Gangster auf Urlaub - Leo Walde - E-Book

Gangster auf Urlaub E-Book

Leo Walde

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Beschreibung

Erholung pur – so stellen sich nicht nur die gesetzestreuen Teile der Ge-sellschaft ihren Urlaub vor. Doch jeder weiß, wie schnell so etwas in Stress ausarten kann! Vor allem, wenn das Misstrauen untereinander gras-siert und überdies sich plötzlich ein paar Detektive aus Frankfurt einmi-schen. Und wenn die sodann den ahnungslosen Urlaubern gehörig die Hölle heiß machen – Teufel! Wieder einmal bekommt es die Detektei Tooth Stone Investigations mit den Segnungen Künstlicher Intelligenz zu tun. Genauer gesagt, mit jenen Leuten, die den Hype durchschaut haben und glauben, noch schlauer zu sein. Und überdies schlauer als Zahnstein, Andrea, Laya und Janine, die es den Ganoven aber auch wahrlich leicht machen und bisweilen den An-schein erwecken, dass die Leitung, auf der sie gemütlich herumstehen, doch ein wenig zu lang für sie ist. Doch wer behält letztlich die Oberhand? Siegt tatsächlich das Gute? Wer ist überhaupt der, die oder das Gute? Wie spannend! Doch mit der Klärung unwichtiger Fragen halten sich die Frankfurter Detektive nicht auf.

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Veröffentlichungsjahr: 2024

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DREISSIG

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Leo Walde

 

GANGSTER

AUF URLAUB

 

 

 

 

Kriminalroman

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum:

 

Leo Walde, c/o Hans-Jürgen Waldmann, Comeniusstr. 38, 60389 Frankfurt am Main.

[email protected]

Copyright © 2024ISBN: 978-3-759243-92-8Umschlaggestaltung: Leo Walde

Druck und Vertrieb: tolino mediaDas Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

EINS

 

 

 

 

 

 

Zahnstein wäre nicht Zahnstein, würde er sich ausgerechnet in einem Fitnessstudio zurückhalten. Ausgerechnet an einem Ort, an dem Menschen beiderlei Geschlechts - und quer durch alle Altersklassen - mit leichter und zumeist eng anliegender Kleidung Bewegungen vollführen, die in ihrer scheinbar keinem äußeren Zweck gehorchenden aufreizenden Routine beinahe schon eine gewisse Intimität ausstrahlen. Indem sie damit, dass sie ihre ›Übungen‹ vor aller Augen praktizieren, eine ungeheure Schamlosigkeit zur Schau stellen. Ausgerechnet er soll dort entgegen jeglicher Gewohnheiten einen ausschließlich auf die Ertüchtigung des eigenen Körpers ausgerichteten und einer bedingungslosen Quälerei verpflichteten Sportsmann mimen, der von all den um ihn herum sich so unbekümmert freizügig gerierenden Artgenossen keinerlei Notiz nimmt? Eine solche Figur würde vielleicht dem Ideal einer altehrwürdigen Turngemeinschaft, in der ein jeder Kamerad mit stolzgeschwellter Brust ein Siegerlächeln ob der erfolgreichen Bekämpfung des sogenannten inneren Schweinehunds präsentiert, zur Ehre gereichen, aber, mal ehrlich - Zahnstein? Was hat Richard Zahnstein damit zu tun?

Klar, er befand sich unbestreitbar keineswegs zufällig an diesem Ort des Grauens, unter all den Sportskanonen und Bizeps-Fetischisten, mit ihrem selbst-erniedrigenden Gestöhne und Geröchel, ihrer Selbstzufriedenheit, wieder einmal etwas ›geschafft‹ zu haben. Nein, er tat es mit voller Absicht, und das bereits seit nunmehr fast zehn Jahren! Aber bei ihm war das etwas Anderes, natürlich! Denn ihm hatte es der Arzt verordnet!

Und es war nicht so, dass ihm der ärztliche Ratschlag nicht eingeleuchtet hatte. Nicht damals, als er die Sechzig gerade überschritten hatte, und schon gar nicht heute, wo er seit ein paar Monaten bereits die Sieben vor dem Komma… Müssen wir darüber unbedingt reden? Natürlich nicht! Es ist, wie es ist, und alles wird gut!

Aber wenn es nun schon sein musste, wenn nun schon mal die Muskeln und Sehnen und Knochen ein wenig in Bewegung gehalten werden mussten, um nicht vollends in eine Art Schockstarre zu verfallen, dann konnte man doch wenigstens seine Umgebung mit offenen Augen wahrnehmen, oder? Dadurch würde er ja nicht gleich zu einem alten, verklemmten Spanner mutieren! Denn man konnte Zahnstein vieles nachsagen, aber nicht, dass er verklemmt sei!

Man konnte ihm für gewöhnlich auch nicht nachsagen, dass er von den Gelegenheiten, die sich ihm boten, sehr viele ausließ. Während andere Männer vielleicht etwas vorsichtiger zu Werke gingen, um nicht zu sagen, in Minderwertigkeitskomplexen schwelgten, immerzu die Risiken abwägend, und Chancen ängstlich übersehend, war Zahnstein mit einer optimistischeren und eher forschen Herangehensweise gesegnet. Solange das alles gutging, war nichts dagegen zu einzuwenden, bewahre, aber wenn man einmal die Konsequenzen betrachtete, die aus den Ereignissen an diesem Tag, also heute, entstehen sollten, dann konnte der arme Kerl einem fast leidtun.

 

Die Frau war ihm zum ersten Mal an einem Gerät aufgefallen, an dem man mit den Knien irgendwelche Gewichte bewegte. Man musste in sitzender Position seine Beine aus einer gespreizten Lage heraus nach innen drücken. Zahnstein hatte diese Übung noch nie selbst praktiziert, aber den angestrengten Gesichtern der anderen Fitness-Enthusiasten nach zu urteilen schien das nur unter sehr großen Mühen möglich zu sein. Und tatsächlich bewegten sich mittels einer obskuren Seilzugmechanik neben dem Trainingsstuhl aufgehängte Bleigewichte nach oben, wenn der Sitzende langsam seine Knie aufeinander zu bewegte.

Für Zahnsteins Geschmack war diese Übung an Obszönität kaum zu überbieten. Aber das war keineswegs der Grund, warum ihm die Frau, die das Gerät bediente, auf den ersten Blick gefiel. Eher muss man sagen, trotzdem sie diese Übung durchführte, denn für Zahnstein hatte die Bewegung etwas Beklemmendes, um nicht zu sagen ›Einklemmendes‹. Es gelang ihr sogar, das schmerzhafte Gefühl, das ihre Darbietung bei Zahnstein hervorrief, noch zu steigern, indem sie, als sie seinen verstohlenen Blick zufällig einfing, ein entwaffnend fröhliches Lächeln auf ihr Gesicht zauberte, das der Bewegung vollständig jeglichen Anschein von Gewalttätigkeit nahm.

Oder musste man sagen, sie fing seinen Blick wie zufällig ein? Sich also der Beobachtung durch Zahnstein jederzeit bewusst war, und sich mit ihrem Lächeln über ihn lustig machte? Oder hatte er sich am Ende ihre Mimik nur… eingebildet? Imaginiert, aus einer Wunschvorstellung heraus? Freilich einer solchen, in der der schmerzhafte Teil der Übung fehlte? Jedenfalls war, als er ein zweites Mal zu ihr hinüberschaute, von alledem nichts mehr zu bemerken. Die Frau arbeitete konzentriert an ihrer Beinpresse – so nannte man diese Übung wohl -, wischte anschließend mit einem Desinfektionsmittel die Handgriffe und Polsterung des Geräts gründlich ab und begab sich zu einem der anderen Folterinstrumente.

Zahnstein war verwirrt. Dabei war es durchaus nicht ungewöhnlich, dass seine Wahrnehmung ihm einen Streich spielte und er schon mal die Realität mit seiner Vorstellung von ihr verwechselte. Doch in diesem Fall war es nur zu offensichtlich, dass seine Aussetzer aus dem starken Eindruck herrührten, den diese Frau bei ihm hinterlassen hatte. Wenn es denn überhaupt Aussetzer gewesen waren.

Sie war etwa vierzig… oder fünfzig… oder womöglich bereits sechzig? Heutzutage konnte das niemand so genau sagen. Wenn siebzigjährige Präsidentengattinnen aussahen wie ein französischer Filmstar aus dem letzten Jahrhundert, dann konnte man sich umgekehrt bei einer gutaussehenden Frau, die für vierzig durchging, keineswegs sicher sein, dass sie mit diesem Aussehen nicht vielleicht schon seit zwanzig Jahren durch die Welt spazierte. Und es gab ja nicht nur die unendlich vielen Produkte der Natur- und sonstigen Kosmetik, die die Werbeblöcke der Vorabendprogramme so aufdringlich infiltriert hatten – es gab ja auch die harte Tour! Es gab – ästhetische Chirurgie!

Nicht, dass bei dieser Frau etwas diesbezügliches festzustellen war, aber Zahnstein kannte sich in diesem Gebiet der Medizin nun mal besonders gut aus; es war für ihn sozusagen ein Heimspiel. Weshalb seine Gedanken bei jedem Menschen mit einer halbwegs geraden Nase sich schnurstracks in diese Richtung bewegten – und bei gut erhaltenen Exemplaren des weiblichen Geschlechts sowieso. Denn Zahnstein hatte während seines Berufslebens seine Tage mit Schönheitschirurgie zugebracht. War in dieser Disziplin zu einem der erfolgreicheren Vertreter seiner Zunft gereift und versorgte noch immer, jetzt, wo er offiziell den Ruhestand angetreten und de facto sogar in einen gänzlich anderen Job eingestiegen war, ein paar verbliebene Stammkunden, die, wie er selbst ja auch, inzwischen in einem reiferen Alter angekommen waren, aber andererseits, ebenfalls wie er selbst, der Außenwirkung ihrer Person eine beträchtliche Bedeutung beimaßen.

Die Gedanken an seine berufliche Vergangenheit und die darauf zurückzuführenden Assoziationen – sie mochten es sich eine Weile in Zahnsteins Oberstübchen gemütlich gemacht haben, aber eine halbe Stunde später war Schluss damit. Denn zu diesem Zeitpunkt waren sowohl der Ex-Schönheitschirurg als auch die Frau von der Beinpresse in die an das Fitnessstudio angeschlossene Sauna gewechselt.

Natürlich unabhängig voneinander. Als Zahnstein die Schwitzkammer betrat, lag die Dame bereits auf einer Pritsche. Ausgestreckt auf dem Rücken, die Hände unter dem Kopf verschränkt und das rechte Knie angewinkelt. Außer den beiden saß noch ein junges Paar auf einer etwas höher gelegenen Bank, ansonsten war der Raum leer. Zahnstein sagte »Hallo«, wobei er sich ein wenig heiser anhörte, und die Anwesenden murmelten einen Gruß zurück. Der der Frau fiel jedoch wesentlich deutlicher aus als der des Paares. Sie sagte mit geschlossenen Augen: »Olá«.

Er war nicht überrascht. Er hatte zwar nicht gleich auf eine Spanierin getippt, trotz der schmalen Gesichtsform und der gelockten hochgebundenen schwarzen Haare, aber nun konnte er ihr Aussehen einordnen. Auch die vollen Lippen und die schlanke Gestalt kamen ihm nun ausgesprochen spanisch vor. Wie er jetzt auch mit einem kurzen Blick auf die so provozierend nackt daliegende Frau jeglichen Gedanken an eine operative Unterstützung dieses Körpers fallen ließ. Da war nichts Ungewöhnliches, jedenfalls nichts, was einen Eingriff verriet. Wenn man mal davon absah, dass die ganze Frau ungewöhnlich war. Und das lag keineswegs nur an dem eintätowierten Raubkatzenkopf, der ihren Bauch zierte.

›Ende Vierzig‹, lautete sein fachmännisches Urteil, basierend auf den vielen seinen Operationstisch ehemals bevölkernden Frauenkörpern. Aber es war ein überaus selbstbewusstes ›Ende Vierzig‹ - was sich allerdings nicht nur aus der eingenommenen Pose so ergab, sondern es war noch etwas anderes, was Zahnstein zu dem kühnen Schluss von der Nacktheit dieser Frau auf ihre Bewusstseinslage veranlasste. Vielleicht der Umstand, dass sie kurz die Augen aufschlug und ihren Kopf mit einem unmerklichen Lächeln zu ihm drehte? Oder war es etwa die Raubkatze, die gezwinkert hatte?

Er begab sich zu einer der obersten Pritschen und legte dort sein Handtuch aus. Er setzte sich so, dass sein Blick aus dem großen Fenster hinaus in die triste November-Szenerie fiel, vorbei an der dahingegossenen Spanierin, scheinbar völlig von der Aussicht auf die weiter hinten vorbeirauschende Autobahn eingenommen. Alles andere wäre auch zu viel gewesen.

 

Er hatte die Frau noch nie hier gesehen. Auch irgendwo anders nicht, aber das musste nichts bedeuten, denn von den sich in diesem Fitnessstudio tummelnden Menschen hatte er noch kein einziges Exemplar sozusagen ›auf freier Wildbahn‹ angetroffen.

Trotzdem mochte es möglich sein, dass sie schon länger zu den Besuchern dieses Etablissements gehörte, denn Zahnsteins Aufenthalte hier waren eher selten und unregelmäßig. Einmal die Woche musste eigentlich reichen, zumindest um sein Gewissen und den Doc zu beruhigen. Klar, wenn’s blöd lief, konnte man andere, die ein ähnlich reduziertes Programm absolvierten, über mehrere Jahre hinweg nicht zu Gesicht bekommen.

Es war auch egal. Jetzt hatte er sie jedenfalls erspäht. Dass er sie bislang schlicht und ergreifend übersehen hatte, schien ihm allerdings ausgeschlossen. Zu außergewöhnlich war ihre Erscheinung und ihr Verhalten inmitten der teils verbissenen, teils Aktivität nur vortäuschenden Sportskanonen, die hier für gewöhnlich anzutreffen waren.

Kurze Zeit nach ihrem Saunagang hatte die Frau die Örtlichkeiten wieder verlassen. Als Zahnstein aus dem Schwitzraum heraustrat, konnte er sie noch, eingehüllt in einen grünen Bademantel und ein weißes Handtuch um ihre Frisur geschlungen, auf einer der Ruheliegen ausmachen, aber nachdem er von der Dusche zurückkam, war die Liege leer und auch einen grünen Bademantel konnte er an keinem der Wandhaken entdecken.

Als er jedoch nach seinem ebenfalls nicht mehr allzu lange dauernden Aufenthalt in der Sauna den Ausgang im Erdgeschoss passierte, stand sie plötzlich neben ihm. Es hatte angefangen zu regnen, und zwar heftig. Sie stand unter dem schmalen Vordach neben der Tür, mit aufgerissenen Augen die Tropfen beim Fallen beobachtend und beim Auftreffen auf den Asphalt, wo sie auseinandersprangen. Als Zahnstein ebenfalls einen Moment hinter der sich selbsttätig schließen Tür innehielt, drehte sie ihm den Kopf zu und sagte mit einem Lächeln im Gesicht:

»Muita água.«

Zahnstein lächelte ebenfalls, sagte jedoch nichts und beschränkte sich auf verständnisvolles Kopfnicken.

»Ich wäre besser unter Banho geblieben«, fügte sie nach einer Weile hinzu.

»Das kannst du hier auch haben«, sagte Zahnstein mit einer Geste, die auf den prasselnden Regen auf dem vor ihnen liegenden Parkplatz deutete. Ihm war gerade noch rechtzeitig eingefallen, dass man sich im Fitnessstudio ja duzte. Unter Leidensgenossen sozusagen.

Die Frau lachte. »Aber dann werden Klamotten ganz nass.«

»Kommt drauf an«, grinste Zahnstein, woraufhin die Frau langsam wieder den Kopf in seine Richtung drehte, mit einem Lächeln, das ebenso unmerklich war wie das in der Sauna.

Zahnstein sagte: »Kann ich dich vielleicht irgendwohin mitnehmen? Ich bin mit dem Auto da.«

»Ich weiß nicht…«, sagte sie zögernd. »Aber warum nicht? Vielleicht bis S-Bahn?«

»Konstabler?« Er meinte die Haltestelle ›Konstablerwache‹, eine Station, die von allen Frankfurter S-Bahn-Linien durchfahren wurde.

»Ja! Konsti ist gutt!«

»Mein Wagen steht dort drüben. Siehst du?« Er zog die Autoschlüssel aus seiner Hosentasche und drückte auf die Fernbedienung, woraufhin bei einem Wagen, der sich drei Reihen von ihnen entfernt auf der rechten Seite des Parkplatzes befand, die Blinkleuchten mehrmals kurz aufleuchteten,

Sie nickte. »Hast du… escudo? Äh… Schirm?«

»Leider nein. Wir sollten uns beeilen.«

Noch während er das sagte, zog er den Reißverschluss seiner Regenjacke weiter hoch und lief in den prasselnden Regen. Die Frau stürmte ebenfalls los und gab dabei wilde Schreie von sich, die sich wie »Jesus Maria e José« anhörten. Zahnstein schrie ebenfalls, und zwar »Tasche auf den Rücksitz«, während er – inzwischen am Wagen angekommen - die hintere Tür aufriss und seine Sporttasche hineinschleuderte.

Die Frau kam kurz hinter ihm an, lief mit kurzen, aber schnellen Schritten um den Wagen herum auf die andere Seite, riss dort die Tür auf und warf sich mitsamt ihrer Sporttasche in den Beifahrersitz. Zahnstein hatte sich schon kurz zuvor auf den Fahrersitz fallen lassen und beide keuchten sie nun wegen des kurzen Sprints, aber wohl auch deshalb, weil sie froh waren, jetzt im Trockenen zu sitzen.

Die Frau hatte ihre Sporttasche auf ihren Beinen stehen und hielt sie umklammert. Regenwasser lief ihr das Gesicht herunter und sie lachte. »Mia Mãe«, sagte sie, schwer atmend.

»Mein Name ist übrigens Richard«, stellte Zahnstein sich vor.

»Sophia.« Die Frau streckte ihm ihre rechte Hand entgegen.

›Für einen Kuss ist es wahrscheinlich noch zu früh‹, dachte Zahnstein. Stattdessen sagte er: »Español?«

»Brasil!«, erwiderte die Frau.

»Ah! Das Traumland der Deutschen!«

»Eu sei! Ich weiß«, lachte sie. »Bei uns ist es genau umgekehrt!«

»Wie das?«

»Deutschland ist nicht der Traum, sondern der Albtraum der Brasilianer.«

»Ach ja?«

»Ja, Wegen dem sete um!« Sie bemerkte Zahnsteins verwirrten Gesichtsausdruck und ergänzte: »Das ›sieben-eins‹. Im Fußball! Bei der WM 2014! Das war ein Schock für unser Volk! Tief eingegraben! Wenn irgendetwas schiefgeht, sagt man: ›Gol da Alemanha‹«

»Echt jetzt?«

Sie nickte. »Wir sind immer noch nicht darüber hinweg.«

»Unglaublich...« Er schüttelte den Kopf und startete den Wagen. »Es wird nicht wieder vorkommen, ich schwöre.«

»Ja, weil die Mannschaft sich gegen Alemanha nicht mehr aufs Spielfeld traut!«

Jetzt musste auch Zahnstein lachen. Eine Brasilianerin also! Na klar! Hätte er sich denken können! Wie sie so auf der Saunabank lag, hatte er gleich gedacht: Tänzerin aus Rio! Vielleicht nicht mehr aktuell, aber noch immer deutlich zu sehen! Er startete den Wagen und sagte: »Das mit dem nationalen Trauma musst du mir genauer erklären!«

 

Es ist immer gut, wenn man außer dem Wetter noch andere Themen hat. Die brasilianische Volksseele war zwar nicht gerade Zahnsteins Favorit, aber zur Not tat es das auch. Doch auf der Fahrt zur ›Konsti‹ ging ihnen der Gesprächsstoff selbst dann nicht aus, nachdem das »sete – um« wirklich vollständig ausgelutscht war.

Als er direkt neben der S-Bahn-Station anhielt, sagte er also kühn: »Wollen wir nicht bei einem Abendessen weiterreden?«

Natürlich tat sie so, also müsse sie darüber nachdenken, aber als Zahnstein ihr seine Visitenkarte in die Hand drückte – die, die nur seinen Namen, seine Anschrift und seine Telefonnummer enthielt – sagte sie mit einem verschmitzten Lächeln: »Eu telefono para você.«

»Würde mich freuen«, sagte Zahnstein, während sie ausstieg und ihm zuwinkte. Und als er wieder in den Verkehr einfädelte, murmelte er, noch immer das Lächeln auf den Lippen: »Gol da Alemanha!«

 

Zu diesem Zeitpunkt wusste er noch nicht, dass es sich bei diesem Gol um ein Eigentor handelte. Natürlich entwickelte sich die Angelegenheit anfangs ganz nach seinen Erwartungen. Sophia rief ihn an nächsten Tag tatsächlich an und sie verabredeten für den kommenden Samstag ein gemeinsames Abendessen. Natürlich beim Brasilianer. Zahnstein gab vor, »schon immer« mal die brasilianische Küche kennenlernen zu wollen, und Sophia kannte einschlägige Restaurants.

Sie landeten schließlich in einer zwanzig Kilometer südlich von Frankfurt gelegenen Gaststätte im kleinen Flughafen von Egelsbach, was nicht wörtlich zu nehmen war, denn sie flogen nicht, sondern fuhren mit Zahnsteins Jaguar dort hin. Sophia sagte, sie sei noch nie dort gewesen, was Zahnstein ein wenig wunderte, denn sehr viele brasilianische Restaurants gab es in Frankfurt und Umgebung nicht, und er hatte zudem den Eindruck, dass der Kellner und Sophia sich kannten, auch wenn weder er noch sie das offen zu erkennen gaben.

Egal, es war ein netter Abend, das Essen war gut, der Wein ebenso, die Gespräche sowieso. Eine Wellenlänge, wie man so sagt. Zahnstein erfuhr, dass Sophia vor zehn Jahren nach Deutschland gekommen war, nachdem sie in Sao Paolo – also doch nicht Rio – partout auf keinen grünen Zweig kommen konnte und ihren damaligen Mann in die Wüste beziehungsweise den Regenwald geschickt hatte. Seitdem hatte sie sich in diversen Supermärkten dieser Stadt an der Kasse gelangweilt, bereute ihren Schritt aber keineswegs – wenn man vielleicht vom Wetter mal absah. Zahnstein erzählte von seinem Studium der Medizin und seiner anschließenden Hingabe an die ästhetische Vervollkommnung der Menschheit, von den ungerechtfertigten Anfeindungen gegen den Berufsstand der Schönheitschirurgen sowie von seinen Erfolgen auf dem Golfplatz, wobei er letzteres ebenfalls einer verschönernden Behandlung unterzog, jedoch ohne dies eigens zu erwähnen. Nur von der Tooth Stone Investigations, der Detektei, die er zusammen mit seiner Schwester sowie zwei weiteren Frauen im letzten Jahr gegründet hatte, schwieg er sich aus.

Von seiner Schwester Andrea erzählte er überhaupt erstaunlich wenig – wenn man sich einmal den Stellenwert, den sie in seinem Leben einnahm, vor Augen führte. Lediglich davon, dass ihr Verwandtschaftsverhältnis Ergebnis des Adoptivwahns ihrer Eltern war, berichtete er, wobei er allerdings die nunmehr seit etwa zwei Jahren bestehende Intimität ihrer Beziehung unerwähnt ließ. Ja, die beiden waren ein Paar! Nicht nur ein Geschwisterpaar, sondern auch ein Liebespaar. Als Adoptivgeschwister durften sie das sein, auch ohne komische Blicke von komischen Freunden zu riskieren. Aber natürlich ernteten sie sie trotzdem, die Blicke, und hängten ihr Verhältnis deshalb lieber gar nicht erst an die große Glocke.

Dass Zahnstein dies nun gegenüber Sophia ebenfalls nicht tat, hatte natürlich einen anderen Grund. Er bemühte sich schon seit mehreren Tagen äußerst intensiv, an dieses Verhältnis nicht so viel zu denken. Wohl wissend, wie abträglich es doch dem Erfolg eines Seitensprungs sein kann, wenn man zu viel nachdenkt.

Aber jetzt, bei diesem so anregenden Abendessen, hatte Zahnstein derartige Gedanken vollends in die Verbannung getrieben. Die Zeit verging wie im Fluge und das auf höchst angenehme Art und Weise. Zahnstein sprühte nur so vor Charme und Sophia tat das ebenfalls, was will man mehr? Was für eine Frage! Dass der Abend im Bett endet natürlich!

Aber auch in dieser Hinsicht lief alles planmäßig. Zumindest gemäß Zahnsteins Plänen. Und zu Sophias Vorstellungen schien die Einladung in sein Penthouse ebenfalls zu passen. Jedenfalls musste er keine allzu großen Widerstände überwinden, als er ihr den Absacker auf seiner Terrasse vorschlug.

Klar, dass es im November schon zu kalt war, um sich dort länger aufzuhalten, und so mussten sie nach wenigen Minuten notgedrungen ins Wohnzimmer wechseln. Wo es wiederum viel zu heiß war für Sophias dicken Pullover, weshalb sie ihn fragte, ob er auch wirklich nichts dagegen hätte, wenn sie ihn ablegte. Er hatte nicht. Der Pullover blieb übrigens an diesem Abend das einzige Kleidungsstück, das sie sich selbst auszog.

 

Als Zahnstein am nächsten Morgen aufwachte, es war ein Sonntag, war die Bettseite neben ihm leer. Es war bereits halb elf, und da sie die Jalousien nicht heruntergelassen hatten, lag das Schlafzimmer im hellen Sonnenlicht. Angesichts der Uhrzeit dachte er, dass Sophia bereits aufgestanden sei und er sie wahrscheinlich im Wohnzimmer vorfinden würde. Aber dort war sie ebenfalls nicht. Auch lagen ihre Klamotten nicht mehr auf dem Teppichboden herum.

Er rief ihren Namen und wollte gerade damit beginnen, in den anderen Zimmern nach ihr zu suchen, als im auffiel, dass die oberste Schublade der hohen Jugendstilkommode, die neben der Tür zum Flur stand, ein klein wenig herausgezogen war. Nicht viel, aber angesichts dessen, dass diese Schublade normalerweise abgeschlossen war, war selbst dieser kleine Spalt ungewöhnlich.

Zahnstein zog sie weiter auf und musste an den Spruch des einst berühmten Hans-Joachim Kulenkampff denken, der da sagte: ›Wie Sie sehen, sehen Sie nichts!‹. Denn die Schublade war leer. Vor allem lagen die drei Schatullen, die einen Teil seiner Uhrensammlung beherbergten, nicht mehr darin. Sicher, es gab wertvollere Exemplare als die ›1815‹ von ›Lange & Söhne‹, die er erst kürzlich für schlappe Fünfundfünfzigtausend ersteigert hatte und die damit gleich zum teuersten Exponat der Sammlung avancierte, aber insgesamt war damit der Gesamtwert der Chronometer auf immerhin etwas über dreihunderttausend Euro angewachsen, was ihn dann doch mit einem gewissen Stolz erfüllt hatte.

Aber jetzt war nichts von den exklusiven Zeitmessern zu sehen, nicht das kleinste Zahnrädchen, absolutamente nada! Er hob langsam seinen Kopf und schaute auf die Picasso-Reproduktion, die über der Kommode hing. Er nahm die Zeichnung des großen Malers nicht wahr, wie er sie so gedankenverloren und mit aufgerissenem Mund anstarrte, denn seine Gedanken waren mit etwas anderem beschäftigt. Mit einer zwinkernden Raubkatze.

 

ZWEI

 

 

 

 

 

 

»Was ist los, Ritchie? Hast du was?«

»Ich? Wieso?«

»Du bist so... komisch!«

»Komisch?«

»Na ja, eigentlich bist du heute überhaupt nicht komisch, sondern… irgendwie... geknickt.«

»Geknickt...«, murmelte Zahnstein abwesend. »Wenn du das sagst...«

Er war mit Laya ins Gyoza gegangen, einem japanischen Imbiss in der Nähe des ›City Gate‹, in dem sich die Geschäftsräume der Tooth Stone Investigations befanden. Es war Montag und Dreizehn Uhr dreißig, also höchste Zeit für eine mittägliche Stärkung. Nicht, dass sonderlich viel Kraft für die wenigen Anrufe und die noch spärlichere Post, die heute zu bewältigen war, erforderlich gewesen wäre, aber die Mittagspause ausfallen zu lassen, das war einfach ein No-go.

Zumindest für Laya, der geregelte Arbeitszeiten und rechtzeitige Pausen das wichtigste an ihrem Job zu sein schienen, wichtiger noch als die Kohle und erst recht wichtiger als zweifelhaftes Schulterklopfen, wovon sie in diesem Laden jedoch ohnehin nichts bemerkte. Insofern stellte sie den denkbar extremsten Gegensatz zu einem gewöhnlichen deutschen Arbeitnehmer dar, aber zu ihrer Verteidigung sei gesagt, dass sie ja auch keine Deutsche war, sondern aus Indien stammte, und dass sie mit ihrer Einstellung wahrscheinlich absichtlich ein gewisses Gegenbild zu ihrem früheren Job kultivierte, in dem sie als Prostituierte unterwegs war.

Sie hatte Zahnstein, der sich den ganzen Vormittag in seinem Büro eingeschlossen hatte, gefragt, ob er mit zum Japaner wolle, und der hatte ein lustloses »Von-mir-aus« von sich gegeben. Jetzt saß er ihr mit zwei Stäbchen und einer Schüssel Teigtaschen gegenüber und starrte nicht minder lustlos durch eine schmale Fensterscheibe auf den dahinschleichenden Verkehr der Glauburgstraße.

»Liebeskummer?«

»Was?« Er schreckte auf.

Laya atmete aus. »Das ist es also! Es hört wohl nie auf, oder?«

»Wieso sollte ich Liebeskummer haben? Hast du doch auch nicht!«

»Bei mir ist das was anderes. Ich bin aus dem Alter raus.«

»Ha, ha.«

Zahnstein wollte damit zwar sagen, dass er Layas Bemerkung für einen schlechten Scherz hielt, aber vielleicht stimmte es ja, was sie sagte. Vielleicht hatte sie die Irrwege romantischer Liebe ja tatsächlich längst hinter sich gelassen, auch wenn sie sich gerade mal in einem Alter befand, in dem andere durchaus öfters vollständig im Schraubstock vergeblichen Trennungsschmerzes eingeklemmt waren. Bei Prostituierten weiß man nie. Manche Entwicklungen verlaufen da im Zeitraffer, werden schlicht übersprungen oder geschehen in umgekehrter Reihenfolge. Vielleicht war sie ja im Liebeskummeralter noch nicht drin. Jedenfalls sagte sie:

»Also kein Liebeskummer?«

»Mach mal halblang! Liebeskummer!« Zahnstein legte die Stäbchen auf den Tisch. »Nur weil Andrea mal zwei Wochen ohne mich Urlaub macht? Meinst du das? Hör mir uff!«

Laya grinste ihn schief an. Natürlich war diese Erklärung für Ritchies Niedergeschlagenheit reichlich weit hergeholt. Nicht zuletzt seine Reaktion machte ihr deutlich, dass sie wohl danebengegriffen hatte.

»Und selbst wenn ich gewisse Entzugserscheinungen hätte…« Zahnstein sah sie scharf an. »Das wäre kein Liebeskummer!«

»So? Was denn dann?«

»Das wäre… so was wie Sehnsucht halt! Vorübergehende Gefühlsduselei oder so.«

»Dann ist ja gut, dass du dagegen immun bist!«

»Du sagst es«, stellte er fest, klemmte eine Teigtasche zwischen seine Stäbchen ein, biss ein Stück ab und starrte kauend aus dem Fenster.

Laya nahm einen Schluck von ihrem Tee. War es möglich, dass ihre Anschuldigung auf einer Verwechslung beruhte? Wie nennt man das noch mal? Projektion? War es vielleicht eher die eigene Unruhe, die sich in Bezug auf ihre Freundin Janine regte, die sie zu ihrer Liebeskummertheorie, oder von ihr aus auch Sehnsuchtstheorie, veranlasst hatte? Denn auch Janine war für zwei Wochen in Urlaub gefahren. Man nannte diese Art von Urlaub »Yoga-Retreat«, und außer Yoga gab es dort noch Meditation, Ayurveda und gesundes Essen – Dinge also, mit denen man Laya jagen konnte! Aber Janine stand darauf - weshalb Laya ihre Freundin ohne sie verreisen lassen musste.

Wer jedoch ebenfalls auf so etwas abfuhr, das war Andrea. Also hatte Janine einfach Andrea mit zum entspannungsfördernden Retreat genommen, oder vielleicht war es auch umgekehrt, also mit Andrea in der Rolle der Mitnehmenden, jedenfalls auf diese Weise sowohl Laya als grüne Witwe wie auch Zahnstein als deren männliches Pendant zurücklassend. Da konnte es schon mal passieren, dass die eine grüne Witwe ihre Gefühlslage sozusagen auf die andere projizierte. Das ist sozusagen – normal.

Nicht, dass Laya auf Andrea eifersüchtig gewesen wäre, jedenfalls nicht in erster Linie. Es war bestimmt nicht Andrea, die auf der Yogamatte auf dumme Gedanken kam. Aber in so einem Retreat tummelten sich nun mal jede Menge anderer Frauen, und zwar so viele davon, dass die Männer eine noch winzigere als eine verschwindend kleine Minderheit darstellten. Was eigentlich merkwürdig war, denn bei jeder anderen Gelegenheit konnte den Typen der Frauenüberschuss doch nicht groß genug sein! Wahrscheinlich gaben Turnhose und unbeholfene Verrenkungen nicht genug her für die Angeberpose – und Autos waren im Gymnastikraum eh verboten.

Wenn Laya also an die vielen Frauen in Janines Yoga-Kursus dachte… Nein! Reiß dich zusammen, Bitch! Vergiss deine blödsinnigen Eifersüchteleien! Und hör gefälligst damit auf, dem armen Ritchie Schwachheiten zu unterstellen!

»Es hatte jedenfalls nichts mit Entzugserscheinungen oder so zu tun«, sagte der arme Ritchie jetzt.

»Was?« Janine hatte nicht die geringste Ahnung, wovon Zahnstein eigentlich sprach, zielte mit ihrer Frage dennoch nicht darauf ab, was er wohl mit ›es‹ meinte. Sie war nur aus ihren Gedanken gerissen worden, keinerlei Sinn in Zahnsteins Bemerkung erkennend.

»Sie hat mich einfach fasziniert! Verstehst du?«

»Ehrlich gesagt… Wer?«

»Na Sophia halt!«

»Sophia…«

»Aus Brasilien!« Zahnsteins verträumter Blick war auf einen Punkt gerichtet, der sich irgendwo auf der anderen Seite der Glauburg befinden musste, aber es war auch egal, denn was sich dort abspielte, nahm er eh nicht wahr. Nach einiger Zeit wandte er den Kopf ruckartig in Layas Richtung und sagte ernst:

»Aber dass diese Schlampe die Uhren mitgenommen hat, das wird sie mir büßen!«

»Ritchie?« Layas trug diese Frage äußerst zaghaft vor und sie wirkte ein wenig verschüchtert angesichts seines grimmigen Blicks.

»Ja?«

»Sie mir bitte nicht böse, aber ich verstehe leider nicht alles von dem, was du da sagst…«

Zahnstein räusperte sich. »Du wolltest doch wissen, was mir passiert ist, oder?«

»Ich wollte wissen, was mit dir los ist, das stimmt, aber…«

»Dann pass mal auf«, begann er, und fuhr dann damit fort, indem er ihr eine wüste Geschichte von trainierenden Menschen, landenden Kleinflugzeugen und gefährlichen Raubkatzen erzählte. Laya verstand noch immer nicht alle Details, eigentlich kaum etwas von dem wirren Zeug, was der gute Ritchie ihr hier auftischte. Wobei der Punkt mit den Raubkatzen irgendwie eine doppelte Bedeutung zu besitzen schien…

Aber als sie eine Stunde später wieder auf der Straße standen, weil der japanische Kellner ihnen gesagt hatte, dass sie jetzt schließen würden, hatte Laya die Geschichte endlich verstanden. So fürchterlich wüst kam sie ihr inzwischen gar nicht mehr vor, sondern eher banal und alltäglich. Sie legte Zahnstein ihren Arm auf die Schulter und sagte:

»Mach dir nix draus, Ritchie, so was kommt vor! Das ist schon ganz anderen Männ… äh… Leuten passiert. Ich schwöre!«

 

Andrea und Janine waren jetzt genau neun Tage weg. Am Samstag vor einer Woche waren sie in Andreas Auto gestiegen und zu einem Wintersportort in der Schweiz gedüst. Denn dort befand sich das sagenumwobene Yoga-Paradies mit den vielen anderen Frauen und den munteren Trainerinnen für fernöstliche Entspannungsübungen.

Vierzehn Tage wollten sie dortbleiben, anschließend noch eine Woche ›Wellness‹ dranhängen. Nicht in der Schweiz, sondern im Allgäu, wo Andrea ein einschlägiges Etablissement kannte, das neben diversen ›Wohlfühlsaunen‹ auch über diverse weitere Einrichtungen zum ›Relaxen‹ und für ›Beauty‹ verfügte.

Danach sollten die beiden »erholt und runderneuert«, wie Andrea es ausdrückte, wieder zurückkommen. Ein Ereignis, dem sowohl Laya als auch Zahnstein mit gemischten Gefühlen entgegenfieberten. Wobei ihre Gefühlswelt jeweils anders gemischt war. Die eine dachte an die vielen Frauen im Schweizer Yoga-Retreat, der andere an die eine aus dem Frankfurter Fitnessstudio. Diese Dame war inzwischen zwar schon wieder verschwunden, aber mit ihr eben auch ein Teil von Zahnsteins Uhrensammlung, und Zahnstein hatte das dumme Gefühl, dass deshalb die Geschichte keineswegs so einfach unter Verschluss gehalten werden konnte. Kurioserweise sah er sich selbst in der Rolle, die das an die große Glocke hängen würde. Er hatte lediglich noch keine Idee, wie.

»Hast du den Diebstahl der Polizei schon gemeldet?«, fragte ihn Laya, während sie ihren Mantel im Garderobenschrank der Tooth Stone Investigations verstaute.

Zahnstein hatte das gleiche mit seinem Mantel schon erledigt und sah sie an. »Was denkst du wohl?«, antwortete er mit einer Gegenfrage.

»Also nicht«, stellte sie fest. »Aber wieso nicht? Brauchst du das nicht für die Versicherung? Die Dinger sind doch versichert, oder?«

»Schon. Aber dafür hätten sie im Tresor sein müssen. Entweder in meinem eigenen oder bei einer Bank. Aber die drei, die weg sind, die waren nun mal nicht im Tresor.«

»Wozu hast du das Ding denn?«

Er zeigte ihr eine Grimasse. »Normalerweise sind sie ja auch alle da drin. Aber die eine hatte ich gerade erst ersteigert und ich hatte sie noch nicht reingetan, und die beiden anderen wollte ich verkaufen und hatte sie deshalb schon mal rausgeholt.«

»Ach so! Sie hat dir also nur drei Uhren geklaut?«

»Nur ist gut! Diese drei Dinger sind zusammen immerhin schlappe hundert Mille wert. Ungefähr. Reicht das etwa nicht?«

»Doch, doch«, beschwichtigte ihn Laya. »Ich hatte nur gedacht, sie wären alle futsch.«

»Nee, das zum Glück nicht. Der Tresor ist unbeschädigt. Aber das ist ja gerade das Problem. Die Polizei würde keine Einbruchsspuren finden. Und wenn ich ihnen erzähle, dass sie jemand aus einer Schublade genommen hat, würde sie nur grinsen.«

»Und die Versicherung wahrscheinlich auch.«

»Du sagst es.«

Sie hatten sich in den Client’s room begeben, dorthin, wo man mit den Kunden neue Aufträge besprach oder auch den Stand der Ermittlungen. Dieser Name des Raumes ging auf Andreas Designvorstellungen zurück, die sich nicht nur auf die in dem Raum befindlichen Ausstattungsgegenstände bezogen, sondern eben auch auf die Namensgebung. Es waren zwar momentan keine Kunden zugegen, aber in diesem Raum befand sich auch die High-End-Kaffeemaschine der Detektei, und dieses Gerät benutzten nun sowohl Laya als auch Zahnstein für einen weiteren Espresso.

»War die Schublade eigentlich abgeschlossen?«, wollte die Inderin wissen.

»Natürlich. Aber mit so einem Primitiv-Schloss. Das kriegt man mit jeder Haarnadel auf.«

»Hatte sie ihre Haare denn hochgesteckt?«

»Sophia?«

Laya nickte.

»Normalerweise schon. Aber wenn ich mich recht erinnere, trug sie sie zum Schlafen offen.«

»Wenn du dich recht erinnerst. Aha…« Laya grinste ihn an. »Aber selbst wenn sie ihre Haarnadel vom Nachttischchen gegriffen hat, oder von mir aus eine deiner Büroklammern benutzt hat…« Sie war wieder ernst geworden. »Das muss man auch erst mal können!«

»Was willst du damit sagen?«

»Ich denke, du brauchst schon ein bisschen Übung, um so ein Möbelschloss mit ´nem Stück Draht aufzukriegen.«

»Du meinst, sie hat so was schon mal gemacht?«

Laya zuckte mit den Schultern. »Nicht auszuschließen, oder?«

»Und ist nur mitgekommen ist, um mich auszurauben?« Seine Stimme hatte einen leicht weinerlichen Unterton angenommen.

»Kann ich mir nicht vorstellen.« Laya stürzte ihren Espresso herunter und verdeckte mit der Tasse und ihrer Hand das Gesicht. »Hat bestimmt auch an deiner Ausstrahlung gelegen.« Zahnstein starrte sie an.

»Was war das überhaupt für eine?«, fuhr sie fort. »War sie zum ersten Mal im Studio?«

»Keine Ahnung. Ich hab sie vorher jedenfalls noch nie da gesehen.«

»Wie alt?«

Zahnstein verzog den linken Mundwinkel. »Ist doch egal, wie alt die war! So um die Fuffzich, wenn du`s genau wissen willst. Schlank, schwarze Locken, und eine Raubkatze auf dem Bauch.«

»Eine Raubkatze? Auf dem Bauch? Bist du sicher?«

»Natürlich bin ich mir da sicher!« Zahnstein wirkte verärgert und ungehalten. »Hatte das Tattoo schließlich lange genug im Blickfeld gehabt!«

»Hä? War sie etwa bauchfrei?«

»Das auch.« Er sah sie starr an und schüttelte nach einem kurzen Moment den Kopf. »Ich rede nicht vom Fitnessstudio!«

»Wovon dann?«, fragte Laya verwundert, ärgerte sich aber im gleichen Moment über ihre Frage. »Ach so. Du meinst…«

»Genau.«

»Klar… Äh… Aber wie kann man denn da den Bauch sehen…«

Zahnstein entfuhr ein Grinsen. »Sag mal! Muss ich das ausgerechnet dir erklären…«

»Nee, nee, Schon gut!«, wehrte sie ab. »Ich meine ja nur! Ist doch ziemlich ungewöhnlich, so ein Tattoo, oder?«

»Tattoos hat doch heute fast jeder. Müsstest du eigentlich wissen…«

»Aber nicht mitten auf dem Bauch!«

»Stimmt! Haben wahrscheinlich nicht viele. Aber es nutzt mir nichts.«

»Wie meinst du das?«

»Ich kann nicht danach suchen! ›Kennen Sie eine Frau mit einer tätowierten Katze auf dem Bauch?‹ Kann mir nicht vorstellen, dass das bei den Saunagängern gut ankommt.«

»Hm. Vielleicht ist sie ja in der Mitgliedskartei vom Studio?«

»Vielleicht«, räumte Zahnstein ein. »Aber was soll ich denen sagen, warum sie mich da drin rumschnüffeln lassen sollen? Weil mich einer ihrer Mitgliederinnen beim Vögeln beklaut hat?«

»Vielleicht, weil du dich unsterblich verliebt hat, und sie unbedingt wiedersehen willst?«, schlug Laya vor.

»Ha, ha«, erwiderte Zahnstein säuerlich. »Ich mach mich doch nicht lächerlich! Nee, ich muss mir irgendwas anderes einfallen lassen. Vielleicht kommt mir ja noch ´ne zündende Idee.«

»Vielleicht«, murmelte Laya, wandte sich mir der Espressotasse in der Hand von Zahnstein ab und verließ den Client´s room. Sie ging in einen anderen Raum, dorthin, wo ihr Schreibtisch stand, setzte sich dahinter und schaltete ihren PC ein.

Während er hochfuhr, starrte sie auf den zunächst dunklen, dann aber sich langsam mit kryptischen Zeichen belebenden Bildschirm. Das Gesicht einer Raubkatze erschien dort zwar nicht, aber trotzdem hatte sie ein solches Bild vor Augen. Merkwürdig, wie man manche Dinge, auch wenn sie mehr als ungewöhnlich sind, doch so gründlich vergessen kann. Aber plötzlich fallen sie einem dann doch wieder ein und treten äußerst raumgreifend ins Bewusstsein. Ganz so, als ob sie nie weg gewesen wären.

 

 

DREI

 

 

 

 

 

 

Es war wenig los im Pferdestall, dem Lokal, das Laya früher fast jeden Tag für einen Kaffee oder ein Bier aufgesucht hatte. Wenn gerade mal Leerlauf herrschte, was zuletzt in ihrem alten Job immer häufiger vorkam. Die Konkurrenz war härter geworden, und immer mehr Kunden entschieden sich für Dumpingpreise. Die Laya nicht anbieten wollte – und lieber mit den wenigen Gleichgesinnten einen Kaffee trank.

Doch irgendwann schien ihr der Leerlauf gar nicht mal so unangenehm. Unangenehm war ihr vielmehr der Job selbst geworden. Nicht, dass er jemals Anlass zu Freudentänzen gegeben hätte. Es war von Anfang an schon so etwas wie ein letzter Ausweg. Den man nur ging, wenn sich keine andere Möglichkeit mehr bot, um irgendwie an ein paar Kröten zu kommen. Einige von ihnen waren mit idealistischen Vorstellungen gestartet - nach dem Motto: ›leicht verdientes Geld‹ und ›ist doch nix dabei‹ und so -, doch die Realität hatte sie ihnen schnell und gründlich ausgetrieben. Vielleicht war es ja noch deprimierender, Klos zu schrubben, aber Sex zu verkaufen, das war schon eine der untersten Sprossen. Von einer Leiter, die nur noch weiter nach unten führte.

Laya sah sich um. Ausgelassene Freude war was anderes. An einem der Tische hatten die vier Frauen, die dort saßen, zwar irgendetwas gefunden, worüber die kichern konnten, aber dieser Tisch war die Ausnahme. Die meisten Gäste – übrigens nicht nur Frauen, es waren auch ein paar wenige Männer vorhanden – unterhielten sich mit gedämpften Stimmen oder tippten auf ihren Handys herum und sagten gar nichts.

Eine der Frauen, die letzteres taten, saß im hinteren Teil der Gaststätte, weit entfernt von den Fenstern, die zur Straße gingen und immerhin noch eine Winzigkeit Licht in die Spelunke lassend. Auf diese Frau steuerte Laya jetzt zu.

»Grüß dich, Mariana«, sagte sie, nachdem sie an ihrem Tisch angekommen war. »Lange nicht mehr gesehen! Alles klar?«

Die Frau blickte von ihrem Handy auf und rief: »Laya! Wie geht´s?«

»Gut! Bei dir noch frei?«

»Klar, setz dich! Ist ja ´ne Überraschung! Ich hatte gedacht, du wärst nicht mehr unter uns!«

Laya lachte. Sie zog den Stuhl gegenüber der Frau zurück und setzte sich. »Kommt drauf an, wen du mit ›uns‹ meinst…«

»Stimmt.« Auch die Frau lachte. »Das hab‘ ich nicht gemeint. Ich hatte gehört, du wärst… ausgestiegen?«

Laya nickte. »Mehr oder weniger. Ja. Aber du weißt doch: Verbrecher kommen immer an den Tatort zurück!«

»Echt jetzt? Du hast was angestellt?«

»Nee. Quatsch. Das ist nur so´n Spruch. Kennst du den nicht?«

»Wieso? Muss man das?«

Eine junge Frau in Jeans und Holzfällerhemd, die lässig ein leeres Tablett in der Hand hielt, trat an den Tisch und sagte:

»Was darf´s denn… Ach, Laya! Welch seltene Ehre! Ich dachte, du…«

»Stimmt auch«, unterbrach Laya sie. »Aber heute bin ich mal hier, ok? Bringst du mir ´nen Espresso?«

»Das hätt‘ ich auch gemacht, wenn du das jetzt nicht gesagt hättest. Wenigstens das hat sich nicht geändert!«

»Schön, dass du dich erinnerst, Biggi. Aber das ist so ziemlich das Einzige.« Laya grinste sie an.

»Musste mir bei Gelegenheit mal genauer erzählen«, grinste Biggi zurück. »Ich komme!«, rief sie über ihren Kopf jemandem ein paar Tische weiter zu, schaute dann aber wieder Laya an und sagte schulterzuckend: »Siehst ja, was hier los ist!«

Dann war sie weg, und Laya wandte sich wieder der Frau zu, die ihr gegenübersaß.

»Und wie geht´s dir so, Mariana? Läuft das Geschäft?«

Die Frau zog die Stirn in Falten und rang sich ein schiefes Grinsen ab. »Was soll ich dir sagen? Es muss, Laya, es muss! Ohne Moos, nix los, oder?«

Die Frau, die Mariana war, trug ihre schwarzen Haare zu einem buschigen Pferdeschanz zusammengebunden, so dass man ihr dezent geschminktes Gesicht deutlich erkennen konnte. Wenn man von ihren Augen mal absah. Für deren Bemalung war dieser Zurückhaltung suggerierender Begriff sicherlich nicht der passende Ausdruck, denn sowohl die schwarzen Lider als auch die extrem langen Wimpern standen in einem starken Kontrast zu ihrer sonstigen Erscheinung, die - auch in Bezug auf die Kleidung, eine eng anliegende blassblaue Jeans und ein brauner Wollpullover - eher eine der vielen Büroangestellten vermuten ließ, die man nicht weit von hier in großer Anzahl antreffen konnte.

Aber die Augenpartie sorgte dafür, dass eine Verwechslung mit einer Büromieze unmöglich war, und auch der Umstand, dass der Pferdestall mitten im Frankfurter Rotlichtbezirk lag, legte nahe, dass Marianas Broterwerb nicht unbedingt in einem Büro von statten ging. Layas nächste Frage entbehrte deshalb nicht einer gewissen Logik:

»Hm. Immer noch im Viertel unterwegs?«

»Nein, nein. Ich bin heute nur zufällig hier. Ich meine, ich trinke hier nur meinen Kaffee, weißt du? Aus alter Gewohnheit sozusagen.« Mariana lächelte Laya an. »Meistens bin ich… woanders.«

Laya nickte. Etwas in der Art hatte sie auch schon vermutet. Sie war nämlich jetzt schon den vierten Tag hintereinander in diesem Lokal, und Mariana hatte sie heute zum ersten Mal entdeckt. Sie sagte:

»Man muss halt flexibel bleiben, oder? Manchmal hab ich den Eindruck, man muss sich jeden Tag neu erfinden. Ich meine, wir werden ja schließlich alle nicht jünger, oder?«

Mariana lachte. »Hast du schön gesagt, Laya-Schatz! Obwohl ich dir nicht abnehme, dass das für dich ein Problem ist.«

»Sag das nicht! Darf ich dich mal was fragen, Mariana?«

»Was?«

»Wie alt bist du eigentlich jetzt?«

»Zum Glück bist du nicht neugierig…«

»Nee, sag mal! Ich meine, wenn wir uns nicht kennen würden, würde ich dich für dreißig halten oder so, ich schwöre! Aber das dachte ich schon vor zehn Jahren, und irgendwie kann da ja was nicht stimmen…«

Mariana grinste sie eine Weile an. Dann sagte sie: »Weißt du, dass ich so was ganz gern höre? Mir ist zwar klar, dass du mir nur einen vom Pferd erzählst, aber ich hör das trotzdem gerne!«

»Nein, ich meine es wirklich…«

»Ich könnte deine Mutter sein, Schätzchen. Na gut, deine Mutter vielleicht nicht gerade, das ginge bei mir schon rein biologisch nicht. Aber deine Tante vielleicht? Genau, deine Tante! Tante Mariana! Wie hört sich das an?«

»Willst du meine ehrliche Meinung wissen?« Mariana nickte lächelnd. »Das hört sich scheiße an! Du siehst weder wie meine Mutter noch wie meine Tante aus! Wie meine ältere Schwester vielleicht.«

»Mach weiter so!«

Die beiden Frauen lachten. Natürlich hatte Laya hemmungslos geschleimt, denn dass Mariana fast doppelt so viele Jahre auf dem Buckel hatte wie sie mit ihren Sechsundzwanzig, das war ihr sonnenklar. Sie spielte nur die Naive. Doch Mariana hielt Layas Naivität für echt. Sie glaubte nämlich keineswegs, dass man ihr die Behauptung ihres mütterlichen Alters – oder doch wohl eher: großmütterlichen Alters - so einfach abnahm. Man nennt das Koketterie, wenn man seine Fehler freimütig zugibt, aber gleichzeitig den Anderen unterstellt, sie würden das keinesfalls bemerken. Wie leicht die Menschen doch glauben, was sie glauben wollen.

»Du kannst froh sein, Laya, dass du den Absprung geschafft hast«, meinte Mariana, nachdem sie sich wieder beruhigt hatten. »Das hast du doch, oder?«

»Mehr oder weniger, ja. Aber du hast recht: eher mehr.«

»Und was heißt das?«

»Na ja, ein paar von den Stammkunden habe ich behalten. Die würden sonst zugrunde gehen, ich schwöre! Aber im Großen und Ganzen bin ich draußen. Zum Glück!«

»Schafft nicht jede«, stelle Mariana fest. »Eigentlich keine.«

»Ich hatte Glück, dass mein Macker hingeschmissen hatte«, sagte Laya. »Ernesto war plötzlich spurlos verschwunden. Hat sich nach Thailand abgesetzt, keine Ahnung, warum.«

Das stimmte nicht ganz. Eine gewisse Ahnung hatte Laya nämlich durchaus, warum dieser Typ so plötzlich von der Bildfläche verschwunden war. Sie wurde den dringenden Verdacht nicht los, dass Zahnsteins Schwester die Finger im Spiel gehabt hatte. Und ohne es zu wissen, hatte sie damit vollkommen recht, auch wenn sie wahrscheinlich niemals erfahren würde, mit welchen ›Fingern‹ Andrea was genau angestellt hatte.

»Jedenfalls war ich plötzlich völlig auf mich allein gestellt«, fuhr sie mit einem Seufzer fort.

»Du Arme!«, grinste Mariana

»Ja.« Laya grinste ebenfalls. »´Ne gute Voraussetzung, was Neues anzufangen.«

»Tja. So was ist mir leider nie passiert. Ich musste immer weitermachen. Aber du hast schon recht!«

»Womit?«

»Dass man sich laufend neu erfinden muss.«

»Ah! Das hast du die ganze Zeit also getan!«

Wieder lachte Mariana und sagte dann: »Ich hatte keine Wahl. Irgendwann bist du´s leid, jede Nacht in der Kälte rumzustehen und geile Männer anzuquatschen. Und es kommt ja auch immer weniger rum dabei! Da ist plötzlich jede Menge Frischfleisch auf dem Markt, und das merkst du dann natürlich. Also ziehst du dich aus dieser Szene zurück und guckst, was es sonst so gibt.«

»Jetzt sag nur, du hast ´nen reichen Typen geheiratet!«

»Schön wärs, Sweetie. Klar, ich hatte tatsächlich mal geglaubt, dass das der Ausweg wäre. Nicht nur einmal, glaub mir! Aber immer ist was dazwischengekommen.«

»Ach ja?«

»Ja. Entweder haben sie es sich in letzter Sekunde wieder anders überlegt, weil sie plötzlich ihre nette kleine Familie samt nervender Gören und frigider Ehefrau doch nicht aufgeben wollten, oder die Ablöse war ihnen zu hoch. Mein Macker hat sich nämlich nicht plötzlich in Luft aufgelöst.«

»Hast du immer noch den Gleichen?«

»Natürlich nicht! Ab und zu wird man halt verkauft, is nun mal so. Momentan gehör ich den Albanern.«

»Ihhh«, machte Laya.

Mariana nickte. »Die willst du nicht geschenkt haben! Aber manchmal sind sie ja auch ganz nützlich.«

»Wie das?«

»Manchmal vermitteln sie mir was. Wo du selbst nicht dran kommst. Ich war vor ein paar Wochen erst in Südfrankreich. Auf ´ner Yacht, mit drei anderen Mädels zusammen. Und vier Typen. Da ging die Post ab, sag ich dir!«

»Und das hattest du von den Albanern?«

»Genau. Die kannten die Typen. Waren zwar die letzten Arschlöcher, aber haben gut gezahlt, muss ich schon sagen. Sollte drei Tage lang gehen...«

»Aber?«, fragte Laya, nachdem Mariana den Satz in der Luft hängen ließ.

»Leider war dann nach einem Tag Schluss für mich. Sie haben mich weggeschickt und ´ne andere kam. Wahrscheinlich war ich denen zu alt…«

»Kann ich mir nicht vorstellen.«

»Lieb von dir, dass du das sagst, aber völlig aus der Luft gegriffen ist das nicht. Wird immer mehr ein Problem, das Alter.«

»Von der Rentenversicherung kannst du wohl nichts erwarten…«

»Genau. Selbst wenn ich Deutsche wäre nicht! Hab schon überlegt, wieder zurück zu gehen.«

»Nach Brasilien?«

Mariana nickte. »Andererseits…Da isses vielleicht noch schlimmer als hier! ´Ne Wahnsinnsinflation haben die da! Und Arbeitslosigkeit! Frag nicht! Wer soll einen denn da bezahlen?«

»Dann lieber die Albaner ertragen…«

»Du, ich weiß echt nicht, was besser ist! Momentan stünde ich ohne die Idioten jedenfalls ganz schön blöd da. Wenn ich allein wäre, hätte ich ja überhaupt keine Möglichkeit, Kundschaft zu akki… akwie… dings…«

»Akquirieren«, half Laya ihr aus.

»Genau!«

»War das mit dem Fitnessstudio eigentlich auch ´ne Idee von den Albanern?«, sagte Laya unbekümmert. Gerade so, als würde sie Mariana nach dem Wetter nächste Woche fragen.

»Nee, das nicht, aber…« Mariana stockte und sah Laya scharf an. »Woher weißt du?«

»Die Katze auf deinem Bauch ist halt ziemlich auffällig…«

»Hast du mich da gesehen? Aber ich hab dich gar nicht...« Sie hielt ein weiteres Mal inne und starrte Laya mit gerunzelter Stirn an. Ihr Mund hatte einen strengen Zug angenommen und ihre Augen waren zusammengekniffen. Laya sagte:

»Du siehst noch besser aus, wenn du wütend bist, Sophia. Vielleicht solltest du…«

»Was weißt du, Bitch?«, stieß Mariana hervor.

Laya ließ sich mit ihrer Antwort einen Moment Zeit und sagte dann: »Okay, ich will nichts Schlimmes von dir! Gib einfach die Uhren zurück und die Sache ist vergessen!«

»Die Uhren…«, wiederholte sie langsam.

»Genau. Die Dinger, die so ticken, weißt du? Gib sie ihm einfach zurück und alles ist wieder so, als wäre nichts geschehen. Du hast sie doch noch, oder?«

»Ja, ich hab sie noch. Aber… Woher kennst du den Typen?«

»Mein Boss«, sagte Laya nur.

»Dein Boss…« Die Art und Weise, wie Mariana diese zwei Worte aussprach, legte nahe, dass sie sehr viel mehr dachte als notwendig war, um Layas Feststellung zu wiederholen. Nach einer Weile intensiven Starrens, in der sie vergaß, angesichts der vielen durcheinander purzelnden Gedanken den Mund zu schließen, atmete sie erschöpft aus und murmelte:

»Maldita merda! O que fiz para merecer isso? Warum passieren mir laufend solche Sachen? Konnte das nicht ein ganz normaler Arzt sein? Einer, der ausnahmsweise mal nix mit Nutten zu tun hat?«

Ihre Schultern waren heruntergesackt, ihr Kopf war nach vorn gekippt und überhaupt schien ihre gesamte Gestalt das Gesetz der Schwerkraft eindrucksvoll bestätigen zu wollen. Laya beugte sich zu ihr hin und legte die Hand auf ihre Schulter.

»Mach dir nichts draus, Mariana! Solche Dinge geschehen halt… Ich kann dich ja verstehen. Du willst ja auch nur irgendwie über die Runden kommen. Aber Ritchie war leider der Falsche! Einfach Pech!«

»Pech«, echote Mariana, so wie jetzt fast alles, was sie auf Laya entgegnete, wie ein Echo klang. Ein ungläubiges Echo. »Erst die Kacke auf dem Boot, und jetzt dieser Reinfall im Sportstudio… Dabei hatte ich gedacht, das wäre eine besonders gute Idee, verstehst du?«

»Das war es auch, Mariana, das war es auch! Es war einfach ein blöder… Zufall! Reiner Zufall, dass Ritchie mich kennt, dass er mir davon erzählt hat, dass ich eins und eins zusammengezählt hab…«

»Im Rechnen wart ihr Inder ja schon immer gut«, warf Mariana ein.

»Ja. Nein… Aber sieh´s doch mal so: Es hätte noch viel schlimmer kommen können!«

»Es hätte auch viel besser kommen können! Wenn du nicht… Woher weißt du eigentlich von meiner Katze? Ich zeige sie ja schließlich nicht rum. Soll ja schließlich eine Überraschung sein!«

»Kannst du dich nicht erinnern, Mariana? Wir waren doch mal zusammen auf dieser Party!«

»Ähhh.« Mariana schien die Augenbrauen zusammenzuziehen. So genau konnte Laya das in dem Meer aus schwarzem Make-Up, das um ihre Augen lag, nicht erkennen. »Stimmt, da war was… Schon länger her, oder?«

»Du hast es damals jedenfalls so richtig krachen lassen!«

»Das waren noch Zeiten…«

»Komm!«, sagte Laya. »Hör auf zu heulen!«

»Ich heule nicht!« Mariana zog ihre Nase hoch.

»Wenn du die Uhren noch hast…« Laya machte eine Pause und Mariana nickte. »… und du sie ihm einfach zurückgibst, dann wird dir garantiert nichts passieren.«

»Klar«, meinte sie deprimiert. »Back to zero.«

»Ich werde ein gutes Wort für dich einlegen! Wenn ich ihm deine Situation schildere… Dass du es auch nicht leicht hast… Dass du deine Familie in Brasilien versorgen musst… Dass du ihr jeden Monat Geld schickst…«

»Ja?« Mariana schaute Laya mit feuchten Augen an.

»Vielleicht kannst du ihm dann ja eine… äh… Gefälligkeit erweisen?«

»Klar«, sagte sie resigniert. »Was sonst?«

»Nicht umsonst! Gegen Bezahlung!«,

»Gegen Bezahlung?«

»Warum nicht?« Laya zuckte mit den Schultern. »Kohle hat der Kerl ja!«

 

 

VIER

 

 

 

 

 

 

In einem Punkt allerdings hatte Laya unrecht. Es war nichts Dramatisches, nur eine Unschärfe sozusagen, und hatte auch nichts mit Ritchies vermuteter Reaktion auf bestimmt nicht jugendfreie Angebote seitens Mariana zu tun. In dieser Hinsicht hatte sie ihn schon ziemlich korrekt eingeschätzt. Aber was nicht ganz richtig war, das war ihre Aussage »Mein Boss«.

Denn rein formal gesehen, rein rechtlich, rein den Gesellschaftervertrag der Tooth Stone Investigations zugrunde legend, war Zahnstein keineswegs ihr Chef, sondern, ebenso wie sie auch, ein Teilhaber. Alle vier, also außer ihnen auch Andrea und Janine, waren gleichberechtigte Miteigentümer der Firma. Das Grundkapital stammte zwar ausschließlich von Zahnstein und Andrea, aber in der rechtlichen Konstruktion der Eigentumsverhältnisse waren Janine und Laya ebenfalls ›Gesellschafter‹.

Trotzdem gaben natürlich Zahnstein und Andrea den Ton an, bestimmten – meistens jedenfalls -, was getan wurde und was nicht. Sie benahmen sich auch wie ›Bosse‹, aber nur, wenn es darum ging, mal zu spät oder auch gar nicht bei der Arbeit zu erscheinen - und das war für Laya und Janine mehr als ›okay‹. So sehr okay, dass sie schon glaubten, die beiden Alten seien tatsächlich ihre Vorgesetzten.

Doch sie wussten natürlich schon, was Sache war. Nicht, dass sie sich einen Reim auf so viel Großzügigkeit machen konnten, aber andererseits glaubten sie auch nicht an irgendeine hinterhältige Finte, die sie irgendwann mal ins Verderben reißen würde. Tatsächlich war es auch weder das Eine noch das Andere, also weder gönnerhaft noch durchtrieben, denn das Geschwisterpaar wollte schlicht und ergreifend ein paar Mitstreiter um sich scharen, sich aber andererseits keinesfalls um Untergebene kümmern müssen. Denn das, so vermuteten die beiden, hätte zwangsläufig Probleme einer Art hervorgerufen, die irgendwann ihr geliebtes Projekt verderben würden. Sogenannte ›Mitarbeiter‹, die nur bei der Sache waren, wenn das Gehalt, die Urlaubstage und die Wertschätzung stimmte, waren ihnen ein Gräuel – weshalb sie in Kauf nahmen, dass alles, was im Geschäftsbetrieb ›hängen‹ blieb, durch vier geteilt wurde. Und dass immer schön was hängen bleiben würde, erschien ihnen eh als ausgemachte Sache.

Die Investition zum Aufbau des Büros, die Mieten, die Ausstattung, die Genehmigungen, und so weiter, waren dagegen ihr Privatvergnügen. Eine Art gegenseitiges Geburtstagsgeschenk von Zahnstein an Andrea und umgekehrt, das zwar einerseits recht großzügig ausfiel, sich andererseits jedoch durch das gleichzeitig abgegebene Versprechen relativierte, sich künftig nichts mehr zu schenken, auch zu Weihnachten nicht.

Aber kann denn so etwas überhaupt funktionieren? Mitten im Kapitalismus ohne Abhängigkeiten auskommen zu wollen? Nun, es würde sich zeigen. Denn so fürchterlich lange gab es die Detektei ja noch nicht. Gerade mal ein schlappes Jahr! In diesem Jahr hatte es jedenfalls ganz gut funktioniert – und was hängen geblieben war auch. Immerhin war für Andrea und Janine jetzt ein Urlaub drin gewesen. Einer, der schon fast wieder vorbei war. Denn nur einen Tag nach Layas Besuch im Pferdestall sollten sie wieder in Frankfurt aufschlagen.

 

»Eigentlich ein gutes Timing, oder?«, meinte Laya, als sie Zahnstein auf ihrem Weg zur S-Bahn anrief. Sie hatte ihn auf seinem Handy im Büro erreicht, was ihn zu der Aussage veranlasste, dass sie Glück habe, denn fünf Minuten später sei er weg gewesen. Laya fiel dabei der Witz von der Blondine ein, die von ihrem Mann ihr erstes Handy geschenkt bekommen hatte, und sie nahm sich vor, ihn bei Gelegenheit Zahnstein zu erzählen.

»Was meinst du?«, fragte dieser jetzt.

»Na ja, es ist alles gelöst, bevor unsere Mädels wieder zurück sind!«

»Vor allem, bevor mein Mädel wieder da ist«, pflichtete Zahnstein ihr bei.

»Das erspart dir jede Menge umständliche Erklärungen, würd ich mal sagen.«

»Da liegst du sicher nicht falsch.«

»Und jede Menge Stress«, fuhr sie fort. »Stell dir bloß mal den Ärger vor, wenn du Andrea erklären müsstest, wer bei dir so zu Besuch war!«

»Du meinst, es war ganz gut, dass sie mich beklaut hat?«

»Natürlich nicht! Ich meine, es ist ganz gut, dass du dir keine Sorgen zu machen brauchst. Weder über geklaute Uhren, noch darüber, wie es dazu gekommen ist.«

»Hm.«

»Versteh mich nicht falsch, Ritchie. Ich will ja gar nicht, dass du mir vor Dankbarkeit auf die Knie fällst…«

»Da hab ich ja noch mal Glück gehabt…«

»… aber ein Abendessen sollte schon drin sein. Meinst du nicht auch?«

»Ich denke, das lässt sich einrichten«, kam es knarrend aus dem Gerät.

»… mit Janine und Andrea.«

Das Telefon blieb ein paar Sekunden still, und Laya wollte schon fragen, ob Zahnstein noch dran sei, doch dann sagte er: »Wenn´s sein muss.«

Sie hatte ihn gleich angerufen, nachdem sie aus dem Pferdestall gekommen und eine deprimierte Mariana dort zurückgelassen hatte. Sie hatte nicht vor, noch im Büro vorbeizugehen, bevor sie sich auf den Heimweg machte. Es war immerhin Freitagnachmittag und wenn man bedachte, dass an einem Freitag die meisten Leute schon mittags das Wochenende einläuteten, hatte sie sogar schon Überstunden gemacht, jetzt, um halb vier. Wobei man natürlich darüber streiten konnte, ob es überhaupt zur Arbeitszeit zählte, wenn sie Zahnstein aus der Klemme half. Aber sie interpretierte das einfach mal so, und Ritchie hätte das garantiert genauso gesehen.

Als sie ihn erreicht hatte, hatte sie ihm sofort erzählt, was Sache war. Dass er einer brasilianischen Nutte, die schon seit dreißig Jahren in Frankfurt lebte, auf den Leim gegangen war, und dass er sich andererseits keinen Kopp zu machen brauche, denn diese Nutte würde ihm gleich am Montag seine Uhren zurückbringen, wozu er nur am Abend zu Hause sein müsse. Außerdem hieß die Nutte nicht Sophia, sondern Mariana.

Als sie mit ihrer kleinen Rede fertig war, sagte Zahnstein nur: »Jetzt wird mir Einiges klar«, und Laya fragte sich, ob sich diese Erkenntnis auf Marianas Fähigkeiten im Bett oder auf ihre kriminelle Energie bezog. Aber sie verzichtete darauf, diesen Punkt weiter zu vertiefen, denn sie hatte inzwischen schon fast die S-Bahn-Station Taunusanlage erreicht, wo sie in den Untergrund steigen wollte. Klar, Hauptbahnhof wäre näher gewesen, aber der große Bahnhof war ihr sogar dann zuwider, wenn es nur darum ging, in die Bahn zu steigen, und ein paar Schritte Bewegung konnten schließlich nicht schaden.

Sie schob nur noch ihren Spruch mit dem »guten Timing« hinterher, um Zahnstein mit der Nase darauf zu stoßen, dass er sich bei ihr ruhig erkenntlich zeigen konnte. Von sich aus kommen Männer nämlich nicht auf solche Selbstverständlichkeiten. Aber wenn sie nicht rumzickten und schön das taten, was man ihnen sagte, dann war es schon ok, wenn eben die Frauen das Thema ansprechen mussten.

Und Zahnstein zickte nicht herum. Er mochte zwar seine Schwächen haben, aber er zickte nicht herum. Dafür war wiederum Laya dankbar, und so sagte sie, quasi zur Belohnung: »Ich erzähle dir dann auch einen guten Witz! Ciao, ciao!«

 

Die nächsten beiden Tage verliefen wie erwartet. Wie von Laya erwartet, und, vor allem, erhofft - indem sie das Wochenende zum größten Teil im Bett zubrachte. Janine war am Samstag gegen Drei zu Hause angekommen, und wenn man die Geschwindigkeit, mit der sie Laya ins Schlafzimmer drängte, einmal berücksichtigte, dann konnte man davon ausgehen, dass diese Art von Wochenendgestaltung auch Janines Erwartungen entsprach. Man fragt sich in solchen Situationen oftmals gar nicht mehr, ob man sich die Zweifel und Befürchtungen, die einen vor noch nicht allzu langer Zeit zu größtmöglicher Nervosität getrieben hatten, nicht einfach hätte schenken können. Auch Laya tat das nicht.

Auch am Sonntagmorgen lagen sie im Bett, nebeneinander an die Wand dahinter gelehnt, jeweils ein Kissen im Rücken. Janine hatte auf einem kleinen Tischchen, das neben ihrer Seite stand, ein winziges Teekännchen platziert, in dem sie gerade Tee aus Japan zehn Sekunden lang hatte ziehen lassen. Sie nahm das Teesieb heraus und sagte zu Laya: »Willst du noch?«

Laya hielt ihr wortlos eine Tontasse hin und Janine füllte Tee ein. Laya nahm einen Schluck und sagte: »Ahhh. Das habe ich gebraucht!«

»Ich auch«, sagte Janine.

Laya sah sie grinsend an. »Bin mir nicht sicher, ob wir das Gleiche meinen...«

»Ich schon!«, behauptete Janine. »Wir brauchten Tee und Sex.«

»Hatten du im Retreat denn keinen?«

»Doch, jede Menge!

---ENDE DER LESEPROBE---