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Lydia Lynn, eine Frau Mitte 30, ist Erbin eines Manor House an der Küste von Cornwall. Aber das Erbe hat viele Schattenseiten. Nicht nur das große Haus und seine hundert Jahre alte Vergangenheit bereiten ihr Sorgen. Behütet aufgewachsen, muss sie feststellen, dass ihr nicht alle Menschen mit Wohlwollen begegnen. Sowohl die wundervolle Natur ihrer direkten Umgebung ist bedroht, auch in ihrem privaten Umfeld lauert eine unerwartete Gefahr.
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Inhaltsverzeichnis:
Prolog
Donnerstag, 18.September 2014
Freitag, 19. September
Samstag, 20.September
Montag, 22.September
Dienstag, 23.September
Mittwoch, 24.September
Donnerstag, 25.September
Freitag, 26.September
Samstag, 27.September
Sonntag, 28.September
Montag, 29. September
Dienstag, den 30.September
Mittwoch, 1. Oktober
Donnerstag: 2.Oktober
Freitag, 3.Oktober
Freitag, 3.Oktober 2014
Samstag, 4. Oktober
Sonntag, 5.Oktober
Montag, 6.Oktober
Dienstag, 7.Oktober
Zehn Tage später
Edda Lorna Anvers
Gefährliche Klippen
Roman
Hinter ihr raschelte es.Sie hatte das Gefühl, nicht allein zu sein. Schon auf den letzten Metern hatte sie sich mehrfach umgeschaut, aber es war keine Menschenseele zu sehen. Ihr quirliger Border Collie Hendrix benahm sich nicht viel anders als sonst, obwohl, er wirkte ein wenig aufgeregter. Sein Schnüffeln klang in ihren Ohren lauter als gewöhnlich, aber wahrscheinlich hatte er nur ein Tier im Gestrüpp gewittert. Das Rascheln wiederholte sich. Es klang, als versuche etwas, das dichte Ginstergestrüpp zu durchdringen. Eine Kreuzotter? Nein, die bewegten sich leiser. Und Hendrix war an Kreuzottern nicht interessiert, im Gegenteil, er hielt instinktiv deutlichen Abstand von ihnen. Aber vielleicht ein Kaninchen? Es gab viele davon hier oben, sie saßen meistens ganz still, wenn sie den Hund bemerkten, und der Hund war an ihren Anblick gewöhnt. Nur wenn sie davon hoppelten, lief er ihnen hinterher.
Sie sah Hendrix´ wedelnde Rute, der Rest seines Körpers war hinter dem großen Felsen verschwunden, der aussah, wie eine überdimensionierte Sitzbank. Offensichtlich hatte er irgendwas Interessantes dort entdeckt. Sollte er doch seinen Spaß haben!
Sie richtete ihren Blick über das Geländer hinweg auf das Haus auf der anderen Seite der kleinen Bucht und auf den dahinter liegenden Küstenpfad. Unten, am Café vorbei, lief ein einsamer Jogger in diese Richtung. Sie konnte die Person nicht genau erkennen, aber wahrscheinlich war es Will Mateland, der seine tägliche Runde drehte. Merkwürdig, er hatte sie auf ihrem Weg nicht überholt, aber vielleicht lief er heute eine seiner anderen Routen und war auf dem Rückweg.
Auch Dominic war draußen. Anscheinend hatte er sich von seinem Krankenhausbesuch vor zwei Tagen wieder erholt. Soweit sie erkennen konnte, bastelte er an seinem Briefkasten herum. ‚Wurde auch Zeit‘, dachte sie. Die Klappe schloss schon seit einer Weile nicht richtig und immer, wenn es regnete, wurde die Post darin nass.
Der Läufer, ja es war tatsächlich Will, hatte jetzt Dominic erreicht. Er blieb stehen, streckte sich und machte offensichtlich eine Bemerkung, denn Dominic sah von seiner Arbeit auf und zeigte auf den Briefkasten. Beide lachten. Sie schienen sich zu kennen, was Lydia wunderte, denn Dominic hatte ihn ihr gegenüber bisher nicht erwähnt.
Hendrix stöberte immer noch im Gebüsch herum, inzwischen hörte es sich so an, als freue er sich über einen Fund. Also war es kein Kaninchen.Eine Krähe? Hendrix liebte Krähen, seit sie vor einigen Jahren einmal ein Jungtier großgezogen hatte.Lydia rief ihn, sie wollte ihren Weg fortsetzen. Sie machte ein paar Schritte nach vorn, winkte hinüber zu den Männern, die gerade in ihre Richtung schauten, und wollte sich soeben umdrehen, um den Hund erneut zu rufen, als sie einen kurzen, heftigen Schlag gegen ihren linken Knöchel spürte. Sie stolperte und in diesem Moment hatte sie das Gefühl, einen Stoß in den Rücken zu bekommen. Sie konnte ihre Bewegung nicht mehr rechtzeitig bremsen und fiel.
Die kleine Ansammlung von Häusern, allgemein als Trevadlock bekannt, gehörte zu der Gemeinde von St.Stephan. Wie so viele Gemeinden dieser Art bestand auch dieseaus mehreren solcher winzigen Siedlungen. Unscheinbare, hauptsächlich kleinere Wohnhäuser mit Nebengebäuden, verteilten sich mehr oder weniger geordnet entlang einer schmalen Straße. Hier gab es kein wirkliches Zentrum, nicht einmal eine Poststelle, und die Bewohner bildeten oft eine feste Dorfgemeinschaft.
Das größte Dorf der Gemeinde, St.Stephan selbst, besaß einen Mittelpunktmit einer Kirche, die dem Dorf seinen Namen gegeben hatte und dem dazugehörigen Friedhof. Es gab dort einen Pub, einen kleinen Krämerladen mit einer Poststelle, der hauptsächlich zum Austausch von Dorftratsch diente, sowie seit einigen Jahren einen Souvenir Shop und ein kleines Café.
Selten verirrten sich Touristen in diesen wenig bekannten Teil Cornwalls. Viele Besucher aus aller Welt fuhren auf der nahegelegenen Hauptstraße von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten, ohne zu ahnen, was für ein landschaftliches Juwel sich nur wenige Meilen abseits ihrer Route verbarg. Die Bewohner dieser Gegend waren nicht böse darum, konnte man doch in anderen Ortschaften die negativen Auswirkungen des Tourismus beobachten. Es war nicht zu leugnen, Touristen brachten viel Geld in die Region, aber sie nahmen auch sehr viel Raum in Anspruch und neuerdings waren nicht Wenige von ihnen dazu übergegangen, Wohnraum als Urlaubsresidenz zu kaufen, statt sich während der Ferienzeit einzumieten. Als Resultat waren die Hauspreise für Einheimische immer unerschwinglicher geworden. Alles in allem waren also die meisten Bewohner dieser kleinen Enklave nicht böse darüber, dass sich selten Fremde hierher verirrten.
In letzter Zeit gab es aber auch den ein- oder anderen Menschen, der sich etwas davon versprach, Touristen hierher zu locken, besonders nach Trevadlock, dieser kleinen, idyllischen Bucht zwischen hohen Felsen. Sie witterten Verdienstmöglichkeiten mit Kiosk, Strandbar, Souvenir Shop und vor allen Dingen Hotelzimmern und Ferienwohnungen. Letztere stellten auf alle Fälle Jobs und Einkünfte verschiedener Art in Aussicht. Wer daran allerdings wirklich verdienen würde und zu welchem Preis für die Umwelt und die so rar gewordene, noch unangetastete Natur in der Bucht, daran dachten diese Menschen gar nicht oder nur sehr selten.
In der Bucht standen insgesamt nur elf mehr oder weniger kleine Häuser sowie ein großes altes Herrenhaus. Früher lebten hier fast ausschließlich Fischer, die von hieraus auf Fang gingen. Die ursprünglichen Fischerhäuser waren klein, je nach Größe der Familien und sie waren alle älter als einhundertfünfzig Jahre. Immer wieder waren Anbauten dazugekommen und so besaß der Ort ein pittoreskes Aussehen.
Ein Herrenhaus erwartete hier niemand, der sich in die Bucht verirrte. Es lag leicht verdeckt ganz am Ende der Siedlung, ein Stück weit den bewachsenen Hügel aufwärts.
An diesem Tag im Spätsommer, der durch seine schnellen Wetterumschwünge deutlich zeigte, dass der Herbst nicht mehr weit war, knirschte und knackte das Haus, so wie es alle Häuser taten, wenn sie ein bestimmtes Alter erreicht hatten, selbst wenn die jeweiligen Bewohner es immer gut in Schuss hielten, so wie es hier der Fall war. Es stöhnte mit jedem Span seiner alten Balken. Die schweren Läden an den Fenstern schienen sich zu wappnen, als ob sie ahnten, dass ein Sturm aufzog, und wahrscheinlich wussten sie es wirklich, ebenso wie alte Leute einen kommenden Wetterumschwung in ihren Knochen spürten.
Der anfangs sonnige Tag hatte sich verdüstert, mehr und mehr Regenwolken zogen auf und ein Schlechtwettergebiet zog vom Atlantik herüber Richtung Festland. Die Wettervorhersage hatte obendrein verkündet, dass es gegen Abend stürmisch werden sollte.
Lydia Lynn,die derzeit einzige Bewohnerin, lief durch das Haus, kontrollierte sämtliche Riegel an den Fenstern, schloss hier und da ein Oberlicht und schaltete die Lampen ein. Hendrix,ihr Hund, ein quirliger dreifarbiger Border Collie, lag wie üblich in der Ecke des altmodischen Sofas im hauptsächlich von ihm benutzten Wohnzimmer.Er hob nur kurz den Kopf, schüttelte sich und drehte sich um. Er verstand nicht, was mit seiner Gefährtin los war. Die Unruhe, die sie den ganzen Tag schon verströmte, störte seine nachmittägliche Ruhe. Lydia schaute auf die große Wanduhr in der Ecke des Flurs und war erstaunt. Es war erst kurz nach vier Uhr. Sie beschloss, schon jetzt mit dem Hund die tägliche große Runde zu drehen.
„Hendrix,“ säuselte sie, „komm´ und lass´ uns rausgehen.“
Ihre Tonlage war erwartungsvoll und aufmunternd zugleich. Der Hund, im Moment gar nicht quirlig, kniff seine Augen noch ein bisschen fester zu und versuchte den Tiefschlafenden zu Mimen. Lydia seufzte. Der Sturm würde zwar laut Wetterbericht noch ein paar Stunden auf sich warten lassen, aber sicher war sie sich nicht. Also besser jetzt als gar nicht, dachte sie. Hendrix fand es viel zu früh, er machte einen letzten Versuch, indem er die Pfote über seine Ohren legte, aber als Lydia dann mit seinem Geschirr vor ihm stand und damit klimperte, ließ er es sich bereitwillig anlegen. Er wartete geduldig, während sie sich Jacke und Stiefel anzog. Sie griff nach der Leine, die am Garderobenhaken hin, für alle Fälle, aber so ein Fall war in all den Jahren noch nie eingetroffen. Sie hatte diesen Gedanken „für alle Fälle“ von ihrer Mutter übernommen, ohne je nachzufragen, was für „Fälle“ denn eintreten könnten. Hendrix war sehr selten angeleint, höchstens wenn er mit in die Stadt fuhr. Das hatte er seinem guten Benehmen zu verdanken. Lydia wickelte sich die dicke Lederleine ums Handgelenk, eine Gewohnheit seit Kindertagen. Auch ihre Mutter hatte es schon so gemacht, eine weitere Angewohnheit, die sie unbewusst übernommen hatte. Sie wusste zwar nicht genau warum, aber sie hatte es sich abgeschaut und beibehalten. Sie trat hinaus, ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen. An der Toreinfahrt bog sie direkt links ab auf den öffentlichen Fußweg, zu ihrer üblichen Abendrunde, erst nach Westen den Hügel hinauf Richtung Coast Guard House. Anfangs war der Weg noch so breit wie ein großes Fahrzeug. An den Seiten wucherte Ginstergestrüpp, zwischen dem sich hier und da eine andere Pflanze behauptete. Im Frühjahr war das Gestrüpp bunt, jetzt hatte es eine dunkle, satte Färbung angenommen. Die Kieselsteine, die den Fahrweg befestigten, knirschten unter ihren Füßen. Hendrix lief vorweg, schnüffelte an den Sträuchern und sprang an einer Stelle plötzlich mit allen vier Pfoten in die Luft. Lydia musste lachen. Sie sah eine Krähe hochfliegen, laut schimpfend, weil der Hund sie aufgestöbert hatte. Sie hatten gerade die halbe Strecke absolviert, als der Nebel kam.
Er kam urplötzlich und lag nach einigen Minuten schon dicht über dem Boden. Er umhüllte die Felsen, dämpfte die Farben des Heidekrauts und verstärkte auf seltsame Weise die Schreie der Möwen. Manchmal huschte so eine Möwe, aber vielleicht auch ein anderer Vogel, dicht an ihr vorbei, wer konnte das bei dieser Nebelsuppe schon genau sagen.
Je weiter sie ging, desto undurchlässiger wurde das Licht. Sie konnte fast ihre Hand vor Augen nicht mehr erkennen. Lydia schimpfte vor sich hin. Eigentlich hätte sie es vorhersehen müssen! Bis vor zwei Stunden hatte die Sonne den Boden aufgeheizt, und jetzt, wo es sehr frisch von Wasser her windete, bildete sich schnell Nebel, der dann Richtung Meer zog.
Sie war den ganzen Tag schon nicht bei der Sache gewesen. Die Anspannung der letzten Zeit machte sich bemerkbar, sonst hätte sie diesen Wetterwechsel vorhergesehen. Überhaupt, sie spürte selbst, wie sehr sie sich in letzter Zeit verändert hatte. Die letzten Monate hatten an ihren Kräften gezehrt, sie fühlte sich ausgelaugt und müde. Von weitem blitzte, wie hinter einem dunklen Vorhang, in regelmäßigen Abständen, das Licht des Leuchtturms von Bray auf. So wusste Lydia die Richtung einzuschätzen. Zum Umkehren war sie schon zu weit gegangen. Die Vernunft sagte ihr, sie solle anhalten und abwarten, bis der Nebel sich verzog. Schrittwiese tastete sie sich an den nächsten Felsbrocken heran. Dort hockte sie sich nieder, ließ sich vom Felsen beschützen und stellte sich darauf ein, eine Weile warten zu müssen, bis die Sicht wieder aufklarte. Sie war hier aufgewachsen, kannte Stock und Stein und wusste aus Erfahrung, dass Nebel, der so plötzlich aufzog, genauso schnell wieder verschwanden. Der Hund setzte sich dicht neben sie, er war ihr in den letzten Minuten direkt bei Fuß gefolgt. Es war nicht wirklich kalt, der Nebel schien die Wärme des Bodens wie eine Decke zu halten, aber die Luft war unangenehm klamm und ließ Lydia leicht frösteln. So verharrten sie und Hendrix eine Weile, aneinander gelehnt und sich gegenseitig wärmend.
Lydia hing ihren Gedanken nach, während sie dem Hund unbewusst das Fell streichelte. Seit dem Tod ihrer Mutter war ihre Welt nicht mehr so wie vorher. Bei der Verlesung des Testamentes durch Ruth Barnett, der besten Freundin ihrer Mutter und auch deren Anwältin, hatte sie wie betäubt zugehört und diese Betäubung hielt in gewissem Maße immer noch an. Es war ein neuer Teil ihres Lebens, von dem sie das Gefühl hatte, es gäbe ihn nur in ihrer Einbildung.
Über Geld hatte sie sich ihr Leben lang keine Gedanken gemacht. Es war immer genug für ein zufriedenes Leben vorhanden gewesen. Während ihrer Kindheit und Jugend hatte es ihr an nichts gefehlt. Sie war zu Bescheidenheit und Sparsamkeit erzogen worden, ihre Eltern hatten es ihr vorgelebt.
Und jetzt besaß sie plötzlich ein Vermögen, von dem sie keine Ahnung hatte, was sie damit anfangen sollte. Je mehr diese Erkenntnis in ihr Bewusstsein eindrang, umso stärken belastete es sie.
Unvermittelt schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf. Dies alles um sie herum, sogar der Felsbrocken, der ihr jetzt gerade Schutz bot, gehörte ihr. Unbewusst strich ihre Hand über den festen rauen Stein. Sie konnte es immer noch nicht glauben. War es überhaupt erlaubt, dass ein Mensch so etwas besitzen konnte? Es erschien ihr unmoralisch, die Natur sollte allen Menschen gehören.
Und da war noch Mutters Abschiedsbrief, den sie ebenfalls an jenem Tag von Ruth bekommen hatte. Er war sehr tröstlich, gleichzeitig aber auch verstörend.
***
Nach der Testamentseröffnung hatte Ruth sich neben sie gesetzt auf das Sofa im Wohnzimmer gesetzt und ihre Hand genommen.
„Als ich Anfang letzter Woche bei Catherine zu Besuch war, du erinnerst dich bestimmt, bat sie mich, für sie diesen Brief zu schreiben.
„Gib ihn ihr nach der Testamentseröffnung“, hat sie zu mir gesagt, „und sei für sie da, wenn sie ihn gelesen hat. Genau wie ich vor ein paar Jahren wird sie der Umfang dieser Erbschaft fassungslos machen.“
Ruth schluckt, denn es war der letzte Dienst, den sie ihrer guten Freundin zu Lebzeiten erwiesen hatte. Sie griff nach einem Umschlag auf ihrem Schreibtisch und reichte ihn der immer noch verwirrten Lydia.
„Es ist auch noch ein Schlüssel darin. Er ist für einen Tresor, soweit ich weiß. Ich lasse dich für ein paar Minuten allein, damit du alles in Ruhe lesen kannst. Danach sehen wir weiter.“
Mit diesen Worten verließ sie den Raum.
Lydia hatte den Brief geöffnet und als erstes fiel ihr ein merkwürdig geformter, schwerer Schlüssel in den Schoß. Sie steckte ihn in ihre Jackentasche und begann zu lesen.
„Meine geliebte Tochter,
inzwischen wirst du von Ruth über den Umfang deines Erbes in Kenntnis gesetzt worden sein.Ich habe sie darum gebeten, dir diesen Brief nach meinem Tod auszuhändigen. Sie weiß natürlich, was darinsteht, du erkennst an der Handschrift, dass sie ihn für mich niederschreibt. Ich bin leider schon zu schwach dazu. Wie unverantwortlich von mir, so lange damit zu warten!
Ich nehme an, mein Testament war für dich ein ebenso großer Schock, wie es das Testament deiner Großmutter für mich war, als sie starb. Wir sind alle in der Tradition der Bescheidenheit und der Wohltätigkeit erzogen worden, Werte, die auch gelten sollten, wenn kein so großes Vermögen dahintersteht. Nur sind sie angesichts eines Besitzes wie dem unseren umso mehr von Bedeutung.
Ich habe viele persönliche Unterlagen und Aufzeichnungen in dem geheimen Tresor eingeschlossen, von dessen Existenz auch ich erst als erwachsene Frau erfahren habe. Ich vertraue darauf, dass du ihn finden wirst. Um ihn zu öffnen, benötigst du den beiliegenden Schlüssel und eine Zahlenkombination, die ich aber hier nicht aufschreiben will. Ich vertraue Ruth, sie ist als meine Testamentsvollstreckerin die einzige lebende Person, die über alle finanziellen Dinge Bescheid weiß. Aber man weiß nie, ob dieses Schreiben nicht doch in falsche Hände geraten könnte.Darum verrate ich dir die Zahlenkombination verschlüsselt, du wirst schon wissen, wie das kleine Rätsel zu lösen ist:
Der Tresor wurde beim Bau des Hauses installiert. Dein Vorfahre Daniel Thompson hat das Haus für sich und seine geliebte Frau errichten lassen und sie haben es an ihrem Hochzeitstag bezogen.
Man kann die Kombination nicht ändern, also merke sie dir gut.
Ich bin nicht traurig darüber, dass es mit mir bald zu Ende geht. Diese verflixte Krankheit schwächt mich täglich mehr, sie verzehrt mich von innen. Ich habe schon lange das Gefühl, nicht mehr ich selbst zu sein. Entweder sind die Schmerzen unerträglich oder die Schmerzmittel berauben mich der Kontrolle über meinen Körper und Geist. Besser, wenn alles schnell vorbei geht.
Ich danke dir für deine Fürsorge, deine selbstlose Hilfe. Ich weiß mehr zu schätzen, als du dir vorstellen kannst, dass du in den letzten Monaten hier bei mir gelebt hast.
In Liebe, deine Mutter.“
Die letzten Worte hatte sie selbst geschrieben, besser gesagt, gekritzelt. Am nächsten Morgen war sie nicht mehr aufgewacht.
Das warvor drei Wochen gewesen. Den Tresor hatte Lydia bis heute nicht gefunden, aber auch nicht direkt danach gesucht. Alle wichtigen Unterlagen waren in Ruths Kanzlei und bis heute hatte sie nichts vermisst.
Die Erinnerung an den Brief trieben ihr die Tränen in die Augen. Hätte Hendrix sie nicht geschubst und wäre aufgestanden, um sich zu schütteln, sie hätte wohl nicht so schnell bemerkt, dass der Nebel sich hob.
„Ok, dann lass´ uns mal weiterziehen“ sagte sie, wischte sich die Augen und stand auf. Sie hatte hier oben ihr Zeitgefühl verloren. Waren es zehn oder dreißig Minuten gewesen, die sie hier gehockt hatte? Egal, es wartete ja niemand auf sie. Ihre Knochen fühlten sich vom langen still hocken steif an. Sie streckte sich, gab Hendrix ein Zeichen und beide machten sich auf den Rückweg, jetzt Richtung Süden, entlang des Pfades, der direkt am Hang oberhalb der Bucht verlief. Nun, wo sich der Nebel verzogen hatte, bemerkte sie die dunklen Wolken, die schnell vom Meer her in ihre Richtung zogen. Die ersten Tropfen fielen schon, als sie die Hintertür erreichten.
***
Dominic Robertsen starrte aus dem Fenster. Er schwenkte gedankenverloren sein, mit altem, unverdünnten Lagavulin gefülltes Glas, während er durch sein großes Atelierfenster Lydia zusah, die, sorgsam wie immer, denWanderweg herabstieg. Sinnierend schaute er in das Whiskyglas und überlegte, was er tun sollte. Er war sich immer noch nicht sicher, ob er ihr das Schreiben, das er heute Früh erhalten hatte, zeigen sollte. Er selbst war ziemlich erstaunt über den Inhalt gewesen. Es enthielt ein Angebot für sein Haus, zu einem Preis, den er für unangemessen hoch hielt. Wage Gerüchte hatte er schon gehört, dass eine Investitionsgesellschaft sich dafür interessierte, in dieser Region eine exklusive Ferienanlage zu errichten. Dass aber gerade diese Bucht, mit ihrer schlechten Verkehrsanbindung im Visier der Investoren lag, darauf wäre er nicht gekommen. Es gab auch keinen Bebauungs- oder Entwicklungsplan, der ihm bekannt war. Soweit er wusste, mussten jegliche Änderungen über den Stadtrat genehmigt werden. Er erinnerte sich noch daran, was für ein Aufwand es vor zwanzig Jahren gewesen war, als John Traxler, der Fischer, sein kleines Lagerhäuschen in einen Kiosk mit Kaffeeausschank verwandeln wollte. In das Genehmigungsverfahren war die ganze Gemeinde involviert worden und es hatte einige Monate gedauert.
Er fragte sich, ob auch Lydia ein Angebot für ihr Haus bekommen hatte. Wahrscheinlich nicht, denn sie wäre sofort zu ihm gekommen, um darüber zu reden. Außerdem glaubt er, dass die Investoren eine Art Salami Taktik anwenden würden und die Häuser nach und nach aufkaufen wollten. Allen Anwohnern gleichzeitig ein Angebot zu machen, wäre zu offensichtlich und würde eventuell die Preise in die Höhe treiben oder, was genau so wahrscheinlich war, Widerstand bei den Bewohnern hervorrufen. Er grübelte darüber nach, ob schon jemand aus der Nachbarschaft in Verhandlung war. Es gab einige mögliche Kandidaten. Nicht alle Bewohner der Bucht empfanden dieses Fleckchen Erde als Paradies, so wie er es tat. Vor allem die älteren Nachbarn dachten ab und zu schon daran, zu verkaufen, wenn sie nach einer langen Fahrt zum Supermarkt oder vom Arzt nach Hause kamen. Tatsache war, dass hier bis auf Lydia und das jüngere Ehepaar mit den zwei Kindern oben am Hügel, nur ältere Menschen wohnten. Auch hatte er des Öfteren gehört, dass deren Kinder und Enkelkinder sie drängten, in die Stadt zu ziehen. Dort, so sagten sie, wäre das Leben für alte Leute einfacher, mehr Geschäfte, mehr Ärzte und vor allem mehr Gesellschaft, die eine Vereinsamung verhinderten. Die Jugend hielt hier nichts, sobald sie mit einer Ausbildung oder einem Studium begannen. Sie kamen zwar gerne für Urlaube zurück, aber leben wollte von ihnen keiner mehr hier. Das Alles war nicht von der Hand zu weisen, für ihn aber war das Glück, hier zu leben, unbezahlbar. Er wusste, dass Lydia ebenso fühlte. Aber wer sonst noch? Er schaute der jungen Frau noch nach, bis sie hinter der Kurve verschwand, sah kurz danach das Licht im großen Haus angehen, dann wandte er sich wieder seiner eigenen Arbeit zu.
***
Hendrix stürmte an Lydia vorbei durch die Hintertür in den kleinen Flur, schnurstracks auf sein Handtuch zu. Er wusste genau, er durfte erst weiter ins Haus, wenn sein Fell und seine Pfoten abgetrocknet waren. Lydia wurde fast die Tür aus der Hand gerissen, von irgendwoher zog es.
„Merkwürdig“, dachte sie, „ich habe doch alle Fenster geschlossen“. Sie drückte die Tür mit Nachdruck ins Schloss, zog ihre Jacke aus und hing sie an die alte Holzgarderobe, an der auch alle Hausschlüssel hingen. Hendrix wartete schon ungeduldig darauf, abgetrocknet zu werden und hatte ihr das alte Handtuch bereits vor die Füße gelegt. Aufgeregt tapste er von einer Pfote auf die andere.Sie rubbelte gründlich sein feuchtes Fell trocken, wischte die Pfoten ab und ließ ihn dann in den Wohnbereich, wo er sofort wieder sein heißgeliebtes Sofa ansteuerte, um sich für den Rest des Tages dort einzurollen.
Lydia musste lächeln, während sie ihm hinterher blickte, aber dieses Lächeln war nur von kurzer Dauer. Als sie zum Fenster schaute, sah sie zu ihrem großen Erstaunen, dass dieses halb hochgeschoben war. Daher kam also der kalte Luftzug! Sie ging hin, schloss es und hakte unten den Riegel ein. Warum war dieses Fenster offen? Sie öffnete es höchstens im Hochsommer manchmal, wenn sie die stickige, warme Luft hinauslassen wollte. Aber um diese Jahreszeit öffnete sie das Fenster nie! Gelüftet wurde über die große Doppeltür, die in den Garten führte. Außerdem war sie sich absolut sicher, es vorhin wegen des anrollenden Sturmtiefs trotzdem kontrolliert zu haben. Sie schaltete die Deckenlampe an und schaute sich genauer im Raum um, aber alles sah aus wie immer. Wie seltsam! Hatte sie das Fenster unbewusst hochgeschoben, statt es zu schließen, als sie das Haus vorhin sturmsicher gemacht hatte? Aber das hätte sie doch bemerkt, die kalte Luft wäre ihr sicherlich aufgefallen. So viele tägliche Dinge waren Routine und sie war in letzter Zeit oft mit ihren Gedanken woanders. Lydia zuckte mit den Schultern und schob ihre Gedanken beiseite.
***
Dominic fiel es schwer, sich zu konzentrieren. Das Motiv, an dem er arbeitete, hatte ihn noch nicht vereinnahmt. Immer wieder unterbrach er sich und schaute hinaus, auf der Suche nach Inspiration für ungewöhnliche Farbnuancen. Er hatte sich schon lange angewöhnt, diese in der Natur zu suchen und dannnachzumischen, statt so lange Farbtöne miteinander zu verrühren, bis ein vermeintlich passender Ton herauskam. Besser, er wusste, was er erreichen wollte, als herumzuexperimentieren.
Ein flüchtiger großer Schatten oben am Hauptweg erregte seine Aufmerksamkeit. Hatte sich eine Kuh bei diesem Wetter von der Weide verirrt? Der Schatten bewegte sich weiter den Hügel hinauf, Richtung Coast Guard House. Der stärker gewordene Regen machte einen klaren Blick unmöglich, aber wer würde schon bei so einem Wetter dort hinauflaufen. Dominic kam zu dem Schluss, dass er mit seiner Vermutung, es sei eine Kuh, richtig lag. Während er ihr nachschaute, wie sie um die Kurve verschwand, fiel sein Blick auf genau den Farbton, den er gesucht hatte und alle Ablenkung von der Arbeit war vergessen.
Marvin Lynn schloss die Tür seines Geschäftes ab. Er drehte den Schlüssel so lange, bis er auf Widerstand stieß. Er zählte mit, es waren genau vier Umdrehungen. Er prüfte noch einmal durch Rütteln an der Tür, ob diese auch wirklich eingerastet und abgeschlossen war. Wer ihn dabei beobachtete, fragte sich, ob es sich hier um Vorsicht oder eine Zwangshandlung handelte. Im Grunde war es egal, ob ein- oder hundertmal abgeschlossen wurde, es nutzte rein gar nichts, aber Marvin konnte nicht anders, es war seine Art der Gewissenhaftigkeit. Er warf einen letzten Blick in seine Schaufensterauslage und machte sich dann auf den Weg zum Einkaufen.
Sein Weg führte ihn einige wenige Schritte hinauf zur Hauptstraße, dort bog er links um die Ecke und betrat Minuten später den dortigen kleinen Supermarkt. Eswar seit fast einem Jahr zum Ritual geworden, täglich um die gleiche Zeit hierher zu kommen. Jetzt, um ein Uhr mittags, traf er neben dem Betreiber des Ladens regelmäßig auf die gleichen Leute. Da war zum Beispiel Sue, die Sekretärin des Bürgermeisters, die Obst oder andere gesunde Snacks für die Mittagspause im Büro kaufte. Ein ebenso regelmäßiger Kunde war Walter, der ehemalige Betreiber des Postoffice, der seit seinem Rentenantritt hier auf die Gesellschaft seiner früheren Kunden hoffte, um ein wenig zu reden. Marvin hielt gerne mit dem alten Kauz ein kleines Pläuschchen. Er war immer gut gelaunt und hatte meistens einen neuen Witz parat. Häufig traf er hier auch Rosi, die Cousine seiner Noch-Ehefrau Lydia.Sie arbeitet nicht weit von hier als sogenannte „Frühstücksfrau“ im besten Hotel der Stadt und kam regelmäßig, genau wie er, zur Mittagszeit für einen kurzen Einkauf in dieses Geschäft. Diese zufälligen Treffen waren es ursprünglich gewesen, aus denen der mittägliche Routinebesuch im Supermarkt hervorgegangen war.Rosi berichtete ihm immer, wie es Lydia gerade so ging, was sie tat und mit wem sie sich traf. Sie war in dieser Hinsicht immer auf dem neusten Stand, denn es verging so gut wie kein Tag, an dem sie ihre Cousine nicht besuchte. Nur wenn sie sich einen Urlaub gönnte, wie sie sich selbst auszudrücken pflegte, fuhr sie nicht hinaus in die Bucht. Marvin war süchtig nach diesen Informationen über Lydia. Leider kam Rosi seit einiger Zeit nicht mehr so regelmäßig in das Geschäft, aber das hielt ihn nicht davon ab, nach ihr Ausschau zu halten.
Lydia war immer noch seine große Liebe und er hatte die Hoffnung nicht aufgegeben, sie eines Tages zurückzuerobern. Nur wie? Er war sich durchaus darüber im Klaren, dass sie ihn nicht nur auf Grund ihres letzten großen Streits verlassen hatte. Hier hatte er einmal seine Grenzen gesetzt und dies hatte sie nicht akzeptieren wollen. Statt wie sonst weiter zu streiten bis er ihrem Willen nachgab, hatte sie sich schweigend zurückgezogen und am nächsten Tag war sie einfach ausgezogen. Ohne weitere Worte!Als ihm bewusst geworden war, dass sie ihn tatsächlich verlassen hatte, war es, als hätte man ihm das Herz herausgerissen. Wäre sie gestorben, es hätte ihn nicht schlimmer getroffen.
Es hatte viel Streit gegeben in den letzten Jahren seit ihrer Heirat. Sie hatte mehr als einmal gesagt, sie wolle ihn verlassen, aber er hatte es nie geglaubt. Seiner Ansicht nach wollte sie ihm nur Dampf unterm Hintern machen, damit er einige seiner unangenehmen Eigenschaften ablegte und er hatte sich wirklich bemüht. Nur war es nie genug gewesen. Aber in diesem letzten Streit ging es nicht um irgendwelche Kleinigkeiten, es war ein Grundsatzstreit gewesen und da ließ er nicht von seiner Meinung ab.
Zu dieser Zeit war Lydias Mutter schwer erkrankt und hatte ihr einziges Kind darum gebeten, für die letzte Zeit ihres Lebens zu ihr zu ziehen. Lydia war zwar nicht begeistert von diesem Gedanken, fühlte sich aber verpflichtet, dem Wunsch zu entsprechen und hatte stillschweigend vorausgesetzt, Marvin käme mit. Er aber hatte starke Vorbehalte, mit seiner Schwiegermutter unter einem Dach zu leben, auch wenn dieses Dach sehr groß war und man sich bestimmt gut hätte aus dem Weg gehen können. Immer wieder hatte Lydia versucht, ihm klarzumachen, wie wichtig es ihr sei, während der letzten Lebensmonate ihrer Mutter an deren Seite zu sein und sie zu unterstützen. Aber Marvin kannte seine Frau gut genug, um zu wissen, wieviel Kraft sie die Versorgung und Pflege ihrer Mutterkosten würde. Das Verhältnis der beiden Frauen war sehr zwiegespalten und Lydia hatte immer eine engere Bindung zu ihrem verstorbenen Vater gehabt. Sie hatte Marvin Egoismus vorgeworfen, Undankbarkeit und - das hatte ihn besonders getroffen - mangelndes Mitgefühl.
Seine Weigerung hatte sie sehr enttäuscht, mehr als er sich hatte vorstellen können, und nun lag ihre Ehe in Scherben. Einzig die Tatsache, dass sie nach der langen Zeit der Trennung immer noch nicht die Scheidung beantragt hatte, gab ihm Hoffnung.
Er betrat den Laden und schaute sich kurz um. Heute war Rosi nicht, wie meistens, schon vor ihm im Geschäft.
„Hallo“, er nickte Carl, dem Besitzer des Ladens kurz zu. „Etwas frisch heute. Langsam wird es wohl doch herbstlich“. Er schrubbte sich die bloßen Arme zur Untermalung, tatsächlich hatte er eine leichte Gänsehaut von der frischen Brise draußen.
Carl, an die täglichen Wetterkommentare von Marvin gewöhnt, nickte grinsend zurück und antwortete „Dann hol´ deine warmen Sachen raus, dann frierst du auch nicht. Und vergiss´ nicht, eine Flasche Whisky mitzunehmen, dann hast du auch heute Abend was Wärmendes im Haus!“
Marvin lachte verlegen. „Das wärmt doch nur den Hals, nicht die Seele“, erwiderte er und nun machte Carl ein verlegenes Gesicht.
„Sorry, war nicht so gemeint“, antwortete er und verdrückte sich hinter die Kasse, um bei einem anderen Kunden zu kassieren.
Er nickte Walter zu, der sich bei den Zeitschriften aufhielt und grüßte Sue freundlich, als diese hineinstürmte, offensichtlich in Eile. Zwischendurch hielt er weiter heimlich Ausschau nach Rosi, aber es war vergebens. Er erledigte seinen Einkauf,und machte sich auf den Weg nach Hause, vorbei an seinem Geschäft, nur eben ein Stückchen weiter die Straße hinunter. Beim Vorbeigehen schaute er erneut kritisch ins Schaufenster. Hier musste dringend in den nächsten Tagen umdekoriert werden. Es war schon seit Monaten nicht mehr geändert worden, es hatte immer noch den Sommerflair, etwas deplatziert für Mitte September.
Marvin war stolz auf das Geschäft und die Entwicklung, die es genommen hatte, seit er es vor einigen Jahren, kurz nach seiner Heirat, von seinem Vater übernommen hatte.
Wäre der Stadtrat von Herlingpool je auf die Idee gekommen, unter den Touristen eine Umfrage zur Beliebtheit der örtlichen Geschäfte zu starten, Marvins Geschäft in der Greenmarket Street wäre unter den ersten fünf gelandet.
Viele Touristen, die hauptsächlich in den Sommermonaten als Besucher aus aller Welt in die Stadt kamen, schwärmten zu Hause von dem entzückenden Laden und seinem immer fröhlichen und freundlichen Besitzer und zeigten Fotos, die sie in ihrer Begeisterung und Urlaubslaune von beiden gemacht hatten.
Marvins Liebe zu seinem Geschäft spürte jeder, der den Laden betrat, denn alles, jedes auch noch so kleine Detail, war mit Hingabe und gutem Gespür für Ästhetik, gepaart mit Geschäftssinn, arrangiert. Man betrat nicht nur einfach einen Laden, man betrat gleichzeitig eine Galerie und eine Werkstatt, bekam Inspiration und zugleich Bodenständigkeit geboten. Die freundliche, aber unaufdringliche Ansprache durch den Besitzer und seiner Mitarbeiterin Melissa, einer etwas korpulenten, gemütlichen Mittfünfzigerin, führten dazu, dass selten ein Kunde das Geschäft verließ, ohne zumindest eine Kleinigkeit zu kaufen.Manchmal überkam es den ein oder anderen Kunden und er ließ spontan, inspiriert durch die kunstvollen Schwarz-Weiß-Portraits an der einen Wand, ein Porträt für sich und seine Lieben in dem Fotostudio oberhalb der Galerie anfertigen. Dies war zwar ein kostspieliges Vergnügen, lohnt sich aber immer.
Er hatte in der Szene inzwischen einen sehr guten Ruf als Porträtfotograph und er verdiente damit fast mehr Geld als mit dem Geschäft selbst. Gelernt hatte er sein Handwerk von seinem Vater, so wie dieser von seinem, ebenso wie die vorhergehenden Generationen, seit das Josef Lynn am 15. April 1884 das Geschäft „Fotografisches Atelier“ in der Greenmarket Street gegründet hatte.
Marvin seufzte und ging weiter in Richtung seines kleinen Häuschens. Am liebsten wäre er auch in der Mittagszeit im Geschäft geblieben, doch er zwang sich jeden Tag aufs Neue, zum Essen nach Hause zu gehen. Er musste etwas Warmes essen, sonst hatte er das Gefühl, nicht satt zu sein. Er wollte aber weder in irgendein kleines Lokal gehen, noch wollte er Essengeruch im Geschäft. Auch seiner Mitarbeiterin war es untersagt, im Geschäft zu essen. Das passt nicht und hätte einen negativen Eindruck auf die Kunden gemacht. Die einzige Sache, bei der Marvin Konzessionen macht, war Kaffee aus der eleganten Kaffeemaschine, denn der Duft von frisch gemahlenem Kaffee hatte etwas Anheimelndes.
Zu Hause angelangt schloss Marvin die Tür auf und atmete tief ein. Das Haus hatte einen ganz eigenen Duft. Es war eine Mischung aus altem Gemäuer, neuen Gegenständen und seinem eigenen Geruch. Ganz schwach darunter lag auch ein Hauch von Lydia. Immer wenn er eintrat, kam es ihm vor, als sei ein Teil von ihr noch da.
Das Haus, so wie es jetzt aussah, war ganz allein ihr Werk. Es war ursprünglich das alte Posthaus der Stadt gewesen. Danach wohnte eine alte Dame darin, die es für ihre Bedürfnisse umgebaut hatte. Mit den Jahren aber es war heruntergekommen und sehr renovierungsbedürftig gewesen, als Lydias Vater es erwarb und ihnen zur Hochzeit schenkte. Lydia war es gewesen, die aus diesem ausgemusterten kleinen Posthaus ein gemütliches Zuhause für sie beide geschaffen hatte.
Konnte er denn gar nicht loslassen? Manchmal war er wütend auf sich selbst. Sobald er nicht von seiner Arbeit abgelenkt wurde, hingen seine Gedanken an ihr, wie Kletten, die sich in zerzaustem Haar verfangen hatten, einfach nicht loszulösen, und mit ziehenden Schmerzen, wenn er es versuchte. Er holte noch einmal tief Luft, wie um Geister zu verscheuchen und tat, wozu er hergekommen war – er kochte sich sein Mittagessen.
***
Rosi Polgrennan wartete am Fenster im oberen Stockwerk des eleganten Hotels, in dem sie als Frühstücksdame arbeitete, bis Marvin den kleinen Supermarkt verlassen hatte. Das George Hotellag nicht weit die Straße hinauf an der Kreuzung zwischen der Hauptstraße und der Bartholomew Road, und besagtes Fenster bot einen guten Blick auf die andere Straßenseite, sowie auch in die Greenmarket Street bis hinunter zum Hafen. Von diesem sah man allerdings nur die Masten einiger Segelschiffe. Ihre Schicht hatte länger gedauert als sonst, die Gäste waren besonders anspruchsvoll gewesen. Ms Rosi hier, Ms Rosi da, keine Minute Ruhe hatten sie ihr gegönnt, hatten ihr die Ohren vollgejammert wegen der schlechten Wetteraussichten für die nächsten Tage. Als ob sie daran schuld sei! Dass ihr die Füße schon weh taten, weil sie ihnen ständig neuen Tee oder andere Kleinigkeiten bringen musste, die eigentlich nicht selbstverständlich zum Frühstück gehörten, daran dachten sie natürlich nicht. So waren die meisten Gäste hier, immer nur ich, ich, ich. Egoistisches Pack, dachte sie. Je länger sie hier arbeitete, und es waren inzwischen schon fast zehn Jahre, desto seltener fand sie die Gäste wirklich sympathisch.
Sie schaute Marvin hinterher, als er die Straße in Richtung Hafen hinabging. Sie hatte ihm heute nicht begegnen wollen. Sie war nicht in der Stimmung, mit ihm zu reden, schon gar nicht über Lydia. Immer drehte sich alles nur um ihre Cousine! Anfangs hatten ihr die kleinen Begegnungen gefallen. Marvin war immer sehr freundlich zu ihr. Das war er immer schon gewesen, aber seit Lydia nicht mehr bei ihm wohnte, hatte diese Freundlichkeit ihre Selbstlosigkeit verloren. Von Mal zu Mal hatte sie stärker gespürt, dass er nur mit ihr sprach, um zu erfahren, wie es Lydia ging, was sie machte, ob sie sich getroffen hätten. Manchmal besann er sich auf seine gute Erziehung und fragte nach Rosis Befinden, aber sie spürte den Mangel an echtem Interesse. Er hatte noch nicht einmal bemerkt, dass sie deutlich schlanker geworden war. Aber offenbar war dies weder Marvin noch Lydia aufgefallen.
‚So war es eigentlich bei allen Menschen, die sie kannte,‘ dachte sie. Keiner brachte ein echtes Interesse für sie auf. Bei der Arbeit war sie die zuverlässige Kollegin der Frühschicht, in der Stadt kannte man sie als die arme Kleine, die ihren Vater auf so tragische Weise verloren hatte. Freundschaften zu schließen, lag ihr nicht, sie hatte sogar in der Schule nie richtige Freunde gehabt.
Und die Gäste des Hotels waren sowieso alle Egomanen!
Sie hatte selbst eine Mauer um sich herum gebaut, ohne es zu merken. Wirklich zufrieden war sie eigentlich nur, wenn sie in ihrem eigenen Cottage am Stadtrand von Herlingpool herumwerkelte, dass sie von ihrer Mutter geerbt hatte. Hier umgab sie sich mit den Dingen, mit denen sie sich eine ganz eigene Atmosphäre geschaffen hatte. Es war ihr Lebensmittelpunkt und Rückzugsort. Hier konnte sie sein, wie und wer sie sein wollte. Es war ihre geschützte Zone und sie war sehr darauf bedacht, niemanden in diese Privatsphäre eindringen zu lassen. Aber es war nicht besonders groß und der Gedanke an die abgeschiedene Lage und Größe von Lydias Haus machten sie sehr neidisch.
Ihre Außenkontakte beschränkten sich nur auf ihre Arbeit und die Familie – also genau betrachtet Lydia – denn diese war die Einzige, die noch von allen übrig geblieben war. Marvin gehörte durch die Heirat mit Lydia zwar auch zur Familie, aber seit die Beiden sich vor fast einem Jahr getrennt hatten, wusste Rosi nicht recht, ob sie ihn noch dazu zählen wollte.
Sie und Lydia trennten altersmäßig nur wenige Monate und sie waren fast wie Schwestern groß geworden, allerdings wie zwei sehr ungleiche Schwestern. Lydia hatte immer alles gehabt: Eltern, die sie liebten, eine gute Schule, Bücher, Spielsachen – sie konnte gar nicht aufzählten, was es alles war. Sie selbst dagegen war immer nur hin und her geschoben worden. Sie war eben nur die Tochter von Carolyn, die dummerweise einen einfachen Handwerker und keinen Akademiker geheiratet hatte. Und als dieser sich dann auch noch in den Tod gestürzt hatte und Frau und Tochter allein da standen, hatte man sie wie einen Sozialfall behandelt.
Rosi seufzte. Nie hatte sie wirklich dazugehört und Marvins Art, sie als Informationsquelle zu benutzen, verstärkte nur noch das Gefühl, für ihre Umgebung unwichtig zu sein. Sie arbeitete allerdings hart daran, es zu ändern.
Seit Monaten, schon während der Krankheit ihrer Tante, fuhr sie fast täglich hinaus in die Bucht gefahren, um der kranken Frau und der Cousine Gesellschaft zu leisten. Oft waren diese Besuche nur kurz, standen in keinem Verhältnis zu dem langen Anfahrtsweg, aber Rosi hoffte, sie würde für Lydia irgendwann unentbehrlich werden. Als einzige direkte Verwandte hatte sie ihr in den letzten Wochen, besonders in der schweren Zeit vor und nach der Beerdigung beigestanden. Sie hatte Lydia einige schwierige Aufgaben erspart, zum Beispiel hatte sie alle Trauerkarten sorgfältig adressiert und zur Post gebracht. Sie hatte sich um die zahlreichen Blumen gekümmert, die als Zeichen des Mitgefühls von den Freunden und Bekannten geschickt worden waren. Sie hatte Lydia Essen gebracht, Einkäufe erledigt, Lydia bei der Auswahl der Kleidung für die Beerdigung beraten. Es waren die vielen Kleinigkeiten, die Rosi aber sehr wichtig erschienen, für die sie Lob und Anerkennung erhofft hatte, die aber bei Lydia gar nicht so gut angekommen waren.
Manchmal unterhielten sie sich bei einer Tasse Tee darüber, was Lydia nun mit dem großen Haus anfangen wollte, aber außer der Übereinstimmung, dass ein so großes Haus mehr als eine Person beherbergen sollte, kam nichts zustande. Lydia schien nicht im Entferntesten daran zu denken, Rosi zu bitten, mit ins Haus zu ziehen. Rosi wartete schon seit der Beerdigung auf dieses Angebot. Nicht dass sie es annehmen würde! Das war ihr nicht möglich. Aber fragen könnte sie wenigstens. Manchmal malte Rosi sich im Traum aus, wie es wäre, an Lydias Stelle dieses Haus zu besitzen. Sie würde, so glaubt sie zumindest, es zu schätzen wissen.
Rosi seufzte erneut, diesmal so laut, dass die ältere Dame, die gerade an ihr vorbei durch den Flur in Richtung Rezeption ging, sie mit einem erstaunten Blick musterte. Erschrocken darüber, dass jemand sie ansah, lächelte Rosi die Dame an und ging schnell zurück in den Frühstücksraum. Sie wollte auf keinen Fall Aufmerksamkeit von Fremden erregen. Die Gedanken an Lydia und das Haus ließen ihr keine Ruhe und so beschloss sie, noch am gleichen Nachmittag hinunter zur Bucht zu fahren, nur so, auf eine Tasse Tee in der schönen gemütlichen Küche. Eigentlich hätte sie schon seit einer Stunde Feierabend. Aber die Dame, die gerade an ihr vorbei gegangen war, hatte so lange hier gesessen und ihre Tageszeitung gelesen, dass sie nicht hatte aufräumen können. Schnell räumte sie den letzten Tisch ab, erledigte Restarbeiten und stellte die Spülmaschine an, damit es morgen früh genug frisches Geschirr gab.
Inzwischen war es schon halb zwei, höchste Zeit nach Hause zu fahren. Sie zog sich um und verließ das Hotel durch den Personalausgang. Ihr kleines Auto stand nicht weit in einer Seitenstraße, in der sie morgens um sechs, wenn ihr Dienst begann, immer einen freien Platz fand. Überhaupt waren ihre Arbeitszeit und die Selbstständigkeit, die sie als „Frühstücksfrau“ besaß, das einzig Gute, was sie sich an Arbeit vorstellen konnte. Kaum jemand konnte nachvollziehen, dass sie gerne so früh aufstand, aber es hatte den Vorteil, dass nach der Arbeit der Tag noch lang genug war für andere Dinge.
***
Martin Tamblyn lehnte sich in seinem, für ihn etwas zu breiten, Sessel hinter dem, ebenfalls zu großen, Schreibtisch zurück und spielte dabei mit dem Bleistift zwischen seinen Fingern der linken Hand, als wäre er ein Tambourstab. Für einen Mann in seiner Position waren Stuhl und Tisch zwar gerade richtig, aber bei einer Körpergröße von knapp einem Meter und dreiundsechzig und einer für sein Alter erstaunlich jugendlichen und schlanken Figur, wirkten beide Möbelstücke eine Nummer zu groß für ihn. Aber er hatte sich inzwischen daran gewöhnt und nur Besucher, die ihn nicht kannten, wunderten sich darüber, dass der Bürgermeister der Stadt Herlingpool sich in seinem Amtszimmer nicht besser in Pose setzte. Während er gedankenverloren mit seinem Bleistift spielte, dachte er darüber nach, wie er sein sehr gewagtes, aber bei Erfolg für ihn höchst lukratives Immobilienvorhaben an der Küste vorantreiben könnte.
Abgesehen von der Tatsache, dass er an diesem Projekt eine Menge Geld verdienen könnte und es ihm darüber hinaus bei der nächsten Wahl, so glaubte er zumindest, einen deutlichen Stimmenzuwachs brächte, hatte er auch ein starkes persönliches Interesse daran, eine ganz bestimmte Immobilie in die Finger zu bekommen. Lange hatte er auf so eine Gelegenheit gewartet und nun schien die Umsetzung in greifbare Nähe gerückt.Sie war Teil des Projektes und da sie aus Gründen des Denkmalschutzes nicht abgerissen werden konnte, war sie zu einem zentralen Bestandteil der Planung geworden. Trevadlock war einer der wenigen Flecken in seinem Wahlbezirk, wo der Tourismus noch keine Spuren und damit auch kein Geld hinterlassen hatte.
Seine derzeitige Freundin, Silvie MacCally konnte ihn vielleicht dabei unterstützen. Es fehlte ihm zwar noch eine konkrete Vorstellung, wie das möglich wäre, aber ihm würde schon etwas einfallen. Zumindest war die derzeitige Eigentümerin des Gebäudes ihre Mitarbeiterin im College und Silvie verfügte bestimmt über einige persönliche Informationen über sie. Normalerweise hatten ihre beiden Berufe keinerlei Berührungspunkte. Silvie MacCally war die Leiterin des örtlichen Colleges, ehrgeizig und gerissen, wenn es um ihre eigenen beruflichen Interessen ging, aber schüchtern und vorsichtig in ihrer Beziehung zu ihm. Tamblyn schmunzelte vor sich hin. Gerade diese schüchterne Seite an ihr hatte ihn von Anfang an fasziniert. Sie waren sich schon des Öfteren bei offiziellen Veranstaltungen begegnet, dort kannte er die Collegeleiterin als sehr forsch, fordernd und selbstbewusst. Im Frühjahr waren sie sich dann bei der Party eines seiner Stadtratskollegen zum ersten Mal auf privater Ebene begegnet. Es hatte eine Weile gedauert, bis sie ins Gespräch kamen. Sobald sich die Unterhaltung weg vom Job und hin zu persönlichen Interessen bewegte, kam bei ihr eine Persönlichkeit ganz anderer Art zum Vorschein. Als es nicht mehr um das College und dessen Belange ging, war sie sehr zurückhaltend, ja geradezu scheu gewesen. Sie wirkte plötzlich unsicher, ja, fast gehemmt und drehte ihr Weinglas in der Hand unsicher im Kreis, als wäre sie lieber woanders als auf dieser privaten Feier, auf der fast nur Paare eingeladen waren. Wenn er es genau betrachtete, waren er und sie die einzigen Singles gewesen. Ihm war gar nicht der Gedanke gekommen, dass hier ein Matchmaking geplant gewesen war, aber Silvie hatte es vermutet und sich sichtlich unwohl gefühlt. Geschickt hatte er die Unterhaltung in Richtung Freizeitaktivitäten gelenkt, einem unverfänglichen Thema, dass ihn aber grundsätzlich interessierte und dabei hatte sie beide festgestellt, dass sie einiges gemeinsam hatten. Sie liebten beide gutes Essen und moderne Kunst.
Er hatte spekuliert, dass es in ihrer Vergangenheit mit zwischenmenschlichen Beziehungen nicht allzu gut gelaufen war, aber was da genau falsch gelaufen war interessierte ihn im Grunde nicht.
Nun, mit ihnen beiden lief es jetzt schon eine ganze Weile sehr zufriedenstellend. Sie stellte keine Forderungen an ein gemeinsames Leben – etwas, an dem er nach zwei gescheiterten Ehen keinerlei Interesse hatte – und ihre regelmäßigen Treffen hatten nach wie vor etwas Verschwiegenes, fast Geheimnisvolles. Eigentlich gab es keinerlei Gründe, warum sie ihre Beziehung geheim halten sollten. Er war schon vor ihrer Bekanntschaft geschieden worden, lebte allein in einem großzügigen Apartment mitten in der Stadt, seine Kinder waren so gut wie erwachsen und hätten bestimmt nichts dagegen, wenn ihr Vater mit einer neuen Partnerin zusammenlebte. Er genoss es, sich mit Silvie in kleinen Hotels oder Inns zu treffen, dort mit ihr zu speisen und, wenn es sich ergab und sie beide in der richtigen Stimmung waren, dort die Nacht miteinander zu verbringen. Eben unverbindlich. Manchmal fuhren sie auch nach Exeter oder Bristol, um dort Galerien zu besuchen oder interessante Museumsausstellungen.
Im Gegensatz zu Martin war Silvie MacCally nie verheiratet gewesen. Sie hatte früher einmal über längere Zeit einen festen Partner gehabt. Sie sprach selten über ihre Vergangenheit, und wenn, dann nur über ihre Studienzeit. Einmal hatte sie ihre Eltern erwähnt, aber nur um auf eine direkte Frage von ihm zu erklären, dass sie schon vor langer Zeit den Kontakt abgebrochen habe und sie darüber nicht sprechen wollte. Ebenso wenig wollte sie über vergangene Beziehungen reden, soviel war ihm inzwischen klar. Er hatte sich im Laufe der Zeit manches zusammengereimt, aber Silvie war so ablehnend, wenn die Sprache darauf kam, dass er sich nicht traute, nachzuhaken. Aber wenn er ehrlich war, wirkliches Interesse hatte er daran nicht. Silvie war für ihn eine unkomplizierte Affäre und solange sie das genauso sah, würde ihre Beziehung bestehen, dachte er.
Echtes Interesse dagegen hatte er daran, Geld zu verdienen. Als Bürgermeister saß er an der Quelle für Informationen und Insiderwissen. Sein Bleistift entglitt ihm und brachte seine Gedanken wieder in die Gegenwart.
Seit er von dem Interesse der Hotelkette an einem Entwicklungsvorhaben unten am Goddards Head gehört hatte, ging ihm die Idee nicht aus dem Kopf von diesem Projekt zu profitieren.Wo hatte er zum ersten Mal davon gehört? Es war auf einem Kongress gewesen, oder doch auf einem Parteitreffen? Er konnte sich nicht mehr genau erinnern, bei welcher Gelegenheit er den Namen des ihm wohlbekannten kleinen Ortes aufgeschnappt hatte und daher dem Gespräch zweier Herren lauschte, die sich über ein lohnendes Investment dort unterhielten. Seitdem hatte er sich intensiv damit beschäftigt, genaue Informationen zu sammeln.
Könnte er das Hauptobjekt in seine Hände bekommen, er hätte womöglich für sein ganzes Leben ausgesorgt und wäre obendrein noch in der Lage, eine alte persönliche Rechnung zu begleichen. Mit dem Erwerb könnte er also gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, zwei wirklich fette Fliegen. Er musste nur auf irgendeine Weise Einfluss auf die Eigentümerin bekommen.
Und dann war ihm per Zufall vor einigen Wochen bewusst geworden, dass Lydia Lynn ja an dem College arbeitete, welches von Silvie geleitet wurde. Seitdem ging ihm der Gedanke, dort anzusetzen, nicht mehr aus dem Kopf. Ein wenig hatte er schon von Silvie erfahren. Geschickt hatte er sie beim Essen in einem netten kleinen Restaurant über ihre Mitarbeiterin ausgefragt, er hatte sich ganz allgemein nach dem Kollegium im College erkundigt und so das Gespräch auf Lydia gelenkt. Nein, er war sicher. Silvie hatte nicht gemerkt, worauf er hinauswollte. Aber er hatte zu seiner großen Freude festgestellt, dass er nicht der Einzige war, der Lydia Lynn nicht mochte.
***
Silvie MacCally machte sich bereit. Sie freute sich auf den Abend mit ihrem Lover, wie sie ihn insgeheim nannte. Noch vor einigen Monaten hätte sie sich nicht vorstellen können, mit dem Bürgermeister der Stadt eine Affäre zu haben. Sie war bisher immer auf den gleichen Typ Mann hereingefallen: groß und kräftig und - wie sich fast immer nach kurzer Zeit herausstellte - dominant und gewaltbereit, ganz wie ihr Vater. Martin war äußerlich das genaue Gegenteil, er war weder groß, noch wirkte er besonders kräftig. Obwohl, so dachte sie, er sieht wirklich gut aus und sportlich war er auch. Aber was sie wirklich an ihm faszinierte, war seine lockere Art, er konnte wunderbar leicht erzählen, aber auch ernsthaft über Probleme diskutieren.
Sielegte sie ein leichtes, aber nicht zu dezentes Make-up auf. Sie richtete ihre Haare mit einigen geübten Handgriffen zu einer eleganten Steckfrisur und malte sich aus, wie es später am Abend sein würde, wenn sie vor Martin geschickt die hochgesteckte Pracht öffnete und ihre Haare dann sinnlich über ihre Schulter fielen. Zurück im Schlafzimmer stellte sie sich vor den verspiegelten Einbauschrank. Selbstzufrieden betrachtete sie ihren Körper. Der Busen gab langsam der Schwerkraft nach, aber für eine Frau Ende vierzigwar alles noch schön fest, keine Dellen an den Schenkeln und ihr Bauch wölbte sich nur ein klitzekleines Bisschen. Wohlgefällig besah sie auch ihre Rückseite, so gut sie konnte. Auch hier war alles zu ihrer vollsten Zufriedenheit. Sie überlegte kurz was sie anziehen könnte, warf einen Blick aus dem Fenster und entschied: ja, das hellblaue Leinenkleid sollte es heute sein. Sie griff zielsicher in den Schrank und kleidete sich an. Passende hellblaue Pumps und eine dunkelblaue Handtasche bildeten zusammen mit dem farblich abgestimmten Schal einen schönen Kontrast.
Martin hatte für heute Abend einen Tisch in einem Inn unweit von St. Agnes reserviert, in dem er schon öfter sehr gut gespeist hatte, wie er ihr am Telefon erklärt hatte. Eigentlich nichts Spektakuläres, aber nach Jeans, Bluse und einer leichten Jacke darüber, war ihr heute nicht zu Mute. Er sollte ruhig bemerken, dass sie sich für heute etwas Ausgefalleneres gewünscht hätte. Warum hatte sie es ihm nicht gesagt? Da war immer diese Unsicherheit, über ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse zu sprechen.
Sie griff die Autoschlüssel und zog dabei eine Schnute. Schade, selten konnte sie zum Essen mehr als ein Glas Wein trinken, immer trafen sie sich in einiger Entfernung vom College, nie holte er sie ab oder erlaubte ihr, ihn in seiner Wohnung zu besuchen. Warum eigentlich? Schämte er sich, mit ihr gesehen zu werden? Oder wollte er nicht, dass ihre Studenten sie sahen und darüber tratschten?
Der Gedanke an das College spülte einen weiteren Gedanken in ihr Bewusstsein, der sich wie ein unangenehmer Wurm seit einigen Tagen immer wieder an die Oberfläche wand. Warum nur hatte Martin sie neulich über Lydia Lynn ausgefragt?
Ganz unauffällig hatte er sich allgemein erkundigt, wie ihr Arbeitstag verlaufen sei. Dann hatte er das Gespräch auf ihre Mitarbeiter gelenkt und war schließlich bei Lydia Lynn angelangt. Er hatte wissen wollen, ob sie schon geschieden sei, wie ihre Karrierechancen seien und welchen Einfluss sie, Silvie, darauf hatte.
Hatte er ein besonderes Interesse an dieser arroganten kleinen Pute? Sie verspürte keine Lust, von einer Mitarbeiterin ausgestochen zu werden. Lydia mochte jünger sein als sie, aber was bot eine junge, getrenntlebende Frau schon, die noch keine wirkliche Lebenserfahrung gemacht hatte? Und was die Attraktivität anging, hielt Silvie sich für die deutlich bessere Partie.
Vielleicht, so gestand sie sich ein, hatte ihr Ärger über diese Unterhaltung damit zu tun, dass sie Lydia Lynn nicht mochte. Diese Frau war ihr ein Dorn im Auge, seit sie selbst als Leiterin an das College gekommen war. Schon bei der ersten Vorstellung hatte Mrs Lynn diesen verdammt selbstsicheren Eindruck einer Tochter aus gutem Hause hinterlassen, mit Idealvorstellungen darüber, wie sich Internationalität und Globalisierung eines Colleges auf die Qualifikation und Anerkennung der Studentenschaft auswirken könnte. In ihrem Statement zur Förderung von internationalen Studentenaustauschen, ihrer leidenschaftlichen Begeisterung für das von der EU geförderte Erasmusprogramm und ihrem daraus resultierenden Engagement, lag sie so ziemlich mit allem, was Silvie sich vorstellte auf Kollisionskurs. Silvie war überzeugte Gegnerin der EU. Nicht zuletzt dadurch, verbunden mit ihrer Parteizugehörigkeit zu den Tories, war sie schließlich zu diesem Posten gekommen.
Im Laufe der letzten Jahre war Lydia so etwas wie ein rotes Tuch für sie geworden. Immer wieder hatte diese es geschafft, dass sie als Collegeleitung in einem schlechten Licht stand, während Mrs Lynn regelmäßig für ihre verschiedenen Aktionen Applaus bekam.
Und jetzt interessiert sich Martin offenbar für sie!
Nun, sie wollte mal sehen, ob Martin das Gespräch wieder in diese Richtung lenkte. Er hielt sich für sehr geschickt, wahrscheinlich dachte er, sie habe nichts gemerkt. Silvie schüttelte in Gedanken leicht den Kopf. Er hatte sich so denkbar ungeschickt verhalten. Vielleicht fielen seine politischen Anhänger auf so etwas herein, sie aber hatte das Manöver schnell durchschaut. Sie verscheuchte den Gedanken, als sie sich ins Auto setzte und losfuhr. Sie wollte den Abend genießen.
Als Sylvie auf den kleinen Parkplatz hinter dem Pub ankam, stieg Martin gerade aus seinem Wagen. Sie parkte direkt neben ihm und bemerkte erfreut, dass er zu ihrem Fahrzeug hinüberkam, um ihr die Fahrertür öffnete. So galant war er nicht immer, er schien bester Laune zu sein. Sie stieg aus und Martin lächelte sie anerkennend an.
„Du siehst großartig aus“ waren seine Begrüßungsworte. „In dieser Aufmachung solltest Du besser in einem gehobenen Restaurant essen.“ Sylvie schmolz dahin. Er hatte ihre elegante Kleidung bemerkt und auch ihre Intention verstanden. Sie schloss daraus, dass er wirklich an ihr interessiert war. Er gab ihr einen freundlichen Kuss auf die Wange und sie gingen gemeinsam in den Pub.
Wochenende! Schon beim Aufwachen verspürte Lydia den Drang, die vor ihr liegenden zwei Tage sinnvoll zu verbringen. Sie war sich sicher, wenn sie erst einmal anfing, sich dem Nichtstun hinzugeben - und der Gedanke war sehr verlockend, nach den letzten anstrengenden Wochen - dann bliebe es dabei. Sie würde viel zu viel essen, auf dem Sofa liegen, stundenlang lesen und fernsehen. Die einzige körperliche Betätigung bestünde darin, mit Hendrix seine Runden zu drehen. Nicht dass Lesen an sich eine Zeitverschwendung wäre, aber seitsie vor Monaten zurück in ihr Elternhaus gezogen war, war ihr klar geworden, dass dieses Haus langsam, aber sicher in einen Dornröschenschlaf zu fallen drohte, wenn sie nichts dagegen unternahm.
Schwungvoll stieg sie aus dem Bett,voller Energie und mit dem Wunsch, endlich anzufangen. Systematisch, wie sie nun einmal war, nahm sie sich vor, ganz oben zu beginnen. Und ganz oben anzufangen bedeutete, unterm Dach.
Sie machte sich frisch, zog ihre ältesten Klamotten an und während sie den Hund für seine morgendliche Toilette in den Garten ließ, frühstückte sie und überlegte, wie sie am besten dort vorgehen könnte.
Den Dachboden hatte sie sehr selten betreten, als Kind war ihr dort oben immer unheimlich gewesen. Bei Wind klapperten die Dachschindeln und manchmal pfiff es laut durch die Kaminabzüge. Es waren gruselige Geräusche, die sie nie genau einordnen konnte.Ein kurzer Gedanke keimte in ihr auf. Ihre Mutter hatte in ihrem Abschiedsbrief einen Tresor erwähnt und den Schlüssel mit in den Umschlag getan. Sie hatte ihn bisher noch nicht gefunden, wusste weder, wie groß er war, noch, wo er sich befand. Der Gedanke, dass er auf dem Dachboden sein könnte, war ihr bisher nicht gekommen. Sie nahm sich vor, gründlich danach Ausschau zu halten.
Hendrix kam schwanzwedelnd von seinem morgendlichen Erkundungsgang aus dem Garten zurück. Sie schloss die Terrassentür und begann, sich alles Nötige für die Dachbodenaktion zusammenzustellen.
Bewaffnet mit Lappen verschiedenster Art und ein paar Müllsäcken, stieg sie ins Dachgeschoss hinauf. Dort blieb sie für einen Moment in dem schmalen Flur stehen, um sich umzuschauen. Fünf Türen gingen von hier ab. Rechts und links, so erinnerte sie sich, waren ganz früher Dienstbotenzimmer gewesen, so hatte ihre Großmutter ihr einmal erzählt. Noch mehr Räume, die sie sichten musste! Sie stöhnte, angesichts dieser Erkenntnis.
Heute aber war der Dachboden an der Reihe! Sie musste sich zwingen, nicht in die Zimmer zu schauen.
‚Alles der Reihe nach, sonst verliere ich die Lust,‘ dachte sie. Also ging sie zu der Tür am Kopfende des Flures und öffnete sie. Sie stieg die sechs steilen Stufen hinauf, die auf den eigentlichen Dachboden führten, und da lag er vor ihr, staubig und dunkel.
Hendrix war ihr hinterhergelaufen, er saß nun winselnd vor der offenen Tür. Er fürchtete sich vor steilen Treppen, besonders, wenn sie nur aus schmalen Holmen bestanden. Aber seinen Menschen wollte er nicht allein lassen, spürte er doch seit einiger Zeit, dass mit ihr etwas nicht so war, wie sonst. Sie war anders als gewohnt. Sie wirkte unruhig, ohne besonderes Ziel, und der Aufstieg zum Dachboden war der Höhepunkt ihres absonderlichen Verhaltens. Das hatte er noch nie erlebt. Er starrte ihr hinterher und beschloss, hier Wache zu stehen. Zum ersten Mal in seinem Hundeleben stand diese Tür offen. Er wandte den Blick nicht ab, selbst als Lydia aus seinem Blickfeld verschwand.
Inzwischen hatte sie den Lichtschalter gefunden. Die alte Funzel, die von der Decke baumelte, spendete nur wenig Licht, aber durch die Holzläden eines kleinen Fensters an der Stirnseite des Raumes, drang spärliches Sonnenlicht von außen ein, ebenso durch die kleinen Ritzen zwischen den Dachschindeln. Sie konnte den flimmernden Staub sehen, den sie durch das Betreten des Bodens aufwirbelte.
Es roch nach alten Sachen, leicht modrig und nach Staub. Er kitzelte heftig in Lydias Nase und sie musste mehrfach niesen, während sie sich umschaute. Hendrix bellte als Antwort.
„Nichts passiert,“ rief sie ihm zu, „nur Staub in der Nase.“
Zwei Reihen Wäscheleinen waren von einer zur anderen Seite gespannt, an ihnen hingen lange Staubfäden. Hier oben wurde früher im Winter die Wäsche aufgehängt, sie erinnerte sich schwach. Sie ging hinüber zu dem kleinen Fenster, klappte die Holzläden zur Seite und ließ Licht und frische Luft hinein.
Meine Güte, es war wirklich sehr lange her, dass sie hier oben gewesen war. Es fiel ihr wieder ein: Beim letzten Mal hatte ihre Mutter sie gebeten, Plastikboxen mit alten Unterlagen hinaufzubringen. Das war kurz nach dem Tod ihres Vaters gewesen, also vor ungefähr 5 Jahren. Ihre Mutter konnte sich nicht besonders gut von Dingen trennen, schon gar nicht von den alten Unterlagen aus der Arztpraxis ihres Vaters und offiziellen Schriftstücken. Wohlwissend, dass diese Dinge nie wieder gebraucht würden, hatte sie beim Ausmisten von Vaters Arbeitszimmers alles in Plastikboxen verstaut, die Deckel ordentlich beschriftet und Lydia gebeten, die Boxen „einfach irgendwo abzustellen, aber so dass sie nicht im Weg stehen“, was Lydia auch genau so getan hatte. An dem Tag hatte sie nicht viel Zeit gehabt und es war ihr sehr recht gewesen, dass ihre Mutter sie nicht gebeten hatte, dieser Aufgabe mehr Zeit zu widmen. Ein Blick bestätigte ihre Erinnerung, die Boxen standen immer noch an der gleichen Stelle. Nur lag inzwischen eine deutliche Staubschicht auf dem Deckel.
Überhaupt schien vieles hier oben gelandet zu sein, was unten im Weg stand. Sie hatte nie den Hang dazu gehabt, Zeit hier auf dem stickigen, schmutzigen Dachboden zu verbringen. Es fehlte ihr auch an Neugier, herauszufinden, was die verschiedenen Mitglieder der Familie im Laufe der Jahrzehnte hier abgestellt hatten. Große Teile konnten es nicht sein, denn der Dachboden war nicht besonders hoch. Sie konnte zwar an den meisten Stellen aufrecht stehen, aber bei ihren 158 cm war das kein Wunder.
Von ihrem Standort neben dem Fenster versuchte sie, sich einen Überblick zu verschaffen. Rechts und links in den Dachschrägenstapelte sich so einiges. Auf der einen Seite gab es hauptsächlich besagte Plastikboxen, sorgfältig neben- und übereinander gestapelt. Große und kleine Pappkartons, denen man ihr Alter ansah, standen auf der gegenüberliegenden Seite. Außerdem reihten sich noch alte Koffer, Kisten und Truhen weiter hinten sorgfältig aneinander. Lydia ging vorsichtig über die alten Holzdielen, die den Fußboden bildeten. Es knirschte und knackte bei jedem Schritt. Neben einem Kaminzug stand ein grüner Koffer mit alten Kleidungsstücken. Hinter einem der anderen Kaminabzüge befanden sich ein paar afrikanische Holzfiguren, die sie noch nie gesehen hatte, eine alte Lampe mit zerrissenem Lampenschirm und einem Stromkabel, dass ganz eindeutig nicht den aktuellen Sicherheitsstandards entsprach. Ziemlich weit hinten entdeckte Lydia eine offene Holzkiste, aus der ein St. Kinran Kostüm herausquoll. Das wollte sie sich näher ansehen. Erst als sie schon kurz davor stand, bemerkte sie eine weitere Kiste mit einem sehr stabilen Vorhängeschloss, die davorstand, halb von dem alten Kostüm verdeckt.
‚Ein schönes Teil,‘ dachte Lydia, ‚vielleicht eine Seemannskiste?‘ Daraus ließe sich etwas machen, sie hatte die richtige Höhe für einen Sofatisch.
Sie versuchte, die Kiste weiter nach vorne zu ziehen, um hinten an das Kostüm heranzukommen. Sie war sehr schwer und unhandlich, aber Lydia schaffte es, sie zumindest so weit nach vorne zu bugsieren, dass sie einen genaueren Blick in die offene Kiste dahinter hineinwerfen konnte. Das Gewicht deutet darauf hin, dass sie nicht leer war.