Fünfzehn kopflose Tage - Dave Cousins - E-Book

Fünfzehn kopflose Tage E-Book

Dave Cousins

4,7

Beschreibung

Laurence Roach wünscht sich eigentlich nur ein normales Leben, doch das ist schwer, wenn die Mutter eine depressive Alkoholikerin ist. Als sie eines Abends nicht mehr nach Hause kommt, erzählt er niemandem davon - aus Angst, er und sein Bruder Jay müssten sonst in Pflegefamilien. Er täuscht vor, seine Mutter sei noch da,zieht sich ihre Kleider an und verstrickt sich immer mehr in ein Netz aus Lügen. Abend für Abend schleicht er zudem in die Telefonzelle und gibt sich in der Live-Sendung des lokalen Radiosenders für seinen verstorbenen Vater aus, um seinen geheimen Traum zu verwirklichen.

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Seitenzahl: 312

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Inhalt

Dienstag

Schnittwoch

Kummertag

Schei...tag

Krampftag

So'n-Tag

Monstertag

Dienst-Tag

Mistwoch

Voller-Tag

Bleitag

Kampftag

Sohntag

Ohntag

Dieser-Tag!!!

Wirrwoch

Heute

Danksagung

Mitschrift des Interviews

Über den Autor

FÜR JANE, PTOLEMY,

HOCKLEY UND DYLAN – IN LIEBE

Die Tür knallt. Mum ist wieder da.

Es hört sich an, als ob eine Leiche auf den Boden klatscht, als sie ihr Zeug im Flur ablädt. Sie geht direkt in die Küche. Ich höre, wie eine Flasche auf den Tisch gestellt, der Deckel aufgeschraubt und der Inhalt leise gluckernd eingeschenkt wird.

Mum hustet, zieht sich einen Stuhl ran und setzt sich.

Zigarettenrauch zieht ins Wohnzimmer, wo Jay und ich uns still verhalten. Wir machen uns unsichtbar bis zur Happy Hour – wenn der erste Drink seine magische Wirkung entfaltet und Mum wieder ein Lächeln entlockt.

«Wo sind meine schönen Jungs? Wo habt ihr euch versteckt?» Das ist das Signal, die Entwarnung, dass es sicher ist herauszukommen. Die Happy Hour hat begonnen.

Wir gehen in die Küche. Als Jay sich in Mums Arme wirft, strahlt sie und küsst ihn ab. Ich bleibe an der Tür, bis sie mich zu sich winkt und in die Umarmung hineinzieht. Der Geruch von Frittenfett und Zigaretten erstickt mich beinahe.

Jay erzählt ihr von der Schule. Sie hört zu und lächelt und schenkt sich noch ein Glas ein. Die Flüssigkeit ist rot und dickflüssig.

Dann driftet sie allmählich ab. Ihr Blick wird glasig und das Lächeln schwindet. Jay redet weiter, zu laut für einen Sechsjährigen. Auf dem Tisch liegt ein Messer, das er dreht und dreht, während er immer weiterspricht … «Und in der Pause hat Matt gesagt» … wusch … «Aber das wollten wir dann doch nicht spielen» … klirr, wusch, schepper …, bis es an die Flasche stößt und Mums Auge zuckt.

Ich lege die Hand auf das Messer und sage Jay, er soll ins Bett gehen.

Er wirft mir einen bösen Blick zu. «Will nicht ins Bett.»

«Doch, du musst jetzt schlafen.»

«Nein!»

«Los, Jay.»

«Das hast du nicht zu bestimmen.» Er sieht Mum an.

Ihr Blick taumelt zu uns zurück. «Worum geht’s, Schatz?»

«Ich muss doch noch nicht ins Bett, oder?»

«Natürlich nicht, Liebling. Komm zu Mummy.»

Mein kleiner Bruder sieht mich triumphierend an und klettert auf ihren Schoß. Ich zucke die Achseln und lasse sie machen. Aber ich bleibe in Hörweite.

Die Happy Hour dauert ungefähr eine Stunde, manchmal nicht ganz so lang. Es ist schlimmer, wenn wir pleite sind und Mum nicht trinkt. Kein Drink, keine Happy Hour. Mum stürmt dann durch die Wohnung und schreit Jay und mich an, weil es überall unordentlich ist. Oder sie bleibt den ganzen Tag im Bett oder schließt sich im Badezimmer ein, wo man sie durch die Tür heulen hört. Das kann Stunden dauern, in diesem Fall muss ich mit Jay zum Pinkeln hinter die Mülltonnen schleichen.

Um acht habe ich Jay im Schlafanzug. Er krabbelt auf allen vieren durch den Flur zum Badezimmer, blickt zu mir zurück und bellt. Das ist ganz normal – jedenfalls nicht ungewöhnlich für Jay. Ich weiß nicht mehr, wann das mit den Hunden bei ihm angefangen hat, aber er tut erst so, als wäre er einer, seit wir hierhergezogen sind. Er macht es nicht die ganze Zeit, nur wenn er weiß, dass es mich nervt – wie jetzt.

«Mach schon, Jay, Zähneputzen.»

Ich drücke Zahnpasta auf seine Zahnbürste und will sie ihm geben.

Er schüttelt den Kopf.

«Wenn du dir nicht die Zähne putzt, fallen sie aus.»

Jay wufft und grinst zu mir hoch.

Dafür haben wir keine Zeit. Wenn Mum merkt, dass er noch nicht im Bett ist, wird sie zur Wildsau.

«Jetzt steh endlich auf!» Ich packe ihn am Arm und will ihn hochziehen.

Jay schnappt knurrend nach meinem Handgelenk.

Vor Schreck lasse ich die Zahnbürste fallen. «Du hast mich gebissen!» Es tut nicht weh, aber seine kleinen Zähne haben einen perfekten Abdruck hinterlassen.

Als Jay mich ansieht, funkelt ein winzig kleines Lächeln in seinen Augen.

Jetzt bin ich sauer.

«Meinetwegen!» Diesmal greife ich mir seine Schultern und stelle ihn auf die Füße. Jay wehrt und windet sich und will noch mal zubeißen, aber ich bin zu stark, und das weiß er auch. Ich hebe die Zahnbürste auf und drücke sie auf seine Lippen. Mit geschlossenem Mund, ganz rot im Gesicht, sieht er mich böse an. Dann bröckelt plötzlich die Fassade und er fängt an zu weinen.

Ich verfalle in Panik und schließe ihn in meine Arme – Hauptsache, er macht keinen Lärm.

Sein Weinen zählt zu den wenigen Geräuschen, die durch die Wolke dringen. Die Wolke folgt stets auf die Happy Hour, dauert aber sehr viel länger. Ein Kraftfeld aus Kippengestank und Alkohol, mit unserer Mum in der Mitte. Es erinnert mich an die alte Fernsehserie Stars in Their Eyes – wenn der Kandidat als normale Person durch die Tür hinausgeht und dann völlig verwandelt aus dem Rauch wieder herauskommt. Mum dagegen sieht vorher und nachher gleich aus – nur ihre Persönlichkeit hat sich verändert. In einer Fernsehshow würde das wahrscheinlich nicht viel hermachen.

Jetzt höre ich sie kommen – wie King Kong stürmt sie durch den Flur und flucht, wenn sie sich an den Wänden stößt.

«Scheiße, was ist hier los?»

Einen Augenblick lang hört Jay auf zu weinen. Er hat die Augen aufgerissen, doch er ist noch zu jung, um die Warnung in ihrer Stimme zu hören. Er schluchzt weiter und zeigt auf mich.

«Lau – rence – hat mir – am Arm – weh – getan.»

Mum entreißt mir Jays Zahnbürste und hält sie mir vors Gesicht. «Mann! Kriegst du denn gar nichts hin, ohne dass es Theater gibt?» Ihre Zunge ist schwarz und bei ihrem Mundgeruch dreht sich mir der Magen um.

Sie erwartet eine Antwort, aber was soll man zu so einer Frage sagen? Also zucke ich die Achseln. Ganz schlecht. Mum kann es nicht ausstehen, wenn ich mit den Schultern zucke. Während ich mir noch vornehme, in Zukunft eher daran zu denken, kassiere ich eine fette Ohrfeige.

«Lass das gefälligst, wenn ich mit dir rede!»

«Tschuldigung.»

Sie drückt Jay die Zahnbürste in die Hand. «Zähneputzen und ab ins Bett – alle beide. Ich will euch nicht mehr sehen.»

Es ist fünf nach acht. Ich bin fünfzehn und soll um fünf nach acht ins Bett gehen.

Jay putzt sich die Zähne. Er sieht mich nicht an.

Mein Gesicht tut weh und die Haut um mein Auge schwillt an. Selbst schuld, ich hätte wissen müssen, was kommt.

Ich lege mich auf Jays Bett und lese ihm eine Geschichte vor. Er hat mir den Ärger beim Zähneputzen verziehen. Wahrscheinlich hat er ein schlechtes Gewissen, weil Mum mich geschlagen hat.

«Du hast geweint», sagt er.

«Das war kein Weinen. Es hat ein bisschen wehgetan. Manchmal tränen die Augen, aber das ist etwas anderes.»

«Hat es nicht richtig wehgetan?»

«Nee, halb so schlimm», lüge ich.

An unserer Zimmerdecke kleben Sterne. Eigentlich sollen sie im Dunkeln leuchten. Mum hat sie wie die echten Sternbilder angeklebt, die sie in einem Buch aus der Bibliothek gefunden hat. Als wir hier eingezogen sind, hat sie die ganze Wohnung dekoriert und jedes Zimmer in einer anderen Farbe gestrichen. Das Wohnzimmer hatte eine grässliche braune Blumentapete, die Mum eines Abends einfach in Fetzen von der Wand gerissen hat. Ich dachte, sie wäre verrückt geworden. Doch dann haben Jay und ich mitgemacht. Zu dritt sind wir durchs Wohnzimmer gehüpft und haben Mums Queen-CD in voller Lautstärke gehört. Dabei haben wir Tapetenkügelchen in die Luft geworfen, bis es aussah wie bei einem Schneesturm.

Das ist ewig her. Damals hat Mum sich noch Mühe gegeben. Der Umzug sollte eine Art Neustart sein – an einem Ort, wo uns niemand kannte, einem Ort ohne Vergangenheit.

Wir wohnen im obersten Stock eines Gebäudes, das Parkview Heights heißt. Der Name ist total bescheuert, weil es nur vier Etagen hat: Im Erdgeschoss liegen die Geschäfte der Parkview-Parade und darüber sind drei Stockwerke mit Wohnungen – aus denen man den Park nicht einmal sehen kann. In der Gegend geht ein Spruch rum: Wann weiß man, dass man endgültig ganz unten gelandet ist? Antwort: Wenn man in den Heights aufwacht! Wir haben Kakerlaken in der Küche, die Toilette ist undicht – und man muss nur kurz ein Fenster öffnen, dann stinkt es überall nach dem Imbiss in der Parade-Passage.

Etwas Besseres können wir uns nicht leisten. Mum beantragt keine Sozialhilfe, weil sie Angst hat, dass sie unsere Spur bis nach Bridgewell zurückverfolgen und lästige Fragen stellen. Wenn Leute Fragen stellen, müssen ihnen die Antworten nicht automatisch gefallen, und dann wird’s kritisch.

So wie beim letzten Mal – als die Frau mit dem Klemmbrett vorbeikam und behauptete, es wäre besser, wenn Jay und ich woanders wohnen würden, während Mum sich «neu aufstellte». Zehn Sekunden später hatte Mum sie vor die Tür gesetzt und noch am gleichen Abend saßen wir im Zug hierher – die unglaubliche verschwundene Familie. Ich fragte mich, was die anderen in der Schule wohl dachten, wenn ich einfach nicht wieder aufkreuzte, bis mir klar wurde, dass die Hälfte von ihnen es wahrscheinlich nicht einmal mitbekommen würde. Wenn man sich vorstellt, man würde irgendwo abhauen und keiner würde merken, dass man weg ist, weil niemandem aufgefallen war, dass man überhaupt da war – das ist hart.

Auf dem Scooby-Doo-Wecker am Bett ist es 20.55 Uhr. Es ist so weit.

Ich vergewissere mich, dass Jay schläft, und hole den Umschlag mit den Telefonkarten unter der Matratze hervor. Mum hat sie im Zeitschriftenladen gestohlen, als sie dort gearbeitet hat. Trotzdem würde sie mich umbringen, wenn sie merken würde, dass ich mich meinerseits bediene. Für kostenlose Telefonate, meinte Mum, aber sie benutzte sie nicht, weil sie gar nicht auf die Idee kam, zur Telefonzelle zu gehen. Damals hatten wir auch beide noch Handys, aber dann hat Mum ihres verloren und sich meins gekrallt. Das ist schon Monate her. Ich habe sie schon ewig nicht mehr mit meinem Handy gesehen, wahrscheinlich hat sie es auch verloren. Angeblich kauft sie mir ein neues, sobald sie einen besseren Job gefunden hat, aber das wird so schnell nicht passieren. Bis dahin habe ich wenigstens die Karten.

Ich stecke sie hinten in meine Jeanstasche und öffne das Fenster. Die Luft trieft wie Vanillesoße und riecht nach Bratfisch. Ich setze mich auf das Sims und schwinge die Beine durch den Spalt. Dann warte ich einen Augenblick, weil die Hitze mich fast umhaut, und lasse los.

Direkt unter unserem Schlafzimmerfenster bildet das Dach des darunterliegenden Stockwerks einen zwei Meter breiten Vorsprung, der sich rund ums Haus zieht. Die Oberfläche sieht wie geschmolzener grauer Käse aus und riecht bei dieser Hitze nach Elektrizität. Aus den Ritzen um die Kanten quillt schwarzes, klebriges Zeug, das man tagelang nicht richtig abwaschen kann, wenn man es an die Finger bekommt.

Ich laufe auf diesem Vorsprung bis zum Ende des Dachs und drehe mich um. Jetzt kommt der Teil, den ich nicht mag – ich hangle mich nach unten. Mit den Füßen taste ich nach dem windigen Leitergerippe, das seitlich am Gebäude festgeschraubt ist, und versuche, nicht an den Betonboden drei Etagen unter mir zu denken. Die Leiter führt zur Feuertreppe – klapprige Sprossen aus rostigem Metall, die beim Abstieg dröhnen und scheppern. Unten hängt eine Kette über dem letzten Stück, deshalb steige ich an der Seite auf einen der großen Müllcontainer in der Zufahrt hinter den Geschäften. Nachdem ich geprüft habe, ob die Luft rein ist, springe ich hinunter.

Bis jetzt ist alles gut gegangen. Ich denke nicht darüber nach, was passiert, wenn das Glück mich verlässt. Es könnte schon heute Abend geschehen. Ich sage mir, dass es keine Rolle spielt. Alles klar, Hauptsache, ich mache mir nicht zu viele Gedanken. Schon gar nicht darüber, was Mum sagen würde, wenn sie wüsste, was ich tue. Es ist riskant, Jay mit ihr allein zu lassen, vor allem in der Stimmung, in der sie heute Abend ist, aber ich muss das tun – für uns alle.

Die meisten Geschäfte in der Parade-Passage haben bereits die Rollläden runtergelassen, aber SavaShoppa, der Waschsalon und der Weinhandel haben noch geöffnet. Ich gehe über den Parkplatz zur Telefonzelle und ziehe die Tür auf – zur Begrüßung stinkt es nach Pisse und Zigaretten. Ich zittere schon, aber das ist normal. Der Trick besteht darin, nicht nachzudenken, sondern es einfach zu tun.

Ich nehme den schweren Hörer und schaue nach, ob auch niemand die Hörmuschel mit Kaugummi verklebt oder ins Mikro gespuckt hat, bevor ich eine von Mums geklauten Telefonkarten raushole und den Code eingebe. Die Telefonnummer kann ich auswendig. Ich wähle und lausche dem Rauschen in meinen Ohren, während ich warte, dass jemand drangeht.

Die Glaswände der Telefonzelle sind flächendeckend mit Graffiti besprüht, aber durch die Lücken kann ich die Fenster unserer Wohnung sehen. Wenn Mum rausschauen würde, könnte sie mich entdecken. Doch das tut sie nicht. Sie denkt, ich wäre in meinem Zimmer, im Bett. Sie rührt sich erst wieder, wenn ihr der Alkohol ausgeht, und dann bin ich längst wieder da. Es sei denn, Jay würde wach … Aber darüber kann ich jetzt gerade nicht nachdenken.

Eine fröhliche Frauenstimme begrüßt mich – und ich bin auf Sendung.

Wenn ich nicht gerade darüber nachdenke, dass ich im Radio komme, dann geht’s. Ich sage mir einfach: Wir unterhalten uns eben nur, Baz, der DJ, und ich, mehr nicht – er stellt mir Fragen, das war’s, und ich bin gar nicht in einer Live-Schaltung und tue auch nicht so, als wäre ich mein Dad, um einen Luxusurlaub zu gewinnen.

Ich muss aber dran denken, die Stimme zu halten. Da man erst ab achtzehn Jahren mitspielen darf, gebe ich mich als meinen Vater aus – keine Sorge, er kann es nicht rausfinden, er ist tot. Er hieß Daniel und hatte in Wirklichkeit keinen schottischen Akzent, aber ich wollte meine Stimme verstellen und ahme daher meinen Stufenleiter, Mr Buchan, nach. Bis jetzt kaufen die Leute beim Sender es mir anscheinend ab – und heute ist schon der dritte Tag.

Baz spricht zu seinen Hörern und wird mich gleich vorstellen. Er soll sich mal beeilen. Die Warterei macht mich fertig.

«Und da ist er wieder, unser aktueller Champion, Daniel Roach! Wie geht’s Ihnen heute, Dan? Fühlen Sie sich wie ein Glückspilz? Das ist hier die Frage: FÜHLEN SIE SICH WIE EIN GLÜCKSPILZ?»

Genau so sagt er das: in Großbuchstaben. Ich fühle mich nicht wie ein Glückspilz. Meine Beine zittern und ich müsste mal.

«Doch, so ziemlich.» Ich zucke die Achseln, aber das ist im Radio egal.

«EIN ZIEMLICHER GLÜCKSPILZ?», sagt Baz. «Dann wollen wir mal sehen, ob ziemlich viel Glück heute reicht, damit Daniel im Spiel bleibt. Ich wiederhole, er muss NUR drei Fragen richtig beantworten, dann ist er dem All-Inclusive-Familienurlaub einen Schritt näher, den unsere Freunde vom Hardacre Holidaze gespendet haben.» Der Werbesong von Hardacre Holidaze dudelt durchs Telefon: Nicht nur Urlaub – die schönsten Holidaze deines Lebens!

«Okay … Danny Boy, Sie haben es IN DER HAND, Mann – kein Stress!» Baz macht eine Aufmerksamkeit heischende Pause oder wartet vielleicht auf eine Antwort von mir.

Mein Mund ist wie ausgetrocknet.

«Daniel», sagt Baz. «Sind Sie bereit?» Ich lecke mir über die Lippen. «Ja.»

«Erste Frage.»

Draußen rast ein Auto vorbei, die Anlage voll aufgedreht.

«Wann endete der Erste Weltkrieg? War das A: 1945? B: 1918? Oder C: 1939? Ich lese noch mal vor. In WELCHEM Jahr endete der Erste Weltkrieg? A: 1945? B: 1918? Oder C: 1939?»

Ich atme aus. Auf Sendung hört sich das bestimmt wie ein Tornado an. «B: 1918.»

Baz schweigt. «Es geht um den ERSTEN Weltkrieg, Danny. Und Sie sagen, er endete, ein für alle Mal, für immer, vorbei – im Jahr 1918?»

«Ja.» Ich weiß, dass ich recht habe. Wir hatten den Ersten Weltkrieg in der Neun. Oder war es der Zweite? Mir wird heiß und kalt. Plötzlich bin ich mir nicht mehr sicher.

«RICHTIG!», sagt Baz und ich höre ihn förmlich grinsen.«Was schönes Leichtes für den Anfang, Dan! Geschichte liegt Ihnen, stimmt’s?»

«Eigentlich nicht. Das hatten wir in der Schule», sage ich, ohne nachzudenken.

Baz lacht. «Ich wahrscheinlich auch – aber ich kann mich kaum noch dran erinnern, was ich in GRAUER VORZEIT gemacht habe! Echt, falls jemand mir SAGEN kann, was ich damals gemacht habe, soll er sofort anrufen!»

Ich könnte mich dafür treten, dass ich so naiv war. Ich gebe mich hier als Vierzigjähriger aus – der geht doch nicht mehr zur Schule!

«Ein GUTER Start für unseren Sieger! In Geschichte kennen Sie sich also aus, Daniel, aber wie steht’s mit Sport?»

«Ganz gut», antworte ich, aber das stimmt nicht. Von Sport habe ich keine Ahnung.

«Schade», sagt Baz, «denn bei unserer nächsten Frage … geht’s um MUSIK!» Er lacht und spielt einen seiner berühmten Soundeffekte ab. «Sorry, Kumpel – ich will Sie nicht WIRKLICH rausbringen!» Er gluckst immer noch, als er schließlich die Frage stellt. «Daniel, wer von diesen dreien hat NICHT bei den legendären Beatles mitgespielt? War das A: Richard Starkey? B: Pete Best? Oder C: Julian Lennon? Sind Sie Beatles-FAN, DAN?»

«Ich find sie ganz okay.» Mein Mund ist wieder trocken. Ich weiß die Antwort nicht, doch ich glaube, das ist eine Fangfrage. Ich habe von keinem der drei je gehört, aber nur C klingt irgendwie nach einem der Beatles … Aber es war John Lennon und nicht Julian. Glaube ich jedenfalls.

«Sind Sie noch bei uns, Champ?»

«Jep.»

«Gleich muss ich auf eine Antwort DRÄNGEN.»

Ich schlucke. «C: Julian Lennon.» Ich weiß, dass es falsch ist, kaum dass ich es gesagt habe.

Baz seufzt. «Ich möchte das ganz klarstellen, Dan. Sie wollen mir erzählen, dass C – Julian Lennon – NICHT zu den fantastischen Pilzköpfen gehörte? Stimmt das?»

«Ja.» Es hat überhaupt keinen Sinn zu fragen, ob ich noch einmal raten darf. So sind die Regeln. Sie müssen die erste Antwort nehmen. Ich bin ein Idiot.

«Das ist absolut RICHTIG!», sagt Baz und spielt Applaus ein.«Richard Starkey, bekannter unter dem Namen Ringo Starr, und Pete Best saßen BEIDE für die Fab Four, die fabelhaften Vier, am Schlagzeug. Julian dagegen war, wie Danny genau weiß, der Sohn von John Lennon, aber NIEMALS MITGLIED der Band. Sehr gut, Dan! Hab ich’s nicht gesagt – das war leicht.»

«Jep», sage ich und wische mir den Schweiß von der Stirn.

«Eine noch, dann sind Sie weiter», sagt Baz leise in mein Ohr.

«Daniel. Sind Sie bereit?»

«Bereit.»

«Frage Nummer drei.»

In der Wohnung über dem Imbiss geht das Licht an und ich sehe durch unser Wohnzimmerfenster das Fernsehflackern.

«Wie heißen die bunten Papierschnipsel, die man bei Hochzeiten in die Luft wirft? Ist das A: Konfetti? B: Papyrus? Oder C: Paprika?»

«Konfetti. A.»

«Wow! DAS ging aber fix, Daniel. Irgendwie habe ICH das Gefühl, dass SIE neulich auf einer Hochzeit waren!»

«Nein.»

«Aber Sie sind doch verheiratet, oder?»

Ich denke gerade noch rechtzeitig daran, «Jep» zu sagen – und dabei wird mir klar, dass ich in diesem Augenblick ungefähr tausend Leuten erklärt habe, ich wäre mit meiner eigenen Mutter verheiratet.

«Seit wann?»

«Was?»

Baz lacht. «Seit wann sind Sie mit der guten Mrs Roach verheiratet? Und erzählen Sie mir jetzt nicht, Sie hätten es VERGESSEN! Ich kann nur hoffen, dass sie nicht zuhört, Daniel, sonst gibt es heute Abend Ärger, mein Freund!»

Wenn er wüsste, wie recht er hat.

«Nein, tut sie nicht … hoffe ich.» Das ist der erste ehrliche Satz heute Abend.

«Sie könnten GLÜCK haben, mein Freund», sagt Baz. «Weil Sie ganz richtig liegen. Man wirft bei einer Hochzeit NICHT mit Paprika oder Papyrus – jedenfalls nicht da, wo ich herkomme. Steine und Flaschen, meinetwegen, aber keine PAPRIKA! Stellen Sie sich vor, wie man DIE aus seinem Sonntagsstaat rauskriegen soll! Nein, wenn man zu einer Hochzeit geht, wirft man KONFETTI. DAS BEDEUTET, Daniel, mein Freund, dass Sie im Spiel bleiben!» Die Titelmelodie von Baz’ Bedtime Bonanza beginnt im Hintergrund.

«ALSO, dann hören WIR UNS – HIER – MORGEN ABEND WIEDER! GLEICHE ZEIT – GLEICHER ORT – RADIO HAM auf Mittelwelle …»

Mit Mühe drücke ich die Tür der Telefonzelle auf und hole tief Luft. Ich bin schweißgebadet, aber ich grinse wie ein Irrer. Ich hab’s geschafft. Zum dritten Mal, sieben muss ich noch. Wenn ich zehn Tage drinbleibe, gewinne ich den Urlaub. Wenn irgendetwas Mum so aufmuntert, dass sie mit dem Trinken aufhört, dann zwei Wochen Ferien mit allem inklusive in der Sonne.

Laute, verzerrte Musik reißt mich aus dem Schlaf. Ich strecke den Arm aus, lasse meine Hand auf den Scooby-Doo-Wecker neben dem Bett niedersausen und genieße die Stille …

Die flackernden roten Zahlen zeigen 05:01 Uhr an. Auf der anderen Seite des Zimmers murmelt und knurrt Jay im Schlaf, wird jedoch nicht wach. Es ist ruhig in der Wohnung. Ich schließe nur eine Sekunde lang die Augen, aber dann ist es plötzlich 05:07 Uhr. Noch immer schlafend, aber wenigstens in Bewegung, schwinge ich die Beine aus dem Bett und stehe auf.

Als ich in der Küche das Licht anschalte, bringen sich die aufgeschreckten Kakerlaken flink in Sicherheit. Kakerlaken sind genau das Richtige für uns!, sagt Mum – das findet sie lustig, weil unser Nachname Roach übersetzt Kakerlake heißt.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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