Gefrorene Liebe - Peter Weber - E-Book

Gefrorene Liebe E-Book

Peter Weber

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Beschreibung

Wolffs neuer Fall führt den erfahrenen Kriminalisten in die Welt der Finanzdienstleistungen. Eine Mitarbeiterin eines großen Finanzdienstleisters wird in gefrorenem Zustand gefunden. Für Wolff beginnen die Ermittlungen mit der Frage nach der Todesursache und einem Motiv. Er versucht herauszufinden, wer Interesse haben könnte, die erfolgreiche Finanzberaterin Mag. Karin Kurz zu ermorden. Zu diesem Zweck muss er in die Welt der Wertpapiere und Geldwäsche eintauchen.

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Peter Weber

Gefrorene Liebe

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Epilog

Impressum neobooks

Prolog

In einer nebeligen Nacht im Frühherbst fährt ein Auto in einer entlegenen Straße am Rande Wiens. Ständig blickt der Fahrer in den Rückspiegel und vergewissert sich, dass niemand ihm folgt. Auch versucht er zu erkennen, ob das Strahlen von Scheinwerfern dem Lenker ein entgegenkommendes Fahrzeug verrät. Als er sich sicher ist, nicht beobachtet zu werden, hält er den Wagen an und verlässt, sich ständig misstrauisch umblickend, den Fond seines Autos. Nachdem er sich überzeugt hat, dass auch kein verspäteter Fußgänger ihm bei seiner geplanten Tätigkeit zusehen kann, öffnet er den Kofferraum und entnimmt ihm einen länglichen runden Gegenstand, der wie eine Teppichrolle aussieht. Achtlos wirft er das Ding in den Straßengraben, setzt sich wieder hinter das Steuer und fährt los.

Zurück bleibt eine Teppichrolle, aus der eine weiße wie eingefroren wirkende Hand ragt.

Niemand kümmert sich um die Rolle oder die Hand. Keinem wäre es jemals in den Sinn gekommen, wegen dieses alten Stück Teppichs eines billigen skandinavischen Einrichtungshauses, das jeden duzte, stehen zu bleiben. Nur der gefüllten Blase eines sehr viel später vorbei kommenden Fahrers hat sowohl die Hand als auch der dazugehörige Körper die Entdeckung zu verdanken.

Kapitel 1

Der Kriminalrat Dr. Herbert Wolff saß am frühen Morgen mit seiner neuen Freundin Eva Huber am Wienblick im Lainzer Tiergarten. Sie genossen den Anblick der Stadt, die sich noch unter einer Decke verkrochen hatte. Nur einzelne Gebäude wagten es bereits, ihre Spitzen aus dem Nebel der Sonne entgegen zu recken.

Wolff hatte sich von seinem Freund bei der Stadtverwaltung den Schlüssel zu einem Tor des Parks geliehen, sodass er mit seiner Begleitung schon vor dem allgemeinen Öffnen des Tiergartens eintreten konnte. Selbst im Nebel, der sie noch begleitet hatte, fand Wolff mühelos den Weg zu diesem Aussichtspunkt. Er wurde ständig von der Nörgelei Evas begleitet, die es gar nicht verstanden hatte, warum sie so früh ihre geliebte Schlafstatt verlassen musste, um hier durch eine graue Wand einen steilen Weg empor zu klimmen. Erst als sie den Ausblick, der sich ihr jetzt bot, zu genießen begonnen hatte, erkannte sie, warum Wolff trotz ihres heftigen Widerstandes auf diesem Ausflug bestanden hatte. Hier in der Sonne, mit dem Ausblick, den gereichten Speisen und Getränken begann, sie sich wohler zu fühlen als in ihrem Bett.

Herbert ich habe eine Frage“, unterbrach sie das andächtige Schweigen.

Wolff erschrak als er ihre Stimme so unvermittelt wahrnahm, und sank in sich zusammen als die Worte seinen Verstand erreichten. Er wusste, jetzt würde sie kommen, die Frage, die er sich schon oft selbst gestellt hatte und auf die er keine Antwort kannte. Er war verliebt in Eva, so viel war ihm bewusst. Was würde passieren, wenn dieses Gefühl der Verliebtheit nachließ, konnte es sich in Liebe verwandeln, war es ihm möglich ihre Vergangenheit als Domina und professionelle Liebesdienerin zu akzeptieren? All diese Gedanken schwirrten ihm durch den Kopf, als er seine Aufmerksamkeit wieder Eva schenkte, die ihn mit einem sardonischen Lächeln beobachtete. Gerade als er zu einer Antwort ansetzen konnte, legte sie ihren Kopf an seine Schulter und flüsterte: „Reichst Du mir bitte das Salz? Die Frage, die Du gemeint hast, stelle ich Dir nicht, die muss von Dir kommen, mein Lieber.“ Wolff, der ihr den Salzstreuer gab, war verblüfft, wie leicht sie ihn durchschauen konnte und wie gut sie ihn in den wenigen Wochen ihres Zusammenseins schon kennengelernt hatte. Gerade als er zu einer Erwiderung ansetzen konnte, begann sein mobiles Telefon zu läuten. Da er am Klingelton erkannte, dass sein Freund Hans Neubauer, der als Untersuchungsrichter tätig war, anrief, entschuldigte er sich bei Eva und nahm den Anruf entgegen. Es war nur ein kurzes Gespräch, das er führte. Als er aufgelegt hatte, sah er Evas teils fragenden, teils enttäuscht wirkenden Blick.

Keine Angst,“ begann er, ihre ungestellten Fragen zu beantworten. „Sie haben heute Morgen eine erst zur Hälfte aufgetaute weibliche Leiche gefunden. Hans möchte, dass ich die Untersuchungen leite. Da uns die Tote nicht abhandenkommen kann, habe ich ihm erklärt, dass ich morgen damit beginne. Es sei denn die Wissenschaft ist schon weiter als wir denken, und das Auftauen kann ihr neues Leben einhauchen.

Wir beide genießen den Tag heute. Um auf das Thema zurückzukommen, das Du mit der Frage nach dem Salz ins lächerliche gezogen hast. Kannst Du mir verraten, wie Du zu Deiner Tätigkeit gekommen bist?“

Ich dachte wir wollen den Tag genießen und nicht in meiner Vergangenheit herumwühlen.“, widersprach Eva, die kein Interesse hatte, sich ihre gute Stimmung durch dieses Thema vermiesen zu lassen.

Eva, bitte, ich glaube ich kann leichter eine Entscheidung treffen, wenn ich Deine Geschichte und Deine Motivation für diesen ungewöhnlichen Beruf verstehe.“, versuchte Wolff Eva zu beruhigen. Er sah ihr lange in die Augen, setzte dabei seinen treuherzigen Dackelblick auf, legte seine Stirn in Falten und hielt den Kopf schief, wie jeder Hund, der von seinem Herrchen eine Leckerei wollte. Eva konnte dieser Karikatur eines Hundeblickes nur Sekunden standhalten, bevor sie zu lachen begann und sich geschlagen gab. Vielleicht ist es doch ein guter Zeitpunkt, um über die Vergangenheit zu sprechen, überlegte sie. Hier oben am Berg bei der herrlichen Aussicht und dem Kaffee mit Kuchen konnten die Geister der Vergangenheit ihre schreckliche Wirkung verlieren. Sie konnten sich so wie der Nebel, der unter ihr durch die Sonne aufgelöst wurde, verflüchtigen. Eva nahm noch einen Schluck aus ihrer Tasse, seufzte und begann mit ihrer Geschichte.

Wie du weißt Herbert, habe ich gleich nach meinem Studium der Publizistik, bei einer Zeitschrift als Journalistin zu arbeiten begonnen. Nach einigen Wochen erhielt ich den Auftrag, einen Artikel über die Situation der Mädchen in einem Escortservice zu schreiben. Mein erster Reflex war eine glatte Ablehnung, ich wollte mit dem Rotlichtmilieu nicht in Berührung kommen. Da ich dachte, es sei sowieso schon alles egal, bin ich ohne ein Wort zu sagen aus der Redaktionssitzung geflüchtet. Ich wollte nur heim zu meinem Freund, der damals noch studierte, und für eine Prüfung zu lernen hatte. Ich wollte mit ihm meine nächsten Schritte besprechen. Leider wurde nichts daraus. Ich bin nach Hause gekommen und habe diesen Idioten mit einer mindestens zwanzig Jahre älteren Tussi in meinem Bett, in meinem Schlafzimmer, in meiner Wohnung angetroffen. Ich habe ihn samt der Schlampe rausgeworfen, ihm seine Sachen aus dem Fenster nachgeschossen und beschlossen, den Artikel zu schreiben.

Da ich ja in keiner festen Beziehung mehr war, konnte ich die Zeit aufbringen, um in diesem Milieu genau zu recherchieren. Die Damen betrachteten mich als Außenstehende, sie haben mit mir nicht geredet. Nach einer Woche hatte ich noch nicht einmal genug Material gesammelt, um ein Blatt Klopapier damit vollzuschreiben. Also fasste ich den Entschluss, eine der ihren zu werden. Ich stellte mich bei der Begleitagentur vor, wurde gebeten mir den Job einmal anzuschauen und mich dann zu entscheiden, ob ich es machen wollte oder nicht. Schon bei meinem ersten Gespräch wurde ich darauf hingewiesen, dass bei den meisten Kundentreffen Sex erwartet wird, und da ich dafür auch entlohnt würde, müsste ich mich als Prostituierte registrieren lassen. Die Dame, die diese einführende Unterhaltung mit mir geführt hatte, war nett gewesen, sie hat nichts beschönigt und nichts weggelassen. Da ich wie gesagt noch tiefere Einblicke in die Arbeit der Agentur gewinnen wollte, und ich noch stinksauer wegen meines Freundes war, habe ich zugestimmt. Ich bin dann zweimal mit einem anderen Mädchen zu einem Treffen gegangen. Ich habe mir angesehen wie diese Stunden, nach denen wir gebucht und bezahlt wurden, ablaufen. Ich habe mir eingeredet, dass ich diesen Job nur wegen der Geschichte machen würde, außerdem war ich alleine und mein Selbstwertgefühl am Boden. So bin ich geblieben, habe alles recherchiert, meine Story abgegeben und bin als Dirne weiterhin tätig gewesen. Es war nicht das Geld, das mich gelockt hat, es war die Macht, die ich über die Männer hatte, ich konnte, bestimmen wo es lang geht, was der Kunde tun durfte oder nicht. Ich war es die so begehrt war, dass der Mann für mich bezahlt hat. Das war hauptsächlich meine Motivation. Diese Sucht nach Überlegenheit hat mich so beherrscht, dass ich die Männer aus Rache an meinem Freund immer tiefer demütigen wollte. Ich bin dann auf eine Domina, die für den Service gearbeitet hat, zugegangen und habe sie gefragt, ob sie mich nicht einschulen könnte. Sie hat mir alles beigebracht was ich als SM-Mädchen wissen musste, mir die Gefahren, die eine Schmerzbehandlung beinhaltet, erklärt und mir soweit Anatomie beigebracht, dass ich die Männer gefahrlos demütigen konnte. Das war es, was ich wollte, ich hatte die Macht die Männer vor mir im Dreck kriechen zu lassen, sie anzubinden, sie zu demütigen, ihnen Schmerzen zuzufügen, so wie mir Schmerz zugefügt wurde. So bin ich das geworden, was ich war, als Du mich kennengelernt hast.“, beendete Eva ihren Bericht.

Und was hat sich verändert?“, bohrte Wolff nach.

Schon bevor wir uns das erste Mal trafen, hat sich mein Hass gelegt gehabt, es gab mir keinerlei Befriedigung mehr Macht über Männer ausüben zu können. Ich war tief in meinem Innersten schon bereit, die Dominastiefel an den Nagel zu hängen, und mich aus dem Gewerbe zur Gänze zurückzuziehen, mir fehlte nur der letzte Antrieb, den inneren Schweinehund zu besiegen. Bis Du aufgetaucht bist. Du hast mich voller Respekt behandelt, mir das Gefühl gegeben eine normale Frau zu sein und der wichtigste Punkt, was immer ich auch bei unseren ersten Treffen probiert habe, es ist mir nicht gelungen Kontrolle über Dich zu bekommen, Du warst immun dagegen, im Gegenteil ich habe mich stets unterlegen und verletzlich gefühlt. Schon bei unserem ersten Gespräch wurde mir klar, dass mein Hunger nach Rache gestillt war und ich wieder in ein bürgerliches Leben einsteigen will. Also habe ich mein Studio geschlossen und wieder bei meiner Zeitschrift, für die ich immer wieder unter verschiedenen Pseudonymen Artikel veröffentlicht habe, regulär zu arbeiten begonnen.“

Wolff fühlte sich geschmeichelt, es war ihm nicht möglich, ein Grinsen zu unterdrücken, er war es, der Eva auf den rechten Weg der Tugend geführt hatte, er war stolz auf sich, seine Eitelkeit war gestreichelt worden. In seiner Glückseligkeit merkte er die Verstimmung Evas nicht: „Du brauchst Dich nicht geschmeichelt fühlen, es war nur Zufall. Es hätte auch ein anderer sein können.“, warf sie ihm vor.

War es aber nicht.“, feixte er und fing sich dafür einen Schlag auf seine Schulter ein, der ihn wieder auf den Boden der Tatsachen holte. Er nahm sie sanft, zog ihren Kopf zu sich und küsste sie zärtlich. Wolff genoss es mit ihrer Zunge zu spielen, ihre Mundhöhle zu erkunden. Als der Augenblick des Kusses vorüber war, wandten sie sich wieder dem Ausblick auf die Stadt zu. Während Evas Erzählung hatten die wärmenden Strahlen der Sonne, die Decke, die das Antlitz der Stadt verborgen hatte, aufgelöst, und gab die Sicht auf die Silhouette Wiens frei. Eine Weile saßen sie noch schweigend auf der Decke und genossen den Anblick des erwachenden Wien, bevor sie begannen, den Picknick-Platz zu säubern, das Geschirr, das sie mitgebracht hatten, wegzuräumen und ihre Wanderung durch den Tiergarten fortzusetzen. Weit waren sie noch nicht gegangen als Wolff sich vor Eva in den Weg stellte: „Eva!“, begann er.

Ich sehe, wo Dich der Schuh, oder sollte ich besser sagen die Hose drückt.“, unterbrach sie ihn und zerrte ihn in ein schwer einsehbares Stück des Geländes. Als sie wieder auf den Weg zurückkehrten, war zwar das momentane Problem gelöst, aber die Leidenschaft bei beiden noch nicht gestillt. Sie entschlossen sich die Wanderung zu unterbrechen und auf dem schnellsten Wege wieder nach Hause zurückzukehren. So verbrachten sie diesen herrlichen sonnigen Tag des Altweibersommers zu Hause im Bett, nur unterbrochen vom Füttern der beiden Kater, die zu Wolffs Haushalt gehörten. Nach einem langen Tag der Liebe, der Gespräche und der Leidenschaft schliefen sie endlich ein.

Kapitel 2

Es war wie jeden Tag fünf Uhr in der früh, als Wolff von seinem roten Stubentiger sanft geweckt wurde. Die ganze Nacht über hatte er bei seinen Füssen geschlafen, jetzt trieb ihn der Hunger. Wolff versuchte sich so sanft und unauffällig, wie es ihm möglich war, aus der Umarmung, in der er noch immer mit Eva lag, zu lösen. Er stand auf und erledigte möglichst geräuschlos seine morgendlichen Arbeiten. Als er fertig angezogen war, beugte er sich über eine noch scheinbar schlafende Eva, küsste sie sanft auf die Wange.

Er wollte schon gehen, als sie ihn in eine heftige Umarmung zog. „Du wolltest mich doch nicht ohne Kuss alleine zurücklassen mein Lieber. Vielleicht ist das Deine letzte Gelegenheit, mich zu küssen.“

Wolff, der ihre Worte nicht einordnen konnte, erschrak. Eva hatte einen Schlüssel gefunden, mit dem sie die Geister seiner Vergangenheit aus ihrem Verlies, welches tief in seinem Bewusstsein verborgen war, wieder an die Oberfläche holte. „Was meinst Du?“, herrschte er sie an. Seine Aggression war kein Ausbruch einer latenten Gewaltbereitschaft, welche Eva kontrollieren wollte, sie resultierte aus der Angst sie zu verlieren. Ihre Worte hatten seine Furcht geschürt, hatten ihn glauben gemacht, dass sie sich von ihm zurückziehen wollte, dass sie diese Beziehung, die gerade erst begonnen hatte, wieder lösen würde. Eva erschrak vor seinem Ausbruch, sie erkannte, dass sie einen Teil seiner Seele aufgestöbert hatte, der besser in Ruhe liegen sollte, den erst die Zeit für sie begehbar werden lassen würde. Daher beeilte sie sich sofort ihm zu vergewissern: „Es tut mir leid, ich wollte Dich nicht erschrecken. Zur Wiedergutmachung werde ich heute am Abend in einem sündigen Outfit auf Dich warten. Keine Angst Herbert, so schnell wirst Du mich auch nicht los.“

Wolff, der erkannte, dass sein Ausbruch unangemessen gewesen war, entschuldigte sich bei ihr und verließ sein Domizil. Da er sehr pflichtbewusst und neugierig war, ging er sofort zum gerichtsmedizinischen Institut, um alle Neuigkeiten, die in Zusammenhang mit der gefundenen Leiche standen, aufzusaugen. Er fand den zuständigen Pathologen in seinem Büro vor. Dr. Johannes Seliger zeigte Wolff ein sehr nachdenkliches Gesicht, welches dem Kriminalbeamten verriet, dass die Leiche dem Pathologen noch nicht alle Geheimnisse ihres Todes mitgeteilt hatte.

Guten Morgen Johannes.“, grüßte Wolff artig, „Du siehst nicht zufrieden aus. Hattest Du eine schlechte Nacht? Warst Du zu lange mit einer Lebenden zusammen?“

Guten Morgen Herbert, mach Dich nicht lustig über mich. Die Tote lässt noch einige Fragen offen. Viel kann ich Dir noch nicht berichten.“

Habe ich mir schon gedacht? Was hat Dir die Leiche bisher verraten?“, wollte Wolff wissen.“

Zuerst das Offensichtliche,“, begann der Pathologe mit seinem Bericht. „Die Verstorbene ist weiblicher Natur und zwischen 45 und 50 Jahre alt plus minus ein oder zwei Jahre. Sie ist an akutem Kreislaufversagen und Atemnot gestorben. Wodurch das ausgelöst wurde, kann ich noch nicht genau sagen. Die wahrscheinlichste Ursache, von der wir derzeit ausgehen können, ist ein anaphylaktischer Schock.“

Ein anaphy… was?“ unterbrach ihn Wolff, der es hasste, mit medizinischen Fachausdrücken konfrontiert zu werden.

Entschuldige Herbert, ich weiß, dass Du gebildet bist, aber Deine Kenntnisse von medizinischen Fachausdrücken unter jeder Kritik sind. Sie ist wahrscheinlich an einer heftigen allergischen Reaktion gestorben.“

Ein Insektenstich?“

Davon bin ich ursprünglich auch ausgegangen, die Mehrzahl dieser Schocks wird von einer Unverträglichkeit gegenüber Insektengift ausgelöst. Wir haben die Leiche zweimal nach Biss- oder Stichspuren überprüft aber nichts gefunden, was auf so ein sechsbeiniges Biest schließen lässt. Ich gehe eher von einer Medikamenten- und/oder einer Lebensmittelallergie aus.“

Ein Tod ohne Fremdverschulden? Warum war sie dann eingefroren?“

Herbert das sind die falschen Fragen an mich, Du bist der Ermittler. Ich stelle nur die Todesursache fest, und diese ist noch nicht eindeutig. Die Wahrscheinlichkeit derzeit liegt bei 75%, dass ich recht habe. Sie wurde kurz vor ihrem Tod vor ungefähr drei Jahren eingefroren.“

Lebendig in Kryostase versetzt?“, entsetzte sich Wolff.

Beruhige Dich Herbert, sie war schon in einem tiefen Koma als sie in der Tiefkühltruhe landete. Sie hat nichts mehr davon mitbekommen. Aus der Menge Kühlmittel, die wir in ihrer Lunge gefunden haben, schließen wir, dass sie höchstens noch drei oder vier Atemzüge getan hat, bevor der Kreislauf endgültig zusammengebrochen ist. Aber das war für uns ein Glück. Wir konnten den Mageninhalt noch analysieren, feststellen, dass sich erhöhte Histaminwerte in ihrem Körper befanden, und konnten so die möglichen Todesursachen eingrenzen. Da Histamine auch durch Lebensmittel oder Schmerzen in den Blutkreislauf gelangen können, brauchen wir noch eine letzte Blutanalyse, um den Grund für ihr Ableben mit Sicherheit bestimmen zu können.“

Du sagst die Tote sei vor etwa drei Jahren gestorben. Habt ihr ihre DNA mit der Vermisstendatenbank abgeglichen? Irgend jemandem wird sie ja abgegangen sein. Sie war ja keine Hundertjährige, deren Sozialkontakte schon alle verstorben sind.“, wollte Wolff wissen, der hoffte einen Namen zu der Leiche zu bekommen.

Natürlich Herbert, leider keine Übereinstimmung, und auch sonst keine Spuren, die uns im Moment Auskunft über die Identität der Toten geben könnten.“, beendete Dr. Seliger seinen Bericht. Wolff war enttäuscht, er hatte außer dem ungefähren Todeszeitpunkt nichts, womit er bei seinen Ermittlungen beginnen konnte. Er konnte seine Ermittlungen nur bei einer Frau beginnen, die vor rund drei Jahren verstorben war.

Johannes, wann kannst Du mir etwas über die genaue Todesursache sagen und den Todeszeitpunkt näher eingrenzen?“

Heute nachmittag sollten die Werte der Blutuntersuchung vorliegen. Dann kann ich Dir Genaueres sagen. Ob ich den genauen Zeitpunkt des Todes der Frau herausfinde, kann ich Dir nicht versprechen, vielleicht lässt sich an Hand der tatsächlichen Umstände ihres Ablebens, die Zeitspanne eingrenzen. Fotos der Toten habe ich Dir und Deiner Assistentin Frau Mitterbauer schon per E-Mail geschickt.“, nahm der Gerichtsmediziner die Antwort auf Wolffs nächste Frage vorweg.

Danke Johannes, Du warst mir eine große Hilfe und Servus.“, verabschiedete sich Wolff und eilte seinem Büro entgegen.

Er betrat den Raum seines Arbeitsplatzes und fand Romana Mitterbauer vor, eine junge intelligente Mitarbeiterin, die zeitweise zu modischen Eskapaden neigte. Sie war so tief in ihre Arbeit am Computer vertieft, dass sie gar nicht merkte, durch welche Türe Wolff ihr Zimmer betrat. Sie blickte erst erschrocken auf als der Kriminalist sie begrüßte: „Guten Morgen Romana, ich hoffe ich habe Dich nicht bei etwas wichtigem gestört. Welche Schuhe wolltest Du diesmal ersteigern?“, neckte er seine Mitarbeiterin.

Guten Morgen, Herbert, nein ich habe mir die Bilder der Toten, die uns Dr. Seliger geschickt hat, angesehen. Also ich kenne die Frau nicht.“

Romana kannst Du eine Suche in der Datenbank, der vermissten Personen starten. Wir suchen eine Frau zwischen 40 und 50 Jahren, die vor rund,“ Wolff machte eine Pause, um über die Eingrenzung des Zeitraumes des Verschwindens der Frau nachzudenken, „zwei bis vier Jahren verschwunden und noch nicht wieder aufgetaucht ist.“

Habe ich schon erledigt, Chef. Dr. Seliger hat uns mit den Fotos auch den ungefähren Zeitraum des Todes mitgeteilt. Ich habe auch noch ein paar Monate dazugehängt, schließlich muss sie ja nicht am Tag ihrer Abgängigkeit gestorben sein. Vielleicht wurde sie auch noch monatelang gefoltert und vergewaltigt.“, redete sich Romana in Rage.

Möglich ist es, aber hast Du schon ein Ergebnis?“, unterbrach Wolff den Redeschwall seiner Assistentin.

Als Du gekommen bist, habe ich die ersten Fotos mit unserer Toten verglichen und ich habe eine Übereinstimmung der Bilder gefunden. Laut unseren Unterlagen heißt die Frau Mag. Karin Kurz und war verheiratet mit Mag. Ewald Kurz, sie hatte zwei Töchter und war bei einem großen Finanzdienstleister beschäftigt. Seltsam ist nur, dass die DNA, der Toten nicht mit unserer Probe in der Datenbank übereinstimmt. Da muss jemand die Probe vertauscht haben.“

Hast Du eine Adresse gefunden?“, unterbrach sie Wolff, der einen Monolog über die Unachtsamkeit im Umgang mit Beweismittel befürchtete.

Ja die Familie hat ihren Wohnsitz in Hietzing gehabt. Es ist eine noble Wohngegend, wo nur wohlhabende Bürger wohnen.“ Wolff warf ihr über den Tisch seinen Autoschlüssel zu und deutete zur Tür. Romana trug nur schnell sowohl die Abwesenheit der Beiden als auch den Ort ihres Aufenthaltes in den Kalender am Computer ein und beeilte sich ihrem Chef zu folgen.

Während sie zum Wohnsitz der Familie Kurz unterwegs waren, fiel Wolff die Schweigsamkeit seiner Assistentin auf. Wie er zu seinem Bedauern feststellen musste, beging er den Fehler, sie nach den Ursachen ihrer Sprachlosigkeit zu fragen. Ausführlich während der ganzen Fahrt sprach sie über die Probleme ihrer Beziehung zu seinem Freund und zuständigen Untersuchungsrichter Dr. Johann Neubauer. „Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll. Ich fühle mich zu ihm hingezogen, aber ich fürchte eine tiefere Beziehung. Herbert, was soll ich bloß tun?“, beendete sie zur Freude von Wolff ihre Litanei.

Da sie gerade das kurzsche Haus erreicht hatten, war er zu seiner Erleichterung von einer Antwort auf diese Frage entbunden. Gleich nachdem sie eingeparkt hatte, verließ er fluchtartig das Fahrzeug und eilte mehr als zielstrebig auf die Gartentüre zu. Romana konnte Wolff kaum folgen. Sie hechelte ihm hinterher. Als sie ihn endlich eingeholt hatte, hörte sie, wie die Gartentür entriegelt wurde und ihnen Zutritt zum Grundstück gewährte. An der Eingangstüre der altehrwürdigen Villa, die wie Wolff schätzte, in der Gründerzeit erbaut worden war, erwartete die Beiden bereits eine junge Frau, die ein Kleinkind am Arm hielt.

Guten Morgen Fräulein Kurz, mein Name ist Wolff und das ist Frau Mitterbauer, wir kommen von der Kriminalpolizei Wien.“, stellte Wolff sich und seine Begleiterin artig vor. „Können wir Ihnen einige Fragen stellen?“, setzte Wolff seine Rede fort.

Die junge Frau deutete Ihnen, das Haus zu betreten, und schloss die Tür. Sie führte die Kriminalisten noch immer schweigend in ein sehr geräumiges Wohnzimmer, das im Gegensatz zu der verstaubten Bauweise des Hauses modern eingerichtet war. Mit einem Handzeichen machte sie Wolff und seiner Assistentin klar, dass sie in der riesigen, weißen ledernen Wohnlandschaft Platz nehmen sollen. Sie verließ den Raum mit dem Baby am Arm und kehrte nach kurzer Zeit alleine zurück.

Guten Morgen Herr Wolff, guten Morgen Frau Mitterbauer.“, waren die ersten Worte, die sie an die beiden richtete. „Lukas war gerade eingeschlafen, meine Stimme hätte ihn wieder geweckt, daher mein stummes und unhöfliches Benehmen bei ihrem Eintritt. Wollen Sie einen Kaffee oder sonst etwas zu trinken?“, erklärte sie ihr ungewöhnliches Verhalten.

Als Wolff das Angebot abgelehnt hatte, setzte sich die junge Frau, die noch immer nicht ihren Namen genannt hatte nieder.

Mein Name ist jetzt Michaela Langwallner, ich bin seit einem Jahr verheiratet. Kurz war mein Mädchenname. Was wollen Sie von mir? Habe ich einen Strafzettel nicht beglichen oder sonst irgendetwas angestellt? Oder kommen sie wegen meines Vaters?“, übernahm Frau Langwallner das Gespräch.

Bitte Frau Langwallner, regen Sie sich nicht auf. Wir sind hier, weil wir eine Frauenleiche gefunden haben, die mit ihrer vermissten Mutter identisch sein könnte.“, erwiderte Wolff.

Die Frau blickt ihn völlig entgeistert an und murmelte abwesend: „Meine Mutter? Das kann nicht sein, sie wird vermisst und ist nicht tot.“, leugnete die junge Frau die Feststellung des Kriminalisten.

Frau Langwallner es tut mir leid, aber wir müssen uns Gewissheit verschaffen, ob die gefundene Tote tatsächlich ihre Mutter Frau Mag. Karin Kurz ist. Bei der Untersuchung des Verschwindens ihrer Mutter ist den Beamten vermutlich ein Irrtum unterlaufen, die DNA der Toten stimmt nicht mit der aus dem Vermisstenakt überein. Wir würden Sie daher heute bitten, uns eine DNA-Probe zu überlassen. Das erspart Ihnen eine persönliche Identifizierung der Leiche.“, sagte Wolff und dachte: ‚und uns eine Menge Zeit.’ Michaela, die nicht mehr sprechen konnte, nickte zustimmend und der Polizist, deutete genauso sprachlos, dass Romana den Abstrich vornehmen solle. Die Assistentin erfüllte Wolffs unausgesprochenen Wunsch sofort, und die Untersuchungsbeamten verließen nach einer kurzen Verabschiedung die Villa und ließen eine tief trauernde Frau zurück.

Erst als Romana das Auto gestartet hatte und sie losfuhr, brach Wolff sein Schweigen. „Was ist Dir aufgefallen Romana?“

Dass der mögliche Tod ihrer Mutter Frau Langwallner überrascht hat?“