Fürsten-Roman 2451 - Anja von Stein - E-Book

Fürsten-Roman 2451 E-Book

Anja von Stein

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Beschreibung

Das Bernsteinschloss an der Ostseeküste verdankt seinen Namen einer wertvollen Bernsteinsammlung, die im Schlossmuseum ausgestellt ist. Seit einem Jahr ist das Museum jedoch geschlossen, denn Vera Fürstin von Braunenfels trauert um ihren Mann, Fürst Otto, der bei einem Unfall ums Leben gekommen ist. In ihrer Verzweiflung lässt Vera, früher eine energische Frau, die Zügel im Schloss schleifen. Ihr ist alles egal. Als Ottos Cousin Reginald Prinz von Braunenfels Vera nach Ablauf des Trauerjahres den Hof macht, berührt es die junge Fürstin nicht, und so merkt sie auch nicht, dass Reginald nur an dem Schloss und dem horrenden Vermögen interessiert ist - was ihm seiner Meinung nach auch zusteht, denn eine Tante des verstorbenen Fürsten hat Reginald ein altes Familiengeheimnis verraten ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Die traurige Fürstin vom Bernsteinschloss

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock / VolkOFF-ZS-BP

Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-8387-5951-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Die traurige Fürstin vom Bernsteinschloss

Wer kann das Herz der hübschen Vera heilen?

Von Anja von Stein

Das Bernsteinschloss an der Ostseeküste verdankt seinen Namen einer wertvollen Bernsteinsammlung, die im Schlossmuseum ausgestellt ist. Seit einem Jahr ist das Museum jedoch geschlossen, denn Vera Fürstin von Braunenfels trauert um ihren Mann, Fürst Otto, der bei einem Unfall ums Leben gekommen ist. In ihrer Verzweiflung lässt Vera, früher eine energische Frau, die Zügel im Schloss schleifen. Ihr ist alles egal.

Als Ottos Cousin Reginald Prinz von Braunenfels Vera nach Ablauf des Trauerjahres den Hof macht, berührt es die junge Fürstin nicht, und so merkt sie auch nicht, dass Reginald nur an dem Schloss und dem horrenden Vermögen interessiert ist – was ihm seiner Meinung nach auch zusteht, denn eine Tante des verstorbenen Fürsten hat Reginald ein altes Familiengeheimnis verraten …

Vera von Braunenfels stand auf den Klippen und ließ mit ausdrucksloser Miene ihren Blick über die sturmgepeitschte Ostsee schweifen. Die Wellen schlugen mit schäumender Gischt gegen die Felsen, und ein unheilvolles Brausen erfüllte die Luft.

Der eisige Sprühregen des brodelnden Wassers stach wie Nadeln ins Gesicht der einunddreißigjährigen Fürstin, und der Wind zerrte an ihren langen blonden Locken. Mit dem flatternden, schwarzen Umhang und der aufrechten Haltung wirkte sie wie eine Rachegöttin – und irgendwie fühlte sie sich auch so.

Früher hatte sie das Meer mit seinen sanften Farben geliebt und die einmalig schönen Sonnenuntergänge, wenn der Himmel schier in Flammen stand. Selbst die Stürme hatten sie nicht schrecken können. Sie hatte es faszinierend gefunden, wenn sich am Horizont die Wolkentürme aufbauten, oftmals von der Sonne in ein unwirkliches Licht gehüllt, bis die letzten Strahlen verglüht waren.

Heute hasste sie die See, die ihr wie ein gieriger Moloch den geliebten Mann genommen hatte, aus tiefstem Herzen. Mit brennenden Augen starrte die Fürstin in die Tiefe. Fast glaubte sie, die zerborstenen Teile des Motorbootes zu sehen, das vor eineinhalb Jahren bei einem ebenso stürmischen Wetter an den Klippen zerschellt war.

Natürlich war sie einer optischen Täuschung erlegen. Längst hatte man das Wrack geborgen und Otto Fürst von Braunenfels in der Familiengruft zur Ruhe gebettet.

Vera presste die Faust auf ihr Herz, als könne sie damit den wütenden Schmerz lindern, der sie schier zerriss. Die Wunde war noch immer nicht verheilt, und sie würde sich wohl auch niemals ganz schließen. Die zärtliche Liebe, die sie mit dem Fürsten verbunden hatte, konnte auch der Tod nicht zerstören.

Otto, der stolze Fürst mit den blitzenden, blauen Augen und dem unvergleichlichen Charisma, hatte ihr auf den ersten Blick das Herz geraubt, als sie sich vor vier Jahren in Rostock begegnet waren. Die Familie von Braunenfels besaß dort eine Reederei. Vera hatte ihr Studium als Wirtschaftsjuristin beendet und war in die Kanzlei eingetreten, die die Geschäfte des Fürsten betreute. Ihr erster eigener Auftrag hatte sie geradewegs in Ottos Arme geführt.

Noch heute konnte sie kaum fassen, dass der von den Damen umschwärmte Fürst sein Herz ausgerechnet an sie verloren hatte. Zwar war sie eine geborene Baroness von Gronau und durchaus standesgemäß, aber ihre Familie war verarmt und der Adelstitel schon lange nicht mehr Bestandteil ihres Namens.

Deshalb war es Vera wie ein Märchen erschienen, als Fürst Otto nur wenige Monate nach ihrer ersten Begegnung um ihre Hand angehalten hatte. Sie hatte gezweifelt, ob sie den Anforderungen gewachsen war, die man als Fürstin von Braunenfels an sie stellen würde. Doch Otto hatte ihr die Zweifel einfach weggeküsst.

Wie sehr sie ihn doch geliebt hatte, diesen attraktiven Mann mit dem schalkhaften Lächeln, das sich direkt in ihr Herz gebrannt hatte. Der Fürst war ein Mann der Tat gewesen und mit knapp siebenunddreißig Jahren viel zu jung, um aus dem Leben gerissen zu werden.

Sein Tod hatte auch viele Rätsel aufgegeben. Otto war zwar verwegen wie seine Vorfahren gewesen, die tollkühn die Meere besegelt hatten, um lukrative Handelswege ausfindig zu machen, aber der Fürst war nie ein unabwägbares Risiko eingegangen.

Niemand konnte sich erklären, warum der Fürst an jenem verhängnisvollen Septembermorgen bei stürmischer See mit seiner Motorjacht hinausgefahren war und wie das schwere Boot ein Opfer der Naturgewalten hatte werden können. Zwar hatten Experten einen Defekt der Steuerungsanlage vermutet, aber da nicht mehr viel von dem Schiff übrig gewesen war, hatte man es nie eindeutig feststellen können.

Traurig legte die Fürstin die Hand auf ihren Bauch, und ein gequältes Stöhnen entrang sich ihrer Brust. Nicht einmal die Krönung ihrer Liebe war ihr vom Schicksal vergönnt geblieben. Mit Otto war auch ihr ungeborenes Kind gestorben. Vera war im vierten Monat schwanger gewesen. Der Schock über das Unglück hatte zu einer Fehlgeburt geführt.

Vera beugte sich vor und blickte abermals in die gähnende Tiefe. Wie leicht wäre es, sich einfach fallen zu lassen, um diesem grausamen Schmerz und gleichzeitig der Leere in ihrem Innern zu entfliehen, die ihr die Lebensfreude raubte.

Früher war sie eine energische Frau gewesen und hatte an der Seite ihres Mannes mit sanfter, aber fester Hand das Zepter des Familienimperiums geführt. Heute war ihr alles egal. Seit Ottos Tod war sie nicht mehr in der Kanzlei gewesen, und im Schloss ließ sie auch die Zügel schleifen.

Unbewusst neigte sich Vera weiter über den Abgrund und wurde fast von einer Windböe mitgerissen. Erschrocken taumelte sie zurück. Nein, man durfte sein Leben nicht wegwerfen, nur weil man keinen Mut mehr hatte, sich den Widrigkeiten zu stellen, die es bereithielt. Hieß es nicht, die Zeit heile alle Wunden? Vielleicht würde auch sie eines Tages wieder lachen und in Wehmut, aber ohne Schmerz an ihren verstorbenen Mann und ihr verlorenes Kind denken können – ein Junge, wie Otto es sich gewünscht hatte.

»Vera, um Himmels willen, komm da weg!«, riss die panische Stimme ihrer Schwiegermutter die junge Fürstin aus der Versunkenheit.

»Gott, hast du mir einen Schrecken eingejagt«, stöhnte Emilie von Braunenfels atemlos, als sie Vera erreicht hatte. »Tu das nie wieder, Vera. Ich will dich nicht auch noch verlieren.«

»Aber Emilie, beruhige dich doch«, beschwor Vera die aufgelöste Frau und führte sie vom Abgrund weg. »Ich wollte doch nur an die frische Luft, habe es im Schloss nicht mehr ausgehalten.«

»Und da gehst du bei diesem Sturm zu den Klippen?« Skeptisch musterte Fürstin Emilie ihre Schwiegertochter.

Vera wandte den Kopf und starrte abermals zu den steil abfallenden Felsen.

»Es hat mich magisch hingezogen«, murmelte sie dumpf. »Der Orkan, die haushohen Wellen, genau wie damals … Ich war Otto so nah, habe fast den Schrecken durchlebt, den er empfunden haben muss, als die Jacht auf die Felsen zu gedriftet ist und er nichts tun konnte, um das Unheil abzuwenden.«

»Warum quälst du dich so, Liebes?« Fürstin Emilie schüttelte tadelnd den Kopf. »Es bringt dir Otto nicht zurück, wenn du das Unglück ständig aufs Neue heraufbeschwörst.« Sie hakte sich bei ihrer Schwiegertochter unter und zog sie mit sich fort. »Komm, Prinz Reginald wartet im Schloss.«

Reginald Prinz von Braunenfels, ein Cousin dritten Grades des Fürsten, hatte nach dessen Tod die Geschäfte übernommen. Jetzt erwies es sich als Segen, dass Otto den fünfunddreißigjährigen Prinzen zu seiner rechten Hand aufgebaut hatte.

Nachdem die beiden Frauen eine Weile schweigend den Weg gegangen waren, der zum nahen Schloss führte, ergriff die alte Fürstin wieder das Wort.

»Du musst dich endlich von der Vergangenheit lösen, Vera«, sprach sie beschwörend auf die junge Witwe ein. »Du kannst dich nicht länger deiner Verantwortung als Fürstin von Braunenfels entziehen. Ich bin mit meinen fast siebzig Jahren nicht mehr jung und gesund genug, um unsere einst glorreiche Dynastie vor dem Untergang zu bewahren. Das ist nun deine Aufgabe.«

Sie blieb stehen und raffte den Mantel am Hals fester zusammen.

»Ungewöhnlich kalt für diese Jahreszeit«, befand sie kopfschüttelnd.

Es war bereits Mitte Mai. Trotzdem ließ der Frühling in diesem Jahr auf sich warten.

Vera nickte abwesend. Es war ihr gleich, was für ein Wetter herrschte. Sie spürte weder Kälte noch Wärme.

»Otto war der letzte Nachkomme unserer Familie«, griff Emilie das Gespräch wieder auf und sah ihre Schwiegertochter von der Seite her zwingend an. »Nur du kannst verhindern, dass diese Linie derer von Braunenfels ausstirbt.«

Sie wandte den Kopf und schluckte tapfer die aufsteigenden Tränen hinunter. Erst nach mehreren Fehlgeburten war es ihr vergönnt gewesen, einem gesunden Kind das Leben zu schenken, und nun hatte sie ihren Sohn zu Grabe tragen müssen.

Ihr Blick verfing sich am dunklen Horizont, wo in der Ferne ein paar Blitze zuckten.

»Ich trage ebenfalls schwer am Tod meines einzigen Sohnes, nachdem ich erst vor ein paar Jahren meinen Mann begraben musste«, sagte sie tonlos. Dann straffte sie jedoch ihre zierliche Gestalt, und ihre Stimme klang nun wieder energisch: »Aber trotzdem darf ich mich vom Kummer nicht niederdrücken lassen, genauso wenig wie du.«

Als Veras Miene noch verschlossener wurde, wurde die alte Fürstin ärgerlich.

»Oder willst du, dass im Schloss das Chaos regiert?«, zürnte sie. »Seit du die Zügel schleifen lässt, macht das Personal doch, was es will. Der Butler und die Hausdame haben die Lage nicht mehr im Griff, und der Verwalter klagt, sich nicht auch noch um Personalprobleme kümmern zu können, nachdem ihm ohnehin schon alles über dem Kopf wächst.«

Sie fasste nach dem Arm der jungen Fürstin.

»Du musst endlich wieder energisch durchgreifen, Vera«, appellierte sie abermals an deren Pflicht.

Sie machte eine Pause und wartete darauf, dass die Schwiegertochter endlich eine Regung zeigte. Doch Veras Gesicht blieb noch immer ausdruckslos. Seit dem Unglück hatte sie eine Mauer um sich errichtet, an der jede Kritik wirkungslos verpuffte, aber auch Worte des Mitgefühls und Trostes keinen Durchlass fanden.

Es war, als wäre die junge Fürstin mit ihrem Mann gestorben und nur noch die äußere Hülle existent, schön und elegant wie immer, nur ohne die warme Seele und den Charme, mit dem Vera einstmals die Menschen begeistert und sich Respekt verschafft hatte.

»Mit den Geschäften würde es wohl auch übel aussehen, wenn nicht Reginald so selbstverständlich in Ottos Fußstapfen getreten wäre«, versuchte Emilie weiter, die junge Frau aus ihrer Lethargie zu holen. »Auch darum kümmerst du dich nicht mehr.«

Jetzt runzelte die junge Frau die Stirn, und ihre Augen wirkten fast ein wenig zornig.

»Schon gut, Emilie, du musst mir nicht ständig meine Versäumnisse vorhalten. Ich weiß selbst, dass ich den Kopf nicht länger in den Sand stecken darf. Aber es fällt mir immer noch schwer, mich wieder den Anforderungen des Alltags zu stellen.« Sie hob mutlos die Hände.

Die alte Fürstin seufzte erleichtert.

»Endlich zeigst du eine Regung, Vera. Seit Monaten versuche ich, zu dir vorzudringen. Doch egal, was ich tue oder sage, es berührt dich nicht. Endlich blitzt wieder so etwas wie Wut in deinen Augen, und wer Wut empfindet, kann auch Freude empfinden.« Sie griff nach der Hand ihrer Schwiegertochter und drückte sie aufmunternd. »Du wirst Otto nicht vergessen, er hat immer seinen Platz in deinem Herzen. Aber da ist gewiss auch noch Raum für eine neue Beziehung. Prinz Reginald ist nicht die schlechteste Wahl. Er ist …«

»Mama, dazu ist es wirklich noch zu früh«, fiel Vera ihrer Schwiegermutter schroff ins Wort und entzog ihr die Hand. »Man kann Gefühle nicht anknipsen wie eine Lampe. Prinz Reginald bedeutet mir nichts. Er ist ein guter Freund unseres Hauses, mehr nicht.«

Sie ließ die alte Fürstin stehen und marschierte schnellen Schrittes zum Schloss, dessen Silhouette sich in dem Nebel abzeichnete, der nun vom Meer her übers Land zog. Der Sturm hatte so unvermittelt aufgehört, wie er gekommen war. Jetzt wehte nur noch eine leichte Brise.

Vera ballte die Fäuste in ihrer Manteltasche. Warum konnte Emilie nicht aufhören, ihr Reginald wie sauer Bier anzupreisen? Zu früheren Zeiten mochte es üblich gewesen sein, einen verstorbenen Herrscher gleich mit einem geeigneten Nachfolger zu ersetzen und ihm dessen Gattin zur Seite zu stellen, um zu verhindern, dass Titel und Erbe in die falschen Hände gerieten. Da hatten Gefühle oft keine Rolle gespielt. Die wenigsten Ehen waren aus Liebe geschlossen worden.

Doch Vera konnte sich nicht vorstellen, rein im Interesse des Fürstenhauses zu handeln und die Vernunft über ihre Gefühle zu stellen. Dazu hatte sie mit Otto eine zu innige Liebe verbunden.

***

Schloss Braunenfels erhob sich unmittelbar am Rand der Klippen, nur wenige Hundert Meter von der Unglücksstelle entfernt. Die Meerseite des alten Gemäuers war in die steil abfallenden Felsen hineingebaut worden, was zu damaligen Zeiten dem Feind einen Angriff erschwert hatte.

Auch sonst war die Burg eine trutzige Festung mit wehrhaften Türmen und dicken Mauern, denen der Zahn der Zeit nichts anhaben konnte. Am erhabensten war jedoch der alles überragende Bergfried, der einen weiten Blick über die Ostsee bot, sodass sich kaum ein Schiff ungesehen nähern konnte. Aber auch das flache, fast baumlose Hinterland war gut überschaubar.

Das alte Schloss wurde im Volksmund auch Bernsteinschloss genannt. In seinem Museum lagerte eine umfangreiche und kostbare Bernsteinsammlung, das Gold der Ostsee. Das in den verschiedensten Gelb- und Braunschattierungen schimmernde fossile Harz war ein begehrter Schmuckstein, der zu herrlichen Ketten und Amuletten verarbeitet wurde. Aber auch filigrane Figuren, Krüge und Vasen, die je nach Lichteinfall ihre Farbe veränderten, schmückten die Vitrinen. Für Paläontologen waren die seit Jahrmillionen im Bernstein eingeschlossenen Insekten und Pflanzenteile am interessantesten.

Früher war die Sammlung zur Besichtigung freigegeben gewesen und hatte zahlreiche Besucher angelockt. Fürst Otto hatte die Ansicht vertreten, dass man ein solches Kleinod der Allgemeinheit nicht vorenthalten dürfe. Ebenso hatte er regelmäßig Schlossführungen abhalten lassen, um die Zeugnisse der Vergangenheit der Bevölkerung zugänglich zu machen. Das alte Schloss war vollgestopft mit seltenen Antiquitäten und Kostbarkeiten, die die Seefahrer unter seinen Ahnen aus aller Welt zusammengetragen hatten.

Nach dem Tod des Fürsten waren jedoch sowohl das Museum geschlossen als auch die Führungen eingestellt worden. Die Emsigkeit der Leute und ihr fröhliches Schwatzen erinnerten Vera zu sehr an die Zeit, als das Schloss noch ein Hort des Frohsinns gewesen war. Otto und sie hatten gern Hof gehalten, Bankette ausgerichtet oder Konzerte organisiert. Doch jetzt ruhte Schloss Braunenfels in einer Art Dornröschenschlaf.

Die junge Fürstin seufzte tief. Prinz Reginald versuchte zwar gerade, die Dornenhecke niederzureißen und den Stacheldraht um ihr Herz zu sprengen, aber es würde ihm nicht gelingen.

So rücksichtsvoll und charmant der Prinz auch war, sie empfand nichts für ihn, weder Sympathie noch Abneigung. In ihrem Innern herrschte eine eisige Kälte, und sie war nicht sicher, ob sie jemals wieder Liebe und Wärme für einen Mann empfinden konnte.

Allerdings umgab Prinz Reginald trotz seines Charmes auch eine seltsame Aura, die sie nicht deuten konnte. Er war ihr sympathisch, und seine Freundschaft half ihr in ihrem Kummer.

Aber dann wieder hatte sie den Eindruck, als würde unter der freundlichen Miene des jungen Prinzen ein verborgener Zorn brodeln, den er nur mühsam unter Kontrolle halten konnte. Auch der Ausdruck seiner dunklen Augen störte sie. Sie lächelten nie, egal wie fröhlich er sich auch gab.

Vera konnte sich nicht über den jungen Prinzen beklagen. Er umwarb sie mit sehr viel Feingefühl, war zurückhaltend und achtete ihre Trauer. In seiner verständnisvollen Art versuchte er alles, um ihr über den schweren Verlust hinwegzuhelfen.