromwirtschaft. Deutschland wurde zum „Land der Kartelle“ – und die Stromwirtschaft war die Vorreiterin.

4. Kapitel Der Stromkrieg von 1901