Gefahr in Wyoming - Günter Nehring - E-Book

Gefahr in Wyoming E-Book

Günter Nehring

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Beschreibung

Ein Geologe wechselt sein Tätigkeitsfeld von Chicago zum Ranger für die Wind River Indian Reservation in Wyoming. Er mietet sich in ein altes Haus weit weg von Laramie in Fox Park ein. Nach einer Kurzausbildung tritt er seinen neuen Dienst im Reservat an und wird schon bald durch abenteuerliche Erlebnisse bei Begegnungen mit den Indianern und seinen neuen Kollegen, von denen einer unter Mordverdacht steht, auf eine schwere Probe gestellt. Das Auftauchen einer Polizistin des FBI mit deren Dienstbeflissenheit im Zusammenhang mit dem Verhältnis des Rangers zu einem Indianer-Mädchen und diesem aufzuklärenden Mordfall verkompliziert ohnehin den angespannten und gefährlichen Auftrag des Geologen. Aber er versucht immer wieder seinen Lebensweg zu stabilisieren und die nervigen Abenteuer zu bestehen. Er verlässt das Gebiet später wieder, um eine neue Aufgabe in der Nähe Chicagos zu übernehmen. Auf dem Rückweg wird er in Fox Park mit einem verheerenden Waldbrand konfrontiert und findet dort unter dramatischen Umständen das Indianer-Mädchen wieder. Es kommt zum Kampf auf Leben und Tod.

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Nachdruck oder Vervielfältigung nur mit Genehmigung des Verlages gestattet. Verwendung oder Verbreitung durch unautorisierte Dritte in allen gedruckten, audiovisuellen und akustischen Medien ist untersagt. Die Textrechte verbleiben beim Autor, dessen Einverständnis zur Veröffentlichung hier vorliegt. Für Satz- und Druckfehler keine Haftung. 

Impressum

Günter Nehring, »Gefahr in Wyoming« 

www.edition-winterwork.de 

© 2022 edition winterwork 

Alle Rechte vorbehalten. 

Satz: edition winterwork 

Druck und E-Book: winterwork Borsdorf 

Gefahr in Wyoming 

Günter Nehring  

Vorwort 

 

Nach der Veröffentlichung meiner beiden Romane „Verschwunden in Hotel 5“ (2019) und „Mozartkugeln auf Umwegen“ (2021), die beide parallel mit einem Fernkurs der größten Autorenschule Deutschlands entstanden, war mein Hunger nach mehr Schreiben von Romanen geweckt. 

Der erste Arbeitstitel dieses neuen Romans hieß nach einem von mir gemalten Aquarell: „Die Spukvilla“. Aber, wo sollte die stehen ohne Authentizität in Deutschland zu gefährden? Also in Amerika, genauer in Wyoming, im Nachbarort einer bekannten Nehring-Familie. Da mir aber ein ganzer Roman über Geschehnisse in einer Spukvilla zu banal erschien, konzentrierte ich mich auf Abenteuer im Zusammenhang mit einem Ranger in einem Indianer-Reservat.  

Durch umfangreiche Recherchen in allen Richtungen über eine Ranger-Tätigkeit, den FBI-Anforderungen und der Geschichte Wyomings entstand dann dieser Roman. Der dramatische Waldbrand bei der Nehring-Familie in Fox Hill Farm 2020 war dann für das Cover des Buches ausschlaggebend und wurde auch in den Roman mit eingebaut. 

Der gesamte Buchinhalt beschäftigt sich mit dem Leben eines Rangers als Protagonist und dessen Liebe zu einem Indianer-Mädchen sowie Abenteuern in Verbindung mit einer kleinen Anzahl von Darstellern aus der Indianer-Szene und des FBI, hauptsächlich im „Wind River Indian Reservation“ von Wyoming, USA. 

Bewusst sind nur wenige Personen mit kurzen Namen gewählt, damit die Übersicht beim Lesen gewahrt bleibt. In meinem Roman gibt es nur zwei Leichen, aber paar Kratzer mehr gibt es schon hin und wieder. 

 

Günter Nehring 2021 

Hauptpersonen 

Bryan Jenkins Geologe und Ranger 

Tom Jenkins Bryans Vater 

Jenny Jenkins Bryans Mutter 

Harry Bond Chef der Wyoming-Naturreservate 

Tina Waterloo Vermieterin 

Tony Parker Fox Hill Farm 

Annie Parker Frau von Tony 

Ringo Walter Chef der Ausbildung 

Bill Potter Ranger in Bryans Gruppe 

Jack Flipper ehemaliger Ranger, alias „Martin“ 

Margot Schneider Wirtin in Lander

Jeff Wilson Chef im Indian Reservat 

Shu-Shu seine Tochter 

Karin Tempel FBI-Agentin 

Jugendzeit 

Bryan Jenkins wurde in Chicago geboren, genauer gesagt im Bezirk Wicker Park, dem schon etwas vornehmeren Nordwesten der Stadt. Seine Eltern waren wohlhabend und modern eingestellt. Sein Vater, ein einflussreicher Immobilienmakler, wirkte zwar durch seine stattliche Größe und Korpulenz auf den ersten Blick behäbig und träge, aber mit seinem freundlichen Gemüt bei gleichzeitiger Energie und Schaffenskraft lehrte er so manchen Geschäftskollegen das Fürchten. Seine Mutter war eine erfolgreiche Gymnasiallehrerin, aber gegenüber ihrem Ehemann eher der besorgte Typ, der sich nicht so leicht ohne längere Bedenkzeit in neue Abenteuer stürzte. Die ganze dreiköpfige Familie war immer top gekleidet, und wie man so sagt: wie aus dem Ei gepellt. Besondere Nackenschläge im Verlauf ihres bisherigen Lebens hatte es nicht gegeben, so dass Bryan wohlbehütet und jederzeit umsorgt aufwachsen konnte.  

Bereits kurz nach seiner Geburt zogen die drei an den Michigan See, wo die Eltern ihre Jugend verbracht und ihr Kennenlernen ausgekostet hatten. Ein weiterer Grund war die Nähe zum Wasser, denn sie waren schon immer in ihrer Freizeit ausgiebige Segelfans. 

So wechselte die noch junge Familie, Bryan war ihr einziges Kind, in den sechziger Jahren in die Marina City, einem großen Wohn- und Geschäftskomplex, der einen ganzen Straßenblock in der Mitte Chicago‘s einnahm. Und dort standen die beiden hochmodernen 179,2 Meter hohen Zwillingstürme, die aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes auch corn cobs (Maiskolben) genannt wurden, in denen sie ihr neues Zuhause fanden.  

1959 waren diese beiden Rundtürme nicht nur die höchsten Wohngebäude, sondern auch die höchsten Stahlbetonbauten der Welt. Die unteren neunzehn Stockwerke bildeten ein spiralförmiges Parkhaus, die weiteren Geschosse bis zum sechzehnten enthielten neunhundert Wohnungen.  

Und der Clou für Bryans Eltern war, dass zum Komplex ein Bootssteg zum Chicago River gehörte, an dem sie bereits im Haus mit dem Segelboot anlegen, parken, und nach Herzenslust mit einem Katzensprung auf dem weitläufigen Michigan See segeln konnten. Die Familie mietete sich im zehnten Geschoss des Wohnbereiches in üppigen einhundertfünfzig Quadratmetern ein, natürlich mit dem luxuriösen Traumblick zum See.  

Bryan wuchs also als Einzelkind außerordentlich behütet in feinster Umgebung und bester Behausung auf. Seine Schulzeit wickelte er zur Freude seiner Eltern ohne nennenswerte Schwierigkeiten ab. Und weil seine Eltern, und somit auch er, schon immer ein Auge auf die Erhaltung der Natur geworfen hatten, machte er seine Neigung zum Berufswunsch und studierte Geologie, einem Gebiet, das sich mit dem Aufbau und der Struktur der Erdoberfläche beschäftigte. Nach dem Studium sei man Experte für vergangene und zukünftige Veränderungen unseres Lebensraumes, sagte man ihm bei seiner ersten Bewerbung an der Uni. 

Als Diplom-Geologe konnte er dann endlich nach sechs Semestern Regelstudienzeit und insgesamt fünf Jahren Studium in die praktische Arbeitswelt entlassen werden. Bryan verbrachte die ersten zwei Berufsjahre bei der Stadtverwaltung von Chicago am PC. Mithilfe eines geografischen Informationssystems versuchte er die wesentlichen geologischen Daten von Iowa in ihren zeitlichräumlichen Beziehungen, das heißt die Verbreitung und Ablagerungsreihenfolge von Gesteinen, systematisch zu erfassen. 

Aber nach diesen zwei Jahren, Bryan war inzwischen schon fünfundzwanzig Jahre alt, wollte er unbedingt hinaus in die Welt, etwas erleben, unter die Leute kommen und auch hie und da ein kleines Abenteuer bestehen. Seine frühere Unentschlossenheit und Zurückhaltung hatte ich sich mit zunehmendem Alter in Ehrgeiz und Drang zum Erfolg gewandelt. 

Mit einer Beziehung zu einer Frau, oder gar Liebe zu einer solchen, hatte es bisher noch nicht geklappt, obwohl sich auch seine Eltern hin und wieder bemüht hatten, Töchter aus ihrem persönlichen Bekanntenkreis für ihren Sohn zu vermitteln. Bryan hatte seine eigenen Vorstellungen; es sollte echte und innige Verliebtheit sein, sozusagen die erste Liebe, Liebe auf den ersten Blick, so ganz im romantischen Sinne. Aber all die weiblichen Kommilitonen in seiner Studienzeit, sowie annähernd infrage kommenden Arbeitskolleginnen der Zeit danach, erfüllten seine Vorstellungen nicht. Seiner Meinung nach war diese weibliche Generation schon zu real und materiell gesonnen, voller Ehrgeiz und Karrieregedanken, nicht mehr in der Lage eine tiefe Verliebtheit zu spüren. So blieb er zunächst Einzelgänger, aber die Hoffnung stirbt ja zuletzt, sagte er sich, geduldig auf seine große Liebe wartend. 

Noch hatte er aufgrund seiner Abenteuerlust seinem derzeitigen Arbeitgeber nicht gekündigt, aber er hob die Nase schon einmal gegen den Wind und startete dahingehend eine Bewerbungskampagne. Als Geologe – nein, als Diplom-Geologe – versuchte er zunächst sein Glück in Chicago. Aber in dieser Megastadt war nach seinen Recherchen bald nichts mehr geologisch zu bearbeiten. Dort gab es fast nur noch Wolkenkratzer, Asphalt, versiegelten Boden und fragwürdige Klärwerke mit ihren Ablaufröhren, bis in die gerade noch träge dahinfließenden Flüsse und brackigen Seen. Von Natur nur noch eine schwache Spur, außer in diesen lächerlich kleinen Parks in der City. 

„Aber in Laramie“, sagte man ihm bei der einschlägigen Berufsberatung, „da muss es doch einen Job für Sie geben, wo doch die Rocky Mountains fast vor deren Tür liegen, riesengroß und voller Steine. Da könnten Sie schürfen bis Ihnen die Hände bluten“, sagte man ihm mit einem verschmitzten Lächeln, „versuchen Sie dort Ihr Glück, hier in Chicago herrscht Ebbe – und wer weiß, ob, und wenn ja, wann mal wieder die Flut kommt. Ich sage Ihnen, das ist ohne Scherz eine gut gemeinte Empfehlung.“ 

„Danke führ den Hinweis, ich werde es mir gut überlegen. Es soll ja ein längerer Lebensabschnitt sein, nicht nur ein Schürfen für blutige Hände“, verabschiedete sich Bryan vom Berufsberater mit einem ebensolchen Lächeln. 

Sein Arbeitgeber hatte Verständnis für das Fernweh des jungen Mitarbeiters, als sich Bryan dann doch offenbarte, und ignorierte die ansonsten fällige Kündigungsfrist. Es gab ohnehin auf seinem Arbeitsgebiet, das eher der Luxusbetätigung zuzurechnen war, nicht mehr viel zu tun. Die von Bryan zu erkundende „Ablagerungsfolge der Steine“ konnte sich eh in den nächsten Jahren nicht wesentlich verändern. 

So machte er sich, auch mit dem Einverständnis seiner Eltern, schon nach einer Woche Bedenkzeit auf, sein neues Glück in Laramie zu versuchen, mit einer Empfehlung der Berufsberatung an die dortige Stadtverwaltung für eine passende Beschäftigung in Wyoming. Dieser US-Staat lag westwärts von Chicago über Illinois, Iowa und Nebraska. Noch nie war Bryan so weit von zu Hause fort gewesen, abgesehen von ein paar Ausflügen in die Rockies. War er deshalb, und mit seiner geringen Lebenserfahrung, ein Greenhorn und würde sich im Wilden Westen möglicherweise nicht durchsetzen können, fragte er sich nicht zu Unrecht etwas besorgt? 

Aber er tröstete sich und sprach sich Mut zu, denn es wartete doch eine ganz neue und noch unbekannte Welt auf ihn. 

Und übrigens, der berühmte Yellowstone-National-Park mit seiner Wildnis, seinen dramatischen Canyons und Bergflüssen liegt auch nicht fern – und erst die mächtigen Geysire mit ihren spontan ausbrechenden Fontänen müssten jedes Herz eines Geologen höherschlagen lassen, dachte er sich in der ersten Euphorie. 

Der Zug fuhr in Chicago pünktlich um 10:20 Uhr von der Union Station ab und sollte in Laramie auf dem North Banner Road gegen 14:50 Uhr eintreffen. Immerhin eine ziemlich lange Reise von viereinhalb Stunden. Doch es verlief alles angenehm und ruhig zur Zufriedenheit von Bryan, trotz des Berufsverkehrs an einem Freitagnachmittag. Sein Anlaufpunkt in Laramie signalisierte noch telefonisch, dass man zu seiner Ankunftszeit dienstbereit sein würde. Der Weg mit dem Taxi zur Stadtverwaltung war kurz, und er wurde dort im Bereich Naturreservate – Umweltamt und Ranger-Zentrale freundlich empfangen. 

„Hallo, junger Mann, mein Name ist Harry Bond, nicht der Bond, den Sie sicher kennen, auch kein Verwandter desselben, ich heiße Sie herzlich willkommen“, und er plauderte zur Einstimmung noch ganz allgemein über die herrliche Landschaft von Wyoming und dem Nachbarstaat Colorado. 

Nach dieser kurzen Begrüßung kam der Beamte dann sofort zum Kern der Sache, Bryans Stellungsgesuch. 

„Oh, ja“, strahlte Mister Bond über alle Backen und versuchte offenbar, Bryan sofort für den Job als Ranger zu begeisterten, „in den Rockies und ihrem Vorland gibt es noch viel zu erforschen, zu kontrollieren – und ständig zu erleben“. 

„Und welche Erlebnisse könnten in diesem schier endlosen Gebirge möglicherweise auf mich warten?“, fragte Bryan neugierig geworden gleich nach. 

„Nun, es gibt neben Bären und sonstigem harmlosen Getier auch eine stattliche Anzahl von Räubern und Banditen, die es - natürlich auch bewaffnet – auf die Geldbeutel der harmlosen Touristen, und manchmal sogar auf Ranger, abgesehen haben. Also, Waffe tragen ist natürlich Pflicht.  

Laramie zum Beispiel ist mit seinen dreißigtausend Einwohnern die drittgrößte Stadt von Wyoming. Aber schaut man in seine von Siedlern ab 1862 gegründete Geschichte, worin es unter anderem heißt: »Allerdings hatte Laramie in den ersten Jahren nach seiner Gründung zunächst sehr mit Gesetzlosigkeit zu kämpfen und wurde von kriminellen Banden beherrscht.«, dann könnte es einen heute noch gruseln“, meinte der Beamte. 

„Und warum heute noch?“, hinterfragte Bryan etwas ängstlich die Anspielung. 

„Ja, das ist eine lange Geschichte. Laramie wurde erst Mitte des 19. Jahrhunderts entlang der Union Pacific Railroad-Linie besiedelt. Die Stadt wurde nach Jacques La Ramie benannt, einem französischen oder französisch-kanadischen Trapper, der in den frühen 1820er Jahren in den Laramie Mountains verschwand und nie wieder gesehen wurde. Er war einer der ersten Europäer, die die Gegend besuchten. Der erste reguläre Personen-Verkehr mit der neuen Bahn begann dann am 10. Mai 1868. 

Die Grenzstadt litt zunächst unter Gesetzlosigkeit. In diesem Zusammenhang wurden viele Morde unter Führung des ersten Marshall von Laramie „Big“ Steve Long begangen. Er besaß mit seinen Brüdern den Saloon Bucket of Blood (Eimer des Blutes) und begann Siedler zu belästigen. Nach Weigerung zur Befolgung seiner Anordnungen tötete er, in der Regel nach einem Schusswechsel, dreizehn Männer. Der erste Albany County Sheriff Boswell organisierte daraufhin das Komitee in den Eimer des Blutes und überwältigte Long und seine Brüder. 

Na? Das ist doch schon mal was, aber das war erst Laramie, in Wyoming ging es dann immer weiter“, machte der Beamte eine kurze Pause. 

„Und“, schaltete sich Bryan ein, „was gibt es in diesen Dingen über den Staat Wyoming sonst noch Schreckliches zu berichten? Nach den Rocky Mountains will ich im Moment noch gar nicht fragen.“  

„Ich will es kurz machen, damit Sie nicht den Ihnen zugedachten Job ablehnen, ehe Sie ihn angetreten haben: 

Wyoming ist heute mit seinen nur 580 000 Einwohnern der bevölkerungsärmste Bundesstaat der Vereinigten Staaten von Amerika. Der Name stammt von den Algonkin-Indianern und bedeutet Große Ebene, daher auch der Name der endlosen Prärie Great Plains dem sogenannten Wilden Westen der USA. 

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war Wyoming zu einem großen Teil von acht Indianerstämmen bewohnt. Als die weißen Siedler von Osten weiter und weiter nach Westen vordrangen, gerieten die Indianerstämme Wyomings immer stärker unter Druck und führten einen verzweifelten Verteidigungskrieg gegen die einströmenden Weißen. Man könnte sagen: Karl May mit Winnetou ließ grüßen. Die Weißen schossen die Bisons systematisch ab und entzogen damit den Indianern die Lebensgrundlage. Buffalo Bill war einer der erfolgreichsten Bisonkiller auf der Seite der Weißen. Danach lebten alle Indianer Wyomings in Indianerreservaten. In Wyoming wurde einzig das Wind-River-Reservat gegründet, das von den Östlichen Shoshone und den Nördlichen Arapaho bewohnt wird. Aber noch heute gibt es immer wieder Zoff in diesem Wind-River-Indian-Reservation zwischen Indianern, Weißen, Touristen und immer aktiven Räuberbanden, die auch aus den Rocky Mountains herüberkommen. 

So, mit dieser „Räuberpistole“ habe ich Ihnen gleich Ihr künftiges Arbeitsgebiet beschrieben. Selbstverständlich als anerkannter Ranger in diesem Reservat bei kostenloser Unterkunft und freiem Gebrauch der überlassenen Handfeuerwaffen. Ist das ein Angebot? Ich gebe zu, als Geologe zum Steine klopfen kann ich Sie nicht gebrauchen, aber ich garantiere Ihnen, Langeweile werden Sie in diesem Job nicht haben, nicht bei Tag und auch nicht bei Nacht“. 

„Ich muss zugeben, dass ich erst einmal geschockt bin, aber gibt es neben diesen raubeinigen Abenteuern nicht noch andere Aufgaben für einen Ranger?“, fragte Bryan ziemlich besorgt. 

„Entschuldigung, ich wollte Sie nicht verunsichern. Klar, natürlich gibt es die, und zwar nicht zu knapp und mit hoher Priorität“, beeilte sich Harry zu informieren.  

„Ein Ranger ist ein Aufseher in einem Nationalpark, in unserem Fall im Wind-River-Indian-Reservation. Er arbeitet im Dienste der Natur und ist vor allem ein Wildhüter. Ihm obliegt der Schutz ganzer Gebiete, was Flora und Fauna umfasst. Aber sie haben, wie gesagt, in den USA auch volle Polizeigewalt, für jedes Schutzgebiet sogenannte Law enforcement rangers. Sie sorgen zum Beispiel für die Einhaltung des Campingverbotes an bestimmten Plätzen, weil es im Park wegen der Wildtiere lebensgefährlich ist. Außerdem betreuen sie Touristen des Nationalparks und betätigen sich gelegentlich als Fremdenführer“. 

„Und gibt es neben den Aufgaben für einen Ranger auch eine Definition des Nationalparks und seiner Zielrichtung?“, fragte Bryan und war schon ganz bei der Sache, obwohl seine Zustimmung zu diesem Job noch völlig offen war. 

„Ja, beeilte sich Harry zu antworten, denn den Fisch hatte er schon fast an der Angel, „das will ich kurz erklären: Ein Nationalpark ist ein meist ausgedehntes, staatlich ausgewiesenes und verwaltetes Schutzgebiet, das umfangreiche Naturräume mitsamt dem vorkommenden Arten und Ökosystemen langfristig schützt. Er soll auch für die Zwecke der Forschung, Bildung und Besichtigung zur Verfügung stehen. 

In einem Nationalpark sind die natürlichen Abläufe zu respektieren und deshalb sind Eingriffe innerhalb der Naturzone tabu“. 

„Und gibt es noch mehr Voraussetzungen zur Errichtung eines Nationalparks?“, war Bryan weiter wissbegierig. 

„Sie sind ganz schön hartnäckig, aber das freut mich. Voraussetzung ist ein geschlossenes Landschaftsschutzgebiet von mindestens 10.000 Hektar Fläche, mit einem ausgeglichenen Naturhaushalt und einer besonders herausragenden Bedeutung wegen der Bodengestaltung, der Vielfalt der Natur oder der landschaftlichen Schönheit“. 

„Und in dieses schöne Eckchen hat man einfach die restlichen Indianer aus dieser Gegend mit hineingequetscht“, hatte Bryan immer noch nicht genug, „und was wurde mit den restlichen Büffeln?“  

„Nationalparks sind grundsätzlich von jeder Nutzung ausgeschlossen, zum Beispiel die der Mammutbäume. Andererseits sind alle Tiere und sonstigen Lebewesen geschützt, die infolge der Nachstellung des Menschen im Aussterben begriffen sind. Das heißt eben auch die Büffel- und Indianerreste.“ 

„Super“, war Bryan begeistert und im Geiste bereit zu applaudieren, „ich werde nun über eine endgültige Entscheidung noch eine Nacht schlafen müssen. Ist das für Sie O.K.?“, versuchte Bryan Zeit zu gewinnen, denn die Wucht des zu erwartenden sogenannten Abenteuers könnte ja im schlimmsten Fall tödlich enden. 

„Natürlich“, antwortete sein Gegenüber, „aber Du kannst ruhig Harry zu mir sagen, das Bond klingt immer so kriminell. Und wo gedenkst Du für diese Nacht Deiner Entscheidung Deine Zelte aufzubauen?“ 

„Das weiß ich ehrlich gesagt noch nicht. Wenn wir von Chicago nach Westen fuhren, haben wir Laramie stets umfahren, uns standen die Rockies für Ausflüge immer näher im Sinn.“ 

„Gut“, überlegte Harry kurz, „ich wüsste da was, das dürfte Deine noch junge Kasse nicht allzu stark überfordern: Motel 6 hier in Laramie, 621 Plaza Lan. Das ist nicht allzu weit von uns hier, der City Hall von Laramie. Aber ich empfehle trotzdem ein Taxi. Morgen früh, wenn wir uns wiedersehen, kannst Du ja mit einem Morgenspaziergang starten. Übrigens, wenn Du dort sagst, dass Du auf meine Empfehlung kämst, dann kriegst Du sicher eine Pizza gratis, entweder noch heute Abend oder auf Wunsch erst morgen früh. Willst Du das Angebot annehmen? Dann würde ich gleich für Dich reservieren.“ 

„Danke, vielen Dank“, beeilte sich Bryan zu antworten, „das kommt mir sehr entgegen, bin ich doch noch ein Greenhorn in dieser Gegend und deshalb auch auf Deine Hilfe angewiesen.“ Er hatte schon eine gehörige Portion Vertrauen zu Harry gewonnen und hätte ihm fast schon seine im Hinterkopf keimende Entscheidung präsentiert. Aber er hielt sich im letzten Moment noch zurück, denn die Meinung seiner Eltern war ihm wichtig, und diese Nacht der Entscheidung wollte er auf jeden Fall noch als Karenzzeit nutzen. Er verabschiedete sich ganz höflich, konnte aber aufgrund seiner guten Erziehung nicht vermeiden, beim Händeschütteln einen kurzen Diener zu hinterlassen. 

„Also, dann bis morgen, sagen wir mal so gegen zehn, und ein Taxi bestelle ich Dir gleich. Schlaf gut, und träum was Schönes. Ich würde gern längere Zeit mit Dir rechnen; nur, dass Du das weißt.“ 

Bryan verließ die City Hall mit einem leichten Hochgefühl. Hatte sich doch gleich der erste Bewerbungsempfänger positiv ihm gegenüber verhalten, ein nicht zu verachtender Erfolg. Es war inzwischen spät geworden, so dass er sich unverzüglich nach dem Checkin in dem ansprechenden Motel 6 in das Restaurant begab und dort seine Empfehlung durch Harry zum Ausdruck brachte. Zunächst bestellte er nur eine Cola und wartete dann auf die prophezeite Lieferung der Pizza. Es dauerte eine ganze Weile, ehe der Ober sein Angebot für eine Gratispizza unterbreitete. Das Ergebnis der recht spät folgenden Lieferung konnte sich allerdings nicht sehen lassen: aufgetischt in der Größe einer Untertasse war der Belag, bestehend aus zwei Tomatenscheiben, wenigen Gramm Käse und einer mittig dekorierten roten Peperoni-Schote mehr als dürftig. Nun ja, Bryan nahm es gelassen und bestellte sich dazu noch ein Sandwich der niederen Preisklasse. 

Nach dem Essen machte er noch einen kleinen Spaziergang zum Kennenlernen der Stadt, so zwischen niedrigen Wohn- und Geschäftshäusern, kleinen Parks und einem ausgedehnten Gewerbegebiet mit Highways kreuz und quer. Ansonsten nichts Aufregendes. Die frühere Umfahrung der Stadt mit seinen Eltern in Richtung Rocky Mountains war also doch nicht so falsch gewesen. 

Eine Entscheidung für oder gegen das Angebot eines Rangers von Harry Bond wollte er erst am kommenden Morgen treffen – besonders erst nach Rücksprache mit seinen Eltern. 

Im Schlaf, es mochte kurz nach Mitternacht gewesen sein, hatte er allerdings einen Traum, der ihn gewaltig aufschrecken ließ, schweißgebadet und verstört: 

Er war bereits schon längere Zeit als Ranger beschäftigt und beauftragt im Wind-River-Indianreservation für Ruhe und Ordnung zu sorgen, zumal die Indianer einen Ausfall aus dem Reservat planten, um die verhassten Weißen endlich aus ihren angestammten Jagdgebieten zu vertreiben. 

Bryan sah sich mit seiner halbautomatischen Flinte Pump einer wütenden Indianermeute gegenüber, die er seiner Meinung nach nur durch Gebrauch seiner Waffe zu bändigen glaubte. Die Indianer ihrerseits schossen ein Bombardement an Pfeilen auf ihn ab. Die meisten Indianer starben unter Bryans Trommelfeuer, aber der Rest stürzte sich unter entsetzlichem Gebrüll auf ihn.

Da man im Traum keine Geräusche hört und auch keinen Schmerz empfindet, war der mörderische Kampf lediglich eine tiefgreifende Geisterszene ohne nachhaltige Folgen.  

Als dann der noch schlafenden Seele Bryans offenbar das Schlachten zu viel geworden war, wachte er auf und brauchte eine ganze Weile, um sich in der realen Welt wieder zurechtzufinden. 

War das etwa schon ein Fingerzeig zu dem, was ihn nach einer möglichen Zusage zu diesem gefährlichen Job erwartete? 

Es war noch dunkel, als Bryan versuchte wieder einzuschlafen, aber er vergab doch einige Stunden der Nacht durch das anschließende Wachliegen und Nachgrübeln. 

Erheblich unausgeschlafen sprach er am Morgen mit seinen Eltern. Ja, seine Mutter war natürlich gegen diesen Ranger-Job und führte eine Latte von Bedenken an: viel zu stressig für den zartfühlenden Sohn, und vor allem lebensgefährlich, wenn einmal die Waffe nach hinten losgehen sollte. Und überhaupt, vor Räubern sollte man eher weglaufen, statt sich in Gefahr zu begeben. 

Sein Vater war hingegen Feuer und Flamme für diese Aufgabe. Er wollte als Kind schon Ranger werden, nur sein Vater hatte „Besseres“ mit ihm vor. Er hatte sogar schon mit fünf Jahren ein Schießgewehr, allerdings nur aus Holz, bei dem nach einem durch eine Feder ausgelösten Schuss lediglich ein Korken mit Schnur, befestigt am Gewehrlauf, aus der Mündung hopste. Nein, er redete Bryan zu, das sei die richtige Mannesprüfung, wenn nicht jetzt, wann dann, Geologieberuf hin oder her. Nun hätte er an diesem blöden PC schon genug Zeit in den letzten zwei Jahren verbracht. Jetzt müsse er unbedingt die Welt erleben, wie sie wirklich ist. „Punkt“, sagte er noch zum Schluss und lebte schon fast in der Begeisterung, wenn sein Sohn ihm von den tollen Abenteuern im Reservat und den Rockies erzählen würde.  

„Und Du weißt ja“, brachte er noch einen Nachsatz, „man ist erst erwachsen, wenn man etwas tut, obwohl es die Eltern sagen. Aber entscheiden musst natürlich Du, alt genug bist Du ja inzwischen. Und nun viel Glück.“ 

Dem konnte Bryan nichts mehr entgegensetzen. 

Die Entscheidung 

Bryan setzte sich nach dem Frühstück und dem Checkout im Motel 6 langsam zur City Hall in Bewegung. Auf dem längeren Spaziergang sollte dann die endgültige Entscheidung fallen. Aber wollte er bei einer Ablehnung der Stelle gegenüber seinem Vater zeitlebens als Hasenfuß gelten? Seine Mutter würde sich schon daran gewöhnen, spekulierte er dann doch schon eher in Richtung Ranger-Beruf. 

„Ich weiß, dass Du meinen Vorschlag annimmst, habe ich recht?“, begrüßte ihn Harry euphorisch, „Dein Vater hat sicher auch keine Einwände, oder?“  

„Ich, ich weiß, er hat wirklich nichts dagegen, aber meine Mutter …“ „Ach was, Deine Mutter. Ist ja klar, Mütter sind immer ängstlich. Aber Du und Dein Vater, ihr seid doch in der Überzahl“, unterbrach Harry den möglichen Rückzug von Bryan, denn er wollte ihn mit aller Macht für die Sache gewinnen. 

„Und vor allem, was machst Du, wie hast Du dich entschieden, raus mit der Sprache?“ 

Jetzt gab Bryan auf – er konnte ja auch nicht mehr zurück. Sollte er seinen Vater und möglicherweise neuen Gönner Harry enttäuschen?  

„Ja, ich mach´s, Ich werde mir Mühe geben, schon allein um Dich und meinen Vater nicht zu vergraulen. Aber ich rechne mit Deiner Hilfe und Unterstützung, egal, was mir auf diesem neuen Weg begegnen wird, O.K.?“ 

„Alles klar, ich danke Dir, Du kannst jederzeit mit mir rechnen. So, und jetzt zur Sache.“  

Du kannst als Ranger-Anwärter jederzeit bei der Ranger Service Company anfangen und jederzeit mit einmonatiger Kündigungsfrist wieder die Segel streichen. Bedingung ist, dass Du als Greenhorn, Entschuldigung, als Anfänger noch einen formal sechzehn Wochen dauernden Blockunterricht mit Abschlussprüfung absolvieren müsstest. Aber aufgrund Deines Studiums reduziert sich diese Zeit auf gerade mal vier Wochen für einen Schnellkurs. 

Ich teile Dich in eine Fünfergruppe ein, und Du darfst der fünfte Mann als Kapo sein. Na, ja, das Wort Kapo passt zwar nicht ganz, denn es bedeutet einen Mitarbeiter der Lagerleitung, der andere Häftlinge beaufsichtigen muss. Aber auch auf dem Bau ist es der Vorarbeiter. Und das möchte ich im Eiltempo aus Dir machen“. 

„Eine Zwischenfrage“, warf Bryan besorgt ein, „wo ist denn mein Vorgänger abgeblieben, wenn diese Lücke gerade für mich erst entstanden ist?“ 

„Das ist so eine Sache“, druckste Harry herum, „eines Tages war er verschwunden, einfach so, dazu mit seiner Waffe und dem vollen Lagerbestand an Munition aus dem Schuppen in der entsprechenden Company 5, der ich Dich jetzt auch zuteile. Zu dem Vorfall gibt es drei mögliche Erklärungen:  

1. Von den Indianern aufgefressen. 

2. Liegt irgendwo nicht mehr fähig zu leben unauffindbar in der Reservation herum. 

3. Hat sich Banden und Clans angeschlossen, die ihren Geschäftsbereich in den Rockies haben und uns gelegentlich in Wyoming einen unangemeldeten Besuch abstatten. 

Ich nehme das Letztere an, denn mit der Menge Munition hat man einen Plan und legt sich nicht für immer ins Gras oder lässt sich von den Indianern verspeisen. Vielleicht ist er auch von einem Grizzly angefallen worden, der, wie ich die Situation kenne, einen Menschen ganz mit Haut und Haar auffressen kann. Sorry, klingt hart, kommt aber vor.“ 

„Sehr aufregend“, kommentierte Bryan sein künftiges Arbeitsumfeld, „und was gibt es sonst noch zu bedenken?“, hoffte er auf weniger dramatische Geschichten. 

„Also, der Blockunterricht würde schon in einer Woche beginnen. Der nächste Kurs ist dann erst wieder in vier Wochen. Da ich Dich aber schon so schnell wie möglich brauche, solltest Du schon gleich beginnen. 

Der Kurs schließt mit einer Abschlussprüfung ab und hat maximal fünfzehn Teilnehmer, alles Greenhorns, entschuldige, Anfänger wie Du, die dann auf die verschiedenen Nationalparks verteilt werden.“ 

„Und was wäre der Inhalt dieser Ausbildung“, war Bryan neugierig, „und was muss ich zur Vorbereitung dafür noch beachten?“  

„Sehr gute Frage. Der Kurs hat vier Module, praktisch pro Woche einen: 

1. Grundlagen Natur- und Landschaftspflege 

2. Informationstätigkeit und Besucherbetreuung 

3. Maßnahmen zum Schutz und zur Pflege von Natur und Landschaft 

4. Wirtschaft, Recht, Gesetz, Soziales. 

In diesem letzten Modul findet auch jede Menge Praxis statt, sowie die Schießübungen auf die Pappies.“ 

„Entschuldigung“, unterbrach Bryan abermals, „was sind diese Pappies?“ 

„Das sind Pappfiguren, denen man seine Kugeln möglichst als Volltreffer ins Gesicht schießen sollte. Denn im Gefahrenfall ist jeder Fehlschuss ein gefundenes Fressen für den Gegenüber, capito? Also üben, üben, und nochmals üben!“ 

„Gut, das habe ich verstanden. Aber durch meinen eigenen Jagdschein bin ich zumindest auf dieser Achse kein totales Greenhorn mehr, denn mein Vater bestand darauf, weil er mich oft zu seiner eigenen Jagd mitnahm. Und weiter, was ist sonst noch wichtig?“ 

„Nun, ja, etwas sicher solltest Du auch im Sattel sitzen können, denn bei der Erkundung des Geländes, oder bei der Verfolgung von irgendwelchem Gesindel, geht es per Pferd mitunter durch dick und dünn. 

Wir haben zwar genügend Fahrzeuge für den Dienst, aber ich empfehle Dir die Beschaffung eines kleinen Geländewagens, denn Deine Wohnstätte und die Spezialeinsätze liegen teilweise verdammt weit auseinander. 

Für die Ausbildungszeit empfehle ich Dir eine Unterkunft, in Fox Park, das 35 Meilen von Laramie entfernt liegt. Von dort sind es dann nur noch 30 Meilen bis zum Ranger Ausbildungszentrum in Ryan Park. 

In Fox Park kann ich Dir eine preisgünstige Pension empfehlen, die Du dann ja auch an Wochenenden als Feriendomizil weiter benutzen kannst. Die Wirtin ist eine strenge, aber ansonsten redliche Tante von mir und verlangt nur eine kleine Miete. Später solltest Du allerdings ins Wind River Indian Reservation umziehen, damit Du immer vor Ort bist, – sonst noch Fragen?“ 

Bryan fühlte sich mit dieser Informationsfülle doch ziemlich überfordert. Um nicht als Schwächling dazustehen, wollte er das aber nicht zugeben.  

„Nein danke, ich glaube, das reicht. Fürs erste habe ich keine Fragen und finde die Idee mit Fox Park gut. Könntest Du mir das reservieren?“ Noch ahnte er nicht, worauf er sich da möglicherweise eingelassen hatte. 

„Schön, dann wären wir für heute klar, und Du beginnst in einer Woche mit der Ausbildung. Ich maile Dir noch die genauen Daten des Unterrichtsbeginns und den Preis der Schulung mit den Prüfungskosten – na, Du hast ja gottlob einen begeisterten Vater, der die Kosten durch eine etwas teurere Immobilie wieder reinholen kann.“ 

Soweit war also für beide Parteien alles in trockenen Tüchern. Jeder von ihnen konnte einen Erfolg verbuchen. Harry Bond freute sich, dass er so schnell Ersatz für seinen auf merkwürdige Weise verschwundenen Ranger gefunden hatte. Und Bryan war froh, so schnell eine neue Arbeit gefunden zu haben, bei der es ihm nach Aussagen von Harry bestimmt nicht langweilig werden würde.  

Man tauschte noch einige Adressdaten aus und Bryan unterschrieb mit etwas wackeliger Hand noch seinen Arbeitsvertrag. „Bis bald, ich danke Dir für alles, und Du hilfst mir, wenn es knirscht?“, schloss er das Gespräch. 

„Selbstverständlich“, lächelte Harry, „ich bin doch kein Unmensch. Bis bald.“ 

Bryan nahm noch am gleichen Abend den Zug zurück nach Chicago. Seine Eltern waren hocherfreut, ihren Sohn wieder in die Arme schließen zu können. Mutter Jenkins musste sich dennoch ein paar Tränen aus den Augen wischen, denn sie wusste nun, ihr Sohn würde für sie auf längere Zeit in möglicherweise gefährliche Gebiete entschwinden. Vater Jenkins dagegen beglückwünschte Bryan mit sichtbarem Stolz zu seiner Entscheidung für den weiteren Lebensweg, drückte ihn mannhaft an sich und klopfte ihm derart auf die Schulter, dass Bryan erheblich zusammenzuckte. 

„Richtig“, rechtfertigte der Vater seinen Enthusiasmus, „so hätte ich mich auch entschieden. Du wirst diesen Weg nicht bereuen, jedenfalls dann nicht, wenn Dir kein übergebührliches Missgeschick passiert.“ 

Die Eltern fragten Bryan natürlich über jedes Detail des Bewerbungsgespräches aus. Sie besprachen die Vorbereitungen für die Übersiedlung nach Fox Park und Ryan Park, den Stationen für die nächsten vier Wochen in der Ausbildung, bevor es dann richtig mit der Arbeit im Wind River Indian Reservation als ausgebildeter Ranger losgehen sollte. 

Vater Jenkins hatte bei seinem Eifer im Vorfeld schon an fast alles gedacht. 

„Du brauchst unbedingt ein kräftiges Fahrzeug, das Dich auch mal durch dick und dünn tragen kann.“ Hatte das nicht auch Harry Bond so angeregt, dachte sich Bryan. „So ein Gerät habe ich schon bestellt, ein Land Rover Marke Defender. Das ist zwar ein gebrauchtes Fahrzeug, aber dafür hat es zwei zusätzliche Scheinwerfer oberhalb der Windschutzscheibe und eine Seilwinde am Frontteil. Man weiß ja nie, wer wen mal aus dem Graben ziehen muss. Und der Clou ist, der Wagen hat einen Dachaufbau mit einem aufklappbaren Zelt. Dazu ist gleich im Wagen ein Gewehr in einer Halterung dabei. Es ist ein gebrauchtes Carbine M1 – Gewehr, das als Selbstladegewehr in der Zeit des Zweiten Weltkrieges eingeführt und bis in die 1970er Jahre vom US-Militär eingesetzt wurde. Man weiß ja auch hier nicht, mit welchen billigen Pseudowaffen ihr im Camp ausgerüstet werdet. Was sagst Du nun zu meinen Lieferungen an dich, natürlich kostenlos?“ 

Bryan war überwältigt und drückte seinem Vater nochmals kräftig die Hand. „Danke, Du bist so großzügig zu mir, und ich bin ganz stolz über diese Ausrüstung. Ich werde alles in Ehren halten.“ 

Seine Mutter hingegen sortierte schon Hemden, Hosen, Jacken, Mützen, Schuhe und noch viele Kleinigkeiten aus Bryans Wäscheschrank, obwohl die Abreise erst in einer Woche auf dem Programm stand. 

In den darauffolgenden Tagen studierte Bryan alle verfügbaren Unterlagen, um sich über die verschiedenen Lokationen seines künftigen Lebens- und Arbeitsumfeldes zu informieren. 

Da war zunächst sein neuer Wohnort Fox Park mit seinen 35 Meilen bis Laramie. „Nun“, entschied er für sich, „das geht gerade noch. So kann ich an den Wochenenden zur Abwechselung wenigstens in einer größeren Stadt bummeln gehen.“ 

Aber diese neue „Heimat“ lag mit seinen paar Holzhäuschen im topfebenen Gebiet der Great Plains, durch das damals die endlosen Siedlerkolonnen, Büffelherden und Indianerstämme gezogen waren. Heute sind es intensiv landwirtschaftlich genutzte Kurzgras-Prärien, besonders auch genutzt für Rinder- und Pferdezucht. Um, und teilweise auch in, Fox Park gibt es den meist auch in den Rockies anzutreffenden Nadelwald. Mehr als vierzig Höfe und Holzhäuser sucht man allerdings vergeblich – „und wo sollte da eine Pension sein?“, fragte sich Bryan verwundert. 

Ryan Park als sein künftiger Schulungsort lag nicht weit ab von Fox Park am Übergang von den bewaldeten Rockies zur ebenen Graslandschaft den Great Plains. Aber mehr als dreißig Höfe oder Häuser hatte auch dieser Ort nicht. Das Schulungsgelände lag am Hang der Rockies mitten im Wald. Die Größe der Anlagen und Gebäude hielt sich aber in Grenzen, obwohl die Ausbildungsstätte für mehrere US-Bundesstaaten zuständig war. 

An letzter Stelle seiner Informationssammlung stand für Bryan sein zukünftiges Arbeitsgebiet, das Wind River Indian Reservation. Es wird noch in der Gegenwart von den Shoshone- und Arapaho-Indianern bewohnt, und ist das siebtgrößte Indianerreservat der Vereinigten Staaten mit 9.147 Quadratkilometer Gesamtfläche. Es beinhaltet 365 Seen und andere Wasserflächen sowie einen mächtigen Canyon. Die Landschaft soll durch ihre Vielfalt und geologische Abwechselung traumhaft schön und interessant sein. „Wie auf meinen Leib geschneidert“, kommentierte Bryan diese Entdeckung. „wahrscheinlich werde ich mich später in Lander, am südlichen Ende der Reservation einquartieren, denn dort liegt auch das Ranger-Camp Auger, das schon als Militärlager von 1869-1909 bestand.“ Bryan war auf dieses Gebiet schon gespannt wie ein Flitzbogen.  

Nach einer Woche des Wartens und der Vorbereitung war es endlich soweit. Harry hatte ihm noch die genaue Adresse und den Zeitpunkt für die Anmietung in Fox Park durchgegeben, sowie Ortsbeschreibung und Termine des Beginns der Ranger-Schulung. Er versicherte Bryan auch nochmals, jederzeit als sein Freund und Helfer zur Verfügung zu stehen. 

Unter wehmütigen Blicken seiner Mutter, umrahmt mit reichlich Tränen, verabschiedete sich Bryan von seinen Eltern für die ›Große Fahrt‹. Sein Vater unterdrückte zwar mit zitterigen Mundwinkeln eine Abschiedsrede, sagte aber zum Abschied doch noch einmal kurz und zackig „Adieu, Du schaffst das“, bevor er mit einem kräftigen Schlag auf Bryan Schulter die Zeremonie beendete. 

Die Reise in das noch unbekannte Gebiet begann. Bryan kam mit seinem neuen Gefährt, das er fortan liebevoll Landy nannte, zügig voran. Ein Navi zur Orientierung hatte er zwar nicht, aber die sehr detaillierten Karten auf dem Beifahrersitz erfüllten alle Wünsche.  

Eitler Sonnenschein begrüßte ihn in Fox Park, in krassem Gegensatz zum Aussehen der nach einiger Suche gefundenen Pension. Tina Waterloo