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hartmut geerken johann hinrich geerken gavdos. eine petersburger hängung Der schriftstellernde Enkel trifft seinen malenden Grossvater, von dem er nichts kennt außer einem Foto & einigen Gemälden, denn der eine war schon fünfzehn Jahre tot, als der andere zur Welt kam. Durch Zufall wird nach über hundert Jahren in einer Räucherkammer in Grossvaters Geburtsort Wiefelstede im Ammerland eine Kiste mit 61 Hinterglasbildern entdeckt: vom Großvater gemalte naturalistische Szenen und Landschaften aus exotischen Ländern wie Indien, Ceylon, Alaska, Thailand, Ägypten, Sibirien u. a., Bilder, die er einst mit einer Camera Obscura in Wirtshäusern und Schulen vorführte. Der späte Fund ermöglicht eine Begegnung von Grossvater und Enkel auf der griechischen Insel Gavdos, und der Jüngere findet vieles von sich im Älteren. Es ist, als hätten sich die beiden schon immer gekannt. Alle diese Hinterglasbilder sind farbig neben Texten des Enkels veröffentlicht.
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Seitenzahl: 117
Veröffentlichungsjahr: 2013
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hartmut geerkenjohann hinrich geerken
gavdos
eine petersburger hängung
WAITAWHILE
Books on Demand
Посвящается моей дорогой русской семьеАлле и Алле и Александру и Алексею иАндреасу и Борису и Ирине
vom sonnenaufgang in der lüneburger heide zum abend am nil
1 berge von simen, abessinien
2 totem-säulen in alaska
3 obelisk in alexandria
4 der goldene tempel in amritsar
5 steilküste der antipoden-insel
6 farnwald in victoria, australien
7 der turm zu babel
8 rahels grab, bethlehem
9 landschaft auf ceilon
10 landschaft auf ceylon
11 königsschlucht in colorado
12 damaskus
13 steilküste der insula gavdos
14 der weg zur feste von gwalior
15 tigerjagd bei gwalior
16 aus der villa des hadrian
17 pagode von haghiman
18 der götzenthurm in heilbronn
19 im dschungel in indien
20 jagd in indien
21 die plattform des felsendomes in jerusalem
22 kamelreiter
23 in kioto
24 die wüste kisil-kum
25 gopura in kumbakonam
26 isola bella am lago maggiore
27 lahore
28 laokroma
29 die abhänge des libanon
30 blick in die libysche wüste
31 der tower in london
32 der longe
33 die magula-schlucht bei mistra
34 die burgen von manderscheid
35 montblancgruppe
36 der nil
37 abend am nil
38 wadi es sidr palästina
39 das partnach-thal in baiern
40 die insel philae
41 kiosk auf philae
42 die propyläen
43 kratersee auf opolu, samoa
44 seelöwenfelsen bei san francisco
45 gopura von schrirangam, indien
46 hof der königlichen pagoden in siam
47 aus der sibirischen taiga
48 sinaigebirge
49 der grosse tempel von ssanggyesa
50 gartenhaus im park des tadsch bei agra
51 blick auf tadsch mahal
52 wald in tasmanien
53 wasserfall im bedretto-thale im tessin
54 mastaba des ti
55 der predigtstuhl im wilden kaiser, tirol
56 das sextenthal in tirol
57 im todesthale
58 tropfsteinhöhle in aggtenek, ungarn
59 aus elche, valencia
60 well & wetterhorn
61 der yosemiti-fall
index
als ich 1939 zur welt kam war mein grossvater der kunstmaler johann hinrich geerken (wiefelstede 1855–1925 oldenburg) schon 14 jahre tot. als er im krankenhaus von oldenburg im sterben lag fragte man ihn nach seinen familienangehörigen. er sagte er habe keine.
mein grossvater hinterliess ausser zwei frühverstorbenen mutmasslich sechs kinder: meine tanten marie (1886–1949) helene (1889–1966) else (1893–1983) lydia (1894–1973) athene (1896–1980) & meinen vater heinrich august (1898–1990) der seinem vater nie begegnet ist.
mein grossvater hatte seine familie schon vor der geburt meines vaters verlassen. möglicherweise war es auch die grossmutter (marie christiane geb. thiel 1859–1923) die ihren mann vor die tür setzte weil er die grosse familie mit seiner kunst nicht mehr ernähren konnte. genaues weiss ich nicht. es wurde in der familie nie darüber gesprochen. eine scheidung wurde nicht eingereicht. meine tanten hatten in charakter & aussehen nur bedingt etwas miteinander gemein. mindestens drei schlugen aus der reihe. sie glichen sich kaum. vielleicht stammten sie von liebhabern meiner grossmutter. überliefert ist ein satz meines grossvaters an seine ehefrau gerichtet: bei dir braucht man nur die unterhose an den bettpfosten zu hängen & schon bist du schwanger!
als mein vater nach dem ersten weltkrieg eine erste kontaktaufnahme mit seinem vater wagte indem er ihm einen brief schrieb antwortete mein grossvater seinem damals etwa 20jährigen sohn es sei ihm das neueste dass er einen männlichen nachkommen habe. er solle ihn gefälligst in ruhe lassen & nicht weiter belästigen.
viele jahre lang stand mein bett in meinem elternhaus in tübingen unter einem grossformatigen ziemlich düsteren ölgemälde meines grossvaters mit dem titel sonnenaufgang in der lüneburger heide. eine grosse dunkelrote sonne am horizont war darauf der einzige lichtblick. einmal hätte mich dieser sonnenaufgang fast erschlagen. ein nächtliches erdbeben im hohenzollerngraben lockerte den wandhaken & das schwere ölgemälde krachte auf mein bett herunter so dass ich im ersten augenblick nicht wusste: ist das traum? ist das realität? traum & realität: das sind die parameter einer jeden kunst & vielleicht war es dieser moment als der sonnenaufgang im schlaf über mich fiel dass ich den weg in die kreativität wählte.
überhaupt erzeugen die wenigen bilder die ich von meinem grossvater vor augen habe ganz bestimmte konnotationen. das heilbronner rathaus bei nacht zum beispiel hing während des krieges bei uns in stuttgart im sogenannten herrenzimmer. als eine luftmine im oktober 1944 eine ganze seitenwand des mehrstöckigen hauses weggerissen hatte hing das rathaus schief. diese spezifische schiefheit hat sich mir für immer eingebrannt. jahre später als das bild in meinem haus hing habe ich manchmal mit einer taschenlampe in die dunkle gasse neben dem rathaus hineingeleuchtet & dort viele dinge entdeckt die man bei normaler beleuchtung gar nicht wahrnehmen konnte. mir kam es oft so vor als ob mein grossvater bestimmte dinge & personen vor den augen eines oberflächlichen betrachters in seinen dunklen bildern verstecken wollte.
das ölgemälde sandsturm in der wüste hing immer bei tante lydia in schwäbisch gmünd. bei jedem meiner besuche als kind & jugendlicher sogen sich meine augen in diesem sandsturm fest. ich war von der übermacht der natur & der kleinheit der dargestellten fliehenden beduinen tief beeindruckt. als tante lydia gestorben war habe ich den sandsturm geerbt. das bild hatte immer einen exponierten platz in unseren wohnungen in kairo kabul athen & wartaweil. für mich war es ein blick über den schwäbischen tellerrand hinaus in eine exotische geheimnisvolle welt die mich magnetisch anzog. vielleicht war dieses bild sogar auslöser dafür dass wir jahrzehntelang im ausland vor allem in ländern lebten wo es wüsten gab. meinem grossvater allerdings war es nie vergönnt über die grenzen deutschlands jemals hinauszukommen.
vor etwa zwanzig jahren habe ich in münster aus dem krabbelkasten einer buchhandlung ein buch von leo africanus gekauft. ich setzte mich in die morgensonne auf eine bank im park & blätterte darin. plötzlich hielt ich inne & traute meinen augen nicht. vor mir war ein stich aus dem 19. jahrhundert des sandsturms meines grossvaters. durch einen glücklichen zufall fand ich die vorlage die mein grossvater für sein ölbild verwendet hatte.
nach dem krieg war der schuss aus einer amerikanischen pistole in den bauch meiner grossmutter ein gesprächsthema in der familie an das ich mich gut erinnere. manche bilder meines grossvaters waren während der zeit der luftangriffe auf stuttgart ausgelagert. darunter war auch ein grosses breitformatiges aktbild auf dem meine oma ihrem künstlergatten in noch unzerrütteter ehe modell sass beziehungsweise lag. ein amerikanischer soldat hatte offensichtlich versucht den nabel meiner grossmutter zu treffen. aber er war ein schlechter schütze. neben dem nabel klaffte das loch. so lange ich denken kann hing meine nackte oma mit dem nicht restaurierten bauchschuss über dem ehebett meiner eltern. & wahrscheinlich ist es der ziemlich seltene fall einer familiengeschichte dass ein kleiner enkel seine oma zwar nicht persönlich kannte sie aber nie anders vor augen hatte als nackt vor einen offenen kamin hingelagert.
johann hinrich geerken hatte sich einen guten namen gemacht vor allem als porträt- & landschaftsmaler. im zwinger in dresden hing ein monumentalgemälde mit dem titel das letzte gericht das im zweiten weltkrieg den bomben zum opfer fiel. dem hörensagen nach existierte noch ein anderes mehrere meter grosses monumentalgemälde weltuntergang das jedoch verschollen ist.
johann hinrich geerken studierte ab 1897 an der akademie der bildenden künste in münchen. er arbeitete vor allem in schwaben mecklenburg & oldenburg. in heilbronn unterhielt er während vieler jahre ein atelier. ausstellungen soweit bekannt in der galerie regel in frankfurt am main im württembergischen kunstverein & in der kunstakademie in stuttgart.
tante helene hatte die schwache erinnerung dass sich irgendwo im norden noch glasbilder ihres vaters befinden sollen & zwar auf einem dachboden. tante else konnte diese rudimentäre erinnerung dahingehend präzisieren dass sich die glasbilder auf dem dachboden eines hauses in seinem geburtsort wiefelstede befänden. jahrzehnte später bei den vorbereitungsarbeiten einer retrospektive der werke meines grossvaters im heimatmuseum wiefelstede im mai 2001 berichtete mein bruder horst diese mehr als vagen informationen dem ersten vorsitzenden des heimatmuseums herrn wolfgang hase. es verging kaum ein halbes jahr & über 60 glasbilder meines grossvaters tauchten aus der räucherkammer des riedhauses von iris oltmanns in wiefelstede-bokel wieder auf. die holzkiste in der die bilder aufbewahrt bzw. vergessen wurden war morsch geworden & zum teil zerbrochen wie auch einige der in schwarze holzrahmen gefassten glasbilder. mein grossvater führte wohl diese exotischen bilder mit einer camera obscura in schulen & wirtshäusern vor um seine kümmerlichen einnahmen als kompromissloser künstler etwas aufzubessern. er hatte sie wahrscheinlich kurz vor der trennung von seiner familie ende des 19. jahrhunderts bei verwandten in seinem heimatort gelagert wo sie dann über hundert jahre in vergessenheit gerieten & allerlei umwelteinflüssen ausgesetzt waren. nun sind sie wieder aufgetaucht & werden hier zum ersten mal publiziert.
mein bruder horst & ich haben die liste der motive dieser glasbilder durchgegangen & entdeckten einen sehr geheimnisvollen zusammenhang zwischen den offensichtlich von fernweh geprägten interessen unseres grossvaters & unseren eigenen lebenswegen. ohne uns zeitlich mit unserem grossvater zu überschneiden bzw. die glasbildersammlung gekannt zu haben hat mein bruder etwa 80% & habe ich etwa 50 % aller dargestellten orte oder länder in seltsam genetischer übereinstimmung bereist.
Wartaweil 09-09-09
eine sache & gleichzeitig nichts sonst also nicht kochen & musik hören sondern kochen & dann musik hören dann lesen dann briefe schreiben dann auf & ab gehen dann hinausschauen dann tippen dann waschen dann wieder lesen dann wieder tippen dann wieder schreiben dann wieder kochen dann wieder osman karim hören dann kochbuch lesen dann heine lesen dann in die abessinischen felsen hinausgehen dann wieder hinausschauen dann wieder auf & ab gehen dann einen tanker mit dem fernglas heranholen dann tanzen aha zu sunny dann wieder tippen bis die sonne aus allen wolken fällt dann warten bis der südwind zum nordwind wird begrüssungsritual am morgen mit alexej er sabah el cheir ich sabah el nur er sabah el antalib ich sabah el ischtar er sabah el full ich sabah el gamal er sabah el schifteschi ich sabah el sabah & dann gelächter weisser kalk in colorado gelbe frucht in göreme grüne bäume in arkadien hinunter gehts in den üzengi zu den zerfallenden felsenräumen zu den ascheschichten zum tuff keine nufus weit & breit unter dem blaubewölkten himmel vielleicht vier hütten auf der hochfläche mit menschen drin mit äthiopischen nasen die sich vor der mittagsglut schützen ich bringe annelie mein haustier mit eine blindschleiche & lasse sie in ihrer wohnung laufen sie versteckt sich unter dem mobiliar die blindschleiche nämlich & ich krieche ihr auf dem bauch nach von einem möbelstück zum nächsten schliesslich schlafe ich im selben bett neben ihr ich lege meinen kopf auf den ihren & versuche mit meiner hand zu ihrer brust zu gelangen sie sagt wenn du dich nicht bewegst kann ich schlafen nachdem ich weggegangen war fiel mir ein dass ich die blindschleiche vergessen hatte ich gehe noch einmal zurück finde sie aber nicht mehr als archivar hatte susu die kraft in seinen fingern & händen wiedergewonnen indem er die schweren ordner mit einer hand aus dem regal herausgeholt hat tagelang einen nach dem andern um einzelstücke alfabetisch in die konvolute der partner einzugliedern hermann minkowski brachte raum & zeit einige zeit vor anderthalbstein in einem punkt zusammen man erlebt einen ort nie anders als in einer zeit & eine zeit nie anders als an einem ort es ist eine genugtuung so zu schreiben dass nur intelligente leser etwas davon haben die nicht unbedingt darauf aus sind alles verstehen zu wollen
erst dachte ich junge mäuse seien durch die abflussrohre wegen des schlechten wetters ins haus gekommen dies hohe quietschen dann aber bemerkte ich dass es meine nassen schuhe waren als die rote sonne im mehr versinkt sagt sigi au so als ob ihr etwas weh täte & gleich darauf in fliessendem französisch welch ein käse gebaut aus teilen die einfach so daliegen die tischbeine aus sechs&achtzigjährigem erikaholz gefertigt in ihrer natürlichen farbe die weisse hütte ist nicht die architektur der weisen inuit & der mann im schwarzen dress der an einer der weisen säulen behäbig lehnt & über den see blickt als sei es seiner hat wohl keine ahnung woran er lehnt die idylle der umgebung steht im krassen widerspruch zum wahnsinn des weissen mannes das lehnen an etwas weisem als beleidigung auf einer der weisen säulen hockt ein nach unten blickender bär & die zwölf zarten spuren seiner tatzen sind ins holz des stammes eingraviert man kann nachvollziehen wie der da hochkam die zweite säule trägt ein komplexeres konglomerat von oberer gesichtshälfte auf der ein aus grossen augen geradeaus blickender weiser mann in hockergrabstellung hockt der eine noch weisere kopfmaske in form eines mythischen thieres trägt dieses weise thier ist schon fast eins mit dem weissen himmel wenn