Gefahr für Burg Bentheim - Mathias Meyer-Langenhoff - E-Book

Gefahr für Burg Bentheim E-Book

Mathias Meyer-Langenhoff

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Beschreibung

Erst kommt Lotte zu spät zur Schule, dann hat sie bei der Führung durch die Burg Bentheim Ärger mit ihrem Klassenlehrer und ihre beste Freundin Doro interessiert sich nur noch für Tom. Das ist eindeutig zu viel auf einmal. Als die Klasse die Folterkammer der Burg besichtigt, versteckt sich Lotte in der Katharinenkirche. Dort hat sie eine Begegnung mit Dietlinde, einem kleinen, rothaarigen Mädchen aus dem Mittelalter. Sie bittet Lotte, mit ins Jahr 1350 zu kommen, um die Burg aus großer Gefahr zu retten. Soll Lotte sich wirklich auf eine Zeitreise einlassen? Ein tolles Buch für Mädchen und Jungen ab 10 Jahre um eine spannende Reise in längst vergangene Zeiten, bei der es manches Abenteuer zu bestehen gilt ...

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Gefahr für Burg Bentheim

Matthias Meyer-Langenhoff

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Impressum:

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Besuchen Sie uns im Internet:

www.papierfresserchen.de

[email protected]

© 2009 – Papierfresserchens MTM-Verlag GbR

Mühlstraße 10, 88085 Langenargen

Telefon: 08382/9090344

Alle Rechte vorbehalten.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.

Lektorat: Redaktions- und Literaturbüro MTM: www.literaturredaktion.de

Titelbild: Heike Georgi, www.heige-illus.de

Illustration: Johanna und Antonia Langenhoff

ISBN: 978-3-940367-53-2 – Taschenbuch

ISBN: 978-3-96074-161-9 - E-Book (2020)

*

Inhalt

Auf zur Burg!

Dietlinde

Eine andere Welt

Lottes Geständnis

Rückkehr insMittelalter

Die amerikanischenFreundinnen

Pamelas Idee

Zwei neueVerbündete

Die Entführung

Der großeZeitstrom

Treffen beiBalthasar

Die Schlachtam Dorfeingang

Im LagerGrimmberts

Der Zauberdoktor

Der geheimnisvolleUnbekannte

Kalles Plan

Botschaft fürGrimmbert

Rückkehr zur Burg

Die Entscheidung

Abschied

*

Auf zur Burg!

„So ein Mist, Teichmann ist bestimmt sauer“, fluchte Lotte. So schnell sie konnte raste sie die breite Schultreppe hinauf, aber sie kam fast eine Viertelstunde zu spät.

„Kein Problem, du kannst dich auf mich verlassen, ich wecke dich rechtzeitig“, hatte ihr Vater gestern Abend getönt und Lotte trotz des Protestes ihrer Mutter erlaubt, mit ihm zusammen das Fußballspiel zu Ende zu sehen. Und dann hatte er heute Morgen doch tatsächlich verschlafen. Es war schon kurz vor Unterrichtsbeginn, als er noch im Schlafanzug in Lottes Zimmer stürzte.

Mit klopfendem Herzen stand sie jetzt vor dem Klassenraum der 7b und lauschte an der Tür. Drinnen war es mucksmäuschenstill, sie konnte nur die schnarrende Stimme von Dr. Teichmann hören, der letzte Anweisungen für den Ausflug gab. Lotte legte ihre Hand auf die kühle Türklinke, mit der anderen klopfte sie vorsichtig an die schwere Holztür, atmete noch einmal tief durch und öffnete.

„Guten Morgen, Herr Dr. Teichmann“, sagte sie mit leichtem Beben in der Stimme, „tut mir leid, aber mein Vater hat nicht geklingelt und der Wecker hat auch verschlafen.“

Die Klasse prustete los. Hilfe suchend sah Lotte zu Doro, ihrer allerbesten Freundin. Die hätte ihr gerne geholfen, bekam aber einfach keinen Ton heraus.

Teichmann, der kleinste Lehrer der Schule, von den meisten nur der laufende Meter genannt, zuckte kurz mit der linken Augenbraue. „Schön, dass du es noch rechtzeitig geschafft hast“, sagte er lächelnd, „setz dich.“

Lotte schluckte. War das alles? Keine Standpauke, keine Strafe? Ihr Geschichtslehrer war eben unberechenbar.

„Schwein gehabt“, dachte sie, als sie zu ihrem Platz ging, denn eigentlich legte er größten Wert darauf zu zeigen, wer der Boss im Klassenraum war. Erleichtert ließ sich Lotte auf den Stuhl neben ihrer Freundin sinken.

„Na endlich, ich dachte schon, du kommst nicht mehr. Das war echt gemein von den anderen“, versuchte Doro sie zu trösten, „was war …“

„Dorothee, berichtest du bitte Lotte, was wir bisher besprochen haben?“ Typisch Teichmann, wenn jemand nicht aufpasste, hatte er ihn sofort auf dem Kieker.

Doro hüstelte verlegen. „Wir, es ist …, der Bus steht gleich unten an der Haltestelle und die Besichtigung …“

„Damit kann deine Freundin nicht viel anfangen“, unterbrach Teichmann sie streng und erhob sich, um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen. Erwartungsvoll blickte er über die Lesebrille auf seiner Nasenspitze auf Kalle, seinen besten Schüler. Er gehörte zu den wenigen, die unentwegt, sogar in den Pausen, in Büchern schmökerten.

„Erkläre du Lotte, wie es weitergeht!“

„Der Bus steht um Viertel vor zehn an der Haltestelle, wir sind gegen Viertel nach in Bad Bentheim, die Besichtigung beginnt um halb elf. Wir sollen uns während der Führung Notizen machen, später von der Besichtigung einen schriftlichen Bericht anfertigen und eine Skizze der Burg zeichnen.“

„Alter Streber!“, zischte Doro ihm zu.

„Vielen Dank, Kalle“, antwortete Teichmann, der übrigens zu den wenigen Lehrern gehörte, die jeden Tag mit Krawatte und Anzug in die Schule kamen. Dann erklärte er umständlich, worauf sie noch achten sollten, was sie tun und was sie nicht tun durften.

„Teichmann ist und bleibt ein unsympathischer Zwerg“, flüsterte Doro und verdrehte die Augen.

So war er, der kleine Doktor. Zwar hatte die Klasse Respekt vor ihm, aber bis auf Kalle, der manchmal von den anderen wegen seiner Leseleidenschaft nur Seitenfresser genannt wurde, gab es niemanden, der ihn wirklich leiden konnte.

„Also, denkt dran, bitte gleich kein Geschiebe vor dem Bus und nehmt was zum Schreiben mit!“, rief Teichmann, als es klingelte. Er packte seine Tasche und sah kopfschüttelnd auf die Schülertraube vor der Klassentür.

Im Treppenhaus herrschte großes Gedränge, alle waren froh, die erste Doppelstunde überstanden zu haben.

„Was war denn jetzt wirklich mit dir los?“, nuschelte Doro. Seit Doro eine Zahnspange trug, konnte selbst Lotte sie manchmal schlecht verstehen.

„Gestern Abend war noch Fußball, Pokalendspiel, hat total lange gedauert“, grinste Lotte, „ich glaube es war zwölf, als ich im Bett lag.“

Als die Mädchen den Ausgang des Schulhofs erreichten, stand der Bus schon an der Haltestelle. Zischend öffneten sich die Türen.

„Langsam, langsam!“, rief der Fahrer den Schülern entgegen, die wie eine Horde Jungtiere hineinstürmten und sich um die hinteren Plätze stritten. Lotte und Doro erkämpften sich einen Sitz in der Mitte des Busses. Als Doro sich umdrehte, wurde sie knallrot, hinter ihnen saß Tom Teune, ein großer, blondhaariger Junge, der noch dazu unerhört gut aussah. Bei seinen Mitschülern war er ziemlich beliebt, nur die Lehrer kamen nicht besonders mit ihm aus, was aber durchaus auf Gegenseitigkeit beruhte. Er lächelte. Genau dieses Lächeln ließ Doro dahinschmelzen, sie versuchte ihre Zähne im Augenblick lieber zu verstecken. Es sollte nicht jeder sofort sehen, dass sie eine Art Blitzableiter im Mund trug. Unauffällig trat sie Lotte auf den Fuß und deutete vorsichtig nach hinten.

„Was ist? Ach so, alles klar“, flüsterte Lotte, „dein Schatz sitzt hinter uns, jetzt könntest du ihn doch mal anquatschen.“

„Bist du verrückt?“ Doro merkte genau, dass sie schon wieder einen roten Kopf bekam. „Der versteht mich sowieso nicht, außerdem findet er mich bestimmt langweilig“, sagte sie.

„Woher willst du das wissen, hast du ihn gefragt?“

Doro antwortete nicht. Sie dachte an Alica, die Neue in der Klasse. Die war total cool und fast alle Jungs fuhren auf sie ab. Am liebsten würde sie so sein wie sie, aber manchmal ging ihr Alica mit ihrem „Hallo – hier – bin – ich“-Gehabe ganz schön auf die Nerven.

Kurz vor Bad Bentheim ließ sich Teichmann vom Fahrer das Bordmikrofon geben. „Jetzt bitte mal zuhören! Wir sind gleich da und werden unten vor der Burg auf dem Parkplatz aussteigen. Ich möchte, dass ihr einigermaßen gesittet nach oben geht, der Burgführer wartet am Eingang, von euch erwarte ich Aufmerksamkeit und Disziplin!“

Doro zuckte zusammen, Teichmann sprach das S und das Z in seinem Lieblingswort Disziplin so scharf aus, als wollte er jemanden damit zerteilen. Sie gingen am Sandsteinmuseum vorbei und auf der steilen Kopfsteinpflasterstraße, der Funkenstiege, bergauf. „Guckt mal, die Burgmauern sind fast sechs Meter hoch.“ Kalle drängelte sich keuchend zwischen Lotte und Doro und zeigte nach oben.

„Ach ja? Bestimmt willst du uns auch noch erklären, wann die Burg gebaut wurde oder vielleicht interessante Anmerkungen zu dem Steinlöwen da machen?“, antwortete Lotte.

„Klar, wenn euch das interessiert. Das hier ist die Westseite der Burg, sie wurde …“

„Kalle, merkst du noch was? Das war ein Scherz. Gleich erzählt doch alles der Burgführer, also halt die Klappe!“ Lotte sah ihn ärgerlich an.

„Und warum fragst du mich dann?“, antwortete Kalle beleidigt. Die Mädchen verdrehten die Augen.

Inzwischen waren sie auf dem Berg angekommen und liefen an der Burgmauer entlang zum unteren Tor. Kalle ließ sich zurückfallen, es war ihm ein Rätsel, warum sie sich für die Burg überhaupt nicht zu interessieren schienen. Er fand das alles atemberaubend spannend, mit Geschichte konnte er sich stundenlang beschäftigen, und genau deshalb war der kleine Doktor auch sein absoluter Lieblingslehrer.

Teichmann blieb an einem großen Baum stehen, der kurz vor dem unteren Burgtor auf einer Wiese stand. Mit der rechten Hand strich er die lange Haarsträhne aus dem Gesicht, die eigentlich seine Glatze verdecken sollte. „Das ist übrigens die Gerichtslinde“, erklärte er, „hier fand im Mittelalter das Dorfgericht statt.“

„Aber es gab keine harten Urteile, habe ich gelesen, denn der Baum heißt ja Linde. Und lind heißt mild“, meldete sich Kalle. Dabei blickte er stolz in die Runde. Die anderen waren nicht besonders beeindruckt, nur Teichmann schien begeistert.

„Richtig, Kalle, sehr gut. Weißt du auch, was hier verhandelt wurde?“

„Nein, keine Ahnung“, er zuckte bedauernd mit den Schultern.

„Mensch, Kalle, das weißt du nicht? Da wirst du mir ja sofort sympathischer.“ Tom schlug ihm anerkennend auf die Schulter.

„Für diese dumme Bemerkung, lieber Tom, wirst du bis zur nächsten Stunde einen kleinen Aufsatz schreiben. Titel: Wie ich mich gegenüber Mitschülern zu verhalten habe!“, sagte Dr. Teichmann streng.

„Wenn du willst, kann ich dir helfen“, flüsterte Kalle.

„Idiot!“, grinste Tom.

„Jetzt hört schon auf!“, versuchte Lotte die beiden Streithähne zu beruhigen.

„Ist ja gut, ich hab’s nicht so gemeint.“

Mit ironischem Lächeln wischte Tom seinem fast einen Kopf kleineren Mitschüler über die braunen Haare. Ärgerlich schlug Kalle ihm die Hand weg.

„Jetzt wollen wir mal zurück zur Sache kommen“, ergriff Teichmann wieder das Wort. „Es konnte zum Beispiel sein, dass ein Bäcker hier an den Schandpfahl gebunden wurde, weil er ein Zweipfundbrot als ein Dreipfünder verkauft hatte, um mehr Gewinn zu erzielen. Alle, die vorbeikamen, hatten dann das Recht ihn zu beschimpfen. Das wäre für Schüler, die bei Klassenarbeiten mogeln, übrigens auch nicht schlecht.“

„Und für Lehrer erst“, sagte Lotte böse.

Teichmann hob die linke Augenbraue. „Vielleicht solltest du nach heute Morgen nicht ganz so vorlaut sein“, antwortete er. „Weiter!“ Er drehte sich abrupt um und marschierte an der sogenannten Pferdetränke vorbei, einem kleinen Gewässer direkt an der Mauer. Dann ging er durch das untere Burgtor zum Innenhof hinauf.

„Halt dich lieber zurück“, warnte Doro.

„Warum? Der nimmt doch auch keine Rücksicht“, maulte Lotte. Dass sie ihren Lehrer jetzt nicht weiter reizen durfte, war auch ihr klar.

An einem großen Steinbottich im Innenhof erwartete sie bereits der Burgführer, ein gemütlich aussehender, älterer Herr mit Kugelbauch. „Moin, ich bin Franz Somberg und soll euch was über die Burg erzählen. Euer Lehrer hat mir gesagt, ihr beschäftigt euch gerade mit dem Mittelalter. Wer war denn schon mal hier?“

Fast alle hoben die Hand.

„Ich hab auch eine Führung mitgemacht“, sagte Kalle, „gehen Sie mit uns in den Folterkeller?“

„Komisch, danach werde ich immer als Erstes gefragt“, schmunzelte der Burgführer, „alle wollen in den Pienigekeller“.

„Plattdeutsch für Peinigungskeller“, warf Kalle ein.

Lotte stieß ihn an. „Spinnst du eigentlich? Hör doch mal mit deiner Angeberei auf. Warum musst du immer so übertreiben?“

Kalle biss sich auf die Lippen. Er wollte wirklich kein Streber sein, aber wenn er etwas wusste, rutschte es ihm einfach heraus.

Doro hörte kaum zu, sie dachte die ganze Zeit darüber nach, wie sie Tom möglichst unauffällig ansprechen konnte. Sehnsüchtig sah sie ihn an, er stand nicht weit von ihr entfernt, seine blonden Haare glänzten in der Sonne.

„Was ist los mit dir?“, fragte Lotte. „Hast du ein Problem?“

„Quatsch!“, zischte Doro, und weil sie dachte, die anderen hätten vielleicht auch bemerkt, dass sie Tom die ganze Zeit angestarrt hatte, wäre sie am liebsten im Erdboden versunken. Das ging aber leider nicht, deshalb nestelte sie an ihrer Umhängetasche, um irgendetwas herauszuholen, egal was. Nur bekam sie den blöden Verschluss nicht auf, immer wütender zerrte sie daran herum, bis sie Lottes Hand auf ihrer spürte.

„Reg dich ab“, flüsterte sie, „hat niemand was gemerkt.“

Erleichtert seufzte Doro auf. Lotte hatte recht, keiner machte sich über sie lustig, auch Tom nicht.

„Seht euch hier mal um, Kinder! Da hinten ist die Kronenburg, das große Marstallgebäude, ein altes Wort für Pferdestall, und dies hier“, der Burgführer zeigte auf den Turm zu seiner Rechten, „ist der Bergfried, der Pulverturm. Wir gehen jetzt zuerst nach oben auf den Wehrgang der Mauer, die Gebäude hier unten sehen wir uns später an.“

Hintereinander trotteten sie die Steintreppe hinauf. Während Herr Somberg immer zwei Stufen auf einmal nahm, versuchte der kleine Doktor mit seinen kurzen Beinen den Anschluss zu halten, wie ein rasender Zwerg hüpfte er von Stufe zu Stufe. Lotte war immer noch sauer, fast so wie beim Fußball, wenn sie mit ihrer Mannschaft zurücklag.

„Wetten, dass er uns gleich wieder einen Vortrag hält?“, knurrte sie. Und tatsächlich, kaum standen alle auf dem Wehrgang, sprang Teichmann auf einen kleinen Mauervorsprung.

„Ich erinnere euch noch mal daran, das eine oder andere von dem, was Herr Somberg uns erzählen wird, mitzuschreiben!“

„Wenn ich gleichzeitig schreiben und zuhören soll, verstehe ich gar nichts!“, rief Tom. Die anderen nickten zustimmend.

Dr. Teichmann zog wie immer die linke Augenbraue hoch, aber noch bevor er antworten konnte, ergriff Franz Somberg das Wort. „Ach wissen Sie, Herr Doktor Teichmann, ich habe die Erfahrung gemacht, dass es besser ist, die Schüler erst mal zuhören zu lassen. Ich habe noch eine kleine Broschüre, da steht sowieso alles Wichtige drin.“

„Mal gespannt, was Teichmann jetzt macht“, flüsterte Doro Lotte zu.

Der zögerte einen Augenblick mit der Antwort, schließlich sagte er etwas zu laut: „Na gut, die Broschüre ist natürlich eine Hilfe, dann hat sie aber jeder von euch bei der Anfertigung der Hausaufgabe zu benutzen.“ Die Klasse atmete auf.

„Warum heißt das hier eigentlich Wehrgang?“, fragte Herr Somberg. Niemand hatte Lust zu antworten, obwohl Teichmann seine Schüler auffordernd ansah. Es ging ihm wohl wie allen Lehrern, er wollte sich nicht blamieren. Wie immer meldete sich Kalle.

„Ein Wehrgang ist für die Verteidiger der Burg, man sieht ja die Schießscharten und die kleinen Wachtürme. Von hier aus konnten sie schießen oder Steine werfen und so.“

Dr. Teichmann nickte zufrieden.

„Richtig, Junge“, bestätigte Franz Somberg, „wir gehen mal rüber zum Bergfried. Der Turm ist, so wie er heute aussieht, zu Beginn des sechzehnten Jahrhunderts gebaut worden, aber einige Teile sind schon im zwölften Jahrhundert entstanden. Weiß jemand von euch, wie dick die Mauern sind?“

Kalle holte schon Luft, Lotte kam ihm jedoch zuvor. „Ganz unten fünf Meter fünfzig“, antwortete sie.

„Sehr gut“, lobte Herr Somberg.

Doro war so erstaunt, dass sie vergaß, ihren Mund zu schließen. Wer wollte, konnte endlich in aller Ruhe ihre Zahnspange bewundern.

„Kannst die Klappe ruhig wieder zumachen“, grinste Lotte, „sonst klaut dir noch jemand die Klammer.“

„Woher wusstest du das mit den Mauern?“, wollte Doro wissen.

„Von Papa, er hat auch schon mal `ne Führung mitgemacht.“ „Unten befindet sich übrigens das Burgverlies“, erklärte Herr Somberg weiter, „es geht zwölf Meter tief nach unten und war damals Vorratslager und Kerker zugleich.“

Die Jungs hörten nicht zu, sie standen an einer Kanone direkt vor dem Eingang des Turms und fachsimpelten, wie weit man damit schießen konnte.

„Ich schätze so hundert Meter“, meinte Tom.

„Falsch“, widersprach Kalle, „fast achthundert, das ist nämlich ‘ne Feldschlange.“

„Woher willst du das wissen?“, wunderte sich Tom etwas verärgert, schließlich hatten die anderen ihm schon anerkennend zugenickt.

„Hab ich gelesen“, antwortete Kalle.

„Natürlich“, murmelte Tom genervt, „was hast du eigentlich nicht gelesen.“ Die Klasse folgte dem Burgführer in den Turm. Sie gingen über eine steile, schmale Holztreppe nach oben. Als Doro und Lotte das Dach betraten, spürten sie den frischen Wind in ihren Haaren.

„Mensch, hier kann man echt weit gucken!“ Doro stand an der Umgrenzungsmauer und sah in Richtung Nordhorn.

„Da hinten ist das AKW von Lingen“, meinte Kalle, der plötzlich wieder neben ihr stand. Sie folgte seinem ausgestreckten Zeigefinger in die Ferne und sah die grauen Türme und die riesige Wasserdampfwolke.

„Cool“, murmelte Doro, „dann müsste ja irgendwo auch der Turm der Marktkirche von Nordhorn sein.“

„Genau“, Kalle zeigte weiter nach links, „ich glaube, da ist er.“

Herr Somberg nickte und beschrieb laut, was es sonst noch zu sehen gab. Weil die Sicht heute sehr gut war, hatte er eine Menge zu erzählen.

Dann sprach er über die Steinnasen an den Seiten des Turms. „Durch diese Ausgüsse wurde früher Pech, heißes Öl oder Jauche geschüttet, damit die Angreifer die Burg nicht so leicht stürmen konnten. Wer das abbekam, hatte eben Pech.“

„Feine Sache“, spottete Lotte, „super für Geschichtslehrer, ein bisschen Jauche kann schließlich niemandem schaden.“ Ihr Vorsatz, Dr. Teichmann nicht weiter zu reizen, hatte nicht lange gehalten. Was sie gesagt hatte, war frech, ein kurzer Seitenblick auf ihren Lehrer zeigte es. Auch Doro sah sie missbilligend an.

„Es reicht, du hast dein Konto überzogen, bis morgen wirst du einen Aufsatz über die Geschichte des Bergfried schreiben, vor allem erwarte ich eine sachliche Auseinandersetzung mit den Pechnasen.“

Die anderen in der Klasse grinsten, so etwas ließ der kleine Doktor eben nicht ungestraft durchgehen.

„Wir gehen wieder in den Burghof“, sagte Herr Somberg. Alle stiegen die Treppe im Turm nach unten und sammelten sich an einer Bank.

Doro und Lotte setzten sich seufzend hin und streckten ihre Beine aus.

„Ich habe dich gewarnt“, flüsterte Doro.

Lotte zuckte mit den Schultern. „Musste sein“, murmelte sie, „ich bereue nichts, der geht mir einfach nur auf den Geist.“

„Was ihr hier seht, Kinder, stammt aus unterschiedlichen Zeitaltern“, erklärte Franz Somberg, „früher waren hier die Pferdeställe, der Heuboden, die Rüstkammer und die sogenannten Gesindekammern, das jetzige Gebäude ist erst viel später im achtzehnten Jahrhundert entstanden.“

„Was für Gesindel wohnte hier denn früher?“, fragte Lotte, um zu zeigen, dass sie aufgepasst hatte. Der Burgführer lächelte, aber Dr. Teichmann antwortete mit Hohn in der Stimme: „Ich glaube, da bringst du was durcheinander, nicht jede Frage ist eine kluge Frage.“

„Diese schon“, entgegnete Herr Somberg und sah Dr. Teichmann in die Augen. Seinem Blick schien der Lehrer nichts entgegensetzen zu können, er entschied sich erneut dafür nachzugeben.

Lotte reichte es.

Die Auseinandersetzung zwischen den Männern nutzte sie, um unbemerkt zu verschwinden. Sollte Teichmann doch meckern, auf die Führung hatte sie keine Lust mehr. Sie schlich an der Eingangskasse vorbei, verließ den Burghof und betrat die außerhalb liegende, kleine Katharinenkirche. Hier war es ruhig und kühl, kein Teichmann und kein Kalle, der ihr mit schlauen Sprüchen auf die Nerven ging. Doro hätte sie nicht gestört, aber die fuhr ja total auf Tom ab. Nicht mal sie hatte mitbekommen, dass Lotte nicht mit in den Batterieturm gegangen war. Dort befand sich der Folterkeller, das Einzige, woran die meisten wirklich Interesse hatten.

Lotte wusste genau, dass es dort nicht halb so gruselig war wie in einem Kindergarten.

*

*

Dietlinde

In der Ecke der Katharinenkirche, direkt an der Außenmauer, klebte eine kleine Steinkanzel. Lotte stieg hinauf und setzte sich im Inneren auf den Boden. Jetzt konnte man sie vom Eingang der Kirche aus nicht sehen, sollten die anderen sie doch suchen. In ihrem Kopf arbeitete es, eine Gemeinheit nach der anderen ließ sie sich für ihren Lehrer einfallen, Teichmann würde sich noch wundern. Sie zog ihre Schuhe aus, schloss die Augen und spürte die angenehme Kühle der Steinplatten.

Plötzlich kitzelte es an ihrem linken großen Zeh. War das eine Fliege? Sie zuckte mit dem Fuß.

„Aufgepasst, oder willst du mich zertreten?“, hörte sie eine ärgerliche Stimme.

„Spinn ich jetzt?“, schoss es Lotte durch den Kopf und laut sagte sie: „Seit wann können Fliegen sprechen?“

„Ich bin keine Fliege!“

Lotte beugte sich nach vorn und entdeckte eine kaum daumengroße Gestalt.

„Schau nicht so ungläubig!“, herrschte die Kleine sie an. „Man nennt mich Dietlinde, und ich muss dich etwas sehr Wichtiges fragen.“ Sie war zwar klein, aber sehr energisch. Selbstbewusst und mit vor der Brust verschränkten Armen stand sie da und sah ihr Gegenüber herausfordernd an. Sie trug ein schmutzig braunes Baumwollkleid aus grobem Stoff. Das unförmige, fast sackartige Gewand hatte sie um die Hüften mit einem Strick zusammengebunden, daran hing ein kleiner Beutel. Auf ihrem Kopf wuchsen strähnige, rote Haare in alle Himmelsrichtungen.

Lotte schloss ungläubig die Augen und zählte leise bis drei, aber als sie vorsichtig blinzelte, war das kleine Wesen noch immer da.

„Du kannst deinen Sinnen ruhig trauen“, sagte Dietlinde, „mich gibt es wirklich. Und ich bitte dich inständig, spring jetzt nicht auf. Du bist so groß, wahrscheinlich weißt du gar nicht genau, wo du hintrittst, und dann bin ich nur noch Matsch!“

Lotte war ausnahmsweise sprachlos.

„Hör mir zu“, fuhr Dietlinde fort, „hast du dich wieder in der Gewalt, damit wir uns unterhalten können?“

Lotte nickte, noch immer mühsam nach Worten suchend, schließlich stammelte sie: „Was, was … willst du von mir?“

„Ich komme aus dem Mittelalter, als solche bezeichnet ihr doch unsere Zeit, oder? Ich bin hier, weil ich deine Hilfe benötige.“

„Du nimmst mich auf den Arm“, meinte Lotte.

„Wie sollte mir das gelingen? Du bist doch hier der Riese.“ Dietlinde wurde ungeduldig. „Entweder schenkst du mir Glauben, oder ich entschwinde wieder, aber ohne dich.“ Sie zögerte kurz. „Dann wäre Balthasar allerdings traurig.“

„Wer ist denn das jetzt?“, fragte Lotte.

„Du kennst Balthasar von Bentheim nicht? Was lernt ihr eigentlich in eurer Schule? Er ist einer der größten Lehrer unserer Zeit und hat mich zu dir gesandt. Was ist nun, begleitest du mich?“

Lotte sah Dietlinde verständnislos an.

„Bitte, folge mir, ich schwöre, dass du danach sofort wieder hierher zurückkehren kannst“, flehte die rothaarige Kleine jetzt. „Und bevor du fragst, dein Lehrer wird nichts bemerken, dafür habe ich gesorgt. Sobald eure Burgbesichtigung vorbei ist, bist du wieder bei deiner Klasse.“

Jetzt horchte Lotte auf. „Wieso merkt der nichts? Und was ist mit Doro? Der wird doch bestimmt auffallen, wenn ich länger weg bin.“

„Sicher nicht, du weißt doch selbst, dass sie mit Tom beschäftigt ist, und deinen kleinen Doktor habe ich mit einem Zeitzauber verhext.“

„Du hast was?“ Lotte schüttelte ungläubig ihren Kopf.

„Ich habe ihn verhext. Nun glaube bitte nicht, ich sei eine Hexe, das könnte für mich sehr gefährlich werden. Wie der Zauber genau wirkt, kann ich dir vielleicht später erklären, jetzt ist dafür keine Zeit. Wohlan denn, begleitest du mich?“

Lotte zögerte mit der Antwort, sie glaubte immer noch zu träumen. Diese Kleine verlangte Unmögliches von ihr. „Du tauchst hier plötzlich auf, bist kaum größer als mein Daumen und quatschst von einer Reise in eine andere Zeit? Das kannst du deiner Oma erzählen. Bis jetzt hast du mir noch nicht mal gesagt, wohin und warum ich mitkommen soll.“

„Ja, ja, du hast ja recht“, nickte Dietlinde, „all das muss in deinen Ohren sehr unwahrscheinlich klingen. Aber vertrau mir, ich will dir nichts Böses, mein Lehrer Balthasar wird dir alles erklären. Wir reisen nach Bentheim in das Jahr 1350 und auch wieder zurück, ich schwöre es dir.“

Der raue Ton tat Lotte sofort leid, denn Dietlinde schien wirklich Angst zu haben, sie könnte nicht mitkommen. Sollte sie es riskieren oder nicht? Es war die verrückteste Einladung, die sie jemals bekommen hatte. Einerseits Grund genug abzulehnen, andererseits gefiel ihr die Kleine. Lotte zögerte noch, aber schließlich siegte ihre Neugier und sie willigte einfach ein.

„Puh, bin ich froh“, seufzte Dietlinde, „dann befolge jetzt genau meine Anweisungen. Schließ deine Augen und streck deine linke Hand nach vorne! Nicht nach oben, nach vorne, in meiner Höhe!“

Zögernd tat Lotte, was Dietlinde ihr sagte. Plötzlich spürte sie einen kleinen Stich an ihrem Zeigefinger. Sie zuckte kurz, dann begann sich alles in ihr zusammenzuziehen. Sie bebte und zitterte, es fühlte sich an wie ein starker Muskelkrampf beim Fußball, aber nicht nur in den Beinen, sondern am ganzen Körper. Als der Schmerz nachließ, sah sie sich um und erschrak. Dietlinde war plötzlich genauso groß wie sie.

„Glotz mich nicht so an!“, kicherte Dietlinde. „So hast du Ähnlichkeit mit meinen Schafen, die ich zu Hause hüte.“

Lottes Blick glitt nach oben, jetzt bekam sie erst recht einen Schreck, die Kanzel war riesengroß, alles war riesig und die Katharinenkirche hatte auf einmal Ausmaße wie der Dom in Münster.

„Was ist passiert?“, stammelte sie mit klopfendem Herzen.

„Nichts Nennenswertes, aber du passt jetzt in den Zeittunnel“, antwortete Dietlinde. „An der Nadel, mit der ich dich gestochen habe, ist ein starkes Kräuterserum. Es lässt Menschen für eine gewisse Zeit schrumpfen. Siehst du die kleine Maueröffnung?“

Lotte nickte.

„Dort beginnt der Tunnel, er führt direkt in meine Zeit. Komm, nimm meine Hand!“

Sie gingen über den Kanzelboden auf die Öffnung zu, die nicht größer war als ein Mauseloch und tasteten sich vorsichtig in den dunklen Gang. Zuerst geschah nichts, bis Lotte auf einmal von einem reißenden Strom erfasst wurde, der sie herumwirbelte und von den Beinen riss. Sie schrie gellend auf, Bilder der Burg und von unbekannten Menschen rasten an ihr vorbei. Lotte spürte noch, wie Dietlinde ihre Hand fester umklammerte, dann verlor sie das Bewusstsein.

*

Eine andere Welt

Als Lotte erwachte, lag sie auf einer Wiese im gleißenden Sonnenlicht. Sie musste blinzeln, so hell war es. Wie durch Watte drang Dietlindes Stimme an ihr Ohr: „Hallo, aufwachen!“

„Wo sind wir?“, fragte Lotte staunend und mit einem mulmigen Gefühl im Magen.

„Dreimal darfst du raten. Vor der Katharinenkirche, und zwar im Jahr 1350. Kannst du aufstehen?“

„Ich probier’s“, antwortete Lotte. Sie fühlte sich noch etwas wackelig auf den Beinen, als sie stand.

„Ich hoffe, dir ist ersichtlich, dass wir wieder normal groß sind“, fuhr Dietlinde fort, „wir gehen jetzt zu Balthasar. Aber sprich um Gottes willen niemanden an, du siehst nämlich ziemlich absonderlich in deinen Kleidern aus.“

Lotte sah an sich hinunter, sie trug ihre braunen Slipper, Jeans und ein rotes Sweatshirt. Das war doch normal. Dietlindes Aufzug erschien ihr viel seltsamer, sie selbst würde freiwillig nie einen alten Sack als Kleidungsstück tragen.

„Nun schreite los, wir müssen weiter!“, kommandierte Dietlinde. Zielstrebig ging sie auf ein Burgtor mit Zugbrücke zu, das Lotte völlig unbekannt vorkam. Plötzlich ertönte vor ihnen lautes Poltern, und Dietlinde riss sie zur Seite, die beiden Mädchen konnten gerade noch einer Reitergruppe ausweichen, die in die Burg hineintrabte. Es waren tatsächlich echte Ritter, mit offenem Mund staunte Lotte ihnen nach. Alle vier trugen lange, schwarze Umhänge und darunter Kettenhemden, ihre Köpfe bedeckten Metallkapuzen und an den Hüften baumelten riesige Schwerter. Es rasselte und polterte so laut, dass Lotte sich die Ohren zuhielt.

„Komm schon, wir müssen hier entschwinden, so eine wie dich haben die Herren Ritter noch nie gesehen. Ich will nicht riskieren, dass sie zurückkehren!“

„Ob es mir wohl genauso geht?“, antwortete Lotte noch immer entgeistert.

„Das mag sein, aber dennoch solltest du sie nicht wie ein Wunder anstarren!“

Lotte stolperte hinter Dietlinde her. So nach und nach begann sie zu begreifen, dass sie sich in einer völlig anderen Welt befand. Hier war alles viel leiser als zu Hause, abgesehen von dem Lärm gerade auf der Zugbrücke, aber sie hörte überhaupt keine Autogeräusche, und es roch anders, irgendwie nach Natur. Sie bekam eine Gänsehaut, wenn sie daran dachte, dass sie fast sechshundertsechzig Jahre in die Vergangenheit gereist war.

Als die beiden Mädchen durch das untere Tor das Burggelände verließen, erkannte Lotte die Tränke wieder, an der gerade ein Junge einige Pferde beaufsichtigte, doch von Bad Bentheim war nichts zu sehen. Da, wo sich sonst Cafés und Gaststätten befanden und man direkt in die Stadt ging, standen Bäume und Büsche, durch die ein schmaler Fußweg hindurchführte. Die Mädchen folgten dem Weg und kamen an einem Steinbruch vorbei, in dem Männer und Jungen mit großen Hämmern und Meißeln Gesteinsbrocken aus dem Fels brachen. Die Jungen taten ihr leid, denn die Arbeit schien schwer und anstrengend zu sein.

Als sie die ersten Häuser erreichten, stieg Lotte ein fürchterlicher Gestank in die Nase. „Puh, wo sind wir denn jetzt?“ Sie hielt sich die Nase zu.

„Natürlich im Flecken Bentheim, was denkst du?“

So sah Bad Bentheim im Mittelalter aus? Lotte konnte es kaum glauben. Ein Kurort war das jedenfalls nicht, den Gestank und die Mücken konnte ja kein Mensch ertragen. Sie hüpfte hin und her und versuchte so gut es ging, die Insekten davon abzuhalten, sie zu stechen oder in ihre Ohren und Augenwinkel zu krabbeln.

„Du machst aber seltsame Bewegungen, ein Begrüßungstanz ist bei uns eigentlich unüblich.“

Dietlinde, der die fliegenden Quälgeister fast gar nichts ausmachten, begann erst zu kichern und hielt sich dann den Bauch vor Lachen. „Ich weiß übrigens gar nicht, was du hast“, sagte Dietlinde, als sie sich wieder beruhigt hatte, „hier stinkt es doch gar nicht oder höchstens ein bisschen.“

„Na ja“, murmelte Lotte.

Als die Insekten sie einen Augenblick in Ruhe ließen, sah sie, warum es so stank. An den Wegen entlang flossen Rinnsale einer ekelhaften Abwasserbrühe, überall liefen Schweine, Ziegen, Hühner und andere Tiere frei herum oder waren direkt neben den Häusern untergebracht. Vor ihnen lag eine riesige Sau mitten auf dem Weg und grunzte zufrieden vor sich hin.