Greif ein, Jesse! - G.F. Barner - E-Book

Greif ein, Jesse! E-Book

G. F. Barner

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Beschreibung

Begleiten Sie die Helden bei ihrem rauen Kampf gegen Outlaws und Revolverhelden oder auf staubigen Rindertrails. G. F. Barner ist legendär wie kaum ein anderer. Seine Vita zeichnet einen imposanten Erfolgsweg, wie er nur selten beschritten wurde. Als Western-Autor wurde er eine Institution. G. F. Barner wurde als Naturtalent entdeckt und dann als Schriftsteller berühmt. Seine Leser schwärmen von Romanen wie "Torlans letzter Ritt", "Sturm über Montana" und ganz besonders "Revolver-Jane". Der Western war für ihn ein Lebenselixier, und doch besitzt er auch in anderen Genres bemerkenswerte Popularität. Der Wind streicht über den Hof, über den Urraca Bach, an dem die Ranch liegt, und über das Gras der Weide, auf der die Rinder grasen. Hinter den Büschen des Baches duckt sich ein Mann tief gegen den Hals seines Pferdes. Seine Hand hebt sich blitzschnell, die Zügel fliegen dem Mann an seiner Seite zu. »Runter!« sagt der Mann dann zischend. »Das ist Kennan. Er ist im Stall. Runter, ihr zwei, schnell. Nur zwanzig Schritt, dann haben wir ihn.« Sie steigen ab, drei Mann, die sich jetzt neben den Pferden, die der vierte hält, ducken. Einen Augenblick noch berühren ihre Stiefel den Saum des Baches und treten in das Wasser. Dann sagt der erste wieder: »Neben die Wand, an die Tür! Wenn er kommt, dann schießt nicht, es muß leise gehen!« »Aber wenn er zum Revolver…« »Er wird ihn nicht mehr ziehen können.« Es ist ein einziger, schneller Griff, dann liegt der Revolver in seiner Hand. Und dann huschen sie los, sie laufen aus den Büschen die kaum fünfzehn Schritt auf den Stall zu. Drei Männer tauchen plötzlich auf, ducken sich am Stall und sinken hinunter. Sie sind nur weniger als drei Schritt vor der Tür. In der Hand jedes Mannes liegt der Revolver.

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Seitenzahl: 161

Veröffentlichungsjahr: 2023

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G.F. Barner – 275 –

Greif ein, Jesse!

Die Tür ächzt im leichten Wind.

G.F. Barner

Der Wind streicht über den Hof, über den Urraca Bach, an dem die Ranch liegt, und über das Gras der Weide, auf der die Rinder grasen.

Hinter den Büschen des Baches duckt sich ein Mann tief gegen den Hals seines Pferdes.

Seine Hand hebt sich blitzschnell, die Zügel fliegen dem Mann an seiner Seite zu.

»Runter!« sagt der Mann dann zischend. »Das ist Kennan. Er ist im Stall. Runter, ihr zwei, schnell. Nur zwanzig Schritt, dann haben wir ihn.«

Sie steigen ab, drei Mann, die sich jetzt neben den Pferden, die der vierte hält, ducken. Einen Augenblick noch berühren ihre Stiefel den Saum des Baches und treten in das Wasser.

Dann sagt der erste wieder: »Neben die Wand, an die Tür! Wenn er kommt, dann schießt nicht, es muß leise gehen!«

»Aber wenn er zum Revolver…«

»Er wird ihn nicht mehr ziehen können.«

Es ist ein einziger, schneller Griff, dann liegt der Revolver in seiner Hand.

Und dann huschen sie los, sie laufen aus den Büschen die kaum fünfzehn Schritt auf den Stall zu.

Drei Männer tauchen plötzlich auf, ducken sich am Stall und sinken hinunter.

Sie sind nur weniger als drei Schritt vor der Tür.

In der Hand jedes Mannes liegt der Revolver.

Und im Stall ist Edward Kennan, der gerade die Decke von der Stange nimmt.

Dann dreht sich Kennan um. Er hat den Sattel über den Rücken und die Decke in der rechten Hand.

Er kommt auf die Tür zu. Er hat es eilig und geht schnell.

In diesemAugenblick richtet sich der erste Mann hinter dem offenstehenden, vom Wind herumgetriebenen Torflügel auf.

Die Schritte Kennans nähern sich der Tür. Kennan geht schwer und fest auftretend. Er sieht das blasse Mondlicht auf dem Hof liegen und denkt schon an Wagon Mound, die Straße und die Kneipe von Charlie.

Wenn er Glück hat, dann sitzt Juan Valdez noch in der Kneipe, und hat er noch mehr Glück, dann ist Rosalia nicht bei ihm. Es wird nur ein kurzer Augenblick sein, der Juan Valdez aus dem Saloon lockt und ihn zu Kennan bringt. Aber es wird eine lange Zeit sein, die JuanValdez braucht, um sich von dieser Begegnung zu erholen.

Ed Kennan geht schnell, eine Hand hält den Sattel, die andere die Decke.

Und dann kommt er aus der Tür.

In dieser Sekunde dreht er sich um, um mit dem Stiefelhacken die Tür zuzuwerfen. Sein Fuß kommt hoch, er steht auf einem Bein und… da sieht er den Mann springen.

Kennan zuckte einmal leicht, dann duckt er sich weg. Der Mann kommt, springt aber vor den Sattel, den Kennan fallen läßt. Der Sattel stürzt nach unten. Kennan hört den Mann fluchen und sieht ihn stolpern.

In dem Moment, in dem der Mann fällt, stürzt sich Kennan vorwärts auf die Wand des Stalles zu und zieht im Sprung seinen Revolver.

»Vorsicht!«

Der eine Mann keucht scharf und schnell, der andere, den er nun auch sieht, springt los. Kennan wird im Rücken gerammt und kracht gegen die Stallwand. Seine rechte Hand, die den Revolver halb aus dem Halfter hat, wird heftig gegen die Stallwand gepreßt und eingeklemmt.

Vielleicht ist Ed Kennan zu angetrunken, um die Gefahr zu sehen, da rammt ihm einer den Revolver in den Rücken.

Der andere umklammert mit einem harten, drehenden Griff seinen rechten Unterarm und sagt drohend: »Keinen Ton, Kennan, steh still, sonst geht es dir schlecht.«

Der Revolver in seinem Rücken bringt Kennan jäh zur Besinnung. Er, der bisher in seinem betrunkenen Kopf verworrene Ideen über sein Zusammentreffen mit Juan Valdez gehabt hat, wird beinahe schlagartig nüchtern.

Während ihm der rechts neben ihm stehende Mann den Arm umdreht, so daß er den Revolver loslassen muß, ist der andere links neben ihm aufgetaucht und sagt eisig: »Kennan, keinen Versuch, sonst stirbst du!Anworte, aber sei leise.Wo ist Hayward?«

Kennan steht still. Er kann das Gesicht des Mannes nicht erkennen und erstarrt, als er das hochgezogene Halstuch sieht. Im ersten Sehen und der Reaktion auf den Sprung des nur als Schatten zu erkennenden Mannes hat er nichts von dessen Gesicht sehen können. Jetzt weiß er, daß der Mann sein Halstuch über die Nase gezogen hat.

Sie sind alle vermummt.

»Hayward, Jesse ist im Haus!« sagt er stockend und spürt immer noch die Revolvermündung im Rücken. »Was – was soll das, was wollt ihr?«

Der Mann neben ihm winkt mit der Hand und tastet ihn dann ab. Er findet sofort den zweiten Revolver, den sich Kennan in den Hosenbund geschoben hat, und nimmt die Waffe an sich.

Einer der anderen sieht starr zum Haus.Aber dort rührt sich nichts.

»Schläft Hayward, Kennan? Antworte, was ist mit ihm!«

In diesem Augenblick sieht Kennan aus den Augenwinkeln den vierten Mann mit den Pferden kommen. Der Mann reitet langsam, die Hufe machen kaum Geräusche.

»Stell sie in den Stall«, sagt der erste wieder kühl. »Nun, Kennan, wo ist dein Freund?«

»Er – er ist festgebunden!«

»Was? Sieh mal an, festgebunden? Warum das?«

»Weil… Er ließ mich nicht gehen«, antwortete Kennan bissig. »Keine Gefahr für euch, wenn ihr das meint. Er ist wirklich angebunden!«

»Seht nach, ich bleibe mit Ben hier!«

Kennan starrt auf die beiden Männer, die jetzt loshasten. Sie laufen geduckt auf das Haus zu, dann springt der eine mit einem Satz in die Tür, verschwindet im Haus und kommt nach kaum zwanzig Sekunden wieder heraus.

»Er hat nicht gelogen. Hayward liegt tatsächlich am Bett festgebunden!«

Der Mann vor ihm sieht Kennan seltsam an. Dann sagt er trocken: »Ich habe gedacht, es gehöre mehr dazu, einen Mann wie Hayward zu binden, mein Freund! Sicher hast du Hayward von hinten erwischt, he?«

»Ja«, sagt er stockend. »Ich habe ihn von hinten… Na und? Das ist unsere Sache, denke ich.«

»Sicher, sicher«, erwidert der Mann trocken. »Aber, daß ein Freund den anderen niederschlägt… Ed Kennan! – Hast du getrunken?«

»Na und?« fragt Kennan, jetzt schon wieder wild. »Und wenn ich es habe, geht euch das etwas an? Wer seid ihr, was sucht ihr hier? Mein Freund, ihr seid auf unserer Ranch. Steck den Revolver ein und verschwindet hier.«

»Vielleicht würden wir tatsächlich verschwunden sein, wenn du uns nicht dieArbeit mit ›Schläfer‹ Hayward abgenommen hättest, Mann.«

Kennan erstarrt, er wird jäh steif und sieht den Mann groß an.

»Was weißt du?« sagt er würgend. »Woher weißt du diesen Namen, Mann? Niemand hier kennt ihn, keiner weiß, daß man Jesse einmal ›Schläfer‹ Hayward genannt hat.«

»Niemand… Oh, vielleicht irrst du dich«, sagt der Mann mit dem vermummten Gesicht trocken. »Einer weiß es zumindest genausogut wie einige von uns: der alte Bart, der schlaue Kerl und gerissene Bursche. Na los, bringt seine Sachen in den Stall, macht ihn zu und fegt die Spuren weg!«

»Was, was?« sagt Kennan, der nun gar nicht mehr begreift. »Heißt das etwa, daß ihr uns längere Zeit…«

»Du bist aber klug«, sagt einer der vier hinter ihm kichernd. »Nun mal vorwärts, Kennan. Keine Angst, einer von uns geht voraus. Wir wollen ein kleines Weilchen bei euch bleiben. Ihr habt doch hoffentlich genug Vorrat im Haus?«

»Oh,Teufel«, sagt Edward grimmig.

Er geht los und sieht den einen Mann nun mit den Pferden aus dem Bach kommen. Der Mann handelt schnell und überlegt. Er bringt die Pferde in den Stall, greift nach einer Decke und bindet sie an einer Stange fest. Mit einem Besen und der Decke bewaffnet geht er zum Bachufer zurück.

Banditen, denkt Edward Kennan bestürzt. Das sind Banditen. Und ausgerechnet uns besuchen sie.Was haben sie vor, was wollen sie von uns? Geld ist kaum auf der Ranch, wir haben keine Reichtümer im Haus, also, was soll das alles?

»Bring die Taschen mit, Hale!«

Der eine Mann dreht sich um und spricht mit dem, der schon an den Büschen am Bachufer ist. Dann kommt er zurück und sieht Kennan von der Seite her schief an.

»Du!« sagt er drohend und läßt Kennan in seinen Revolver sehen. »Wenn du krumme Gedanken hast, ich puste sie dir aus deinem Kopf, klar? Jetzt rein mit dir! Nur nicht so eilig, wir sind keine Anfänger in diesem Geschäft. Bleib stehen, Langer, bleib bloß stehen!«

Der Mann hinter ihm hält Kennan an der Jacke zurück, drückt dabei jedoch seinen Revolver hart an.

»Langsam, Kennan, du brauchst nicht zu denken, daß wir Narren sind. Versuche nicht zu treten, ich bin genauso schnell wie dein Fuß. Alles in Ordnung innen?«

»Alles in Ordnung!«

Kennan bekommt einen Stoß, der ihn, obwohl er die Füße hochzureißen versucht, über die Schwelle in die Küche befördert. Er fällt der Länge nach hin.

»Ed, was ist?« fragte Jesse Hayward von drüben scharf. »Wer ist das, Edward?«

»Ich weiß nicht«, erwidert Kennan keuchend am Boden. »Ich habe sie nie gesehen, Jesse. Sie haben mich im Stall erwischt und mir keine Chance gelassen. Mein verdammter Brummschädel…«

»Narr«, sagt Hayward kühl. »Sie hätten dir den Whisky aus deinem verrückten Kopf filtern sollen. Das hast du davon, mein Freund. Wir reden noch darüber, verlaß dich darauf.«

Dann verstummt er. Er sieht den mittelgroßen Mann durch die Tür kommen und blickt zwei, drei Sekunden mit halbgeschlossenen Lidern auf den Gurt des Mannes. Es ist ein dunkler Kreuzgurt mit einer typischen mexikanischen Stickerei. Der Mann hat den Revolver links im Halfter, den anderen in der Hand und bleibt dicht vor ihm stehen.

»Feiner Freund, was?« fragt er schnappend. »Hayward, mach ihm nur keinen Vorwurf, wir würden dich genauso erwischt haben. Bringt ihn herein!«

Kennan bekommt einen leichten Stoß, knurrt grimmig, als der Stiefel ihn anstößt, und kommt langsam auf die Knie. Er sieht sich um, er rechnet für zwei Sekunden mit einer Chance, aber sie stehen zugut. Der eine lehnt am Herd hart neben dem Lichtschein, der durch die offene Schlafkammertür in die Küche fällt. Nur sein Revolverlauf ist zu sehen, das Licht läßt ihn blinken. Der andere ist an der Tür und sieht ihn wachsam an.

»Na, Kennan, du bist ein wilder Bursche, wir wissen das«, sagt der andere an derTür träge. »Versuch lieber nichts, du kannst nur eine Kugel erwischen. Los, geh nach drüben und stell dich an die Wand.«

»Ich möchte wissen, was das soll«, fragt Hayward scharf, als Kennan mit eingezogenem Kopf und einem Blick, der sonstwohin, nur nicht zu ihm geht, in den Raum stolpert. »Wer seid ihr? Ist dies ein Überfall, dann sagt, was ihr wollt. Ich habe nicht mehr als hundert Dollar im Haus.Also…?«

Der mittelgroße Bursche mit den zwei Revolvern sieht ihn kühl an und schüttelt den Kopf.

Die Revolver, denkt Jesse, ich habe diesen Gurt – den Burschen habe ich doch irgendwo schon gesehen? Wann und wo ist das gewesen?

Es will ihm nicht einfallen. Er wartet auf Antwort, aber der Mann läßt sich Zeit und deutet kurz mit dem Revolverlauf zurWand. Dort hängt Haywards Winchester, die jetzt einer der beiden anderen nimmt, entlädt und wieder auf die Pflöcke legt. Die Patronen steckt der Bursche ein.

»Wir wollen dein Geld nicht«, murmelt der Mittelgroße knapp. »Hayward, hast du noch ein Gewehr im Haus? Seht alles nach, auch die Truhe da drüben macht auf.«

»Paß draußen auf, Hale! Sind die Spuren weg?«

»Alle, die finden nichts.«

»Die finden nichts?« wiederholt Hayward verstört. »Was soll das heißen, Mann? Sucht euch jemand?«

Der Mittelgroße wendet sich ihm wieder zu und nickt knapp.

»Ja«, sagt er hart. »Einige Narren sind hinter uns her, Hayward. Sie haben uns denWeg in die Berge abgeschnitten, wir haben sie tricksen können, aber sie werden sich sagen, daß wir nur im Bach geritten sein können, den Bachlauf abreiten und vielleicht in zwei Stunden hier sein.Vielleicht sogar noch eher. Ich habe gedacht, daß ihr vielleicht einen Grund haben würdet und nichts zu sehen, verstehst du? Da ist Kennan – er hat einen Zusammenstoß mit Juan Valdez gehabt, wie? Niemand dieser Burschen von der ValdezRanch kann euch leiden, wenn sie auch so tun. Such es dir aus, Mister… Wir reiten weiter, aber dann hast du einige tote Zuchtbullen im Corral liegen. Wir bleiben hier, dann habt ihr uns nie gesehen, verstanden?«

»Warum verkriecht ihr…«

Hayward verstummt, starrt den mittelgroßen Mann scharf und durchdringend an und weiß jetzt schlagartig, woher er den Mann kennt.

Keine zehn Meilen von hier in den Bergen liegt Eagle Nest. In dieser kleinen Ansiedlung tauchen oft einige Burschen auf, die ihre Revolver sehr locker tragen. Man sagt, daß Romeira, der Saloonbesitzer aus Eagle Nest, mit den Banditen, die seit mehr als einem Jahr die Weide hier heimsuchen, unter einer Decke stecken soll.

»Das also«, sagt Hayward keuchend. »Das also ist es! Ihr gehört zu jenem Rudel von Viehdieben, das in dieser Ecke haust und regelmäßig gestohlenes Vieh nach Mexiko treibt.Wenn ihr auch uns noch nie bestohlen habt, ihr müßt in dieser Nacht beim Viehdiebstahl gesehen worden sein und seid geflüchtet, wie?«

Die Banditen sehen sich an, dann nickt der Mittelgroße knapp, sagt aber kühl: »Es ist nicht beim Viehdiebstahl gewesen, Hayward. Die Sache geht dich nichts an, verstanden?Wir können noch wegreiten, hör mir zu, wir können noch reiten, aber der Weg dürfte versperrt sein. Und dann gibt es eine Schießerei, begreifst du das, Mann?«

Er bückt sich blitzschnell, schneidet mit einem Ruck den Strick durch, der Jesse Hayward an das Bett bindet, und reißt Jesse hoch. Hayward kann seine Hände und Füße nicht gebrauchen. Zwar ist der Strick entzwei, der ihn an das Bett gefesselt hat, aber die Hände und Füße sind gesondert gebunden.

Der Mittelgroße verfügt über so große Kräfte, daß er Hayward auf die Beine reißt und ihn mit der linken Hand halten kann.

Die Rechte aber kommt mit dem Revolver und setzt sich Hayward mitten in den Bauch.

»Du kannst wählen«, sagt der Bandit schneidend. »Der Bursche Kennan dort ist krank, er wird hier im Bett liegen und von zweien von uns bewacht werden. Hayward, dies ist die einzige Chance, die wir euch lassen. Entweder stecken wir dein Haus an allen vier Ecken an, oder du hilfst uns jetzt. Du hast diese Chance – keine andere! Helfen oder zusehen, wie wir dein Haus anstecken. Was willst du? Mann, ich mache keinen Spaß, ich spreche im vollen Ernst. Dich kennen wir.Von Kennan wissen wir weniger, aber eins wissen wir mit Sicherheit: Du spielst kein Spiel, das irgendwie ungesetzlich ist, Schläfer Hayward«

Es ist Jesse, als würde ihm der Boden unter den Füßen weggezogen. Auf einmal bemerkt er die Eiseskälte in den Augen des Mittelgroßen, der kaltblütig Kennan zu Boden gebracht hat. Der Mann blufft nicht, er wird genau das tun, was er hier androht. Sie werden Kennan und ihm, Jesse, jede Chance nehmen, an eine Waffe zu kommen. Er ist verloren, wenn er jetzt nicht mitspielt.

Zu dieser Erkenntnis kommt der Schreck darüber, daß sie ihn kennen. Woher sie auch immer seinen früheren Spitznamen aus dem Panhandle wissen

– sie kennen ihn, das allein ist genug.

»Du hast keine Zeit, Schläfer!« sagt der Mittelgroße drohend und gibt ihm einen Stoß, daß er der Länge nach auf das Bett fliegt. »Verstecken oder…?«

»Und wenn ich ihnen einen Wink gebe, wenn sie auftauchen?«

Die Augen des Mannes werden so kalt, daß der erfahrene Jesse Hayward weiß, was sie dann tun werden.

»Da ist Kennan«, sagt der Mittelgroße eisig. »Er wird in der Sekunde sterben, in der du der Suchmannschaft von JuanValdez einenWink gibst.«

Hayward, der rücklings auf dem Bett liegt, erstarrt vollkommen.

JuanValdez,denkt er entsetzt,der ist es, der sie sucht? Großer Gott, warum sucht er sie, wenn sie nicht an seinVieh gegangen sind? Warum?

»Damit habt ihr mich in der Hand, was?« sagt Jesse leise. »Nicht nur jetzt, wie? Ich verstecke euch einmal, ich werde in euren Händen wie in den Klauen eines Geiers stecken. Ihr könntet mich zu jeder Zeit erpressen, aber… Freundchen…«

Er macht eine Pause und sieht die Männer der Reihe nach an, die ihn drohend anblicken.

»Paßt gut auf«, sagt Jesse Hayward langsam und fest. »Wenn ihr mich kennt – der Teufel weiß, woher ihr etwas über mich erfahren habt –, dann solltet ihr wissen, daß ich mich nie erpressen lasse. Hört gut zu, ihr vier Burschen! Kommt ihr jemals wieder und geht mir an meine Herde, dann gnade euch Gott! Dann fangt an zu laufen, denn sonst werde ich euch suchen. Und ich werde nicht der Narr sein, der euch wie Milford in eine Falle läuft. Hast du mich verstanden, Mister?«

»Dich bekommt man nicht klein, was?« fragt ihn der Mittelgroße zischend. »Du bist auch zu treffen, denke nur nicht, daß wir dich nicht erwischen können, wenn wir wollen. Wir haben einen Boß, der weiß nicht, daß wir irgend etwas mit dir anfangen. Hayward, wir hätten dich zehnmal bestehlen können, aber unser Boß ist dagegen, verstehst du? Das ist genug geredet. Ich werde dich losbinden, Hayward, ich weiß, du kämpfst selbst dann, wenn du keine Chance mehr siehst. Du bist ein dickschädeliger, sturer Texaner von jener Sorte, die lieber Gras frißt, als nachzugeben. Du wirst nichts anfangen, gib dein Versprechen, Hayward, dann passiert dir nichts!«

Sie machen ihn wirklich los, zwingen dafür aber Kennan, der stöhnend aufwacht, sich zu entkleiden und in das Bett zu legen.

»In der Küche ist ’ne Kammer«, sagt Bill giftig. »Da werd ich mich verstecken, Hayward, damit du es weißt, hä! Und in meiner Hand werd ich meinen Revolver halten. Und wenn du den Mund aufmachen willst, wenn sie kommen, dann… lieg bloß still! Du bist auch so ein wilder Bursche, dem nicht zu trauen ist. Was ist mit dem Schrank da in der Ecke?«

Einer macht ihn auf, schiebt die Kleider zur Seite und steigt hinein. Es ist Platz für zwei Mann im Schrank, dessen Tür einen Spalt offen bleibt.

Kennan starrt auf den Spalt und denkt, daß dies alles nur ein Alptraum ist, denn durch den Spalt sieht ihn ein Revolver an.

»Du, Kennan, wir machen das Licht aus, aber wir brauchen nur eine Weile im Schrank Versteck zu spielen«, sagt der Hagere langsam. »Die übrige Zeit sind wir bei dir draußen. Liegst du nicht still, dann erlebst du was. Los, Hayward, auch ausziehen und die Sachen griffbereit hinlegen. Kommt was, dann kannst du aufstehen, dir die Hose anziehen und in die Stiefel fahren. Na, wird’s bald?«

»Immer freundlich«, erwidert Jesse kurz. »Ich weiß schon, wie ich es zu machen habe.Wenn sie das Haus durchsuchen, dann haben sie euch und ich bin erledigt. Man wird mich für einen Banditenfreund halten!«

»Dann sorg dafür«, sagt der Mittel große kalt, »daß sie gar nicht erst ins Haus kommen.«

Jesse zieht sich schweigend aus, legt sich ins Bett und sieht, wie der Hagere die Lampe ausbläst. Einen Augenblick ist es dunkel. Er könnte vielleicht jetzt springen, einen Mann erwischen und an dessen Revolver kommen. In der Dunkelheit würden sie sich unter Umständen gegenseitig…

»Hayward«, sagt der Mittelgroße trocken direkt hinter dem Bett. »Wenn du denkst, daß du rausspringen und einen von uns anfallen kannst, dann denkst du falsch. Ich stehe hier und ziele auf dich. Immerhin habe ich schon eine ganze Minute, ehe das Licht erloschen ist,dieAugenlider geschlossen gehabt. So schlau bin ich schon lange. Lieg still, Freund, kommst du hoch, dann drücke ich ab!«

Der Kerl hat es geahnt, denkt Jesse bitter.

Hayward knirscht vor Zorn mit den Zähnen. Er muß tun, was sie verlangen, eine andere Möglichkeit bleibt ihm nicht.

Der eine Bandit steht am Fenster, sein Schatten zeichnet sich genau gegen die Scheiben ab.