G.F. Barner 157 – Western - G.F. Barner - E-Book

G.F. Barner 157 – Western E-Book

G. F. Barner

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Beschreibung

Packende Romane über das Leben im Wilden Westen, geschrieben von einem der besten Autoren dieses Genres. Begleiten Sie die Helden bei ihrem rauen Kampf gegen Outlaws und Revolverhelden oder auf staubigen Rindertrails. Interessiert? Dann laden Sie sich noch heute seine neueste Story herunter und das Abenteuer kann beginnen. G. F. Barner ist legendär wie kaum ein anderer. Seine Vita zeichnet einen imposanten Erfolgsweg, wie er nur selten beschritten wurde. Als Western-Auto r wurde er eine Institution. G. F. Barner wurde quasi als Naturtalent entdeckt und dann als Schriftsteller berühmt. Sein überragendes Werk beläuft sich auf 764 im Martin Kelter Verlag erschienene Titel. Seine Leser schwärmen von Romanen wie "Torlans letzter Ritt", "Sturm über Montana" und ganz besonders "Revolver-Jane". Der Western war für ihn ein Lebenselixier, und doch besitzt er auch in anderen Genres bemerkenswerte Popularität. So unterschiedliche Romanreihen wie "U. S. Marines" und "Dominique", beide von ihm allein geschrieben, beweisen die Vielseitigkeit dieses großen, ungewöhnlichen Schriftstellers. Es muß das Abenteuerblut der Lains sein, das ihn eines Tages fortgehen läßt. Vielleicht sieht er auch, daß es so nicht weitergeht, denn die Ranch kann keine fünf Männer ernähren. Die Lains hatten sechs Bullen und siebenhundert Kälber. Als die Rinderpest kam, starben vier Bullen und nahezu fünfhundert Kälber. Stuart sieht seinen Bruder Joe an, das ist der zweitälteste Sohn des alten Abe Lain, den sie nur Old Abe nennen. "Stuart", sagt Jonathan Lain, als er den Packen und den gesattelten Gaul hinter dem Stall bemerkt. "Wohin willst du?" Stuart Lain ist neunzehn Jahre alt. Er sieht prächtig aus. Ein Riese mit schwarzgelocktem Haar und stahlblauen Augen. "Wegreiten", erwidert Stuart. "Bruder, du paßt auf, daß unser kleiner Bruder Abe ein Mann wird. Verstanden?" "Daß du wegreiten willst", brummt Joe Lain und grinst dennoch, "kann ein Blinder sehen. Wohin willst du reiten, Großer?" "Überallhin", antwortet Stuart.

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G.F. Barner – 157 –

Ein Mann kommt zurück

… und regelt es auf seine Art

G.F. Barner

Es muß das Abenteuerblut der Lains sein, das ihn eines Tages fortgehen läßt. Vielleicht sieht er auch, daß es so nicht weitergeht, denn die Ranch kann keine fünf Männer ernähren. Die Lains hatten sechs Bullen und siebenhundert Kälber. Als die Rinderpest kam, starben vier Bullen und nahezu fünfhundert Kälber.

Stuart sieht seinen Bruder Joe an, das ist der zweitälteste Sohn des alten Abe Lain, den sie nur Old Abe nennen.

»Stuart«, sagt Jonathan Lain, als er den Packen und den gesattelten Gaul hinter dem Stall bemerkt. »Wohin willst du?«

Stuart Lain ist neunzehn Jahre alt. Er sieht prächtig aus. Ein Riese mit schwarzgelocktem Haar und stahlblauen Augen.

»Wegreiten«, erwidert Stuart. »Bruder, du paßt auf, daß unser kleiner Bruder Abe ein Mann wird. Verstanden?«

»Daß du wegreiten willst«, brummt Joe Lain und grinst dennoch, »kann ein Blinder sehen. Wohin willst du reiten, Großer?«

»Überallhin«, antwortet Stuart. »Wie lange ich wegbleiben werde, das weiß der Teufel, aber ein Lain geht nicht unter. Das steht in unserem alten Familienbuch geschrieben. Ich komme wieder, soviel ist sicher. Und ich bringe einen Sack voll Geld mit, damit unser Vater keine grauen Haare bekommt, wenn ihm nochmals Rinder sterben. Ich will auch nicht; daß Mutter nicht genug ißt und unsere kleine Schwester kein so feines Kleid wie Mary-Anne Watts zum Geburtstag bekommt. Ich werde Geld verdienen. Wie, Bruder, das ist mir noch nicht klar.«

»Ich bin verdammt sicher, Ma und Dad wissen noch nichts davon?«

»Nichts«, versichert Stuart. »Dad würde sagen, daß die Lains immer auf die Stiefel und nie auf den Stetson fallen, also hätte ich zu Hause zu bleiben. Wenn ich gehen will, dann gehe ich auch, das weiß er.«

Das sagte er. Er ist ein Lain.

Und die Lains erreichen immer das, was sie wollen. Vielleicht kommt er eines Tages wirklich mit einem Sack voll Geld wieder, dieser Stuart Lain.

Stuart Lain steigt auf und nimmt die Zügel seines Pferdes hoch.

Und dann reitet er an, sieht sich nicht mehr um. Er ist schon fast ein Mann, als er die Lain-Ranch verläßt.

*

Er macht einen Fehler, der große Billy Watts, aber es wird ihm nicht bewußt.

Billy sieht den Wagen kommen, einen schönen Flachgänger mit nur einem Pferd zwischen der Doppeldeichsel.

Vor zwei Tagen hat Billy Geburtstag gehabt, aber er ist heute noch betrunken, genau wie Archer Dunnigan. Archer ist sein Schatten und macht alles, was Billy, der Boß, ihm befiehlt. Archer fragt auch nie nach dem Grund für eine Arbeit.

Billy Watts stiert aus dem Fenster seines Hauses. Außerdem gehören ihnen noch sechzehn Häuser in Midwest. Und der Sheriff, sagt man, ist auch ein Mann Watts’.

»Hallo«, sagt Billy und stülpt die Unterlippe auf. »Wer ist denn das da, Archer!«

Der kommt sofort, tritt neben seinen Boß und sieht aus dem Fenster. Dann sperrt Archer genauso die Augen auf wie sein großer Boß.

Auf dem Sitzbrett des Wagens, der nun unter dem Balken vom Frontier-Saloon durchfährt, sitzt ein Girl mit blonden Haaren und seidenweichen, langen Wimpern.

»Archer, wer ist das?«

»Das ist Virginia Lain«, erwidert Archer gepreßt, weil ihm die Luft nach dem Anblick fehlt. »Du kennst sie doch, Boß.«

»Alle Teufel, warum habe ich das Girl nicht schon früher gesehen?« fragt Billy, der bis zu diesem Tag

neunundzwanzig Freundinnen gehabt haben soll. »Archer, wo hat das Kind gesteckt?«

»In Denver, Colorado – die letzten vier Jahre, Boß.«

Billy schiebt sich den Hut ins Genick und kratzt sich an der Stirn. Er hat – der Teufel soll es holen – noch nie so ein Girl gesehen.

»Und was hat sie dort gemacht?«

»Sie ist Lehrerin geworden.«

»Was?« fragt Billy Watts und reißt die Augen auf. »Lehrerin? He, woher sollen die Hungerleider das Geld gehabt haben.«

»Das weiß keiner«, brummt Archer Dunnigan. »Sie haben es bezahlt, also müssen sie das Geld gehabt haben, auch wenn sie Hungerleider sind, Boß. Immerhin haben sie tausenddreihundert Rinder – gute Rinder, Boß!«

»Was sind tausenddreihundert Rinder?« fragt Billy Watts, als sei das nichts, worüber man reden könnte. »Davon könnte ich nicht einen Monat leben, Archer. Teufel, als ich das Kind zuletzt sah, da hatte es lange Zöpfe und war mager wie eine verdurstende Kuh.«

Archer erklärt: »Ich habe sie schon vor einer Woche einmal gesehen, aber nur von hinten. Weißt

du, was ihre Brüder gesagt haben, Boß?«

»Woher soll ich das wissen«, fragt Billy Watts. »Ich mag die Lains nicht, nicht die Boys und auch nicht Old Abe. Und schon gar nicht Stuart. Der hat mich mal... Hundesohn, verdammter!«

»Was hat er, Boß?«

»Seit wann hast du Fragen zu stellen?« faucht Billy und erinnert sich an den Hieb, der seinen Kopf traf. »Rede! Was haben Joe und Little-Abe gesagt?«

»Nun, sie sollen gesagt haben, ihre Schwester sei zu schön für dieses schmutzige Nest und die hungrigen Blicke aller Boys. Sie wollten sie nicht in die Stadt lassen.«

William Watts stülpt sich den Hut wieder richtig auf sein leicht rötliches Haar, dann streckt er den Bauch heraus, damit auch jeder seine feine, aus China-Seide gewebte Weste und die Silberknöpfe daran sieht. Und dann spaziert er auf die Tür zu.

Er macht einen Fehler, denn er glaubt, daß er so schön ist, daß er jedes Girl bekommen kann. Vor allen Dingen hat Billy Watts schon immer zuviel Geld gehabt.

Billy Watts stolziert in seinen prächtigen Stiefeln zum Saloon und trinkt dort einen Doppelstöckigen. Danach hat er noch mehr Mut.

Der schöne Billy stakst gleich darauf über die Straße.

Er geht wie der König dieser Stadt.

*

Jubal Morse ist ein kleiner Mann, den das Alter noch weiter schrumpfen läßt. Niemand, der ihn so klein und mickrig sieht, würde glauben, daß er sich einmal mit Indianern herumgeschlagen hat.

Manchmal, wenn die Tage kurz und die Nächte lang sind, träumt Jubal Morse von der guten, alten Zeit. Dann fällt ihm die Lain-Sippe ein, aber auch der alte Wyatt William Watts gehört untrennbar in die Vergangenheit Jubals. Die drei großen W – das ist heute noch das Brandzeichen der Watts’.

Man kann sagen, die Watts’ haben hier immer geherrscht. Doch Billy Watts hat weiter nichts zu tun, als von dem vielen Geld seines Vaters zu leben. In Jubal Morses Augen ist Billy ein Taugenichts seit dem Tag, an dem Billy sich an Jubals Nichte heranmachte und dem Girl eine verdammte Melodie in die Ohren blies. Danach geschah das, was immer geschieht, wenn Billy Watts ein Girl erst einmal bekommen hat: das Girl heult, und Billy nimmt das nächste.

»Hallo!« sagt Old Jubal freundlich und lächelt, als sei die Sonne selbst in seinen alten Store gekommen. »Ja, wer ist denn das? Laß mich überlegen, Mädel, laß mich einen Moment nachdenken. Ich kenne dich doch?«

Er denkt nach, dann kommt er hastig hinter demTresen hervor.

»Virgi Lain!« sagt er und streckt beide Hände aus. »Nein, nicht möglich. Wie hast du dich verändert, Girl! Ich darf doch Virgi sagen?«

»Aber sicher, Onkel Jubal, das darfst du.«

»Nein, nein«, sagt er und schüttelt den Kopf. »Wie hast du dich verändert.«

Sie lächelt, zwinkert auf die gleiche Art, mit der Old Abe manchmal einen seiner Späße einleitet, und sagt:

»Habe ich mich zum Schlechten verändert, Onkel Jubal?«

»Das Gegenteil, nur zum Besten!« beteuert Old Jubal Morse. »Ich hörte schon, sie hätten dich von der Bahn abgeholt, deine Brüder. Und eine richtige Lehrerin bist du geworden. Wie geht es deinem Vater? Und was willst du anfangen?«

»Vater hat sehr mit seinem Reißen in den Beinen zu tun«, erwidert sie. »Und ich? Dad hat mit Mr. Meyers gesprochen. Der ist alt und will in zwei Monaten aufhören. Er möchte, daß ich seine Nachfolgerin werde.«

»Das wirst du, meine Tochter, das wirst du«, verspricht Old Jubal. »So wahr ich in der Stadtversammlung sitze und die Leute auf mich hören, du wirst es. Hat sich Old Abe gefreut?«

»Sehr«, erwidert sie. »Aber er denkt zuviel an meinen Bruder.«

»An Joe?« fragt der Alte scheinheilig. »Hat Joe etwas ausgefressen?«

»Joe frißt nie etwas aus«, antwortet Virgi kopfschüttelnd. »Dad denkt zuviel an Stuart.«

»So, er denkt an Stuart?« murmelt Jobal Morse. »Nun ja, dein Bruder Stuart war schon mit neunzehn Jahren fast ein richtiger Mann. Alle Mädels waren verrückt nach ihm, ob du es glaubst oder nicht. Wenn Stuart Lain in diese Stadt ritt, dann seufzten alle Girls.«

Er lacht dabei, bemerkt ihren ernsten Blick und fragt:

»Macht sich Old Abe Sorgen um seinen Ältesten?«

»Ja, Old Jube. Er hat solange nicht geschrieben, sechs Monate ist es her, daß sein letzter Brief kam. Ob ihm etwas passiert ist?«

»Ehe Stuart Lain etwas passiert, geht die Welt unter. Er ist ein prächtiger Bursche. Viel prächtiger als diese Narren hier. Ich sage dir, er ist so stark, daß er deine Brüder eine Stunde lang an den ausgestreckten Armen halten könnte.«

»Ja?« fragt sie erstaunt. »Onkel Jubal, war er wirklich so stark, wie die Leute sagen?«

»Oh, er hob den Amboß hoch und trug ihn auf den Hof der Schmiede«, gibt der Alte zurück. »Er nahm ein Hufeisen und zerbrach es wie andere Leute eine Honigbrezel. Stuart Lain hatte Muskeln aus Stahl und ein Herz wie ein Löwe. Selbst dieser verdammteTaugenichts…«

Und dann schweigt er abrupt. Er sieht den Taugenichts, den Daumen in die Westentasche gehakt, mit dem Zeigefinger die Kette antippend, daß die Goldglieder blitzen, vor dem Eingang zum Store auftauchen.

Er hat Virginia gesehen, denkt Jubal Morse. Der gerechte Zorn seiner Vorfahren packt ihn. Dieser Strolch hat sie gesehen, wette ich! Teufel, da ist auch sein Revolvermann!

*

Billy hat einen eigenen Store. Als er damals kam, da bediente in diesem Store Jubal Morses Nichte Mary. In dieser Zeit ließ sich Billy Watts herab, jeden Tag zu erscheinen und eine Kleinigkeit zu kaufen. Seitdem es aber zwischen ihm und Mary aus ist, hat sich Billy nicht mehr blicken lassen.

»Hallo, Jubal, alter Freund!« sagt Billy und tritt wie der Großmogul von Bagdad über die Schwelle. »Ist das nicht ein prächtiger Tag, mein Freund?«

Ich bin auch nicht gerade dein Freund, denkt der Alte. Wenn es nach mir ginge, dann bekämst du jeden Tag eine Tracht Prügel.

»Hallo, Mr. Watts«, erwidert er höflich. »Was darf es sein?«

Watts schielt schon – der Alte sieht es – zu dem Girl hin, das sich langsam umwendet. Billy betrachtet sie mit derartiger Neugierde und mit solchem Staunen, daß ihm beinahe die Augen auf die alten Dielen fallen. Das Girl von vorn zu sehen, das ist die nächste Überraschung für Billy.

Trotz seines Staunens aber überhört er Jubals Frage nicht.

»Was brauchte ich doch gleich, Archer?«

Archer ist wie immer als Schatten hinter ihm her gewandert. Einige Viehdiebe, die in der Gegend hausen, haben den alten Wyatt William Watts veranlaßt, Archer Dunnigan zu holen. Er muß auf Billy achten. Leichter könnte er sein Geld nie verdienen. Bis jetzt ist Billy noch keinem Viehdieb begegnet.

»Zigarren«, brummt Archer, der sich gerade vor der Tür einen seiner dünnen, langen und pechschwarzen Glimmstengel angezündet hat. »Gute Zigarren, Boß.«

»Sicher, Zigarren«, antwortet Billy bestätigend. »Jubal, mein Freund, ich habe viel Zeit. Du bedienst besser zuerst die Lady. Ich kann gern warten, so eilig ist das nicht.«

»Nun, die paar Zigarren...«

Jubal Morse will Billy Watts aus dem Store haben, aber er schafft es nicht. Kaum redet er, als ihm Billy das Wort abschneidet.

»Jubal, ärger mich nicht! Ich bin zuletzt hereingekommen, also bin ich auch noch nicht dran, bedient zu werden. Ich weiß immer, was sich gehört!«

Ausgerechnet dieser Lump will das wissen, denkt der Alte zornig. Niemand trampelt so über jeden Anstand hinweg wie dieser Halunke.

Er wendet sich nun an Virginia Lain, schenkt Billy Watts nur noch einen Seitenblick und fragt ziemlich brummig:

»Was hättest du denn gern, Tochter?«

Virginia Lain läßt sich von Watts’ Benehmen glatt bluffen. Der Billy Watts, von dem sie einmal hörte, er wäre von Stuart jämmerlich verdroschen worden, benimmt sich hier wie ein Gentleman. Dazu sieht er nicht übel aus, er ist prächtig angezogen und versteht auch zu reden.

»Oh, eine ganze Menge«, erwidert sie und bemerkt Watts’ bewundernden Blick. »Dad meinte, ich solle mir neues Reitzeug holen, damit ich zum Unabhängigkeitstag anständig gekleidet bin. Meine alten Sachen passen mir nicht mehr. Ich brauche Stiefel, Rock, Bluse und Weste. Dazu einen neuen Hut, ein Halstuch und einen Revolvergurt.«

Das ist wirklich eine Menge. Billy Watts wird also warten müssen. Darum versucht Old Jubal es noch einmal.

»Mr. Watts, das wird eine ganze Weile dauern«, sagt er hastig »Soll ich Ihnen nicht doch besser die Zigarren gleich geben?«

»Jubal, ich sage alles nur einmal«, brummt Watts kopfschüttelnd. »Zuerst die Lady, ich habe viel Zeit.«

Den Halunken wird Jubal Morse nicht los, das weiß er nur zu gut. Billy hat wie ein Bär, dem der Duft von Honig in die Nase gestiegen ist, Feuer gefangen.

»Wie Sie wollen, Mr. Watts«, erwidert er mürrisch, geht zum Regal und holt zuerst die Stiefel. »Wenn Sie so viel Zeit haben...«

Kaum hat Virginia Lain Stiefel, Bluse und Weste vor sich liegen, da hüstelt Billy und tritt an denTresen.

»Lady«, sagt er nach einer kleinenVerbeugung, »es steht mir nicht zu, mich einzumischen, aber man sagt mir eine ganze Menge Geschmack nach. Das meint auch meine Schwester, und die muß es wissen, denn sie kauft nie in unserer Stadt.Wenn Sie einen bescheidenen Rat annehmen wollen, Lady: Ich würde den gelben Rock und die grüne Bluse nehmen. Zu Ihrem prächtigen Haar paßt grün einmalig, Lady. Dazu die hellen Stiefel und eine dunkelbraune Weste mit gleichfarbigem Revolvergurt. Das ist nur einVorschlag, Lady.«

»Danke, Mr.Watts«, sagt Virginia freundlich und sieht zu, wie Billy Rock und Bluse auf den Tresen legt, die Stiefel darunterstellt, das Revolverhalfter um den Rock schlingt und schließlich oben in die Bluse ein hellgelbes Halstuch stopft. Natürlich kommt sie nicht auf die Idee, daß der smarte Billy schon für neunundzwanzig Ladies die Kleidung ausgesucht haben könnte.

Virginia Lain staunt über Billy Watts’ Geschmack.

»Alle Achtung, Mr. Watts«, sagt sie erstaunt. »Das paßt prächtig. Aber Sie haben die teuersten Dinge ausgesucht. Oh, dieser schwarzbraune Hut...«

»Zu Ihrem hellen Haar gehört ein schwarzbrauner Hut«, gibt Billy zurück. »Wenn Sie ihn aufsetzen würden, Lady?«

Er hält ihr den Hut hin. Sie probiert ihn und geht zu Old Jubal Morses Spiegel.

»Tatsächlich, und ich hatte immer etwas gegen dunkelbraun«, sagt sie verwundert. »Aber ich kann es Vater nicht zumuten, einen derartigen Preis für einen Hut auszugeben.«

»Aber Tochter, wir reden doch nicht über den Preis«, antwortet der Alte hastig. »Das kommt schon in Ordnung. Wir haben...«

Und dann sagt er gar nichts mehr. Er hört Archer Dunnigan reden. Worte dringen an sein Ohr, die ihn schweigen lassen.

»Boß«, sagt Archer hastig, als fiele ihm gerade etwas ein. »Ich sollte dich erinnern, Boß. Dein Geburtstag. Hast du vergessen, was du versprochen hast?«

»Richtig«, erwidert Billy, als wäre ihm ein ganzer Kronleuchter auf­gegangen. »Warum habe ich nicht daran gedacht? Nun ja, die vielen Freunde, die man hat, dieses ewige Feiern, das ich nicht mag, aber doch mitmachen muß... Moment, Jubal, ich muß der Lady etwas erklären.«

Virginia sieht ihn erstaunt an. Sie begreift nicht, was Watts ihr zu erklären hat. Jubal Morse aber wird steif vor Zorn. Ihm fällt eine Geschichte ein, die ihm Vincent Mattford, ein alter Freund, der in Buffalo einen Store besitzt, von Billy Watts erzählte.

»Das ist eine etwas schwierige Sache, Lady«, erklärt Billy honigsüß. »In unserer Familie gibt es einen Brauch, der manchem seltsam erscheinen mag. Wie überall, so bekommt man auch bei uns eine Menge zu seinem Geburtstag geschenkt. Das ist meistens zuviel des Guten. Mein Großvater hat darum eine Sitte eingeführt. Für uns Watts’ ist es Gesetz, diesem Brauchtum nachzukommen.Wir müssen nach unserem Geburtstag irgendeinem etwas schenken.«

Er blickt in ihre großen Augen und sieht nur Staunen. Vielleicht denkt sie das, was andere Ladies auch schon geglaubt haben, daß der alte Watts einen kleinen Tick gehabt haben muß.

Virginia Lain ist so sprachlos, daß sie gar nichts sagen kann. Und beinahe sieht es so aus, als wäre auch der Alte stumm geworden. Dann aber scheint der kleine Jubal Morse zu wachsen.

Er deutet mit dem Zeigefinger auf die Storetür.

»Billy Watts«, sagt er im nächsten Augenblick knirschend. »Da hat der Zimmermann ein Loch gelassen. Sieh zu, daß du es hinter dir läßt! Hinaus, Billy, jetzt ist es genug! Ich habe lange genug geschwiegen und mich geduckt, aber einmal ist alles vorbei. Mach, daß du hinauskommst, du Windbeutel!«

»Was sagst du da?« fragt Watts und hebt seine große Hand. »Was bin ich?«

Es ist zuviel für den Alten gewesen. Er hat es die ganzen Monate geschluckt, es hat in ihm genagt, gewühlt und ist wie ein Dorn in seinem Fleisch gewesen.

»Du bist ein Strolch, ein Lump, ein Halunke, der nicht unter anständige Leute gehört«, faucht der Alte in jäh ausbrechender Wut los. »Du bist ein Taugenichts und Tunichtgut, eine Schande für einen guten, alten Namen! Erzähl deine verdammten Lügen an einem anderen Ort, aber nicht in meinem Store, du Gauner! Du willst einem Familiengesetz nachkommen, du mußt jemandem etwas schenken.«

Er ballt die Faust und schlägt sie auf den Tresen.

Und plötzlich hat er keine Furcht mehr. Er muß es diesem verdammten Schürzenjäger einmal richtig sagen.