Gesammelte Gedichte (851 Titel in einem Buch) - Christian Morgenstern - E-Book

Gesammelte Gedichte (851 Titel in einem Buch) E-Book

Christian Morgenstern

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Beschreibung

Dieses eBook wurde mit einem funktionalen Layout erstellt und sorgfältig formatiert. Die Ausgabe ist mit interaktiven Inhalt und Begleitinformationen versehen, einfach zu navigieren und gut gegliedert. Inhalt: In Phanta's Schloß Auf vielen Wegen Horatius Travestitus Ich und die Welt Ein Sommer Und aber ründet sich ein Kranz Alle Galgenlieder: Galgenlieder Palmström Palma Kunkel Der Gingganz Zeitgedichte Melancholie Osterbuch Einkehr Ich und Du Wir fanden einen Pfad Stufen - Eine Entwickelung in Aphorismen und Tagebuch-Notizen Christian Otto Josef Wolfgang Morgenstern (1871 - 1914) war ein deutscher Dichter, Schriftsteller und Übersetzer. Besondere Bekanntheit erreichte seine komische Lyrik, die jedoch nur einen Teil seines Werkes ausmacht.

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Christian Morgenstern

Gesammelte Gedichte

(851 Titel in einem Buch)

In Phanta's Schloß + Auf vielen Wegen + Horatius Travestitus + Ich und die Welt + Ein Sommer + Und aber ründet sich ein Kranz + Galgenlieder + Palmström + Palma Kunkel + Osterbuch und mehr

Books

- Innovative digitale Lösungen & Optimale Formatierung -
2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-0342-0

Inhaltsverzeichnis

In Phanta’s Schloß
Auf vielen Wegen
Horatius Travestitus
Ich und die Welt
Ein Sommer
Und aber ründet sich ein Kranz
Alle Galgenlieder:
Galgenlieder
Palmström
Palma Kunkel
Der Gingganz
Zeitgedichte
Melancholie
Osterbuch
Einkehr
Ich und Du
Wir fanden einen Pfad
Stufen - Eine Entwickelung in Aphorismen und Tagebuch-Notizen

In Phanta’s Schloß

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

PROLOG
AUFFAHRT
IM TRAUM
PHANTA'S SCHLOSS
SONNENAUFGANG
WOLKENSPIELE
SONNENUNTERGANG
HOMO IMPERATOR
KOSMOGONIE
DAS HOHELIED
ZWISCHEN WEINEN UND LACHEN
IM TANN
DER ZERTRÜMMERTE SPIEGEL
DAS KREUZ
DIE VERSUCHUNG
DER NACHTWANDLER
ANDRE ZEITEN, ANDRE DRACHEN
DIE WEIDE AM BACHE
ABENDDÄMMERUNG
AUGUSTNACHT
MÄDCHENTRÄNEN
LANDREGEN
DER BELEIDIGTE PAN
MONDAUFGANG
MONDBILDER
ERSTER SCHNEE
TALFAHRT
EPILOG

DEM GEISTE FRIEDRICH NIETZSCHES

Sei's gegeben, wie's mich packte, mocht es oft auch in vertrackte Bildungen zusammenschiessen! Kritisiert es streng und scharf, – doch wenn ich Euch raten darf:

PROLOG

Inhaltsverzeichnis

Längst Gesagtes wieder sagen, hab ich endlich gründlich satt. Neue Sterne! Neues Wagen! Fahre wohl, du alte Stadt, drin mit dürren Binsendächern alte Traumbaracken stehn, draus kokett mit schwarzen Fächern meine Wunden Abschied wehn. Kirchturm mit dem Tränenzwiebel, als vielsagendem Symbol, Holperpflaster, Dämmergiebel, Wehmutskneipen, fahret wohl!

Hoch in einsam-heitren Stillen gründ ich mir ein eignes Heim, ganz nach eignem Witz und Willen, ohne Balken, Brett und Leim. Rings um Sonnenstrahlgerüste wallend Nebeltuch gespannt, auf die All-gewölbten Brüste kühner Gipfel hingebannt. Schlafgemach –: mit Sterngoldscheibchen der Tapete Blau besprengt, und darin als Leuchterweibchen Frau Selene aufgehängt.

Längst Gesagtes wieder sagen, Ach! ich hab es gründlich satt.Phanta's Rosse vor den Wagen! Fackeln in die alte Stadt! Wie die Häuser lichterlohen,

AUFFAHRT

Inhaltsverzeichnis

Blutroter Dampf .. Rossegestampf ..         »Keine Scenen gemacht!         Es harren         und scharren         die Rosse der Nacht.«

Ein lautloser Schatte, über Wiese und Matte empor durch den Tann, das Geistergespann .. Auf hartem Granit der fliegende Huf .. Fallender Wasser anhebender Ruf .. Kältendes Hauchen .. Wir tauchen in neblige Dämpfe .. Donnernde Kämpfe stürzender Wogen um uns.

Da hinauf der Hufe Horn! In die stäubende Schwemme, hoch über den Zorn sich sträubender Kämme empor, empor!

Aus klaffenden Wunden speit der Berg sein Blut gegen euch. Mit Wellenhunden fällt euch an der Hass der Höhe wider das Tal. Aber ihr fliegt, blutbespritzt, unbesiegt, empor, empor. Vor euch noch Farben verzuckenden Lebens, auf grünlichem Grau verrötender Schaum; hinter euch Schwarz und Silber, die Farben des Todes. Ein Schleier, an eure Mähnen geknüpft, schleppt geisterhaft nach. Wie ein Busentuch zieht ihr hinauf ihn über des Bergs zerrissene Brust.

Müde sprang sich der Sturzbach. Nur mit den Lippen wehrt er sich noch. Und bald wird er zum Kind und hängt sich selber spielend an eure Schweife.

Weiter! weiter!

Da! Winkende Gipfel im Sicheldämmer! Langsamer traben

IM TRAUM

Inhaltsverzeichnis

Wer möcht am trägen Stoffe kleben, dem Fittich ward zu Weltenflug! Ich lobe mir den süssen Trug, das heitre Spiel mit Welt und Leben. In tausend Buntgewande steck ich, was geistig, leiblich mich umschwebt; in jedem Ding mich selbst entdeck ich: nur der lebt Sich, der also lebt.

Mir ist, ich sei emporgestürmt über stürzende Wasserfälle. Mir engt's die Brust, um mich getürmt ahn ich schützende Nebelwälle. Aus dumpfen Regionen, aus Welten von Zwergen, trieb's mich fort, ob auf ragenden Bergen ein besserer Ort dem Freien, zu wohnen.

Es weht mir um die Stirne ein Hauch wie von Frauengewand .. Folgte zum steilen Firne mir wer aus dem Unterland? Es beugt sich zu mir nieder ein liebes, schönes Gesicht .. Glaubst Du, ich kenne Dich nicht, Sängerin meiner Lieder?Du bist ja, wo ich bin, mein bester Kamerade! Bei Dir trifft mich kein Schade, meine Herzenskönigin!

»Du flohest aus Finsternissen, mühsamen Mutes, ich weiss es. Du hast zerrissen Dein Herz, Dein heisses, und bei dem Leuchten Deines Blutes bist Du den dunklen Pfad weiter getreten, bis Du mich fandest und mit tiefen Gebeten mich an Dich bandest, dass ich Dich liebgewann, dem ringenden Mann ein treuer Kamerad.

Du brachst uralte Ketten und kamst heute Nacht in mein Reich. Ich will Dich betten an meiner Brust warm und weich, in Träumepracht deine Seele verzücken:der ganzen Welt Aussen und Innen sei Deinem Sinnen preisgestellt. Magst sie schmücken mit lachender Lust, magst sie tausendfach deuten und taufen, mit Berg und Wald, mit Wiese und Bach, mit Wolken und Winden, mit Sternenhaufen Dein Spiel treiben, Deinen Spass finden; brauchst nicht zu bleiben

PHANTA'S SCHLOSS

Inhaltsverzeichnis

Die Augenlider schlag ich auf. Ich hab so gross und schön geträumt, dass noch mein Blick in seinem Lauf als wie ein müder Wandrer säumt. Schon werden fern im gelben Ost die Sonnenrosse aufgezäumt. Von ihren Mähnen fliessen Feuer, und Feuer stiebt von ihrem Huf. Hinab zur Ebne kriecht der Frost. Und von der Berge Hochgemäuer ertönt der Aare Morgenruf.

Nun wach ich ganz. Vor meiner Schau erwölbt azurn sich ein Palast. Es bleicht der Felsenfliesen Grau und lädt den Purpur sich zu Gast. Des Quellgeäders dumpfes Blau verblitzt in heitren Silberglast. Und langsam taucht aus fahler Nacht der Ebnen bunte Teppichpracht.

All dies mein Lehn aus Phanta's Hand! Ein König ich ob Meer und Land, ob Wolkenraum, ob Firmament! Ein Gott, des Reich nicht Grenze kennt. Dies alles mein! Wohin ich schreite, begrüsst mich dienend die Natur: ein Nymphenheer gebiert die Flur aus ihrem Schoss mir zum Geleite;und Götter steigen aus der Weite des Alls herab auf meine Spur.

Das mächtigste, das feinste Klingen entlauscht dem Erdenrund mein Ohr. Es hört die Meere donnernd springen den felsgekränzten Strand empor, es hört der Menschenstimmen Chor und hört der Vögel helles Singen, der Quellen schüchternen Tenor, der Wälder Bass, der Glocken Schwingen.

Das ist das grosse Tafellied in Phanta's Schloss, die Mittagsweise. Vom Fugenwerk der Sphären-Kreise zwar freilich nur ein kleinstes Glied. Erst wenn mit breiten Nebelstreifen des Abends Hand die Welt verhängt und meiner Sinne masslos Schweifen in engere Bezirke zwängt – wenn sich die Dämmerungen schürzen zum wallenden Gewand der Nacht und aus der Himmel Kraterschacht Legionen Strahlenströme stürzen – wenn die Gefilde heilig stumm, und alles Sein ein tiefer Friede – dann erst erbebt vom Weltenliede, vom Sphärenklang mein Heiligtum.Auf Silberwellen kommt gegangen unsagbar süsse Harmonie, in eine Weise eingefangen, unendlichfache Melodie. Dem scheidet irdisches Verlangen, der solcher Schönheit bog das Knie. Ein Tänzer, wiegt sich, ohne Bangen, sein Geist in seliger Eurythmie.

Oh seltsam Schloss! bald kuppelprächtig gewölbt aus klarem Aetherblau; bald ein aus Quadern, nebelnächtig, um Bergeshaupt getürmter Bau;

SONNENAUFGANG

Inhaltsverzeichnis

Wer dich einmal sah vom Söller des Hochgebirgs, am Saum der Lande emporsteigen, aus schwarzem Waldschooss emporgeboren, oder purpurnen Meeren dich leicht entwiegend – wer dich einmal sah die bräutliche Erde aufküssen aus Morgenträumen, bis sie, von deiner Schwüre Flammenodem heiss errötend, dir entgegenblühte, in der zitternden Scham, in dem ahnenden Jubel jungfräulicher Liebe – der breitet die Arme nach dir aus, dem lösest die Seele du in Seufzer tiefer Ergriffenheit, oh, der betet dich an, wenn beten heisst: zu deiner lebenschaffenden Glutenliebe ein Ja und Amen jauchzen – wenn beten heisst:in den Aetherwellen des Alls bewusst mitschwingen, eins mit der Ewigkeit,

WOLKENSPIELE

Inhaltsverzeichnis

I

Eine grosse schwarze Katze schleicht über den Himmel. Zuweilen krümmt sie sich zornig auf. Dann wieder streckt sie sich lang, lauernd, sprungharrend. Ob ihr die Sonne wohl, die fern im West langsam sich fortstiehlt, ein bunter Vogel dünkt? Ein purpurner Kolibri, oder gar ein schimmernder Papagei? Lüstern dehnt sie sich lang und länger, und Phosphorgeleucht zuckt breit über das dunkle Fell der gierzitternden Katze.

II

Es ist, als hätte die Köchin des grossen Pan – und warum sollte der grosse Pan keine Köchin haben? Eine Leibnymphe, die ihm in Kratern und Gletschertöpfen köstliche Bissen brät und ihm des Winters Geysir-Pünsche sorglich kredenzt? – Als hätte diese Köchin eine Schüssel mit Rotkohl an die Messingwand des Abendhimmels geschleudert. Vielleicht im Zorn, weil ihn der grosse Pan nicht essen wollte ...

III

Wäsche ist heute wohl, grosse Wäsche, droben im Himmelreich. Denn seht nur, seht! wie viele Hemdlein, Höslein, Röcklein, und zierliche Strümpflein die gute Schaffnerin über die blaue Himmelswiese zum Trocknen breitet. Die kleinen Nixen, Gnomen, Eiben, Engelchen, Teufelchen, oder wie sie ihr Vater nennt, liegen wohl alle nun in ihren Bettchen, bis ans Kinn die Decken gezogen, und sehnlich lugend, ob denn die Alte ihren einzigen Staat, ihre weissen Kleidchen, nicht bald ihnen wiederbringe. Die aber legt ernst und bedächtig ein Stück nach dem andern noch auf den Rasen.

IV

Wie sie Ballet tanzen, die losen Panstöchter! Sie machen Phoebus den Abschied schwer, dass er den Trab seiner Hengste zum Schritt verzögert. Schmiegsam, wiegsam werfen und wiegen die rosigen Schleier sie zierlich sich zu, schürzen sie hoch empor, neigen sie tief hinab, drehn sich die wehende Seide ums Haupt.

Und Phoebus Apollo! Bezaubert vergisst er des heiligen Amts, springt vom Gefährt und treibt das Gespann, den Rest der Reise allein zu vollenden. Er selber, gehüllt in den grauen Mantel der Dämmrung, eilt voll Sehnsucht zurück zu den lieblichen, lockenden Tänzerinnen.

Zügellos rasen die Rosse von dannen. Der Gott erschrickt: Dort entschwindet sein Wagen, und hier – haben die schelmischen Töchter des Pan sich in waschende Mägde verwandelt. Durch riesige Tröge ziehen sie weisse, dampfende Linnen und hängen sie rings auf Felsen und Bäumen zum Trockenen auf und legen sie weit gleich einem Schutzwall auf Wiesen und Felder.

Ratlos steht der gefoppte Gott. Und leise kichern die Blätter im Winde.

V

Düstere Wolke, die du, ein Riesenfalter, um der abendrotglühenden Berge starrende Tannen wie um die Staubfäden blutiger Lilien schwebst: Dein Dunkel redet vom Leid der Welt.

Welchen Tales Tränen hast du gesogen? Wie viel angstvoller Seufzer heissen Hauch trankst du in dich? Düstere Wolke, wohin schüttest die Zähren

SONNENUNTERGANG

Inhaltsverzeichnis

Am Untersaum des Wolkenvorhangs hängt der Sonne purpurne Kugel. Langsam zieht ihn die goldene Last zur Erde nieder, bis die bunten Falten das rotaufzuckende Grau des Meeres berühren.

Ausgerollt ist der gewaltige Vorhang. Der tiefblaue Grund, unten mit leuchtenden Farben breit gedeckt, bricht darüber in mächtiger Fläche hervor, karg mit verrötenden Wolkenguirlanden durchrankt und mit silbernen Sternchen glitzernd durchsät. Aus schimmernden Punkten schau ich das Bild einer ruhenden Sphinx kunstvoll gestickt.

Eine Ankerkugel, liegt die Sonne im Meer. Das eintauchende Tuch,

HOMO IMPERATOR

Inhaltsverzeichnis

Gewandert bin ich auf andere Gipfel, deren Riesenfüsse, das Meer, wie ein Hund, demütig leckt; an deren Knöcheln es wohl auch manchmal bellend hinaufspringt, den brauenden Nebeln nach, als seien diese warme Dämpfe aus leckeren Schüsseln.

War ich der Mond, der Hunden verhasste, ich hülfe herauf dir auf den Berg. Doch Ich bin der Mensch, lasse dich lächelnd unten kläffen und übe an dir Meinen göttlichen Spott. Denn sieh, du armes, krauses Meer! was bist du denn ohne Mich? Ich gebe dir Namen und Rang und Bedeutung,wandle dich tausendfalt nach Meinem Gelüst. Meine Schönheit, Meinen Witz hauch Ich als Seele dir ein, werf Ich dir um als Kleid: und also geschmückt wogst du und wiegst du dich vor deinem König, ein trefflicher Tänzer, brausköpfiger Vasall! In Meine hohle Hand zwing Ich hinein dich und schütte dich aus, einem Kometen, der grade vorbeischiesst aufs eilige Haupt. Wie einen Becher fass Ich dein Becken und bringe dich als Morgentrunk Meinem Liebchen Phanta.

In dein graues Megärenhaar greift Mein lachender Uebermut und hält es gegen die Sonne: Da wird es eitel Goldhaar und Seide. Und nun wieder nenn Ich dich Jungfrau und Nymphe und Göttin,und deiner dämonischen Leidenschaft sing Ich ein Seemanns-Klagelied. Oder Ich deute den donnernden Prall dir aus als stöhnende Sehnsucht um Himmelsglück, als wühlenden Groll, als heulenden Hass: So redet Schwermut, flugohnmächtig, wenn sie der Krampf der Verzweiflung zu jagenden Fieberschauern schüttelt.

Aber du drohst: »Eitler Prahler, breite die Arme nur aus, und komm an mein nasses Herz! Dann wirst du künden, wer grösser und mächtiger, du oder ich!«

Drohe mir immer, doch wisse: Die Stunde, da du Mich sinnlosen Zornes verschlingst, tötet auch dich. Ein kaltes, totes Nichts,

KOSMOGONIE

Inhaltsverzeichnis

Ewiges Firmament, mit den feurigen Spielen deiner Gestirne, wie bist du entstanden?

Du blauer Sammet! Welch fleissige Göttin hat sich auf dir mit goldnen und silbernen Kreuzstichmustern verewigt?

Wie! oder wären die Sterne Perlen, tagesüber in Wolkenmuscheln gebettet: Aber des Nachts tuen die Schalen sich auf, und aus den schwarzen, angelspottenden Tiefen empor lachen und funkeln die schimmernden Schätze des Meers Unendlichkeit?

Oft auch ist mir, ein mächtig gewölbter kristallener Spiegel sei dieser Himmel, und was wir staunendGestirne nennen, das seien Millionen andächtiger Augen, die strahlend in seinem Dunkel sich spiegeln.

Oder wölbt eines Kerkers bläuliche Finsternis feindlich sich über uns? Von ungezählten Gedankenpfeilen durchbohrt, die von empörter Sehne der suchende Menschengeist rings um sich gestreut: Das Licht der Erkenntnis aber, die Sonne der Freiheit, quillt leuchtend durch die zerschossenen Wände.

Nein, nein! .. Mit spottenden Augen blinzt die Unendlichkeit auf den sterblichen Rätselrater ... Und dennoch rat ich das tiefe Geheimnis! Denn bei Phanta ist nichts unmöglich. – – – – – – – – – – –

In der leeren, dröhnenden Halle des Alls rauschte der Gott der Finsternis mit schwarzen, schleppenden Fittichen grollend dahin. So flügelschlug der düstere Dämon schon seit Aeonen: An seiner Seele frass das Nichts. Umsonst griffen die Pranken seines wühlenden Schaffenswahnsinns hinaus in die unsägliche Leere.

Vom eigenen Leibe musste er nehmen, wollte er schaffen –: das hatte ihn jüngst quälend durchzuckt. Und nun rang und rang er gegen sich selber, der einsame Weltgeist, daß er sich selbst verstümmle. Bis sein Wollen, ein Löwe, in seiner Seele aufstand und ihm die Hand ans Auge zwang, daß sie es ausriss mit rasendem Ruck. Ströme Blutes schossen nach. Der brüllende Gott aber krampfte in sinnloser Qual die Faust um das Auge, dass es zwischen den Fingern perlend herausquoll. Den glänzenden Tropfenregen rissen die fallenden Schleier des Bluts in wirrem Wirbeltanzehinab, hinaus in die eisigen Nächte des unausgründlichen Raums.

Und die perlenbesäten blutigen Schleier kamen in ewigem Kreislauf wieder, schlangen erstickend sich um des flüchtenden Gottes Haupt, zerrten ihn mit sich, warfen ihn aus, ein regelloses, tobendes Chaos. Tiefer noch zürnte der gramvolle Gott. Nicht Schöpfer und Herrscher, Spielball war er geworden, weil er, vom Schmerz bewältigt, den heiligen Lebensstoff, statt ihn zu formen, zerstört.

Aeonen hindurch trug er die Marter der glühenden Schleier, litt er in seiner eigenen Hölle. Dann aber stand zum anderen Male sein Wollen, ein Löwe, in seiner Seele auf. Sieben Kreisläufe des Chaos rang er und rang er noch, und dann gab er den Arm dem Wollen frei. Und er nahm sich auch nochdas andere Auge aus dem unsterblichen Gotteshaupt und warf die blutüberströmte, unversehrte Kugel mitten hinein ins unendliche All.

Da stand sie, glühend, in unermesslicher Purpurründung, und sammelte um sich die tanzenden Blutnebel, dass sie, ein einziger Riesenring

DAS HOHELIED

Inhaltsverzeichnis

Singen will ich den Hochgesang, den mit Sterngoldlettern der heilige Geist der Erkenntnis in den schwarzen Riesenschiefer nächtigen Firmaments leuchtend gegraben, den jauchzenden Hochgesang, des Kehrreim von zahllosen Chören von Weltengeschlechtern das All durchtönt:      Auf allen Sternen ist Liebe!

Siehe, ich mass auf dem Feuerfittich rascher Kometen die Bahnen der Ewigkeit, durch tausend Planetenreigen flog ich zitternden Geistes, spähte und lauschte hinab auf die kreisenden Bälle mit überirdischen Sehnsuchtsinnen. Und entgegen schwoll mir allewig aus unzählbarer Lebenden Brüsten:      Auf allen Sternen ist Liebe!

Sahst du je ein liebendes Paar sich vereinen zu seligem Kuss, sahst du je der Mutterlippe stummes Segengebet des Kindes reinen Scheitel inbrünstig weihen, sahst du je die stille Flammeheiliger Freundschaft im Kusse brennen – oh dann sang auch deine Seele, stammelte schauernd die süsse Gewißheit:      Auf allen Sternen ist Liebe!

Trunken bin ich von diesem Liede, das aus der Harfe der Ewigkeit hallt. Oh meine Brüder auf wandelnden Welten, deren Sonnen purpurne Kränze um die Muttersonne des Alls ewigen Rhythmus' Sturmschwung reisst, grüssen lasst euch durch Aeonen! Tausendgestaltiger Sterblicher Hymnen Ein' ich des Menschengeschlechts Dithyrambe.      Auf allen Sternen ist Liebe!

Liebe! Liebe! durch die Unendlichkeit ausgegossen, ein Strom erlösenden Lichts, in das Nichts, die Nacht der Herzen deine glühenden Wogen schlagend – hebend aus dem Dumpfen das Heilige – aus dem Chaos rettend und schaffend den Gott – Gottheit auf die Stirn dem Menschen prägend und ins schimmernde Aug ihm Gottheit senkend – Liebe! Liebe!      Auf allen Sternen ist Liebe!

Liebe! Liebe! bist du die Mutter auch aller Schmerzen, aller der Lebensqual, wer erträgt um dich nicht alles, stolzen Mutes, ein Held, ein Ringer! Heilig sprechen wir Hass und Leid und Schuld, denn wir lassen von dir nicht, oh Liebe! Träges Verschlummern lockt uns nicht, Leben und Tod soll ewig dauern, denn wir wollen dich ewig, oh Liebe!

ZWISCHEN WEINEN UND LACHEN

Inhaltsverzeichnis

Zwischen Weinen und Lachen schwingt die Schaukel des Lebens. Zwischen Weinen und Lachen fliegt in ihr der Mensch.

Eine Mondgöttin und eine Sonnengöttin stossen im Spiel sie hinüber, herüber. In der Mitte gelagert: Die breite Zone eintöniger Dämmerung.

Hält das Helioskind schelmisch die Schaukel an, übermütige Scherze, weiche Glückseligkeit dem Wiege-Gast ins Herz jubelnd, dann färbt sich rosig, schwingt er zurück, das graue Zwielicht, und jauchzend schwört er dem goldigen Dasein dankbare Treue.

Hat ihn die eisige Hand der Selenetochter berührt,hat ihn ihr starres Aug, Tod und Vergänglichkeit redend, schauerlich angeglast, dann senkt er das Haupt, und der Frost seiner Seele ruft nach erlösenden Tränen. Aschfahl und freudlos nüchtert ihm nun das Dämmer entgegen. Wie dünkt ihm die Welt nun öde und schal.

Aber je höher die eine Göttin die Schaukel zu sich emporzieht – je höher schiesst sie auch drüben empor. Höchstes Lachen und höchstes Weinen, eines Schaukelschwungs Gipfel sind sie.

Wenn die Himmlischen endlich

IM TANN

Inhaltsverzeichnis

Gestern bin ich weit gestiegen, abwärts, aufwärts, kreuz und quer; und am Ende, gliederschwer, blieb im Tannenforst ich liegen. Weil' ich gern in heitrer Buchen sonnengrünem Feierlichte, lieber noch, wo Tann und Fichte kerzenstarr den Himmel suchen.

Aufrecht wird mir selbst die Seele, läuft mein Aug empor den Stamm: Wie ein Kriegsvolk, straff und stramm, stehn sie da, ohn Furcht und Fehle; ernst, in selbstgewollter Busse, nicht zur Rechten nicht zur Linken: wer der Sonne Kuss will trinken, hat im Dämmer keine Musse.

Denksam sass ich. Moose stach ich aus des Waldgrunds braunem Tuch. Und der frische Erdgeruch tat mir wohl, und heiter sprach ich: Wahrlich, ich vergleich euch Riesen unerbittlichen Gedanken, die sich ohne weichlich Wanken Höhenluft der Wahrheit kiesen.

Philosophin Mutter Erde hat euch klar und schlicht gedacht, jeglichem zu Lehr und Acht, wie man teil des Lichtes werde. Stolz aus lauem Dämmer flüchten, Rast und Abweg herb verachten, nur das eine Ziel ertrachten – also muss der Geist sich züchten.

Lang noch an den schlanken Fichten

DER ZERTRÜMMERTE SPIEGEL

Inhaltsverzeichnis

Am Himmel steht ein Spiegel, riesengross. Ein Wunderland, im klarsten Sonnenlichte, entwächst berückend dem kristallnen Schoss. Um bunter Tempel marmorne Gedichte ergrünt geheimnisvoller Haine Kranz; der Seen Silber dunkle Kähne spalten, und wallender Gewänder heller Glanz verrät dem Auge wandelnde Gestalten.

Wohl kenn ich dich, du seliges Gefild! .. Doch was in heitrer Ruh erglänzt dort oben, ist mehr als dein getreues Spiegelbild, ist Irdisches zu Göttlichem erhoben. Du zeigst ein friedsam wolkenloses Glück, um das umsonst die Staubgebornen werben ... Und doch! Auch du bist nur ein Schemenstück! Ein Hauch-: Du schläfst im Grund in tausend Scherben.

Ein Hauch! .. Von düstren Wolken löst ein Flug sich von der Felskluft Schautribünenstufen. Um meinen Gipfel streift ihr dumpfer Zug, als hätte sie mein fürchtend Herz gerufen. Hinunter weist beschwörend meine Hand, indes mein Aug nach oben bittet »Bleibe!« – Umsonst! Ein Stoss zermalmt des Spiegels Rand, und donnernd bäumt sich die gewaltige Scheibeund stürzt, von tausend Sprüngen überzackt, mit fürchterlichem Tosen in die Tiefen. Der Abgrund schreit, von wildem Graun gepackt. Blutüberströmt die Wolken talwärts triefen. Fahlgrüner Splitterregen spritzt umher, den Leib der Nacht zerschneidend und zerfleischend. Mordbrüllend wühlt der Sturm im Nebelmeer und heult in jede Höhle, wollustkreischend.

Der Berge Adern schwellen, brechen auf und schäumen graue Fülle ins Geklüfte. Ihr Flutsturz reisst verstreuter Scherben Hauf unhemmbar mit in finstre Waldnachtgrüfte. Es wogt der Forsten nasses Kronenhaar, durchblendet von demantnem Pfeilgewimmel .. Doch um die Höhen wird es langsam klar, durch Tränen lächelt der beraubte Himmel.

Und bald verblitzt der letzten Scherbe Schein, zum Grund gefegt vom Sturm- und Wellentanze.

DAS KREUZ

Inhaltsverzeichnis

Die gestürzten Engel schweben um den Berg. Mit weissen, bleiernen Riesenfittichen schleicht ihr Flug aus den Talen, dass er die Höhen der Erde auch todeskältend überfinstere, dass im Schweigen der Nacht endlich das Leben sterbe.

Lebendige Flammen entrief ich dem Fels zum Schutze. In goldenem Zorn leuchtet das Berghaupt. Aber die heisseste Stirn, das glühendste Aug ist nicht lange gefeit, wo solcher Flügel grabkalte Bahrtücher der Vernichtung eisige Schauer ins Haupt schatten.

Und fahles Grauen würgt mir die Kehle und reisst einen Schrei mir aus der Brust und wirft ihn hinaus in die Finsternisse ..Vom grauen Fittichgewölbe fällt er ohnmächtig in mich zurück.

Im Schein der mühsam kämpfenden Lohe trete ich, halb von Sinnen, zum Rande des Abgrunds und breite, wie prüfend, die Arme aus.

Da zucken die Nebelgespenster grausengepackt zusammen. Ihr schnürender Reigen löst sich, zerstreut sich. In wildem Entsetzen rasen heulend die Satane um den Gipfel. Ich aber erkenne auf der zitternden Wand ihrer Flügelflucht ein mächtiges, schwarzes Kreuz.

Meines Körpers

DIE VERSUCHUNG

Inhaltsverzeichnis

Der alte, ehrwürdige Herr mit dem grossen Bart war heute bei mir. »Ich habe dich gestern gerettet!« sagte er freundlich. »Den Einfall, die Arme zur Kreuzform zu strecken, hab ich dir gesteckt.« Ich schüttelte dankbar die biedere Rechte. Er aber drohte mir mit dem Finger: »Ein Schelm bleibst du doch! Ich traue dir nicht. Doch höre!« Und er kniff mir den Arm und zeigte mir rings die Lande –: »Dies alles soll dein sein, wenn du hier hinfällst und mich anbetest.« Der Arme, er wusste nicht, dass Erde und Himmel durch Phanta längst mein war. »Nun, willst du nicht?« rief er halb ängstlich halb ärgerlich. Ich aber machte ihm schnell eine kalte Kompresse um die erhitzten Schläfenund führte ihn sorgsam den Berg hinunter. Auf halber Höhe traf ich den großen Pan. Er wollte gerade eine Windhosen-Orgel bauen. Doch ich entriss ihn dem kühnen Projekte und stellte ihm seinen greisen Kollegen vor. »Alte Bekanntschaft!« rief Pan

DER NACHTWANDLER

Inhaltsverzeichnis

Sanfter Mondsegen über den Landen. Schlafstumm Berge, Wälder, Tale. In den Hütten erstorben die Herde; an den Herden eingenickte Grossmütter, zu deren Knieen offne Enkel-Mäulerchen unter verhängten Aeuglein atmen. Auf Daunen und Strohsack schnarchendes Laster, schnarchende Tugend. Wachend allein: Diebe, Dichter, Wächter der Nacht, und auf Gassen, in Gärten und in verschwiegenen Kammern lispelnde Liebe.

Sanfter Mond! du segnest, weil du nichts andres kannst. Aber am Herzen zehren dir Neid und Groll, weil die Menschen dich also missachten, dass sie zu Bett gehn, wenn du kommst. Aergerlich ziehn sie die Vorhänge zu: und du stehst draussen und – segnest milde deine Verächter.

Sanfter Mond! manchmal auch lugen Herrschergelüste gefährlich vor unter deiner Demut. Dann rufst du in verträumte Gehirne:»Auf! auf! Ich bin die Sonne! Kommt: es ist Tag!« Und der blöden Schläfer glaubt es dir mancher und steigt ernsthaft aus seinen Kissen und geht gravitätisch über die Dächer. Scheel sehen die Kater ihn an. Er aber wandelt und klettert, als hätt ihm sein Arzt die Alpen verschrieben.

Wie? Freundchen! Hätt ich dich heut gar ertappt? Mir dünkt, da unten kam solch ein Wandler! Armer Fremdling, – besser: Hemdling –, wer bist du? Welchem Bette entflohst du? Opferlamm mondlicher Lüsternheit, meilenweit musst du gewandert sein!

Redet er nicht im Schlaf? horch!»Wer ich bin? ... Eine lebendige Litfass-Säule Etiquettiert von oben bis unten: – Staatsbürger, Gemeindemitglied, Protestant, Hausbesitzer, Ehemann, Familienvater, Vereinsvorstand, Reserveleutnant, Agrarier, Christlicher Germane,

ANDRE ZEITEN, ANDRE DRACHEN

Inhaltsverzeichnis

Immer nicht an Mond und Sterne mag ich meine Blicke hängen –: Ach man kann mit Mond und Sternen, Wolken, Felsen, Wäldern, Bächen allzuleichtlich kokettieren, hat man solch ein schelmisch Weibchen stets um sich wie Phanta Sia.

Darum senk ich heut bescheiden meine Augen in die Tiefe. Hier und da ein Hüttenlichtlein; auch ein Feuer, dran sich Hirten nächtliche Kartoffeln braten – wenig sonst im dunklen Grunde. Doch! da drunten seh ich eine goldgeschuppte Schlange kriechen ...

Hocharomatisches Erspähnis! Kommst du wieder, trautes Gestern, da die Drachen mit den Kühen friedlich auf den Almen grasten, wenn sie nicht grad Flammen speien oder Ritter fressen mussten – da der Lindwurm in den Engpass seinen Boa-Hals hinabhing und mit grünem Augenaufschlag Dame, Knapp und Maultier schmauste kommst du wieder, trautes Gestern?Eitle Frage! Dieses Schuppen- Ungetüm da drunten ist ein ganz modernes Fabelwesen, unersättlich zwar, wie jene alten Schlangen, doch auch wieder jenem braven Walfisch ähnlich, der dem Jonas nur auf Tage seinen Bauch zur Herberg anbot.

Feuerwurm, ich grüsse froh dich von den Stufen meines Schlosses! Denn ob mancher dich auch schmähe als den Störer stiller Lande, und die gelben Humpeldrachen, die noch bliesen, noch nicht pfiffen, wiederwünschte, – ich bekenne, dass ich stolz bin, dich zu schauen. Höher schlägt mir oft das Herze, seh ich dich auf schmalen Pfaden deine Wucht in leichter Grazie mit dem Flug der Vögel messen und mit Triumphatorpose hallend durch die Nächte tragen.

Sinnbild bist du mir und Gleichnis Geistessiegs ob StofFesträgheit! Gleichnis bist du neuer Zeit mir, die, jahrtausendalter Kräfte

DIE WEIDE AM BACHE

Inhaltsverzeichnis

Weißt du noch, Phanta, wie wir jüngst eine Nyade, eine der tausend Göttinnen der Nacht, bei ihrem Abendwerk belauschten?

Einer Weide half sie, sorglich wie eine Mutter, ins Nachthemd, das sie zuvor aus den Nebel-Linnen des Bachs kunstvoll gefertigt. Ungeschickt streckte der Baum die Arme aus, hineinzukriechen ins Schlafgewand. Da warf es die Nymphe lächelnd ihm über den Kopf, zog es herab, strich es ihm glatt an den Leib, knöpfte an Hals und Händen es ordentlich zu und eilte weiter.

Die Weide aber,

ABENDDÄMMERUNG

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Eine runzelige Alte, schleicht die Abenddämmerung, gebtickten Ganges durchs Gefild und sammelt und sammelt das letzte Licht in ihre Schürze.

Vom Wiesenrain, von den Hüttendächern, von den Stämmen des Walds, nimmt sie es fort. Und dann humpelt sie mühsam den Berg hinauf und sammelt und sammelt die letzte Sonne in ihre Schürze.

Droben umschlingt ihr mit Halsen und Küssen ihr Töchterchen Nacht den Nacken und greift begierig ins ängstlich verschlossene Schurztuch. Als es sein Händchen wieder herauszieht,ist es schneeweiss, als war es mit Mehl rings überpudert.

Und die Kleine, längst gewitzt, tupft mit dem niedlichen Zeigefinger den ganzen Himmel voll

AUGUSTNACHT

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Stille, herrliche Sommernacht! Silberfischlein springen lustig in dem himmlischen Meer. Hochauf schnellen die zierlichen Leibchen sich, blitzschnell. wieder verschwindend. Hinter grauen Wolkenklippen gleisst es verdächtig. Da kauert arglistig der Mann im Mond – und fischt. Verstohlene, seidene Angelschnüre wirft er hinab in die arglose Flut. Ach! und nun zappelt auch schon ein armer Weissling am Haken

MÄDCHENTRÄNEN

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Die schönen, blauen Augen des Himmels hängen voll trüber Nebelschleier, und unter verstohlenen Schluchzern strömen graue Güsse zur Erde nieder. Auf traurigen Häuptern tragen die Bäume das schwere Tränenweh, die Bäche hetzen verstört sich talwärts, mürrisch vermummt sich der Berg in weisser Wolle.

Und das alles? Weil mit allzuglühender Lippe der liebesrasende, ungestüme Sonnengott des Morgenhimmels reine, kühle Mädchenunschuld bestürmt und die tief errötende Geliebte mit allzuversengenden Küssen in ihrer jungfraustillen Seele fassungslos aufgewühlt. Wie ein Krampf packte die Leidenschaft den überwältigten Herzensfrieden ... Und all die verwirrten Gefühle lösten und schütteten sich aus in einem grossen Weinen.

Mählig verebben die Seufzer.

LANDREGEN

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Auf der Erde steht eine hohe, gewaltige, tausendsaitige Regenharfe. Und Phanta greift mit beiden Händen hinein und singt dazu –: Monoton, wie ein Indianerweib, immer dasselbe. Die Lider werden mir schwer und schwerer. Nach langem Halbschlaf erwach ich wieder, – reibe verstört mir

DER BELEIDIGTE PAN

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Auf der Höhlung eines erstorbenen Kraters blies heute Pan, wie Schusterjungen auf Schlüsseln pfeifen. Er pfiff »die Welt« aus, dies sonderbare, zweideutige Stück eines Anonymus, das Tag für Tag uns vorgespielt wird und niemals endet. Oh pfeife doch minder,

MONDAUFGANG

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In den Wipfeln des Walds, die starr und schwarz in den fahlen Dämmerhimmel gespenstern, hängt eine grosse, glänzende Seifenblase.

Langsam löst sie sich aus dem Geäst und schwebt hinauf in den Aether.

Unten im Dickicht liegt Pan, im Munde ein langes Schilfrohr, dran noch der Schaum des nahen Teiches verkrustet schillert.

Blasen blies er, der heitere Gott: die meisten aber platzten ihm tückisch. Nur eine hielt sich tapfer und flog hinaus aus den Kronen.

MONDBILDER

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I

Der Mond steht da wie ein alter van Dyck: ein rundes, gutmütiges Holländergesicht mit einer mächtigen, mühlsteinartigen, cremefarbenen Halskrause. Ich möcht ihn wohl kaufen, den alten van Dyck! Aber ich fürchte, er ist im Privatbesitz des Herrn Zebaoth. Ich müsste den Ablass wieder in Schwung bringen! Vielleicht liess er ihn dafür mir ab ... Hm. Hm.

II

Eine goldene Sichel in bräunlichen Garben, liegt der Mond im broncenen Gewölk. Mag da weit die Schnitterin sein? Ich meine, die Schwaden bewegen sich – oh, ich errate alles! Ins Aehrenversteck zog wohl ein Gott die emsige Göttermaid, – irgend ein himmlischer Schwerenöter der Liebe, Jupiter-Don Juan oder Wodan-Faust .. In frohem Schreck liess sie die Sichel fallen ... Oh, Ihr königlich freien, heiter geniessenden, seligen Götter!

III

Gross über schweigenden Wäldern und Wassern lastet der Vollmond, eine Aegis, mit düsterem Goldschein alles in reglosen Bann verstrickend. Die Winde halten den Atem. Die Wälder ducken sich scheu in sich selbst hinein. Das Auge des Sees wird stier und glasig –: als ob eine Ahnung die Erde durchfröre, dass dieser Gorgoschild einst ihren Leib zertrümmern werde .. Als ob eines Schreies sie schwanger läge, eines Schreies voll Grausen, Voll Todesentsetzen .. Εσσετι ηµαρ!

IV

ERSTER SCHNEE

Inhaltsverzeichnis

Die in Wolkenkukuksheim zerreissen ihre Manuskripte, und in unzähligen, weissen Schnitzelchen flattert und fliegt es mir um die Schläfen. Die Unzufriednen! Nie noch blieben der Lieder sie froh, die im Lenz ihnen knospeten, nie noch der dithyrambischen Chöre, die durch glühende Julinächte von ihren Munden wie Donner brachen. Immer wieder zerstören gleichmütig sie, was sie gedichtet: und in unzähligen, weissen Stückchen flattert es aus dem grauen Papierkorb, den sie schelmisch zur Erde kehren. Grosse, redliche Geister! Ich, der Erde armer Poet, versteh Euch. Wenn wir uns selbst genügen wollen,ehrlich Schaffende wir, müssen wir unsren Gedanken wieder all die bunten Hüllen ausziehn. Ach! allein in der Maske des Worts wird unser Tiefstes dem Nächsten sichtbar!

Ihr Stolzen verschmäht es, den Wortewerken, die Ihr erschuft, Dauer zu leihen, und ihr könnt es – denn Ihr seid Götter! Keiner von Euch will Trost, will Erlösung, weiss von dem Wahnsinn Glückes und Leides: in Euch selbst seid Ihr Euch ewig genug!

Aber wir Menschen, wir Selig-Unseligen, tief in gemeinsame Lose verstrickten, müssen einander die Herzen erschliessen,müssen einander fragen, belehren,

TALFAHRT

Inhaltsverzeichnis

Die du im ersten jungfräulichen Schnee dort am fallenden Hang ahnungsvoll schläfst, talbrünstige Lawine! Wach auf! Und trage mich! wildestes Ross, wieder hinab in der Menschen Gefilde! – – – – – – – – – – –

Die zierliche Flocke bewegt sich .. wächst . Und stürmt immer toller von Fels zu Fels ... Ich springe ihr nach und fasse beherzt in ihr weisses, wehendes Mähnenhaar, indessen Phanta den Renner lenkt, wie auf rollender Kugel die Göttin des Glücks, hochaufgerichtet und furchtlos. – – – – – – – – – – –

Wir sind am Ziel. Vom Laufe ruht im Bach des Tals das Rösslein aus. Ich flieg auf weichen Wiesenplan, und lächelnd hilft mir Phanta auf. Und dann – zerbricht sie ihren Stab. – – – – – – – – – – –

EPILOG

Inhaltsverzeichnis

Am Schreibtisch finde ich mich wieder, als wie aus krausem Traum erwacht ..: Vor mir ein Buch seltsamer Lieder, und um mich stille Mondesnacht. Ich schaue auf den kleinen Ort, aus dem mein Geist im Zorn geflohn: – Nachtwächter ruft sein Hirtenwort zu greiser Turmuhr biedrem Ton .. Wie knochige Philisterglatzen erglänzt des Pflasters holprig Beet .. Und auf den Giebeln weinen Katzen um ein versagtes tête-a-tête.

Euch also, winklige Gemäuer, durchschnarcht von edlen Atta Trolls, bewarf ich einst mit wildem Feuer aus den Vulkanen meines Grolls! Ich sah in eurer Kleinlichkeit die Welt, die in mir selbst ich trug: es war ein Stück Vergangenheit, das ich in eurem Bild zerschlug. Von oben hab ich lachen lernen auf euer enges Kreuz und Quer! Wer Kurzweil trieb mit Sonn und Sternen, dem seid ihr kein Memento mehr! In tiefentzückten Weihestunden fernab dem Staub der breiten Spur, hab ich mich wieder heimgefunden zum Mutterherzen der Natur!

In ihm ist alles gross und echt, von gut und böse unentweiht:

Auf vielen Wegen

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Widmung
Träume
Hirt Ahasver
Die Irrlichter
Mensch und Möwe
Der Schuss
Der gläserne Sarg
Der Stern
Der Besuch
Das Bild
Malererbe
Das Äpfelchen
Rosen im Zimmer
Kinderglaube
Vom Tagwerk des Todes
Der Sämann
Vöglein Schwermut
Der Tod und das Kind
Der Tod und der Müde
Der Tod und der einsame Trinker
Der fremde Bauer
Der Tod in der Granate
Im Nebel
Am Ziel
Die Gedächtnistafel
Am Moor
Im Fieber
Eine Großstadt-Wanderung
Vier Elementarphantasien
Meeresbrandung
Erdriese
Der Sturm
Die Flamme
Gedichte vermischten Inhalts
Kleine Geschichte
Der vergeßene Donner
Das Häuschen an der Bahn
Amor der Zweite
Der zeitunglesende Faun
Goldfuchs, Schürz' und Flasche
Die Brücke
Der Tag und die Nacht
Der Schlaf
Pflügerin Sorge
Legende
Die apokalyptischen Reiter
Parabel
Das Ende
Der Born
Der Urton
Der einsame Turm
Waldluft
Aufforderung
Krähen bei Sonnenaufgang
Das Häslein
Mittag-Stille
Sommernacht im Hochwald
Mattenrast
Bergziegen
Der alte Steinbruch
Beim Mausbarbier
Elbenreigen
»Ur-Ur«
Geier Nord
Fusch-Leberbrünnl
Vor einem Gebirgsbach
Morgen
Und doch!
Nebel im Gebirge
Vor zurückgeschickten Versen
Abendliche Wolkenbildung
Abendbeleuchtung
»Dichter«?
Briefe
Vor einem Wasserfall
»Leberbrünnl«-Schlucht
Natur spricht
Ich antworte
Nebel ums Haus
Zum Abschied an F.-L.
Anmutiger Vertrag
Die beiden Nonnen
Am See
Auf dem Strome
Frage
Sehnsucht
Friede
Bestimmung
Brief an Georg Hirschfeld

Widmung

Meinem Freunde Friedrich Kayssler

Inhaltsverzeichnis

Wär' der Begriff des Echten verloren,

in Dir wär' er wiedergeboren.

Als Haß mir nach der Wurzel schlug,

warst Du bei mir, das war genug,

hast mir zu Deinem Leben

das meine neu gegeben.

Zehn Jahre zusammen!

Es löst sich der Dunst.

Auf schlagen die Flammen

Unserer Kunst.

Träume

Hirt Ahasver

Inhaltsverzeichnis

Ich träumte jüngst, mir träumte, daß ich träumte,

daß ich geträumt, geträumt zu haben hätt',

wie Ahasver mit zweimal sieben Kühen,

den sieben magern und den sieben fetten,

im Mondschein übers Moor gewandert wär',

worüber selbst ein später Weg mich wies.

»Ei guten Abend, Meister Ahasver,« –

begrüßt ich keck ihn, daß ein magres Tier

erschreckt zur Seite setzte, – »Was ist das?

Ihr treibt die vierzehn Kühe durch die Welt?«

Verächtlich schoß des Alten Blick nach mir,

und zornig murmelnd zog er einer fetten

den lauten Stecken übers Hinterteil.

Heidi! wie sich die Rinderbeine regten,

die magern immer flink voran, dahinter

mit schwipp und schwapp der Hängebäuche Trott;

bis Fern' und Dämmrung endlich sie verschlang,

und nur des Hirten wehnder Weißbart noch

ein Weilchen aus den Weiten schimmerte ...

Doch mir verschob sich alles nun. Und weiter

flog hin und her das Webeschiff des Traums.

Die Irrlichter

Inhaltsverzeichnis

Ein Irrlicht, schwebt ich heut im Traume

auf einem weiten, düstren Sumpfe,

und um mich der Gespielen Reigen

in wunderlich geschlungnen Kränzen.

Wir sangen traurig-süße Lieder

mit leisen, feinen Geisterstimmen,

viel feiner als die lauten Grillen,

die fern im Korn eintönig sangen.

Wir sangen, wie das harte Schicksal

uns wehre, daß wir Menschen würden:

So oft schon waren wir erschienen,

wo sich zwei Liebende vereinten,

doch immer, ach, war schon ein andres

Irr-Seelchen uns zuvorgekommen,

und seufzend hatten wir von neuem

zurück gemußt zum dunklen Sumpfe.

So sangen wir von unsern Leiden –

als uns mit einem Mal Entsetzen

in wirren Läufen huschen machte.

Ein Mensch entsprang dem nahen Walde

und lief verzweifelten Gebarens

gerade auf uns zu –: Der Boden

schlug schwankend, eine schwere Woge,

dem Armen überm Haupt zusammen.

Verstummt zu zitterndem Geflüster

umschwirrten wir die grause Stelle ...

Bald aber sangen wir von neuem

die alten traurig-süßen Lieder.

Mensch und Möwe

Inhaltsverzeichnis

Eine neugierkranke Möwe,

kreiste ich zu Häupten eines

Wesens, das in einen weiten

dunklen Mantel eingewickelt,

von dem Kopfe einer Bune

auf die grüne See hinaussah.

Und ich wußte, daß ich selber

dieses Wesen sei, und war mir

dennoch selbst so problematisch,

wie nur je dem klugen Sinne

einer Möwe solch ein dunkler

Mantelvogel, Mensch geheißen.

Warum blickt dies große, stumme,

rätselhafte Tier so ernsthaft

auf der Wasser Flucht und Rückkehr?

Lauert es geheimer Beute?

Wird es plötzlich aus des Mantels

Schoß verborgne Schwingen strecken,

und mit schwerem Flügelschlag den

Schaum der weißen Kämme streifen?

So und anders fragte rastlos

mein beschränktes Möwenhirn sich,

und in immer frechern Kreisen

stieß ich, kläglich schreiend, oder

ärgerlich und höhnisch lachend,

um mich selber ... Da erhob sich

aus dem Meere eine Woge ...

stieg und stieg ... Und Mensch und Möwe

ward verschlungen und begraben.

Der Schuss

Inhaltsverzeichnis

»Nimm die Fahne!« – »gib!« – und weiter –

Leichenhügel – Gräben – Hecken –

Donnern – Brausen – Knattern – Pfeifen –

Stöhnen – Schreien – Wimmern – Schnaufen –

Pulverschleier – Kugelregen –

»vorwärts, Kameraden!« – »hurra!« –

blaue Gruppen – springend – stürzend –

Flüche – Bitten – Seufzer – Pfiffe –

Tiergesichter – Fetzen Fleisches –

Blut in Rinseln – Bächen – Lachen –

wildgewälzte Pferdeleiber –

Sterbende – zerstampft – zerrissen –

Arme – Hände – hemmend – heischend –

fortgestoßen – »vorwärts!« –»hurra!« –

»nieder!« – »Feuer!« – »auf!« – »Attacke!« –

»ah!« – »da!« – »Mar–!« – »ich!« – »hier!« – »die Fahne!« – –

Und ich stürze tot zusammen.

Jäh schreck' ich auf –:

Im Hause fällt ein Schuß.

Der gläserne Sarg

Inhaltsverzeichnis

Zwölf stumme Männer trugen mich

in einem Sarge von Kristall

hinunter an des Meeres Strand,

bis an der Brandung Rand hinaus.

So hatte ich's im Testament

bestimmt: Man bette meinen Leib

in einem Sarge von Kristall

und trage ihn der Ebbe nach,

bis sie den tiefsten Stand erreicht.

Der Sonne ungeheurer Gott

stand bis zum Gürtel schon im Meer:

An seinem Glanze tränkte sich

wollüstig noch einmal die Welt.

Ich selber lag in rotem Schein

wie ein Gebilde aus Porphyr.

Da streckte katzengleich die Flut

die erste Welle nach mir aus.

Und ging zurück und schob sich vor

und tastete am Sarg hinauf

und wandte flüsternd sich zur Flucht.

Und kam zurück und griff und stieß

und raunte lauter, warf sich kühn

darüber, einmal, viele mal.

Und blieb, und ihrer Macht gewiß,

umlief frohlockend sie mein Haus

und pochte dran und schäumte auf,

als ihrer Faust es widerstand.

Und hoch und höher wuchs und wuchs

das Wasser um mein gläsern Schloß.

Nun wankte es, als hätt' ein Arm

und noch ein Arm es rauh gepackt,

und scholl in allen Fugen, als

ein Wellenberg auf ihm sich brach

und es wie ein Lawinensturz

umdröhnte und verschüttete.

Und langsam wich der nasse Sand.

Und seitlings neigte sich der Sarg.

Und, unterwühlt und übertobt,

begann er um sich selber sich

schwerfällig in die See zu drehn.

Zu mächtig, daß die Brandung ihn

zum Strand zu schleppen hätt' vermocht,

vergrub er rollend sich und mich

in totenstillen Meeresgrund.

So lag ich denn, wie ich gewollt.

Und dunkle Fische zogen still

zu meinen Häupten hin und her.

Und schwarzer Seetang überschwamm

mein Grab. Und mein Bewußtsein schwand.

Der Stern

Inhaltsverzeichnis

Ich träumt einmal, ich läg, ein blasser Knabe,

in einem Kahne schlafend ausgestreckt,

und meiner Lider fein Geweb durchflammte

der hohen Nacht geheimnisvoller Glanz.

Und all mein Innres wurde Licht und Schimmer,

und ein Entzücken, das ich nie gekannt,

durchglühte mich und hob mein ganzes Wesen

in eine höhere Ordnung der Natur.

Ein leises Tönen hielt mich hold umfangen,

als zitterte in jedem Sternenstrahl

der Ton der Heimat, die ihn hergesendet.

Ein Ton vor allen aber traf mein Herz

und ließ die andern mehr und mehr verstummen

und tat sich auseinander wie der Kelch

der Königin der Nacht und offenbarte

auf seinem Grunde mir sein süßes Lied ...

»Wir grüßen dich in deine stillen Nächte,

als deiner Zukunft tröstliche Gewähr,

es schalten ungeheure Willensmächte

in unsrer Tage blindem Ungefähr.

Sie ziehn dich von Gestaltung zu Gestaltung,

heut schleppst du dich noch schweren Schrittes hin,

doch bald begabt dich freiere Entfaltung

mit reicherer Natur und höherm Sinn.

So wandeln wir auf leichten Tänzerfüßen,

die wir dereinst auch dein Geschick geteilt,

und dürfen dich mit einem Liede grüßen,

das dich auf Strahlen unsres Sterns ereilt.

Oh flüchte bald nach unsern Lustgefilden,

und laß der kalten Erde grauen Dunst,

Oh sähst du, zu welch göttlichen Gebilden

uns schuf des Schicksals heiß ersehnte Gunst!

Auf Blumen wandeln wir wie leichte Falter,

aus Früchten saugen wir der Kräfte Saft,

uns ficht kein Elend an, zerbricht kein Alter,

der frühern Leiden lächelt unsre Kraft.

Denn allzu schön, als daß wir uns entzweiten,

erschuf uns das Gestirn, das uns gebar, –

wir können uns nicht Schmerz und Not bereiten,

die Schönheit macht uns aller Feindschaft bar!

Wir lieben uns aus tiefsten Herzensgründen,

wir trinken unsres Anblicks Glück und Huld,

wir wissen nichts wie ihr von fahlen Sünden,

und keinen ängstigt das Gespenst der Schuld.

Oh komm! daß sich die dornenlose Rose

auch deiner Schläfe duftend schmiegen kann!

Die schönste Schwester diene deinem Lose

und schenke dich dem schönsten Mann – oh komm –!«

Da unterbrach ein dumpfer Glockenton

die reinen, feinen Stimmen jener Welt.

Ich richtete mich halb im Bette auf –

und sah viel Sterne durch mein Fenster glühn ...

und sank zurück. Und weiter floß die Nacht.

Der Besuch

Inhaltsverzeichnis

Wie doch ein Traum so traurig stimmt,

wenn unser Geist Vergangenheit

und Gegenwart als Eines nimmt!

Ich saß bei dir im Brautgemach

und sprach von deinem Bräutigam,

und wie so alles anders kam ...

Und lachte hell und scherzte laut ...

Doch endlich ward mein Sinn zu schwer –

du warst ja eines andern Braut!

Ein Garten lag vor deinem Haus,

da trug ich meinen Schmerz hinein

und weinte meine Wehmut aus.

Und als ich wiederkam, da schien,

als ahntest du, was mich erregt,

und selber wardst du sanft bewegt.

Dein Mütterlein umfing mich still,

sie wußt' um die geheime Lieb',

die stumm in mir ihr Wesen trieb.

Wir setzten uns den Tisch umher ...

Du hattest alles selbst gekocht –

doch mir, mir mundete nichts mehr.

Das Bild

Inhaltsverzeichnis

Aus seinem Rahmen trat dein Bild

und schlang den Arm mir ums Genick –

und, eingewurzelt Blick in Blick,

durchgingen wir ein fremd Gefild ...

Und gingen stumm und unverwandt

und tranken unsrer Seelen Glanz

und wurden eine Seele ganz

und fühlten, was wir nie gekannt ...

Da schlug ein Lärm an unser Ohr –

ich sprach ein Wort – du fuhrst zurück –.

Zerflossen war das kurze Glück,

und alles wieder wie zuvor.

Malererbe

Inhaltsverzeichnis

Die Spanne, die nicht Träumen ist noch Wachen,

beschenkt mich oft mit seltsamen Gedichten:

Der Geist, erregt, aus Chaos Welt zu machen,

gebiert ein Heer von landschaftlichen Sichten.

Da wechseln Berge, Täler, Ebnen, Flüsse,

da grünt ein Wald, da türmt es sich graniten,

da zuckt ein Blitz, da rauschen Regengüsse,

und Mensch und Tier bewegen sich inmitten.

Das sind der Vordern fortgepflanzte Wellen,

die meinen Sinn bereitet und bereichert,

das Erbe ihrer Form- und Farbenzellen,

darin die halbe Erde aufgespeichert.

Das Äpfelchen

Inhaltsverzeichnis

Auf einer Wiese, der sich hier und dort

ein reich beschwerter Apfelbaum enthob,

ergötzten wir, ein Häuflein Freunde, uns,

mit grünem Obst uns scherzend zu bekriegen.

Ich lag im Gras, entsandte, deckte mich,

erspähte Blößen, wurde selbst getroffen –

da plötzlich stand, wer weiß, woher sie kam,

die Liebste meiner Knabenzeit vor mir

und winkte, wie zu zarter Fehde fordernd,

mir zu, – daß ich ein unreif Äpfelchen

gemeßnen Schwungs nach ihrer Wange schickte.

Oh wie viel Liebe da aus ihren Augen,

aus ihrem Lächeln brach, als, leicht errötend,

sie sich ein wenig nun herunterbeugte

und schelmisch drohte – wieviel tiefe Liebe!

Mein Auge floh vor so viel süßem Glück,

und sehnend streckt' ich meine Rechte aus

und faßte ihres Kleides reinen Saum,

ihn, wie aus Reue meiner Tat, zu küssen.

Da ging mein Glück wie ein Gewebe auf ...

Und andre Bilder spann mein träumend Hirn.

Rosen im Zimmer

Inhaltsverzeichnis

Ich stand, eine Vase

voll üppiger Rosen,

auf einer Konsole

am Lager der Liebsten

und goß überschwengliche

Gluten und Düfte

ins mondige Dämmer

der magdlichen Kammer.

Aufseufzte das Mädchen

und streckte das weiße

Gelenk ihrer Linken

nach mir und umschloß mich

und hob mich hinüber –

und alles im Schlafe.

Da schwankte die Vase,

und all meine Rosen

entfielen ihr lodernd

und hüllten in Purpur

das brüstliche Linnen:

Aufschlugen erschreckt sich

zwei glänzende Augen –

und sahn mich, den Menschen,

sich über sie beugen ...

Ich aber – ihr Götter! –

mich über sie neigend,

ich ward meines Kusses

betrogen! –: Nur Rosen,

worauf ich mich neigte!

Kein Liebchen, kein Lager,

kein Zimmer, kein Ort mehr –

nur Rosen, nur Rosen!

Ich stürzte in Rosen –

durch Rosen – auf Rosen ...

bis quälende Schmerzen

der Schläfe mich weckten.

Kinderglaube

Inhaltsverzeichnis

Heut ritt ich im Traum

auf schneeweißem Pferde

ohne Zügel und Zaum

rings um die Erde.

Und wo ein Dach,

war ein Treiben

hinter den Scheiben:

Alles war wach!

Großäugig, tieflockig,

schmalfüßig, kurzrockig,

lugten die Kindlein

der Menschen mir nach.

Oh euch süße Gesichter

vergess' ich nie mehr,

euch glückliche Lichter

durch Nacht zu mir her,

euch Näschen, vom Fensterdruck

schelmisch gestumpft,

euch Wädchen und Kniechen,

nur dürftig bestrumpft,

euch rosige Händchen,

ans Glas angestützt,

euch kosige Mündchen,

neugierig gespützt!

Ihr Kindchen, ich segn' euch

viel tausend tausend mal!

Nur Großes begegn' euch

Im Sonn- und Mondenstrahl!

Euer Lachen, euer Weinen

sei edler Frucht geschwellt!

Ihr seid ja, ihr Kleinen,

die Zukunft unsrer Welt!

Euch reifen die Lieder

auf meines Lebens Baum ...

Einst sehn wir uns wieder –

und nicht mehr im Traum!

Vom Tagwerk des Todes

Der Sämann

Inhaltsverzeichnis

Durch die Lande auf und ab

schreitet weit Bauer Tod;

aus dem Sack um seine Schulter

wirft er Keime ohne Zahl.

Wo du gehst, wo du stehst,

liegt und fliegt der feine Staub.

Durch die unsichtbare Wolke

wandre mutig, doch bereit!

Durch die Lande auf und ab

schreitet weit Bauer Tod;

aus dem Sack um seine Schulter

wirft er Keime ohne Zahl.

Vöglein Schwermut

Inhaltsverzeichnis

Ein schwarzes Vöglein fliegt über die Welt,

das singt so todestraurig ...

Wer es hört, der hört nichts anderes mehr,

wer es hört, der tut sich ein Leides an,

der mag keine Sonne mehr schauen.

Allmitternacht, Allmitternacht

ruht es sich aus auf dem Finger des Tods.

Der streichelt's leis und spricht ihm zu:

»Flieg, mein Vögelein! flieg, mein Vögelein!«

Und wieder fliegt's flötend über die Welt.

Der Tod und das Kind

Inhaltsverzeichnis

»Kindchen, was willst du

erwachen zum Leben?

Komm mit mir,

dir ist besser so!

Den Kampf zu bestehn,

hast du nicht Kraft,

komm, leg dein Köpfchen

an meine Brust,

sieh doch,

mein Mantel ist warm und gut!

Komm, Kindchen,

wir bitten den Wind;

der trägt uns hinüber

in meinen Garten;

da will ich dich betten

ins grüne Gras ...

Und wenn eine Zeit vergangen ist,

dann wirdst du Blume und Schmetterling,

blühende Blume, glühender Schmetterling ...!

Nicht wahr, nun willst du?

Komm, kleines Herz!

Dir ist besser so!«

Der Tod und der Müde

Inhaltsverzeichnis

»Von der Brücke hinunter

in die dunklen, ruhlosen Fluten,

deren Wellen um Wellen

deine Blicke mit sich fort ziehen,

deren Wellen um Wellen

ein Stück deines Willens

davonführen,

bis er ganz dir geraubt,

und dein Leib,

leer,

schwer,

übers Geländer schlägt –

von der Brücke hinunter

schaue, spähe ...

siehst du das Wort nicht,

das meine Finger

ins Wasser schreiben?

Friede ... Friede ...!

und was ich nun schreibe?

Komm!

Komm!!

Siehst du es nicht?

Beuge dich tiefer!

Komm!!!«

Der Tod und der einsame Trinker

Inhaltsverzeichnis

Eine Mitternachtszene

»Guten Abend, Freund!«

»Dein Wohl!«

»Wie geht's?«

»Dein Wohl!«

»Schmeckt's?«

»Dein Wohl!«

»Du zürnst mir nicht mehr?«

»Dein Wohl!«

»Im Ernst?«

»Dein Wohl!«

»Hab Dank!«

»Dein Wohl!«

»Aber –«

»Dein Wohl!«

»Zuviel!«

»Dein Wohl!«

»Nun –«

»Dein Wohl!«

»Wie du willst!«

»Dein Wohl!«

»Narr!«

»Dein Wohl!«

»Genug!«

»Dein –«

Der fremde Bauer

Inhaltsverzeichnis

Ein Mann mit einer Sense tritt

zur Dämmerzeit beim Dorfschmied ein.

Der schlägt sie fester an den Stiel

und dengelt sie und schleift sie scharf

und gibt sie frohen Spruchs zurück

und frägt sein wer? woher? wohin?

und lauscht dem Fremden offnen Munds,

als der ihm dies und das erzählt.

Und wie die Rede irrt und kreist,

berührt sie auch das letzte Los,

das jedem fällt, und – »Unverhofft!

so möcht' ich hingehn!« ruft der Schmied –

und stürzt zusammen wie vom Blitz ...

Die Sense auf der Schulter geht

der fremde Mann das Dorf hinab.

Der Tod in der Granate

Inhaltsverzeichnis

Im Mantel der Granate,

die nach dem Feind sich senkt,

liegt Meister Tod im Schlafe,

behaglich ausgestreckt.

Da zuckt mit einem Male

in jähem Schreck sein Fuß:

Versengt hat ihm die Sohle

die abgebrannte Schnur.

Ein Blitz und ein Donner –

und Rauch und Geheul –:

der Tod steht im Herzen

des feindlichen Heers.

Im Nebel

Inhaltsverzeichnis

Schaurig heult das große Dampfhorn

seine Warnung in den Nebel ...

Irgendwo antwortet schaurig,

leis bald, lauter bald, ein andres ...

Angstvoll stehn die Passagiere,

jeden Nerv gespannt die Mannschaft ...

Schaurig heult das große Dampfhorn ...

Dumpf antwortet's aus dem Nebel ...

Alles späht, horcht, mißt die Pausen,

die Maschine schafft mit Halbdampf,

langsam schiebt durch undurchdringlich

Dunkel der Koloß sich vorwärts ...

Schaurig heult das große Dampfhorn ...

Dumpf antwortet's aus dem Nebel ...

In den Schiffsraum steigen Wachen,

an den Luken, an den Booten

harrt Bemannung, von der Brücke

schallt des Kapitäns Befehlsruf ...

Schaurig heult das große Dampfhorn ...

Dumpf antwortet's nah und näher ...

Die Erregung wächst zum Fieber ...

Ahnt wer, daß des Todes Hand die

Kompaßnadel abgelenkt hat,

daß der Mann am Steuer falsch fährt? ...

Schaurig heult das große Dampfhorn ...

Laut antwortet nächste Nähe ...

Böllerschlag –: Schwerfällig tasten

weiße Kugeln in die Dämmrung ...

»Schiff an Steuerbord!« – Zu spät! – Schon

schießt es rauschend, ungeheuer,

unaufhaltsam aus dem Nebel –

gräßlich mischen sich die Hörner –

rasend rolln die Steuerketten –

»Rückdampf!« – Schreie – Donnerkrachen –

alles stürzt zu Boden – Flammen

speit der Kesselraum – der Spiegel

senkt sich – aller Kampf vergebens! –

»Boote ab!« – Umsonst! – In Wirbeln,

Strudeln, Kratern dreht sich alles

tollen Tanzes in die Tiefe .....

Wo verblieb der fremde Fahrer?

Sank er? Fuhr er feig des Weges?

Lautlos lastet dicker Nebel

über totenstillen Wassern.

Am Ziel

Inhaltsverzeichnis

Schlote schnauben, Lichter funkeln,

Pfeifen schrillen, Rufe schallen,

draußen vor des Bahnhofs Hallen

harrt Verderber Tod im Dunkeln.

Fest ist alles abgekartet

mit dem trunknen Wart der Weiche,

daß der Zug das Gleis erreiche,

drauf der Gegen-Eilzug wartet.

Und schon wächst es mit den grellen

Spählaternen aus der Ferne,

glühnder Rauch verhüllt die Sterne,

hohl erdröhnt das Holz der Schwellen.

Blind, im Schienen-Überfluge,

stampft der Zug die falschen Gleise:

Schimmernd grüßt das Ziel der Reise –

Leise lacht es hinterm Zuge.

Die Gedächtnistafel

Inhaltsverzeichnis

»Der dort unten ruht jetzund,

sein Schatten stieß ihn in den Grund.

Am steilen Fels den schmalen Gang

klomm verwegen er entlang.

Scharf lag auf ihm das Mittagslicht,

der Schweiß rann ihm übers Gesicht.

Da blieb er, sich zu trocknen, stehn –

muß dabei seinen Schatten sehn.

Und wie er ihn sieht, reckt sich der

von der Wand gegen ihn her.

Den Wandrer fasset bittre Not,

er fühlet, neben ihm steht der Tod

und drängt ihn in das tiefe Grab

der wilden Felsenschlucht hinab.

Er sinkt zusammen in kaltem Schweiß,

alles dreht sich mit ihm im Kreis.

Er preßt die Stirn an den kalten Stein

und denkt an Weib und Kinderlein.

Aber der Tod hatt' gewonnen Spiel

und schob und stieß ihn, bis daß er fiel.

Eine Dirn aus unserm Dorf hat's geschaut,

ein fremder Maler den Stein aufgebaut,

die Verse sind von der alten Kathrein.

Sprecht: Armer Wandrer, wir denken Dein!«

Am Moor

Inhaltsverzeichnis

Flackernd lösen sich vom Sumpf

ungewisse Schemen ...

Nach der alten Weide Stumpf

sieh den Weg sie nehmen.

Auf dem Stumpfe sitzt der Tod:

Dumpfe Fiedel lockt und droht

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