Fürstenkrone 250 – Adelsroman - Corinna Volkner - E-Book

Fürstenkrone 250 – Adelsroman E-Book

Corinna Volkner

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. "Fürstenkrone" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. Atemlos überflog Angela de Rheit die wenigen Zeilen des Briefes. »Das ist ja… Papa! Wir sind gerettet!« Übermütig schwenkte sie den Brief und ließ sich vor ihres Vaters Schreibtisch in einen Sessel fallen. Ein rascher Blick aus ihren veilchenblauen Augen traf den alten Herrn, der sich schmunzelnd im Sessel zurücklehnte und meinte: »O jugendlicher Überschwang! Also, was ist unsere Rettung? An wen hast du dich diesmal gewandt, um diese kostbare Statue loszuwerden?« »Es handelt sich nicht direkt um die Statue, sondern um einen sehr lukrativen Auftrag einer früheren Internatsfreundin. Alexandra von Kaminsky, einzige Tochter des Fürsten Kaminsky. Erinnerst du dich an die hübsche blonde Maid, die wirklich stets im Mittelpunkt unserer Schulversanstaltungen stand?« »Welch eine Sprache, Angela!« tadelte Herr de Rheit kopfschüttelnd. »Unterbrich mich nicht, Papa!« äußerte Angela ungerührt. »Alexan-dra wird heiraten, in ungefähr drei Wochen. Sie heiratet einen Grafen, dessen Besitz nicht einmal weit von hier entfernt liegt. Sie schreibt, daß das Schloß sehr einsam läge und innen düster und trübe sei, was sich ihr beklemmend aufs Herz lege. Zum Glück sei der Graf bereit, sich ihren Wünschen zu fügen und allen Umänderungsplänen zuzustimmen. Du weißt, daß ich vor einem Jahr bei Fürst Kaminsky zwei Salons neu eingerichtet habe. Davon war Alexandra sehr angetan, wie sie schreibt.

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Fürstenkrone – 250 –

Ein Schloss mit Geheimnissen - Unveröffentlichter Roman

Spannende Zeiten für Prinzessin Angela …

Corinna Volkner

Atemlos überflog Angela de Rheit die wenigen Zeilen des Briefes.

»Das ist ja… Papa! Wir sind gerettet!« Übermütig schwenkte sie den Brief und ließ sich vor ihres Vaters Schreibtisch in einen Sessel fallen.

Ein rascher Blick aus ihren veilchenblauen Augen traf den alten Herrn, der sich schmunzelnd im Sessel zurücklehnte und meinte: »O jugendlicher Überschwang! Also, was ist unsere Rettung? An wen hast du dich diesmal gewandt, um diese kostbare Statue loszuwerden?«

»Es handelt sich nicht direkt um die Statue, sondern um einen sehr lukrativen Auftrag einer früheren Internatsfreundin. Alexandra von Kaminsky, einzige Tochter des Fürsten Kaminsky. Erinnerst du dich an die hübsche blonde Maid, die wirklich stets im Mittelpunkt unserer Schulversanstaltungen stand?«

»Welch eine Sprache, Angela!« tadelte Herr de Rheit kopfschüttelnd.

»Unterbrich mich nicht, Papa!« äußerte Angela ungerührt. »Alexan-dra wird heiraten, in ungefähr drei Wochen. Sie heiratet einen Grafen, dessen Besitz nicht einmal weit von hier entfernt liegt. Sie schreibt, daß das Schloß sehr einsam läge und innen düster und trübe sei, was sich ihr beklemmend aufs Herz lege. Zum Glück sei der Graf bereit, sich ihren Wünschen zu fügen und allen Umänderungsplänen zuzustimmen. Du weißt, daß ich vor einem Jahr bei Fürst Kaminsky zwei Salons neu eingerichtet habe. Davon war Alexandra sehr angetan, wie sie schreibt. Sie möchte, daß ich ihr zukünftiges Zuhause, nämlich das Schloß, ebenso geschmackvoll und sonnig gestalte wie diese Salons. Und dabei«, jetzt zwinkerte Angela dem alten Herrn verschmitzt zu, »dürfte es auch ein Plätzchen für die kostbare Statue von Butelli geben, auf der Graf Orsini mich so schmählich sitzen ließ.«

»Na ja! Wenn du meinst.«

Benedikt de Rheit blickte seine Tochter wohlwollend an. Wie tüchtig Angela war, wie selbstverständlich sie sich ihr Brot selber verdiente, denn leider besaßen sie keinerlei Vermögen mehr, seit der Krieg ihnen alles genommen hatte. Nur ihr kleines Schlößchen hier konnte man erhalten, was auch nicht immer leichtfiel.

Eine einzige Fehlplanung konnte ihr schönes, sonniges Domizil gefährden. Wie beispielsweise der Kauf dieser unsinnig teuren Statue, die Angela für den Grafen Orsini erworben hatte, von der dieser jedoch nichts mehr wissen wollte.

»Und ob ich meine!« gab Angela heiter zurück. »Gleich morgen belade ich meinen Wagen mit den neuen herrlichen Dekorationsmuster aus Florenz, und auch die Statue wird ihren Dornröschenschlaf aufgeben müssen. Auch sie wird ins Auto geladen. Dazu die Porzellanfiguren von Rosenthal. Weißt du, Paps, es ist doch herrlich, daß es so reiche Leute wie Alexandra von Kaminsky gibt, die mir diese himmlischen Aufträge per Post und ganz ohne mein Zutun ins Haus schicken.«

»Ich freue mich für dich, liebes Kind«, entgegnete Herr de Rheit ernst.

Er wußte, daß Angela mit Leib und Seele an ihrem Beruf hing, der sie ihm leider viel zu oft entführte aus »Sonnenwinkel«, wie sie ihr Schlößchen getauft hatten. Aber es ließ sich wohl nicht ändern. Hauptsache, Angela kam ihrem Beruf als Innenarchitektin mit Begeisterung nach.

»Also morgen schon«, seufzte Benedikt de Rheit. »Für wie lange wird es denn diesmal sein, mein Kind?«

»Oh, ich rechne so drei bis vier Wochen, Papa, aber genau kann ich es natürlich nicht sagen. Jedenfalls werde ich es so einrichten, daß ich wenigstens am Wochenende zu dir herüberfahren kann. Schloß Freising liegt ja höchstens drei Autostunden von hier.«

»Schloß Freising?« Ungläubig betrachtete Herr de Rheit das schöne, temperamentvolle Antlitz der Tochter. »Sagtest du wirklich Freising, Angela?«

»Ja, Schloß Freising. Lukas von Freising wird Alexandra heiraten. Was hast du denn, Papa? Du bist ja richtig blaß geworden.«

Schweigend starrte Benedikt de Rheit aus dem Fenster in den sommerlichen Park, der das kleine Schloß umgab. Tausend Gedanken drangen auf ihn ein, und es waren schmerzliche und beglückende. Und sorgenvolle.

»Angela, ich möchte, daß du diesen Auftrag nicht annimmst.« Herr de Rheit wandte sich voll der Tochter zu und maß sie mit seinen gütigen blauen Augen sehr ernsthaft. »Ich habe meine Gründe, Kind. Bitte, schicke deiner Bekannten eine Absage.«

»Aber Paps!« Ganz blaß wurde Angela, denn die Wandlung ihres Vaters erschreckte sie.

Gleichzeitig überfiel sie jähes Bedauern, daß sie ihm zum erstenmal nicht gehorchen konnte. Aus dem einfachen Grund, weil sie diesen Auftrag dringend brauchte.

Sie mußte die kostbare Statue schnellstens wieder loswerden, die ihr gesamtes Bargeld verschlungen hatte. Natürlich wußte ihr Vater das ganz genau.

Angela trat dicht zu dem alten Herrn, der eigentlich noch gar nicht so alt war mit seinen fünfundsechzig Jahren, er hatte sich ein jugendliches Herz bewahrt.

»Papa!« Zärtlich schlang Angela einen Arm um seine Schulter und schmiegte ihre Wange an seine. »Du gibst doch hoffentlich nichts auf das sonderbare Gerede, das um Schloß Freising und seine Bewohner ein geheimnisvolles Rätsel webt? Du mein nüchterner, besonnener Paps, solltest darüber lachen, so wie ich es schon vor Jahren tat, als ich von der ›Dame in Grau‹ hörte, die angeblich auf dem Schloß umhergeistern soll.«

Die Reaktion ihres Vaters auf diese Worte verblüffte und erschreckte Angela.

Benedikt de Rheit lachte bitter auf, schob Angela fast brüsk von sich und trat an eines der schmalen Fenster.

Lange stand er schweigend da, der Tochter den Rücken zugedreht. Endlich sagte er versonnen: »Du wirst sie vielleicht zu Gesicht bekommen, Angela.«

Ungewollt überfiel ein leises Beben Angelas Körper. Eine flüchtige Ahnung nahenden Unheils streifte sie wie Eishauch.

»Wen, Papa?«

»Die Dame in Grau, mein Kind.« Benedikt de Rheit wandte sich um und musterte Angela tief ernst. »Es gibt also nichts, was dich zurückhalten könnte, Schloß Freising aufzusuchen?«

Angela schüttelte fast trotzig den Kopf.

»Nein, Vater! Und das weißt du genau. Es steht zuviel für mich auf dem Spiel. Du hast ja keine Ahnung, wie sehr ich mir während der letzten acht Tage den Kopf zerbrochen habe, um für die Statue einen Käufer zu finden. Diese Chance kann ich mir nicht entgehen lassen.«

»So versprich mir eines, Angela! Versprich mir, bei dem geringsten Anzeichen einer drohenden Gefahr das Schloß sofort zu verlassen! Und sei es bei Nacht und Nebel und ohne Gepäck!«

»Aber Paps«, stammelte Angela in hilflosem Nichtverstehen, »was… was sollte mir denn im Schloß drohen?«

»Ich weiß es nicht, mein Kind«, entgegnete Benedikt schwerfällig und sank vor dem Schreibtisch in seinen Sessel. »Mein Gott, ich habe nur ein paar Vermutungen, die sich mit dem Gerede der Leute decken. Vielleicht entpuppt sich alles als harmlos. Immerhin dürfte Fürst Kaminsky seine Tochter nicht in unwürdige Hände geben. Darauf baue ich.«

»Und du tust gut daran«, erklärte Angela, schon wieder fröhlich.

Sie drückte dem alten Herrn einen zärtlichen Kuß auf die Wange und entschuldigte sich mit den Worten, sie müsse gleich Alexandra verständigen, daß sie den Auftrag annehme.

An der Tür blickte sie zurück und meinte nachdenklich: »Sag mal, Paps, warum hast du eigentlich nicht wieder geheiratet? Mama starb doch schon recht früh. Du warst damals im besten Alter.«

Benedikt de Rheit warf Angela einen undeutsamen Blick zu.

»Vielleicht hatte ich es tatsächlich einmal vor, und die betreffende Dame gab deinem alten Paps einen Korb.«

»Dann kann ich sie nur bedauern! Sie hat den gütigsten und liebevollsten Menschen verschmäht!« rief Angela empört und erntete dafür ein kleines, sanftes Lächeln.

»Danke, mein Kind. Ich habe zum Glück dich. Denke stets an meine Worte und an dein Versprechen! Verlasse das Schloß, wenn dir etwas seltsam und beängstigend erscheint. Ich… ich brauche dich doch, Angela.«

»Natürlich, Vater. Ich verspreche es dir.«

Sehr nachdenklich verließ Angela de Rheit den hellen Raum. Sie war plötzlich davon überzeugt, daß ihr Vater durchaus nicht so zufrieden und glücklich war, wie sie immer glaubte.

*

Am Nachmittag des nächsten Tages fuhr Angela de Rheit mit ihrem Wagen entlang der Salzach.

Dunkelgrün und quirlig schoß das Wasser unter der Brücke hindurch, die Angela gerade überquerte. Majestätisch grüßte der Watzmann zur Linken, davor der Königssee glatt und schimmernd wie ein Kleinod.

Das beängstigende Gespräch mit ihrem Vater war Angela schon längst aus ihrem Gedächtnis gebannt. Freude und Erwartung erfüllten sie in immer stärkerem Maße.

Die herrliche Landschaft trug nicht unwesentlich dazu bei, und ein wenig beneidete Angela die Mitschülerin vergangener Jugendjahre. Alexandra war ein Glückskind, sie war es schon immer gewesen.

Wenn der Graf halbwegs ansehnlich ist, wird es Alexandra nicht schwerfallen, hier in diesem herrlichen Fleckchen Erde glücklich zu sein, dachte Angela fast wehmütig.

Manchmal, nach langen Reisen ins Ausland, immer auf der Suche nach besonders kostbaren Gegenständen, überfiel Angela ein geheimes Sehnen nach Geborgenheit an der Seite eines geliebten Mannes. Verständlich, denn sie wurde im Herbst sechsundzwanzig Jahre alt und sah ihre Erfüllung nicht unbedingt in beruflichen Erfolgen.

O nein, Angela konnte sich gut vorstellen, auch als Frau und Mutter sehr glücklich zu sein.

Mit diesen Überlegungen näherte sich die junge Dame dem Eibsee, an dessen Nordufer das Schloß stand, eingebettet in einen riesigen Park.

Vor dem trutzigen Bau mit den zwei mächtigen Türmen und den sechs gezackten Spitzdächern breitete sich der See aus. Nicht lieblich und einladend, nicht mit sanft abfallendem Ufer, sondern herb und unwegsam, uferbeladen mit dicken Gesteinsbrocken, die vor Urzeiten wohl von den schroffen Felsen, die hinter dem Schloß hochstiegen, abgebröckelt sein mußten.

Nur im Park selbst hatte man versucht, der Natur ein wenig von ihrer Urwüchsigkeit abzuringen. Hier waren die dicken Quader entfernt worden und hatten dafür Rasen Platz gemacht.

Die schnurgerade Föhrenallee brachte Angela direkt bis vor die breite Freitreppe, die rechts und links von weißen Marmorsäulen flankiert war, auf der steinerne Löwenköpfe gleich stummen Wächtern in den Park blickten.

Kaum hatte Angela ihren Wagen verlassen, öffnete sich das Eichenportal, und ein älterer Diener in tadelloser Livree erschien.

Er eilte Angela entgegen und grüßte achtungsvoll.

»Guten Tag, gnädiges Fräulein. Erlauben Sie, daß ich den Koffer nehme?«

»Aber bitte vorsichtig!« mahnte Angela, die das Gepäck nur ungern aus der Hand ließ. Immerhin barg dieser Koffer eine echte Butelli-Statue im Werte von einigen hunderttausend Mark. »Das andere Gepäck ist nicht so wichtig. Dennoch wäre ich froh, wenn Sie dafür sorgen würden, daß es unbeschadet auf meine Zimmer gelangt.«

Angela schritt an des Butlers Seite durch das Portal in die weite Halle, die das Aussehen eines Rittersaals hatte.

An den beiden Längsseiten dominierten schwere Eichentische, umgeben von hohen geschnitzten Stühlen. Ritterrüstungen markierten den Treppenaufgang, und im Hintergrund wurde die ganze Raumseite von einem mächtigen offenen Kamin ausgefüllt, vor dem dicke Felle aus Bärenhaut und Wolfspelze lagen.

Die Wände, schmucklos und grau, zeigten Jagdtrophäen aller Tiergattungen, die einst in deutschen Wäldern vorgekommen sein mochten.

Angela war beeindruckt, wenngleich sie viele dieser Schlösser gesehen hatte, denn sie arbeitete überwiegend in adligen Kreisen.

Ihr letzter Auftrag beim Fürsten Kaminsky führte sie allerdings nach Italien, in ein heiteres Landschloß mit echt südländischem Charme. Kein Wunder, daß Alexandra von Kaminsky sich hier nicht ganz wohl fühlte.

»Wenn Sie mir bitte folgen wollen, gnädiges Fräulein.«

Der Butler, der sich ihr als Viktor vorgestellt hatte, schritt die Treppe hoch, nahm eine zweite, schmalere zum zweiten Geschoß und schritt lautlos den langen, mit dunkelrotem Velours ausgelegten Korridor entlang, der jeden Schritt verschluckte.

»Hier bitte! Die Gräfin erwartet Sie zum Dinner. Ihr Gepäck kommt sofort. Das Zimmermädchen wird Ihnen alles weitere zeigen.«

Angela drehte sich zu ihm um.

»Aber wo ist Alexandra? Ich meine, wo ist die Prinzessin, von der ich schließlich meinen Auftrag erhielt?«

»Die Herrschaften weilen im Augenblick zu Einkäufen in München, kehren jedoch zum Dinner zurück. Entschuldigen Sie mich jetzt bitte. Ich muß mich um das Gepäck kümmern. Ihren Wagen finden Sie in der Garage.«

Damit schritt Viktor nach einer Verneigung davon.

»Ich heiße Lisa und stehe jederzeit zu Ihrer Verfügung«, tönte es hinter Angelas Rücken.

Das Zimmermädchen befand sich schon im Raum und führte Angela in ihr Reich ein, das sich überraschenderweise als behaglich und modern erwies und aus zwei ineinandergehenden Räumen bestand, die durch ein luxuriöses Bad vervollständigt wurden. Nur die Fenster waren schmal und hoch und zeigten außer zwei verblichenen Vorhängen aus dunkelblauem Samt keinerlei Stoff.

Da muß man schnellstens was ändern, dachte Angela.

Dann sah sie das Telefon auf ihrem Nachttisch und war völlig zufrieden, konnte sie doch jederzeit ungestört ihren geliebten Vater anrufen. Darauf hatte sie immer Wert gelegt.

*

Wider Erwarten sah Angela de Rheit auch am Abend ihre Internatsfreundin nicht.

Als sie, von einem Diener begleitet, den großen Speisesaal im ersten Stock betrat, weilte noch niemand dort.

»Die Gräfin bittet Sie, schon Platz zu nehmen«, sagte der Diener und verschwand lautlos hinter der getäfelten Wand, noch ehe Angela eine Antwort geben konnte.

Sonderbare Leute, durchfuhr es sie. Mit den Blicken suchte sie die dunkle Holztäfelung ab, ohne daß sie jedoch den Türrahmen hätte entdecken können.

So blieb ihr schließlich nichts weiter übrig, als sich der langen Tafel zuzuwenden, die mitten im Raum stand und deren silberne Kandelaber unruhige Schatten über die goldumrahmten Porträts warfen, die eine Wandseite einnahmen.

Überhaupt schien das Schloß Gemälde, überwiegend alte Meister, von schier unvorstellbarem Wert zu beherbergen.

Es wird mir nicht schwerfallen, hier meine verflixte Statue loszuwerden, dachte Angela befriedigt. Dann fiel ihr Blick auf die Gedecke. Nur zwei, dachte sie erstaunt.

Hinter ihr erscholl ein kaum vernehmbares Rascheln von Seide. Sie wandte sich um und trat der Frau einen Schritt entgegen.

»Fräulein de Rheit?«

Die alte Dame kam näher und betrachtete Angela aufmerksam durch ihr Lorgnon, das, an einem goldenen Kettchen befestigt, um ihren dünnen Hals hing.

Die ganze Gestalt war entsetzlich groß und dünn, um nicht zu sagen dürr, und erregte fast ein wenig Angelas Heiterkeit.

»Ja, ich bin Angela de Rheit«, entgegnete sie mit ihrer warmen, klangvollen Stimme, der die Gräfin nachzulauschen schien.

»Ein schöner Name«, gab sie schließlich zurück, und ein kaum wahrnehmbares Lächeln umspielte ihre farblosen Lippen. »Aber er paßt gut zu Ihnen, Fräulein de Rheit. Ich bin Gräfin Margarethe. Bitte, nehmen Sie doch Platz.«

Sie wies auf eine Schmalseite der Tafel und setzte sich selber auf die entgegengesetzte Seite in einen der kostbaren antiken Sessel.

Angela tat es ihr nach, während die Gräfin nach dem Diener klingelte.

»Kein sehr gemütlicher Ort für eine Unterhaltung«, begann die Gräfin humorvoll. »Aber soviel wenigstens möchte ich Ihnen sagen. Mein Sohn und seine Braut haben ihre Pläne geändert und werden vorerst nicht ins Schloß zurückkehren. Sie möchten von München aus dem Fürsten noch einen kurzen Besuch abstatten. Hoffentlich sind Sie nicht zu sehr enttäuscht, meine Liebe.«

Natürlich war Angela zutiefst enttäuscht, hütete sich jedoch, der liebenswürdigen alten Dame zu grollen, sondern gab heiter zurück, so habe sie die Gelegenheit, sich ungeniert das Schloß anzusehen, falls dies gestattet sei.

»Aber natürlich, liebes Fräulein de Rheit.« Die Gräfin nickte ihr zwischen zwei Kandelaber hindurch freundlich zu. »Leider kann ich Ihnen jedoch kaum eine andere Abwechslung bieten. Wie Sie vielleicht wissen, ist mein Mann, Graf Olav, seit einem Schlaganfall völlig gelähmt und bettlägerig. Das verbietet natürlich ein allzu geselliges Leben auf dem Schloß.«

Jetzt verdunkelte sich das Antlitz der alten Dame in bestürzender Weise.

»Leider ist mein jüngster Sohn ein… ein Sonderling, der es nicht einmal über sich bringt, an den gemeinsamen Mahlzeiten teilzunehmen. Meistens jedenfalls nicht. Sie sehen ja, nicht einmal heute abend ist er erschienen, obwohl ich ihn darum bat, Ihretwegen darum bat, denn ich weiß sehr gut, daß eine alte Frau kein angenehmer Gesellschafter ist.«

»Aber ich bitte Sie, Gräfin«, entgegnete Angela verwirrt, »ich finde Sie sehr unterhaltend. Wirklich!«

Die Gräfin musterte sie schweigend durch das Lorgnon und senkte dann den Blick auf ihren Teller. Sie stocherte in den Speisen herum, ohne einen Bissen zu sich zu nehmen.

Es verging einige Zeit, ehe sie leise fragte: »Sie kennen Alexandra näher?«

»Wir waren einige Jahre zusammen im gleichen Internat«, gab Angela zurück.

Mit völlig veränderter, fast brüchiger Stimme, erkundigte sich die Gräfin: »Sind Sie verwandt mit Benedikt de Rheit?«

»Ja!« überrascht blickte Angela in das schmale, herbe Antlitz, über das die Kerzen zuckende Schatten warfen. »Er ist mein Vater, Gräfin.«

»Soso, Ihr Vater.«

Schweigen herrschte danach, bis Angela kühn fragte: »Darf ich annehmen, daß Sie meinen Vater kennen, Gräfin?«

»Ich kenne ihn in der Tat. Ihr Herr Vater weilte vor vielen Jahren des öfteren im Schloß. Mein Mann und er waren miteinander bekannt. Trotz des großen Altersunterschieds, denn Graf Olav ist weit über siebzig. Wenn ich mich recht erinnere, starb Ihre Frau Mutter sehr früh, und mein Mann luden Vater oft zur Jagd ein, damit er etwas Ablenkung hatte.«

Die Gräfin schwieg und erhob sich etwas überraschend.

»Bitte, entschuldigen Sie mich, meine Liebe, aber ich pflege am Abend noch ein wenig bei meinem Mann zu sitzen. Sicher haben Sie auch noch Ihre Sachen zu ordnen. Außerdem steht Ihnen selbstverständlich das Fernsehzimmer offen. Gute Nacht.«

Angela hatte sich ebenfalls erhoben.

»Gute Nacht, Gräfin«, entgegnete sie befangen.

Sie blickte hinter der alten Dame her, die hoch aufgerichtet aus dem Raum schritt.

Dennoch hatte AngeIa sehr deutlich bemerkt, daß ihr Antlitz von tiefer Sorge gezeichnet war.

Und noch etwas hatte Angela fast körperlich gespürt. Eine unbändige Stärke wohnte der alten Dame inne, eine Herbheit, die auf tiefere Gefühle hinwies.

Aber wem galten die Gefühle der Gräfin Margarethe? Dem jüngsten Sohn gewiß nicht. Das hatte Angela erkennen können.

Vielleicht gilt ihre ganze Sorge dem gelähmten Grafen Olav, dachte Angela, von Mitleid erfüllt.

Sonderbar, die alte Dame erregte irgendwie ihr heißes Mitgefühl.

*

Eine ganze Woche schon lebte Angela im Schloß, ohne daß sie außer der alten Gräfin bei Tisch und den Dienstboten jemanden zu Gesicht bekommen hätte.

Aber Langeweile plagte sie dennoch nicht. Es gab so viel Interessantes zu sehen in dem historischen Schloß und seiner Umgebung, daß die Tage in rasender Eile verstrichen.

Für heute hatte Angela sich vorgenommen, sich in einem der beiden Türme umzusehen.