Das Gespenst auf dem Meer - Richmond Margaret - E-Book

Das Gespenst auf dem Meer E-Book

Richmond Margaret

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Beschreibung

In dieser neuartigen Romanausgabe beweisen die Autoren erfolgreicher Serien ihr großes Talent. Geschichten von wirklicher Buch-Romanlänge lassen die illustren Welten ihrer Serienhelden zum Leben erwachen. Es sind die Stories, die diese erfahrenen Schriftsteller schon immer erzählen wollten, denn in der längeren Form kommen noch mehr Gefühl und Leidenschaft zur Geltung. Spannung garantiert! Die Kerzen in dem siebenarmigen Leuchter flackerten plötzlich wie in einem heftigen Luftzug. Doch Fenster und Türen waren fest geschlossen. Keiner der am Tisch Sitzenden hatte sich bewegt. Alle blickten gespannt auf das Mädchen. Belinde Cameron sah weder die flackernden Kerzen noch die Menschen. Mit geschlossenen Augen saß sie in der Mitte des schwarzverhangenen Raumes und begann mit leiser Stimme zu sprechen: »Ich sehe einen Fluß… ein grünliches Licht schwebt über dem dunklen Wasser. Eine Gestalt steht am Ufer… Sie sieht mich nicht an, aber ich weiß, daß ich sie kenne…« Belinda lehnte sich aufstöhnend zurück. Der dunkelgekleidete Mann, der neben Belinda stand, sah besorgt auf sie nieder. Die Séance dauerte bereits eine halbe Stunde. Jeder hier wußte, daß das Mädchen längst seine Konzentrationskraft überschritten hatte. Schon wollte er Belinda wecken, als sie sich mit geschlossenen Augen aufrichtete. Ein Lächeln irrte um ihren Mund. »Das Wasser wird hell«, berichtete sie leise. »Auch die Gestalt am Ufer wird heller. Es ist eine – Frau. Sie hebt die linke Hand und – und – sie winkt mir zu.« Wieder hielt das Medium inne. Alle sahen, wie sich der zarte Körper versteifte und das Gesicht einen überraschten Ausdruck annahm.

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Gaslicht – 64 –

Das Gespenst auf dem Meer

Unveröffentlichter Roman

Richmond Margaret

Die Kerzen in dem siebenarmigen Leuchter flackerten plötzlich wie in einem heftigen Luftzug. Doch Fenster und Türen waren fest geschlossen. Keiner der am Tisch Sitzenden hatte sich bewegt. Alle blickten gespannt auf das Mädchen.

Belinde Cameron sah weder die flackernden Kerzen noch die Menschen. Mit geschlossenen Augen saß sie in der Mitte des schwarzverhangenen Raumes und begann mit leiser Stimme zu sprechen: »Ich sehe einen Fluß… ein grünliches Licht schwebt über dem dunklen Wasser. Eine Gestalt steht am Ufer… Sie sieht mich nicht an, aber ich weiß, daß ich sie kenne…«

Belinda lehnte sich aufstöhnend zurück. Ihr bleiches Gesicht drückte plötzlich Angst aus, und ihre Hände krampften sich um die hölzernen Lehnen…

Der dunkelgekleidete Mann, der neben Belinda stand, sah besorgt auf sie nieder. Die Séance dauerte bereits eine halbe Stunde. Jeder hier wußte, daß das Mädchen längst seine Konzentrationskraft überschritten hatte.

Schon wollte er Belinda wecken, als sie sich mit geschlossenen Augen aufrichtete. Ein Lächeln irrte um ihren Mund.

»Das Wasser wird hell«, berichtete sie leise. »Auch die Gestalt am Ufer wird heller. Es ist eine – Frau. Sie hebt die linke Hand und – und – sie winkt mir zu.«

Wieder hielt das Medium inne. Alle sahen, wie sich der zarte Körper versteifte und das Gesicht einen überraschten Ausdruck annahm.

Was sah Belinda Cameron in diesem Augenblick? Was ließ sie wie erstarrt dasitzen und lauschen?

Belinda Cameron sprach nicht weiter. Reglos saß sie, die Lippen fest aufeinandergepreßt.

Belinda sah eine Gestalt heranschweben. Sie leuchtete in einem grünlichen Licht. Das Gesicht konnte sie nicht erkennen.

Aber die Stimme, die sie nun hörte, war ihr lieb und vertraut. Es war die Stimme ihrer toten Mutter.

»Belinda, du hast den Fluß gesehen und sein dunkles Wasser. Wenn du es durchschreitest, wirst du sterben.«

»Sterben?« wiederholte das Mädchen.

Die am Tisch Sitzenden horchten auf und beugten sich gespannt vor.

»Das dunkle Wasser ist symbolisch, Belinda«, sprach die Gestalt weiter. »Dir droht Gefahr, wenn du weiterhin an Séancen teilnimmst.«

»Gefahr?«

Auch dieses Wort klang für die anderen unverständlich. Keiner begriff, warum ihr Medium sich so seltsam verhielt. Es sprach von Sterben und Gefahr. Aber es lächelte dabei.

»Du darfst kein Medium mehr sein, Belinda«, warnte die Stimme, die nur das in Trance versetzte Mädchen hörte. »Du wirst sterben, wenn du deine Kräfte überschätzt.«

»Ich will aber helfen«, flüsterte Belinda. Erregung klang in diesen Worten mit.

Wieder blickte der dunkelgekleidete Mann sie an. Dann wandte er sich dem Tisch zu und sah fragend von einem zum anderen.

»Wir werden sie wecken müssen«, sagte er leise. »Ich fürchte, sie ist in einer uns unbekannten Gefahr.«

Alle nickten. Da legte Anthony Speel Belinda die Hand auf die Schulter. »Miß Cameron, hören Sie mich?« fragte er.

*

Belinda Cameron trat fröstelnd ins Freie und schlug den Mantelkragen hoch. Die Anspannung zitterte stark in ihr nach. Sie wußte, daß es Stunden dauern würde, bis sie sich völlig beruhigte.

Der Wind wehte den Regen durch die schmale menschenleere Straße. Im Schein der einzigen Laterne wirkte alles düster, beinahe gespenstisch.

Nach wenigen Schritten blieb Belinda stehen und holte mühsam Atem. Doch das unregelmäßige Schlagen ihres Herzens hielt an. Sie hatte sich wieder einmal zuviel zugemutet und würde es mit einer schlaflosen Nacht büßen müssen.

Seufzend schaute Belinda zu dem Haus zurück, das sie gerade verlassen hatte. Mit seinen verschlossenen Fensterläden machte es einen abweisenden Eindruck. Niemand hätte ahnen können, was manchmal hinter seinen dicken Mauern vorging.

Schauernd wandte Belinda sich um und ging weiter. Es war spät geworden. Sie wollte vor ihrem Bruder zu Hause sein.

Belinda war so in Gedanken versunken, daß sie nicht auf ihre Umgebung achtete. Als etwas schattenhaft an ihr vorbeiglitt, schrie sie auf und blieb stehen.

Es war eine schwarze Katze. Belinda erkannte es, noch ehe das Tier über das Mäuerchen eines Vorgartens sprang. Wie albern, darüber so zu erschrecken!

Belinda lächelte über sich selbst und wollte weitergehen. Da zerriß ein Knall die nächtliche Stille. Sie horchte gespannt. Dabei versuchten ihre Blicke das Dunkel zu durchdringen, das die Straße wie mit einem schwarzen Vorhang trennte.

Wieder tönte ein Knall. Dann noch dreimal kurz hintereinander. Das waren zweifellos Schüsse gewesen.

Belinda bekam es mit der Angst. Sie floh in den Schutz eines Torbogens und lauschte. In der Ferne heulte der Motor eines Wagens auf. Wieder peitschten Schüsse auf.

Minuten später erhellten zwei Lichtbündel die fast dunkle Straße. Über dem regennassen Asphalt schienen die Scheinwerfer des Autos wie böse gelbe Augen zu schweben. Der Wagen kam schnell näher, und er hielt direkt auf Belinda zu. Für sie gab es nur einen Fluchtweg. Sie mußte die Hauptstraße erreichen.

Belinda sprang aus dem Torbogen. Der Wagen war ganz dicht vor ihr. Sie konnte die Scheibenwischer surren hören.

In wilder Panik lief Belinda los. Sie wußte, daß sie um ihr Leben laufen mußte.

Belinda fürchtete, daß sich jemand auf diese Weise an ihr zu rächen versuchte. Inzwischen war es vielleicht kein Geheimnis mehr, was in jenem alten Haus geschah? Oder fürchtete man in ihr die einzige Zeugin eines Verbrechens, das eben geschehen war?

In Belindas Kopf überschlugen sich die Gedanken.

Bisher war es ihr zweimal gelungen, der Polizei einen Hinweis zu geben, mit dem die Verbrechen aufgedeckt werden konnten. In der lokalen Zeitung war es bekanntgemacht worden, zu welchem Erfolg es geführt hatte. Derjenige, der sie deswegen haßte, hatte jetzt eine Gelegenheit, sie für immer aus dem Weg zu räumen.

Sekunden der Todesangst stand Belinda Cameron durch. Ihr Herz schlug wie rasend. Doch es kam kein Hilfeschrei über ihre Lippen. Das Entsetzen hatte sie stumm gemacht.

Der Wagen war jetzt dicht hinter ihr. Belinda wußte, daß sie es nicht schaffte. Gleich würde sie den Stoß im Rücken spüren. Da sah sie die niedrige Mauer, und mit letzter Kraft sprang sie hinüber.

Im selben Augenblick fuhr der Wagen an ihr vorbei. Flüchtig nahm Belinda die Gestalten darin wahr. Hinter der Scheibe im Fond zeigte sich das Gesicht eines Mannes mit wirrem dunklem Haar. Es war bleich und blutverschmiert. Zwei dunkle Augen starrten drohend zu ihr hin.

Belinda preßte die Hände auf die schmerzende Brust. Erschöpft schloß sie die Augen. Als sie die Augen öffnete, war das Auto verschwunden.

Taumelnd verließ Belinda ihren Platz hinter dem Mäuerchen. Ihr Herz schlug bis in die Kehle hinauf. Nie hatte sie sich elender gefühlt. Die Furcht vor der unbekannten Gefahr trieb sie weiter. Die Füße bewegten sich mechanisch, obwohl Belinda einem Schwächeanfall nahe war.

Keuchend erreichte sie das Haus, in dem sie mit ihrem Bruder Robert wohnte. Es dauerte eine Weile, ehe sie die Kraft hatte, den Schlüssel im Schloß herumzudrehen.

Sie stolperte die Treppe hinauf und sank auf der vorletzten Stufe nieder. »Bob!« keuchte sie. »Bob!« Es blieb still, unheimlich still. Belinda zog sich am Treppengeländer hoch und ging mit schweren Schritten weiter.

Die Wohnung war dunkel und kalt. Robert schien tagsüber nicht dagewesen zu sein. Selten hatte Belinda ihn so vermißt wie jetzt, wo sie ratlos und verzweifelt war.

Um sich abzulenken, machte sie Feuer im Kamin und räumte etwas auf. Doch sie konnte sich auf nichts konzentrieren. Kurze Zeit später saß sie im Wohnzimmer und starrte mit leeren Blicken vor sich hin.

So traf Robert Cameron seine Schwester an, als er eine halbe Stunde nach Mitternacht heimkehrte. Er fand alle Türen offen und sah die Schwester reglos in einem Sessel sitzen.

»Belinda!« rief er und eilte auf sie zu.

Sie hob den Kopf nicht. Ihre Stimme klang brüchig und sehr leise. »Ich hatte solche Angst. Ich dachte, ich muß sterben, Bob.«

Bob Cameron furchte die Stirn. In seinen grauen Augen flammte es zornig auf. »Bist du wieder dort gewesen, Belinda?« fragte er vorwurfsvoll.

»Ja. Aber das war es nicht…«

»Du hast dein Versprechen nicht gehalten«, unterbrach er sie streng. »Du setzt wegen so einer Sache dein Leben aufs Spiel.«

»Ich – ich fühlte mich ganz wohl«, wehrte sie sich schwach. »Es war danach, Bob. Ich hatte das Haus kaum verlassen, als plötzlich Schüsse aufpeitschten. Kurz darauf raste ein Wagen auf mich zu.«

»Hast du dir das nicht nur eingebildet?«

Belinda blickte zu ihm hoch. Sie versuchte zu lächeln. Das rührte Bob zutiefst. Er liebte seine Schwester sehr. Immer wieder trieb die Sorge um sie ihn eher nach Hause. Nur heute war er später gekommen, weil er sie mit ihrer Freundin Ellen Barker zusammen glaubte.

»Du wolltest mit Ellen zu einer Party«, erinnerte er sie. »Du hast mich also belogen, nur um wieder dorthin gehen zu können. Ach, Belinda, warum tust du das?«

Tränen glitzerten in ihren Augen. Mühsam richtete sie sich auf. Dann sank sie plötzlich schluchzend in die Arme ihres Bruders.

»Sie wollen mich töten, Bob«, sagte sie. »Es war entsetzlich. Ich werde immer daran denken müssen.«

»Gib es endlich auf, diese spritistischen Sitzungen zu besuchen und ein Medium zu sein, Belinda!« forderte Bob in gewollt hartem Ton. »Du weißt besser als ich, warum sie jede Séance geheimhalten und nicht dulden, daß man außerhalb ihres Kreises darüber spricht. Gut, ich gebe zu, du hast zweimal Erfolg gehabt. Mit deiner Hilfe konnten Verbrecher aufgespürt werden, die…« Bob brach ab und starrte auf seine Schwester. Entsetzen und aufkommende Angst hatten seine Zunge gelähmt.

»Ja, sie werden sich rächen wollen«, sagte Belinda. »Aber selbst wenn sie mich umbringen, sind andere da, die als Medium dienen und weiterhin Hinweise geben können.«

»Du wirst nicht mehr dorthin gehen! Versprich es mir!«

Das Mädchen rührte sich nicht. Es hatte sich aus den Armen des Bruders gelöst und starrte wieder vor sich hin. An die erste Séance mußte Belinda denken. Alles hatte so harmlos angefangen. Doch jeder weitere Besuch in jenem alten Haus hatte sie mehr erschöpft.

»Es waren viele Schüsse«, erinnerte sie sich nun halblaut. »Drei Männer saßen in dem Wagen. Einer davon war blutverschmiert und sah zum Fürchten aus. Vielleicht ist ein Verbrechen geschehen, Bob? Vielleicht kann ich helfen, es aufzuklären.«

»Davon müßte ich etwas wissen«, erwiderte er. »Immerhin habe ich mich bis gegen halb elf in der Redaktion aufgehalten. Ich hatte ein paar interessante Fotos abgegeben«, fügte er erklärend hinzu, als er ihrem erstaunten Blick begegnete.

»Du wirst Ärger bekommen«, warnte Belinda besorgt. »Bei euch im Verlag wird man nicht begeistert sein, wenn du dich mit denen von der lokalen Zeitung zusammentust.«

Froh darüber, sie ablenken zu können, meinte Bob scheinbar empört:

»So dumm bin ich nicht, Belinda. Ich gehe diplomatisch vor. Was ich mir wünsche, ist ein ganz großer Auftrag – etwas, das Schlagzeilen macht.«

Belindas blasses Gesicht hatte sich bei diesen Worten entspannt. »Du wirst es schaffen«, meinte sie zuversichtlich. »Vielleicht kann ich mithelfen, dich berühmt zu machen? Ich weiß, was in dir steckt, Bob. Ich würde alles opfern, um dich…«

»Das soll ein Wort sein«, unterbrach er sie. »Ab sofort schwindelst du mich nicht mehr an und bringst dein Opfer in der Küche, wenn ich müde und hungrig heimkomme.«

»Bob!« rief Belinda bestürzt aus. Sofort eilte sie in die Küche. Aber auch dabei verdrängte sie die Gedanken an das heutige Erlebnis nicht.

Schrecken und Furcht saßen zu tief. Es war wie eine dunkle Ahnung, die sie anwehte. Doch hätte Belinda es nicht erklären können, warum sie so sicher war, daß dieses Erlebnis für sie von großer Bedeutung sein würde.

*

Bob war schon aus dem Haus, als Belinda am nächsten Morgen frühstückte und zur Zeitung griff. Ohne besonderes Interesse las sie die fettgedruckten Zeilen auf der Titelseite. Aber plötzlich stutzte sie und beugte sich vor. »Einziger Sohn entführt «, las sie.

Entführt! Wie ein Blitz durchzuckte es Belindas Gehirn. Sie brauchte gar nicht weiterzulesen. Sie wußte, daß jener Wagen mit diesem Verbrechen im Zusammenhang stand.

Dennoch las sie Zeile für Zeile. Zwei Männer hatten das Ehepaar Milton überfallen, dessen Glück beim Pferderennen eine Woche zuvor Aufsehen erregt hatte. Nach einem Leben in Armut waren sie plötzlich vermögend. Doch all ihr Geld, so hieß es nun, brachte den geliebten Sohn nicht zurück. Es gab keinen einzigen Hinweis. Zeugen hatte man noch nicht finden können. Es stand lediglich fest, daß Schüsse gefallen waren, ehe die Täter mit dem Kind verschwanden. Die Eltern waren der Verzweiflung nahe.

Belinda betrachtete das Bild des Kindes. Es zeigte ein von blonden Locken umrahmtes Gesicht mit lustiger Stupsnase und lachenden Augen. Und dieses Kind war in der Gewalt von Verbrechern!

»Diese bösen Menschen!« stieß sie hervor. »Von Geldgier getrieben sind sie. »Und ein unschuldiges Kind muß leiden…« Nachdenklich und sehr ernst blickte sie auf die Zeitung.

Sie wußte, daß sie ihren Bruder wieder enttäuschen mußte. Aber diesmal würde sie nicht zu einer Notlüge greifen, sondern ehrlich gestehen, daß sie sich noch ein einziges Mal als Medium zur Verfügung stellen wollte. Für den entführten Jungen und dessen verzweifelte Eltern. Man mußte ihnen helfen!

Ihr Herz war immer schon schwach gewesen. Eine Séance mehr oder weniger würde ihm kaum schaden. War es nicht nur Bob, der überall Gefahren für sie sah?

In Gedanken an den Bruder seufzte Belinda schwer. Um das Versprechen nicht schon wieder zu brechen, schob sie hinaus, was sie sofort für den kleinen Jungen hatte tun wollen.

Auch an den folgenden Tagen wurde von der Entführung berichtet. Es war dann das Bild der weinenden Mutter, das Belinda zum Handeln trieb.

»Ich habe schon mit Mister Speel gesprochen«, sagte sie zu ihrem Bruder. »Vielleicht gelingt es mir, als Medium irgend etwas zu entdecken, wonach die Polizei vergeblich sucht. So ein Kind kann nicht spurlos verschwinden.«

»Falls es überhaupt noch lebt, Belinda. Du willst es also wieder tun. Du solltest auf dein krankes Herz Rücksicht nehmen. Glaubst du im Ernst daran, was du in Trance siehst, Belinda?«

»Zweimal führte es zu einem Erfolg, Bob.«

»Das war Zufall!« rief er erregt.

»Auch so ein Zufall soll willkommen sein, wenn er hilft, ein fünf Jahre altes Kind zu finden, Bob.«

Bob Cameron sah seine Schwester an. »Du stehst mir näher als alle anderen«, sagte er leise. »Die Miltons tun mir ja leid. Auch ich bange um das Leben des Jungen. Doch wenn selbst die Polizei machtlos ist, wie kannst du mehr erreichen wollen?«

»Ich möchte es versuchen, Bob«, erwiderte sie ebenso leise.

»Gut«, gab er seufzend nach. »Du sollst tun, was du möchtest, weil du ja doch keine Ruhe findest. Danach ist ein für allemal Schluß! Du solltest mit Ellen Barker ein paar Tage am Meer Urlaub machen. Ihr habt doch dort eine Lieblingsbucht. Würde es dich nicht reizen, sie wiederzusehen?«

»Bei dem Wetter?« murmelte Belinda und sah auf den grauen Himmel.

»Ihr könntet spazierengehen«, schlug er hastig vor.

Da wandte sie sich ihm langsam zu und sah ihn ernst an. »Wie gefällt dir Ellen?«

Diese Frage überraschte ihn. Er fand Ellen sehr nett, hatte sich jedoch weiter keine Gedanken über sie gemacht.

»Sie ist deine Freundin«, wich er lächelnd aus.

»Bist du deshalb manchmal so grob zu ihr?«

»Hat Ellen sich über mich beschwert?«

»Das würde sie nie tun. Außerdem… nun, sie mag dich sehr und…«

»Belinda!« bat er ärgerlich. »Versuche nicht schon wieder, mich zu verheiraten! Ich kann mir eine Familie erst dann leisten, wenn ich mir einen Namen gemacht habe.«

»Ellen hat für alles Verständnis«, lobte Belinda die Freundin weiter. »Du kannst ihr vertrauen, Bob.«

»Ich glaube nicht, daß ich mich ihr jemals anvertrauen müßte«, wehrte er ab.

Belinda sah ihn an und ging auf die Tür zu. »Ich werde Mister Speel anrufen«, erklärte sie.

Bob Cameron knurrte etwas Unverständliches vor sich hin. Mit den Plänen seiner Schwester war er gar nicht einverstanden. Doch er wartete geduldig und war bereit, sie zu jenem Haus zu begleiten, in dem die spiritistischen Sitzungen abgehalten wurden.

Endlich kam Belinda zurück. Ihr Gesicht war auffallend blaß.

»Hat der alte Zauberer dich wieder einmal verwirrt?« spottete Bob.

»Er meint, daß es schwierig sein wird.«

»Wie einsichtsvoll von ihm! Ich hätte ihn nicht für so klug gehalten!«

»Du solltest nicht über Dinge spotten, von denen du nichts verstehst, Bob!«

»Oh, ich habe eine Menge darüber gelesen. Und vielleicht kann ich mich mit all dem Übersinnlichen ein wenig vertraut machen, wenn du endlich aufhörst, ein Medium sein zu wollen.«

Nach diesen Worten war es lange Zeit still. Reglos stand Belinda im Rahmen der offenen Tür. Unbewußt nahm Bob dieses Bild in sich auf. Er ahnte nicht, daß er sich bald schon mit schmerzlicher Deutlichkeit daran erinnern sollte.

»Ich verspreche es. Ich gehe nur einmal noch dorthin«, sagte Belinda.

Bob schaute zweifelnd zu ihr hin. Was er sich ausgedacht hatte, um sie von diesem »Tick«, wie er es nannte, zu heilen, verriet er nicht.

»Ich muß noch einen Film entwickeln«, erklärte er. »Ich werde dich heute abend begleiten.«

»Du brauchst nicht mitzukommen, Bob«, flüsterte sie.

»Und was geschieht, wenn du dich wieder bedroht fühlst und vor einem Wagen davonrennst?«

»Wir kennen ja jetzt die Gründe. Sie wären wohl auf jeden zugerast, der zufällig dort stand.«

»Zufällig? Aber Belinda! Du hast mir doch erzählt, daß du in einem Torbogen standest, von den Scheinwerfern geblendet wurdest und…«

»Hast du dich noch nie bedroht gefühlt?« unterbrach sie ihn.