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Nächte voller Sinnlichkeit und Magie: Seit der italienische Bankier Adriano Cavalieri in Las Vegas die sexy Kellnerin Nyra geheiratet hat, erlebt er einen nie gekannten Rausch der Lust. Doch dann bekommt er erotische Fotos zugespielt, die Nyra in einer eindeutigen Situation mit einem anderen Mann zeigen. Rasend vor Wut verbannt er sie aus seinem Leben. Ein Fehler? Wenig später entdeckt findet er eine mögliche Erklärung. Ist Nyra doch nicht so skrupellos wie gedacht? Oder ist er gerade dabei, sein Herz an eine berechnende Betrügerin zu verlieren?
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Seitenzahl: 202
Veröffentlichungsjahr: 2025
Tara Pammi
Geheimnis unter italienischer Sonne
IMPRESSUM
JULIA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© Deutsche Erstausgabe 2025 in der Reihe JULIA, Band 122025by Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg Übersetzung: Dorothea Ghasemi
© 2025 by Tara Pammi Originaltitel: „Her Twin Secret“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Abbildungen: Harlequin Books S. A., Astalor / Getty Images, alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 06/2025 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751534888
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. Jegliche nicht autorisierte Verwendung dieser Publikation zum Training generativer Technologien der künstlichen Intelligenz (KI) ist ausdrücklich verboten. Die Rechte des Autors und des Verlags bleiben davon unberührt. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Adriano Cavalieri, Vorstandsvorsitzender einer der angesehensten Privatbanken Italiens, war gerade von einer anstrengenden Geschäftsreise durch Südostasien zurückgekehrt. Das Letzte, was er jetzt brauchte, war der eindeutige Beweis für die Untreue seiner Frau.
Schon gar nicht in Form von Fotos, die besser in ein schmutziges Boulevardblatt gepasst hätten als auf seinen Schreibtisch.
Er hatte sich besagte Ehefrau, die noch vor neun Monaten als Kellnerin und Tänzerin in Las Vegas gearbeitet hatte, aus einem verrückten, völlig uncharakteristischen Impuls heraus zugelegt. Und jetzt bekam er die Rechnung dafür. Vierunddreißigjähriger Milliardär heiratet mittellose Zweiundzwanzigjährige – es war ein richtiges Klischee.
Selbst nach all den Monaten spekulierten die Medien immer noch über seine Wahl, angeheizt von der Tatsache, dass Nyra nie in der Öffentlichkeit erschien.
Allerdings hätte auch Adriano selbst nichts Vernünftiges zu seinen Beweggründen für diese Heirat sagen können. Nyra war nicht einmal außergewöhnlich schön. Mit ihren markanten Wangenknochen, der ebensolchen Nase und dem großen Mund war sie eher eine herbe Schönheit, wie man sie bisweilen auf den Laufstegen dieser Welt zu sehen bekam. Bei ihrer ersten Begegnung in einem Casino in Las Vegas hatte sie wild wie eine Straßenkatze auf ihn gewirkt – und genauso mager. Das schwarze Cocktailkleid, das sie als Kellnerin tragen musste, hatte geradezu an ihr geschlackert.
Das einzig Üppige an Nyra waren ihre vollen Lippen und ihre braunen Augen gewesen, die wunderschön funkelten und eine ungewöhnliche Tiefe verrieten, wenn sie lächelte.
Denn sie hatte ihn damals angelächelt – und damit das Eis um sein Herz zum Schmelzen gebracht.
Wenn Adriano die Augen schloss, erinnerte er sich selbst jetzt daran, wie sie sich am Spieltisch über ihn gebeugt hatte. Ihre dunklen Locken hatten sie beide für einen kurzen Moment vor den Blicken der anderen verborgen. „Bitte tun Sie so, als wären wir zusammen, Mr. Cavalieri“, hatte sie leise gesagt.
Ein Moment, in dem ihre Blicke sich begegnet waren, eine geflüsterte Bitte, eine flüchtige Berührung ihrer Lippen an seiner Wange, und er hatte sich völlig an sie verloren.
Und nun, da er die skandalösen Fotos auf seinem Schreibtisch betrachtete, auf dem sie gezeigt wurde, wie sie ihre Sinnlichkeit mit einem anderen Mann auslebte, die vollen Lippen geöffnet, den Kopf zurückgeworfen, fragte er sich, ob jener Moment im Casino inszeniert gewesen war.
Adriano schloss die Augen und wünschte, er hätte diese Fotos nie zu sehen bekommen. Und das war seltsam, denn er schreckte sonst nie vor der Wahrheit zurück.
Wie gut Bruno, sein Halbbruder, Sicherheitschef und seit mehr als zwanzig Jahren sein bester Freund, ihn doch kannte! Denn Bruno hatte ihn auf dem Rückflug vorgewarnt und gesagt, dass es im Hinblick auf Nyra Unerfreuliches geben würde. Zugleich hatte er darum gebeten, noch weitere Nachforschungen anstellen zu dürfen.
Während er die Beziehung zu seiner Frau selbst nicht verstand, schienen Bruno und selbst Adrianos ehemaliges Kindermädchen Maria sie gutzuheißen. Und bei Maria handelte es sich immerhin um einen der wenigen Menschen, denen Adriano immer bedingungslos vertraut hatte.
Da Nyra sich in den vergangenen Wochen ausgesprochen seltsam verhalten hatte, war Adriano schon beim Antritt seiner langen Geschäftsreise auf schlechte Nachrichten eingestellt gewesen.
Er wusste ja, dass Nyra heimlich ihren Ehering verkauft hatte. Seiner Mutter zufolge hatte sie auch einige wertvolle Erinnerungsstücke aus der Familienvilla hier am Comer See zu Geld gemacht. Dinge, die seine Eltern trotz allen Zanks in Ehren hielten, weil irgendwelche Vorfahren sie mal von irgendeinem Herzog oder König geschenkt bekommen hatten.
Zuerst hatte er über die Behauptung seiner Mutter gelacht, und über das verlogene Entsetzen seines Vaters darüber, dass er eine gewöhnliche Diebin in die Familie gebracht habe. Es würde ihrem Ruf schaden, hatten sie beide erklärt, obwohl sie selbst seit drei Jahrzehnten fremdgingen und jeder es wusste.
Doch nachdem Bruno Nachforschungen über die fehlenden Erbstücke angestellt hatte, musste Adriano erfahren, dass die Behauptungen der beiden stimmten.
Und dann waren da ihre Trips nach London, von denen er nur durch Zufall erfahren hatte, als er Nyra von seiner Limousine aus in einem heruntergekommenen Stadtteil sah. Als er sie später darauf ansprach, hatte sie gelacht und behauptet, er habe sich geirrt, denn sie habe zu der Zeit im Apartment an ihrem neuesten Gemälde gearbeitet.
Von Bruno hatte er später erfahren, dass sie tatsächlich mindestens zweimal nach London gefahren war. Trotzdem hatte Adriano nichts gesagt und darauf gewartet, dass Nyra zu ihm kommen und mit ihm reden würde.
Dann waren andere Gegenstände verschwunden, wie zum Beispiel seine Manschettenknöpfe aus Platin und die Diamantkette, die seine Mutter ihr geschenkt hatte, die Nyra aber nie gemocht hatte. Und es wäre ihm nie aufgefallen, wenn er nach all den seltsamen Vorgängen nicht darauf geachtet hätte.
Tatsächlich hatte Adriano sogar versucht, Nyras Verhalten als nicht diagnostizierten Fall von Kleptomanie zu rechtfertigen. Allerdings hortete sie die gestohlenen Gegenstände offenbar nicht und hatte auch ihre Gewohnheiten nicht geändert. Selbst nach der Hochzeit kleidete sie sich weiter so nachlässig wie eine Hippiekünstlerin. Am liebsten trug sie abgelegte Hemden oder Pullover von ihm! Sehr zur Bestürzung seiner Mutter – und manchmal auch zu seiner.
In den neun Monaten ihrer Ehe hatte sie keinerlei Interesse an Designerkleidung, teurem Schmuck oder an der Rolle der repräsentierenden Frau an seiner Seite gezeigt. Sie hatte ihn nie zu irgendwelchen Essen mit Gästen aus seinen Kreisen begleitet.
Nach einer ihrer Marathon-Sexsessions in dem Apartment im Navigli-Viertel von Mailand, das Nyra so gut gefiel, hatte sie ihm ein Geständnis gemacht. Sie hatte erzählt, sie würde nur malen, lesen und auf der Suche nach Inspirationen in Cafés sitzen wollen, wenn er unterwegs sei, und dass sie so viel ungestörte Zeit mit ihm verbringen wolle wie möglich, wenn er sich in Mailand aufhielt.
Letzteres berauschte ihn derart, dass er die ständigen Forderungen seiner Mutter, dass seine Frau mehr an seinem Leben teilhaben müsste, immer abgeschmettert hatte. Sie hatten sich sogar eine Art häusliches Glück geschaffen, indem Adriano sein Zusammenleben mit Nyra strikt von seiner Arbeit, seinen gesellschaftlichen Verpflichtungen und sogar von seiner Familie trennte. Insgeheim hatte er es genossen, seine Frau für sich zu behalten.
Ab und zu, außerhalb der gemütlichen Wohnung und fern von Nyras süßen Umarmungen, waren ihm Zweifel gekommen und er hatte seine Ehe für verrückt gehalten. Doch im nächsten Augenblick hatte er alles damit vor sich gerechtfertigt, dass er Nyra ja als ein teures Hobby sehen konnte. Ein Hobby, das er sich in einem Moment zugelegt hatte, in dem er ausnahmsweise einmal über die Stränge geschlagen hatte.
Schließlich hatte Adriano etliche Jahre seines Lebens damit verbracht, pflichtbewusst die familieneigene Bank auszubauen und das Vermögen zu vermehren, die katastrophale Ehe seiner Eltern zusammenzuhalten und sich um die unehelichen Halbbrüder und Halbschwestern zu kümmern, die diese gezeugt hatten.
Sich eine Auszeit von seinem Leben zu nehmen und lange, leidenschaftliche Nächten mit Nyra zu verbringen, zu zweit allein zu sein, während sie malte und er arbeitete, war zu seiner Flucht geworden. Zu seinem sicheren Ort.
Er hatte erwartet, dass sie sich früher oder später miteinander langweilen würden, dass die Leidenschaft zwischen ihnen nachlassen, ihre geradezu geheime Beziehung ihren Reiz verlieren würde. Dann hätte er ihr eine nette Abfindung gezahlt, damit Nyra bis an ihr Lebensende abgesichert wäre, und sich in aller Stille von ihr scheiden lassen.
Mit dem hier hatte er allerdings nicht gerechnet … Mit diesem Verrat, der ihn bis ins Mark erschütterte. Adriano zitterte vor Wut, und ihm war kalt. Aber das drängendste Gefühl war Schmerz.
Warum hatte sie das getan?
Warum hatte sie ihn nicht einfach um Geld gebeten? Hatte sie ihre Leidenschaft nur vorgetäuscht? Oder hatte sie einen neuen Mann gefunden und die Sicherheit, die Adriano ihr bot, noch nicht aufgeben wollen?
So viele Lügen … Und nun konnte er nicht mehr unterscheiden, was real und was vorgetäuscht gewesen war.
Immer wieder ließ Adriano den Blick zu den Fotos schweifen, auf denen Nyra sich halb nackt in den Armen eines anderen wand. Ihm schnürte sich die Kehle zu. Und ihm wurde klar, wie sehr diese Frau ihm unter die Haut gegangen war und wie hart ihr Verrat ihn traf. So hart, dass er sich vielleicht nie wieder davon erholen würde.
Gequält stöhnte er auf, und es klang wie der unterdrückte Schrei eines Mannes, der nur selten Gefühle zuließ. Dann barg Adriano das Gesicht in den Händen und versuchte vergeblich, das Gefühl zu unterdrücken, dass er gerade etwas sehr Kostbares verloren hatte.
Nyra Shah Cavalieri sah ihren Ehemann Adriano an, der ihr gegenüber an dem langen Mahagonitisch saß. Allerdings hatte er sie während dieses schier endlosen Abendessens, das sich schon seit zwei Stunden hinzog, bisher keines Blickes gewürdigt.
Seufzend blickte sie durch die Glasfront auf den Comer See. Doch der Anblick der grünen Hügel und der bezaubernden kleinen Orte heiterte sie nicht auf. Die untergehende Sonne färbte den Himmel rosa und orange, aber nicht einmal die Künstlerin in ihr konnte die fantastische Aussicht genießen.
Diese Villa war ihr immer mehr wie ein Gefängnis als wie ein Zuhause erschienen. Normalerweise hielt sie sich nur hier auf, wenn Adriano auf Reisen war. Und dann war sie immer den Sticheleien und dem Unsinn ausgesetzt, den seine vermeintlich so kultivierten Eltern und seine jüngeren Geschwister Fabiola und Federico von sich gaben. Sie hatten sie als Mitgiftjägerin und Hexe bezeichnet, und seine Mutter Nigella hatte sie sogar schon als Flittchen beschimpft.
Doch es prallte an ihr ab. Manchmal fragte Nyra sich sogar, wie diese privilegierten Leute reagieren würden, wenn sie die ganze Wahrheit über sie erfuhren. Wenn sie wüssten, wie sehr sie den Ruf der Familie schädigen könnte. Am meisten beunruhigte sie jedoch die Vorstellung, wie Adriano reagieren würde. Bei dem Gedanken daran, Verachtung, ja Abscheu in seinen graugrünen Augen zu sehen, krampfte ihr Magen sich zusammen.
Ihr Mann war sehr reserviert, und selbst nach all den Monaten wusste Nyra immer noch nicht, warum er sie geheiratet hatte. Nicht, dass sie ihn je danach gefragt hätte.
Wenn er nicht hier war, wenn seine Berührungen sie nicht auf den Boden der Tatsachen brachten, dann erschien ihr dieses Leben, das er ihr geschenkt hatte, wie ein farbenfroher Tagtraum. Vielleicht trafen Nigellas Beschimpfungen sie nicht, weil sie insgeheim glaubte, sie wäre tatsächlich eine Hochstaplerin, die man jeden Moment entlarven könnte.
Sie hielt sich viel lieber in dem gemütlichen Apartment in Navigli auf. Allerdings gehörte ihr auch dort nichts. Mal abgesehen von den Malutensilien, die Adriano ihr geschenkt hatte. Dennoch war es ihr gemeinsames Reich – das Schlafzimmer mit dem riesigen Himmelbett, der herrliche Wintergarten, in dem sie malte, und der kleine Balkon mit dem Blick auf das belebte Ufer mit den gemütlichen Cafés.
Und nun würde sich all das ändern. Unwiderruflich.
Vor Aufregung und Angst begann Nyra, am ganzen Körper zu zittern.
Nachdem sie monatelang mit Adriano auf einer anderen Ebene geschwebt war, holte die Realität sie nun ein. Und Nyra wurde bewusst, wie sehr sie sich wünschte, dieses Leben mit ihm aufzubauen, denn sie spürte, wie vielversprechend die Zukunft für sie beide sein könnte. Für sie beide – und für ihre wachsende Familie.
Familie … Dies war eine neue Chance, der Anfang von etwas, wovon sie nie zu träumen gewagt hätte.
Aber wie sollte sie ihm diese enorme Neuigkeit mitteilen, wenn Adriano sie nicht einmal eines Blickes würdigte? Warum hatte sie das Gefühl, dass irgendetwas ganz falsch war?
Sie war durch den Orangenhain geschlendert, und als er das Haus betrat, war sie ihm in die Eingangshalle gefolgt, doch er hatte sie kaum beachtet und war gleich nach oben gegangen. Dann hatten sie alle zusammen Cocktails getrunken, und sie hatte die aufsteigenden Tränen unterdrückt, als Nigella eine Bemerkung darüber machte, dass er sie gar nicht richtig begrüßte.
Wie würde er auf die Neuigkeit reagieren, dass sie schwanger war? Vor allem nach jenem seltsamen Abend vor seiner Abreise vor vier Wochen?
Wie immer hatten sie sich leidenschaftlich geliebt, doch er hatte in den leidenschaftlichen Stunden so anders gewirkt. Als wäre er gleichzeitig fasziniert und frustriert von ihr. Und da keiner von ihnen gern telefonierte, hatten sie während seiner Abwesenheit nicht miteinander gesprochen.
Nyra spielte mit dem falschen Diamantring an ihrem Finger und fragte sich, ob das ihre Schuld war. Sie hatte ihr gemeinsames harmonisches Leben mit ihren Lügen, Diebstählen und heimlichen Trips nach London empfindlich gestört. Aber wie hätte sie nicht versuchen können zu helfen …?
Entsetzt ließ sie den Blick zu Adriano schweifen. Wusste er Bescheid? Hatte er herausgefunden, was sie getan hatte?
Im nächsten Moment hielt er ihren Blick fest, und sie erwiderte ihn hilflos, während Verlangen, Panik und tausend andere Emotionen sie überkamen. Sie wollte nur von ihm in den Armen gehalten zu werden. Wieder von ihm berührt werden. In den Genuss seines schiefen Lächelns kommen, das er nur ihr schenkte.
Verlangen überwältigte sie, als er seine Aufmerksamkeit auf einen Cousin richtete, der ihn etwas gefragt hatte.
Verdammt, durfte sie ihren Mann nicht ohne Publikum begrüßen? Warum mussten sie alle jeden Freitag bei diesen schrecklich langen Sechs-Gänge-Menüs zusammensitzen? Und ausgerechnet heute?
Schließlich stand Adriano seinen Eltern nicht nahe. Es schien ihr, als würde er die beiden nur tolerieren. So wie sie seine Machtstellung tolerierten, weil er ihnen ihren luxuriösen Lebensstil ermöglichte.
Warum mussten sie Zeugen seines Zorns werden? Oder was auch immer er heute mit ihr austrug …
Plötzlich fühlte sie sich wie Aschenputtel, dessen Kutsche und Kleid jeden Moment verschwinden könnten. Nur die Uhr funktionierte nicht und war eine Minute vor Mitternacht stehen geblieben.
Nach einer gefühlten Ewigkeit räusperte Nyra sich laut genug, dass alle Gespräche um sie verstummten. „Adriano, können wir bitte reden? Unter vier Augen“, brachte sie hervor.
Schweigend erwiderte er ihren Blick. Der kalte Schweiß brach ihr aus.
Adriano wusste Bescheid.
„Ich habe eine große Feier anlässlich eurer … Hochzeit arrangiert“, ließ Nigella sich schließlich vernehmen. „Zwar spät, aber es ist nötig, Adriano. Alle reden über dich. Nicht nur über sie.“
„Was meinst du damit, Mama?“, fragte er.
„Man sagt, eure Ehe sei keine richtige. Dass du ein gerade mal volljähriges Mädchen aus Las Vegas gekidnappt hast und sie hier als deine Geliebte gefangen hältst. Und dass du es deshalb nicht wagst, dich mit ihr in der Öffentlichkeit zu zeigen.“
„Man muss sie sich doch nur ansehen“, lachte sein jüngerer Bruder Federico, Nyras Meinung nach ein verzogenes Gör. „Und dann weiß man, dass sie mehr ein Hausmädchen als eine Geliebte ist, Mama.“ Er stieß Fabiola mit dem Ellbogen an. „Du bist doch die Queen der sozialen Medien, Fabi. Kannst du deinen Followern nicht klarmachen, dass unser Bruder nur an einer vorübergehenden geistigen Verwirrung leidet?“
Sichtlich schockiert lehnte Adriano sich zurück und verschränkte die Arme, einen harten Zug um den Mund. Wartete er darauf, dass Nyra sich jetzt verteidigte, oder wollte er abwarten, wie weit seine Familie sie noch herabwürdigte?
Fabi musterte sie aus ihren dunklen Augen und zögerte kurz. Doch dann bemerkte sie höhnisch: „Ihr Hippie-Look passt kaum in mein Fashionista-Raster, Federico.“
Alle anderen am Tisch schnauften verächtlich.
„Man kann wohl kaum erwarten, dass sie sich in Mode- oder Benimmfragen mit unserer Familie messen kann“, erklärte Nigella. „Aber was mich wirklich stört, ist, dass sie sich nicht einmal Mühe gibt. Nyra, du ruinierst seinen Ruf und …“
„Es reicht, Mama“, fiel Adriano ihr trügerisch ruhig ins Wort.
Noch nie hatte er miterlebt, wie seine Geschwister oder seine Mutter Nyra so unverhohlen angriffen. Er ahnte nicht einmal, was diese ihr an den Kopf warfen, denn sie hatte nie mit ihm darüber gesprochen. Dass sie es taten, schien ihn zu verblüffen.
Was er allerdings nicht begriff, war, dass sie sich heute noch mehr herausnahmen und anscheinend immer nur auf ein Stichwort von ihm warteten, wie eine wütende Meute, die dem Alphatier folgte, bereit, den Schwächeren fertigzumachen.
Nein, sie war nicht schwächer als er.
Sie war jünger, sie hatte keine Macht und keinen Einfluss. Sie war mittellos, aber nicht schwächer. Und sie hatte überlebt, bevor er in ihr Leben gestürmt war, hatte viel Schlimmeres überstanden als die Sticheleien seiner Familie. Allein.
Und was Federico anging, so war sie mit viel gefährlicheren Männern fertiggeworden. „Wenn du glaubst, eine Hausangestellte wäre schlimmer als eine Geliebte, Federico …“, begann Nyra spöttisch lächelnd. „Dann befindest du dich auf dem dir vorbestimmten Weg, nicht mehr als eine Fußnote im großen Geschichtsbuch der Familie Cavalieri zu werden. Tut mir leid, aber für dich wird es keine Marmorbüste geben, Kumpel.“
„Ich bin nicht dein Kumpel“, konterte Federico, wobei er das letzte Wort verächtlich betonte.
Nyra zuckte die Schultern und glaubte, etwas in Adrianos Augen aufflackern zu sehen. Belustigung vielleicht. Oder Anerkennung. Doch als sie ihn wieder anblickte, sah sie nur Eiseskälte.
Auch Nigella funkelte sie nun kalt an. „Wie kannst du es wagen, so mit ihm zu reden? Adriano …“
„Was glaubst du, was Adriano mir sagen wird, Nigella? Ich bin nicht sein Hündchen, das Befehle entgegennimmt.“
Nun herrschte eisiges Schweigen, denn sie hatte vorher noch nie gekontert. Aber die Dinge mussten sich ändern.
„Hunde sind loyale Wesen.“ Adriano hob sein Glas an die Lippen.
„Stimmt“, bestätigte Nyra.
Hielt er sie für illoyal, weil sie ein paar Klunker aus seiner Villa entwendet hatte?
Okay, in den Augen eines Mannes mit so hohen Ansprüchen, dass sein hervorragender Ruf in der Finanzwelt sogar ihr zu Ohren gekommen war, war sie es vielleicht. Aber würde er ihr nicht die Chance geben, es zu erklären? Und warum tat er dies in Gegenwart aller anderen? Seit sie ihn kannte, hatte er seine Machtstellung noch nie ausgenutzt. Und genau das hatte sie so an ihm fasziniert.
Nyra befeuchtete sich die bebenden Lippen. Sie weigerte sich, ihren Schmerz zu zeigen. „Ich schätze, das mit dem Hündchen war kein guter Vergleich.“ Dann wandte sie sich an Nigella. „Ich habe keine Ahnung, warum ihr euch alle so von mir bedroht fühlt, aber ich spiele dieses Spielchen nicht mehr mit.“
Fabi stieß einen schockierten Laut aus.
„Ich wollte nie Macht oder irgendeine Stellung in eurer Familie haben. Und eure ständigen giftigen Bemerkungen sind … ermüdend. Aber ja, wenn ihr eine verdammte Feier veranstalten und mich vorzeigen wollt, bin ich bereit, es zu versuchen.“ Dann wandte sie sich an Adriano. „Wenn du das von mir willst.“
Sie wusste nicht, ob er ihre Verzweiflung hören konnte.
In seinen Augen blitzte schwarzer Humor auf. „Ich habe schon einmal den Fehler gemacht, Erwartungen an dich zu stellen, cara. Und du hast sie enttäuscht. Ziemlich stark sogar.“
Sie hatte ein Gefühl im Bauch, als wäre sie plötzlich in einem Aufzug um viele Meter abgesackt.
Schockiert blickten alle erst sie und dann ihn an.
„Wovon redest du eigentlich?“, fragte Nigella. „Hatte ich recht damit, dass sie eine Diebin ist?“
Nyra spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich.
Adriano faltete seine Serviette zusammen und legte sie auf seinen Teller, obwohl er sein Essen kaum angerührt hatte. „Es wird keine Feier geben. Wenigstens hat die Welt nicht meine vorübergehende Unzurechnungsfähigkeit mitverfolgt, wie Federico es so passend ausgedrückt hat.“
Der Ausdruck in Nigellas Augen verriet unverhohlene Schadenfreude. „Was meinst du, Adriano?“
Die Kehle schnürte sich ihr zu, während Nyra zwei Dinge gleichzeitig wahrnahm. Ihre naive Entscheidung, nur an einem Teil von Adrianos Leben teilzunehmen, war idiotisch gewesen. Sie hatte dazu geführt, dass seine Familie und auch alle anderen annahmen, er habe sie versteckt, weil er sich ihrer schäme. Und das Zweite das viel Schlimmere war, dass jetzt der Moment gekommen war, den sie sogar schon in jener schäbigen Kapelle in Las Vegas gefürchtet hatte.
Die Uhr hatte Mitternacht geschlagen, und ihre Kutsche, ihr Ballkleid und ihre gläsernen Schuhe würden gleich verschwinden. Und mit ihnen auch ihr geheimnisvoller, grüblerischer Prinz.
Adriano stand unvermittelt auf und blickte auf sie herab, als wäre sie ein Insekt unter seinen handgenähten italienischen Schuhen. In dem weißen Designerhemd, das am Kragen offen stand, sah er aus wie der Held aus einem Schauerroman, wie sie sie früher eine Zeit lang gelesen hatte. Irgendwann hatte sie damit aufgehört, weil sie selbst genug Angst und Kummer durchlebte.
„Wir werden deshalb nicht feiern, weil diese Ehe vorbei ist. Nyra …“ Sie glaubte, seine Mundwinkel zuckten, als er ihren Namen aussprach. „… wird heute abreisen.“
Seine Worte klangen ebenso emotionslos wie endgültig.
„Nein“, entgegnete sie automatisch, während ihre Brust sich hob und senkte. Unter dem Tisch fasste Nyra sich unwillkürlich an den flachen Bauch, als würde sie sich des winzigen Lebens in ihr vergewissern müssen. „Tu das nicht, Adriano, bitte.“
„Bruno wird alle Vorkehrungen für dich treffen.“
„Nein, Adriano. Das bist du nicht …“
„Du kennst mich überhaupt nicht, Nyra. Und du hast bewiesen, dass ich dich auch nicht kenne. Überhaupt nicht.“
Die Ehe zu beenden war nicht das Schlimmste, was er ihr angetan hatte. Ihre Augen füllten sich mit heißen Tränen, und sie biss sich so heftig auf die Lippe, dass sie Blut schmeckte.
Sie hielt seinem Blick stand, obwohl sie innerlich zerbrach.
Er war es, der schließlich den Blick senkte, bevor er sich abwandte und ging. Der rücksichtslose Milliardär Adriano Cavalieri – dessen Liebenswürdigkeit sie mehr als alles andere angerührt hatte, überließ sie den Aasgeiern.
Alle um sie herum begannen aufgeregt zu flüstern, selbstgefällige Bemerkungen zu machen und sogar erleichtert zu lachen. Alles drängte sie, weit wegzulaufen und sich zu verstecken. Das hatte sie schon einmal getan, und das konnte sie gut. Sich in ein Versteck zurückziehen, statt das Leben in vollen Zügen zu genießen.
Und Adriano war mit seinen warmen Berührungen und heißen Küssen ein wundervoller Zufluchtsort gewesen.
Nein, sie würde nicht gehen, ohne zu erfahren, warum er Schluss machte. Nyra würde ihn mit ihrem gebrochenen Herzen konfrontieren. Und dann würde sie hoch erhobenen Hauptes gehen.
Bruno Mendaci, Adrianos Sicherheitschef und das, was einem Freund am nächsten kam – und der Einzige im Clan der Cavalieri, den auch Nyra als Freund bezeichnen konnte –, stand Wache vor der riesigen Flügeltür zu Adrianos Arbeitszimmer.
Ein Schauer lief ihr über den Rücken, als Nyra diese Tür betrachtete.
Und als sie den Blick zu seinen Schultern schweifen ließ und seine Anspannung bemerkte, hatte sie plötzlich das Gefühl, dass Bruno nicht wirklich Wache stand, um Adriano zu beschützen. Sondern dass er im Augenblick ziemlich froh darüber war, dass diese Tür ihn von seinem Halbbruder trennte. Er stand Adriano näher als dessen Bruder Federico. Doch trotz ihrer Neugierde hatte sie Adriano nie nach ihrer Beziehung gefragt.
Als sie sich ihm näherte, drehte Bruno sich um.
Nach dem Abendessen empfand sie die Stille in der Villa als besonders befremdlich. All die Cousinen und Cousins waren plötzlich verschwunden, sicher um die Neuigkeit zu verbreiten, dass Adriano seine Ehe beendet hatte. Womöglich würden sie die Story sogar an irgendein Boulevardblatt verkaufen.
Nyra atmete tief durch.
Es war überhaupt nicht Adrianos Art, persönliche Dinge vor seiner Familie auszusprechen. Warum jetzt? Warum hatte er sie derart erniedrigt?
„Es wäre besser, ihn jetzt nicht zu stören“, sagte Bruno warnend und mitfühlend zugleich.