Gesetzlos unter Palmen - Angelika Friedemann - E-Book

Gesetzlos unter Palmen E-Book

Angelika Friedemann

0,0

Beschreibung

Ausweichen kannst du Elefanten, wehren dem schnellen Eber und dem Sprung des Bären, dem wilden Rosse, tollen Stier; doch nimmer der Verleumdung Klapperschlange, der Rachsucht schlau verstecktem Tigerfange, des Trugs Hyäne und des Grolls Vampir. Arthur von Nordstern Im Hafen Port Adriano auf Mallorca findet man im Wasser den Leichnam eines Mannes, der offiziell als Gärtner bei zahlreichen Leuten beschäftigt war. Bei weiteren Recherchen stellt sich jedoch heraus, dass dieses nur Tarnung war und er als Callboy gebucht wurde. Der Kreis der Verdächtigen erweitert sich ständig. Das ist jedoch nicht das einzige Problem, mit dem sich Álvaro del Cervé der Brigada de investigacíon criminal herumärgern muss. Sein Kollege Ramon wird erpresst und dann findet man seine Geliebte tot in ihrer Finca.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 273

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Gesetzlos unter Palmen

TitelseiteGesetzlos unter Palmen~~~~~ - 1~~~~~ - 2~~~~~ - 3~~~~~ - 4~~~~~ - 5~~~~~ - 6~~~~~ - 7~~~~~ - 8~~~~~ - 9~~~~~ - 10~~~~~ - 11~~~~~ - 12~~~~~ - 13~~~~~ - 14~~~~~ - 15~~~~~ - 16~~~~~ - 17~~~~~ - 18~~~~~ - 19~~~~~ - 20~~~~~ - 21~~~~~ - 22~~~~~ - 23~~~~~ - 24~~~~~ - 25~~~~~ - 26Impressum

Angelika Friedemann

Gesetzlos unter Palmen

Ausweichen kannst du Elefanten,

wehren dem schnellen Eber und dem Sprung des Bären,

dem wilden Rosse, tollen Stier; doch nimmer der Verleumdung Klapperschlange,

der Rachsucht schlau verstecktem Tigerfange, des Trugs Hyäne und des Grolls Vampir.

Arthur von Nordstern

~~~~~

Er war früh im Büro, besprach mit den Kollegen die laufenden Ermittlungen, den Tagesablauf. Ramon war immer noch nicht da, bemerkte er verärgert.

Álvaro lehnte sich zurück, strich durch seine schwarzen Haare, bevor er die Hände hinter dem Kopf verschränkte. Grübelnd blickte er zu der Pinnwand, dem Foto des Toten. Warum hatte man ihn überhaupt erst mit zum Hafen genommen? Man hätte ihn gleich in seiner Wohnung, unterwegs niedergeschlagen können. Man hätte ihn vorher beseitigen können, so, dass ihn niemand so fix fand. Man nimmt ihn mit, um … Falsch! In die Wohnung hätte Antonio die Person nicht reingelassen. Unterwegs zu risikoreich, da sich Antonio gewehrt hätte. Hinterrücks, weil es so für den Mörder am risikoärmsten war. Ein Streit, welcher erst im Laufe des Abends eskalierte? Wo waren sie? Auf welchem Boot fand das Martyrium statt? No, das war ein geplanter Mord gewesen.

„Alberto, ich habe Arbeit für dich. Komm bitte her.“ Álvaro del Cervé deutet auf die Karte an der Pinnwand. „Der Hafen mit den Nummern der Liegeplätze. Schreibe bitte zu jedem Boot den Namen, falls die Eigner ein Grundstück auf der Insel haben.“

„Muss das sein?“, sah er wenig begeistert auf die Karte.

„Ich habe eine Liste der Hafenbörde, wo alle Eigner namentlich erfasst sind. Du gibst jeden Namen ein, überprüfst den Grundbesitz oder ob sie hier etwas mit Garten angemietet haben. Ist da nichts, Haken dran. Haben sie, kommt der Name unter der Nummer auf den Plan.“

„Für was soll das gut sein?“

Álvaro runzelte nun bereits die Stirn. „So können wir die ins Visier nehmen, die einen Gärtner benötigten, der die treuen Ehefrauen dann bearbeitete, vielleicht dort etwas schnippelte. Meiner Meinung nach war es einer dieser Schiffseigner.“

„Die sieben da?“

„Namen, von denen wir definitiv wissen, sie wohnen zeitweise auf der Insel.“

„Bien!“

„Gracias! Danach fahrt bitte nach Port Adriano. Ich sah gestern, dass es da verschiedene Kameras am Pier gibt. Wir wollen alle Aufnahmen vom Montag ab 18.00 Uhr und bis gestern Abend haben. Wir sind dann in seiner Wohnung, da die Spusi die noch auf den Kopf stellen muss. Wir befragen die Nachbarn, da der Tote mit jemand weggefahren sein muss.“

„Was vermutest du, Mann oder Frau?“

„Alberto, ich tendiere derzeit Richtung Mann, allerdings wissen wir noch zu wenig. Eifersucht ist stets ein starkes Motiv. In dem Fall gesellt sich hinzu, dass das Opfer Geld für diese Dienste nahm – sein Geld. Ein jüngerer Mann legte nicht nur seine Frau flach, no, er nahm noch sein Geld dafür. Dazu kam die Art es Toten: Adonis, gut aussehend, gebildet, charmant, jung, attraktiv, Waschbrettbauch, muskulös, gut bestückt, sexuell vielleicht sogar reger wie er. Im Gegensatz er: Wesentlich älter, Bierbauch, faltig, und der Sex ist auch nicht mehr so aufregend. Das ist er eventuell nur noch mit einer Geliebten.“

„Meine Frau meinte neulich auch, bei uns ist alles langweilig und eingefahren. Ich schlug ihr vor, machen wir Partnertausch. Sie klebte mir eine, aber wir landeten auf der Couch, da einmal keine Kinder störten.“

Sie lachten beide. „Wie machen mehrmals im Jahr Urlaub am Wochenende von der Familie. Freitag bis Sonntagnachmittag im Hotel. Ein Tipp von meinen Schwiegereltern. Bei uns wirkt es dito. Alles ist neu, anders, weil Zeit für den Partner da ist. Es ist wesentlich entspannter, da man nicht gestört wird, werden kann.“

„Gute Idee! Gracias, schenke ich meiner Frau zum Geburtstag ein nettes Wochenende.“

„Hast du auch etwas von. Aber gebe ich an meinen Schwiegereltern weiter, da sie das freut. Sie machen das heute noch, obwohl sie über siebzig sind und allein in ihrer Finca leben. Sie nennen es Liebeswochenende.“

Ramon erschien, entschuldigte sich, da es seiner Ehefrau abermals so schlecht ging.

„Sage es der Personalabteilung und lege ihnen die Bestätigung vom Arzt vor. Wegen gestern Abend erhältst du generell einen Verweis. Fahren wir.“

Sie ließen die Spurensicherung in die Wohnung, gaben ihnen den Schlüssel. Nun befragten sie getrennt die Nachbarn. Von den neun Parteien waren allerdings nur sechs anwesend. Álvaro wurde von einem älteren Ehepaar gleich mit Kaffee begrüßt, da sie schon mit der Policía gerechnet hätten.

Antonio ein netter, freundlicher, höflicher Mann, mit dem es nie Ärger gab. Ja, man wusste, dass er als Callboy arbeitete, dadurch die Eigentumswohnung hatte kaufen können. Er machte nie ein Geheimnis daraus. Eine Frau sagte, dass ihr Mann Antonio gefragt habe, wie das Geschäft abliefe, da er daran auch Interesse hätte. Sie lachte sogar darüber, da ihr Mann 48 Jahre alt sei und mit seinem Bäuchlein, nicht wie der Adonis Antonio aussehe. Alle Hausbewohner waren geschockt, als sie hörten, dass er tot, einem Kapitalverbrechen zum Opfer gefallen war. Nur ein älterer Mann sah ihn gegen 22.45 Uhr allein das Haus verlassen und in einen weißen Wagen steigen. Er wusste nicht, ob der Fahrer eine Frau oder ein Mann war. Er wusste nicht das Fahrzeug, aber eine Limousine. Das Kennzeichen konnte er generell nicht lesen. Die Befragungen brachte sie kein bisschen weiter, da auch Ramon nicht Brauchbares mitbrachte.

Zurück in der Wohnung stöhnte Carlos: „Er muss ständig Besuch gehabt haben, so viele Abdrücke, DNA-Material wie es hier gibt. Bettwäsche aus dem Schlafzimmer und dem Gästezimmer nehmen wir mit.“

„Hat hier jemand gewischt?“

„Nichts! Auch kein Blut. Eine Rosana irgendwie kommt gleich vorbei. Sie ist die Putze, fragte, wann sie kommen soll. Sie weiß es noch nicht.“

„Bien, kann sie uns gleich sagen, ob etwas fehlt, obwohl ich nicht denke, dass sein Mörder gestohlen hat. Vermutlich war er nicht am Abend in der Wohnung.“

„Weswegen sitzen wir hier noch den halben Tag?“

Álvaro grinste. „Verschaffe euch nur ein wenig Arbeit, damit ihr nicht einschlaft.“

Die Reinigungskraft fing an zu weinen, nachdem Álvaro ihr von dem Tod des Jungen, wie sie ihn nannte, erzählt hatte. Seit er in der Wohnung lebte, putzte sie für ihn. Einmal wöchentlich, manchmal brachte sie Frühstück mit, da sie dann beide erst auf der Terrasse frühstückten, zuweilen war er schon weg. Sie rief immer an, falls Damenbesuch anwesend war. Was er beruflich machte, wusste sie und sie meinte, wenn Frauen ihn dafür bezahlen. Nur die jungen Dinger, die über Nacht blieben, waren nie solche. Das waren seine Freundinnen. Sie wusste, dass er, seit Silvester fest mit einer Frau liiert war. Sie kannte jedoch weder den Namen, noch wusste sie, wie sie aussah, nur sie hatte lange schwarze Haare. Sie war sehr reinlich, säuberte stets das Bad, machte die Betten ordentlich, räumte auf und so. Macht sie, damit wir in Ruhe Frühstücken können, lästerte er. Die Zeit bezahlte er, obwohl sie das nicht wollte. Sie stellte fest, dass ein Tablet, ein Laptop und eine Kamera fehlten. Sonst war alles da.

„Mache ich mich über seinen Terminkalender her. Anschließend sein Geld. Die Erben freuen sich.“

Álvaro ahnte nicht, was da auf ihn zukam. Immer wieder neue Namen. Bei den meisten Namen handelte es sich um weibliche Vornamen. Dahinter standen stets Beträge. Der niedrigste 2.000 der höchste 7.500 Euro. Nur bei Verena und Mia waren keine Beträge vermerkt, dazu einige andere Vornamen, auch männliche. Bei einer Maria einmal 500 Euro.

Er rief eine Médico an, die sagte, Antonio war ihr Patient. Was er hatte, sagte sie nicht. Als er fragte, wieso sie abends Sprechstunde hätte, legte sie auf. Die Frau musste man besuchen. Der Termin war anscheinend einmalig gewesen und hatte ihm 7.500 Euro eingebracht. Einen zweiten Termin danach gab es nicht. Wollte sie nicht, oder er? Wurde er nach Zeit oder Nummer bezahlt? Er notierte auf einem Block die Namen und die schrieb die Beträge dahinter. Die Doctora - die Teuerste. Wie berechnete er das? Nach Alter? No, passte nicht, da auch Jüngere viel Geld zahlten. Nach Aussehen? Könnte sein! Dick – teuer, dünn – billiger. Er lachte, sah Albertos Blick. „Er ließ sich vermutlich nach Können und wie viel Spaß er dabei hatte, bezahlen. War sie gut – wenig. War sie steif – viel.“

Er suchte die Frauen heraus, von denen er definitiv wusste, wie sie aussahen. Eigentlich alle gleich dröge für seinen Geschmack.

Nun noch die Kamerabänder im Schnelldurchgang. Alberto Hernandez hatte die Kassetten gekennzeichnet, auf denen man den Toten sah. Auf allen Aufnahmen lief er allein und am späten Abend war es dunkel, da sah man nichts mehr, genau wie die ganze Nacht über. Da schien dort Totentanz zu herrschen. Warum wurde da nicht die Mole aufgenommen? Auf dem Wasser war natürlich nichts los und selbst die Yachten lagen im Dunkeln.

Zu Hause erzählte er seiner Frau davon, da sie fragte, warum er so spät käme. „Über hundert Frauen beglückte unser Toter dieses Jahr. Frauen von 20 bis 57 Jahren.“ Er nahm den nächsten Bissen, kaute, während Isabel del Cervé schmunzelnd feststellte: „Muss er gut gewesen sein und sehr potent. Würdest du das auch schaffen? Das Aussehen und den Charme hättest du dafür. Sogar noch den Waschbrettbauch. “

Er schluckte runter, grinste: „Mit den richtigen Frauen bestimmt!“

„Biest!“

„Wir können gleich probieren, wie oft es klappt.“

„Ich habe um 6.30 Uhr Termin auf der Baustelle in Valldemossa.“

„Was ich sage, es liegt an der Frau“, schob er das Fleisch in den Mund.

Sie trank aus seinem Glas einen Schluck Rotwein. „Du kommst extra so spät, damit nicht so viel passiert. Am Wochenende sind wir allein. Mal sehen, was da geht.“

Nun wurde er Ernst, schluckte schnell runter. „Wo sind unsere Kinder?“

„Deine Eltern nehmen sie am Freitagnachmittag mit nach Barcelona. Sie kommen am Sonntagnachmittag zurück. Manuel und Rafael werden neu eingekleidet und in die Oper eingeführt. Sie freuen sich. Jetzt sind sie bei ihnen, da deine Mutter Pizza machte. Dein Vater fährt sie morgen früh in die Schule.“

„Sollten wir auch wieder einmal hingehen. Ein Wochenende Barcelona würde mir gefallen“, trank er einen Schluck Wein, aß weiter.

„Und danach einen schönen Abschluss im Hotel bei Champagner und Erdbeeren.“

„Naschkatze! Sonst nichts?“

„Mal sehen, auf was ich vielleicht noch Appetit habe.“

„Können das gleich testen, damit du es dann weißt“, guckte er sie nicht an, schnitt an dem Fleisch, verkniff sich das Lachen.

„Du bist ein Biest“, schmunzelte sie.

„Männer sind nie Biester, da das nur Frauen sind“, konterte er, wusste, das würde noch ein sehr schöner Abend werden.

~~~~~

Morgens sprach er mit dem Staatsanwalt, nahm dankend die Beschlüsse entgegen. Als der weg war, forderte er von Antonio Pereira den Verbindungsnachweis von diesem Monat an, daneben benötigten sie ein Protokoll, wo er, wann mit seinem Smartphone eingeloggt war. Bankunterlagen waren da, daher entfiel das. José Torres kam herein. „Barça rief gerade an. Die Eltern von Pereira sind zusammengebrochen. Sie befragen sie erst heute. Eins jedoch vorneweg. Sein Vater liegt mit einem gebrochenen Oberschenkel im Haus. Sie haben geforscht. Den Bruch hat er seit vier Wochen. Der Sohn war vor zwei Wochen eine Woche bei ihnen. Er wurde da aus dem Spital entlassen. Also scheiden sie eigentlich aus. Bruder und Schwester plus Anhang haben wasserdichte Alibis mit zig Zeugen. Die Namen habe ich überprüft“, reichte er ihm einen Stapel Papier. „Die ersten sechs auffällig, obwohl es alles nur Kleinigkeiten sind.“

„Gracias, José! Sie hatte ich auch nie im Visier. Widme dich wieder deiner Geldwäsche.“

„Schwieriges Unterfangen da Staatsanwalt Anoldo alles abblockt. Er mag wohl die Oberen nicht verärgern, deren Geschäfte zerstören. Neulich sprach ich mit Carcían darüber. Er will versuchen, dass ich mehr Bewegungsfreiheit bekommen, mehr ermitteln darf und kann.“

„Du machst das schon“, lächelte er zu seinem Stellvertreter, der seit über einem Jahr an dieser mehr als dreckigen Geschichte saß. „Wenn du Hilfe benötigst, sage Bescheid. Ich kenne privat eine Staatsanwältin auf dem Festland.“

„Gracias.“

Er schaute die Dossiers von den Mitarbeitern vom Hafen an.

Sieh an. Maria Lanto wegen Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Das war drei Jahre her. Er blätterte zurück. Sie hatte den Ex mit Geschirr beworfen, weil er sich trennte. Sie ging wegen eines Gesprächs in seine Wohnung, wo sie ausrastete. Den Schaden hatte sie bereits vor der Gerichtsverhandlung bezahlt. Cholerisch die Frau.

Alberto kam herein. „Du hast Fehler auf deiner Karte gehabt. Die Renate gehört zur 23 und nicht zur 28. Die Frau des Eigners heißt Renata, ist zwanzig Jahre älter und 30 Kilo schwerer. Sie hatte gewiss nichts mit deinem Toten, da sie hier in einer Clínica seit vier Monaten liegt, da schwer krank.“

„Eine Renate stand in seinem Terminkalender vier, fünfmal, glaube ich. Wurde falsch eingetragen.“

„Renateee ist die Frau des Eigners von Liegeplatz 23, Carlos Silva: Deutsche, 18 Jahre jünger als er. Sie 41, er wird in zwei Wochen 59.“

„Gracias, damit rückt er in den Kreis der Verdächtigen.“

„Denke ich dito. Noch ein Fehler. Die 24, Eigner ein Miquel Vamos de Sella. Sie war am Tattag bereits seit zwei Wochen ausgelaufen, wie mir die Hafenbehörde bestätigte. Da kann also kein Boot gestanden haben“, deutete er auf die Karte. „Lucia bestätigte das. Vor der 23 keine Yacht.“

„Maldito! Pennt er nur noch? Gracias, Alberto.“

Schlamperei! Nun las er weiter. Die Verkäuferin in einem der Modeläden wegen Diebstahl bei ihrem ehemaligen Arbeitgeber dito vorbestraft. Das war allerdings bereit elf Jahre her.

Einer der Hafenarbeiter hatte derzeit keinen Führerschein. Ein anderer war wegen Zechprellerei und einer Schlägerei vorbestraft. In der Nacht hatte 2,02 Promille, wusste von nichts im Nachhinein.

Fernanda Gonzales, eine Ärztin, wurde zweimal betrunken erwischt. Sie war gerade wieder die Pappe los, dazu eine Bewährungsstrafe, weil sie die Beamten beleidigte, mit der Handtasche zuschlug. Das war diese einmalige Aktivität.

„Unser Gärtner muss Sau gut gewesen sein?“

„Eher Callboy. Wo warst du solange?“

„Habe Elena gesagt, dass Schluss ist. Sie heulte, dann meckerte sie.“

„Bien, nun arbeitest du. Fang an zu tippen, weil, sie bekommt es nicht hin. Erledige deinen Privatkram in Zukunft, falls du hier noch eine hast, nach Feierabend. Comprende?“

„Wieso Callboy? Ich dachte, ein Teil der schicken, großen Gärten, stammen von ihm“, ging er zur Kaffeemaschine. „Du auch?“

„Gracias, Espresso, wie immer“, stand er auf, reichte ihm die leere Tasse. „Weil ich seinen Terminkalender studiere. Allein in diesem Jahr hat er über hundert Frauen beglückt. Manchen nur einmalig, manche regelmäßig über einen längeren Zeitraum.“

„Ich sattle um“, grinste Ramon. „Reich werde ich dabei auch noch.“

„Pilar bringt dich um.“

„Sie will nicht.“

„Ich stelle mir das nicht ganz so nett vor. Überlege mal, du musst funktionieren, obwohl da eine Braut vor dir liegt, die nicht unbedingt eine Schönheit ist, und das gewiss nicht nur einmal. Du hast nicht nur junge, gut gebaute Frauen unter dir. Gerade meistens ältere Ladys haben erst das Geld, dass sie sich das leisten können. Für einen Nachmittag hat er bis zu 7.500 Euro abkassiert. Möchte nicht wissen, wie die Frauen aussahen. Bien, werden wir teilweise sehen.“

Alberto legte ihm den Obduktionsbericht hin. „Oh, Señor Guerra will etwa arbeiten? Gestern habe ich dich faulen Mann gemeldet, damit sie dir wenigstens das Geld alles vom Gehalt abziehen.“

„Du blöder alter Sack …“

„Ruhe! Das melde ich. Was fällt dir unverschämten Mann ein, Alberto zu beleidigen. Du gehst einfach, tust nicht, obwohl reichlich Arbeit für dich da lag. Jetzt wirst du auch noch unverschämt. Raus, aus meinem Büro. Wage es nicht, etwas dazu zu sagen.“

Sie gingen beide.

Er schlug die Kladde auf, las: Tot durch einen Schlag auf den Hinterkopf, der die Schädeldecke zertrümmerte. Der Tod trat sofort ein. Todeszeitpunkt: gegen 1.00 Ihr. Interessant – mindestens 21 große Hämatome eindeutig von verschiedenen Schuhen, auch Damenschuhen. Größen nur ungenau feststellbar, da die überlappten. Jedoch hatte man von drei Teilabdrücken ein Profil festgestellt. Álvaro guckte die beigefügten Bilder des Toten an. 14 Messerstiche in den Penis und die Genitalien. Die Stiche stammten von zwei unterschiedlichen Messern. Ein Kochmesser mit einer 38 mm breiten Klinge. Ein Klappmesser mit einer schmaleren Klinge. Keine Abwehrspuren am Körper. Es wurden keine Drogen, sonstige Tabletten, andere Substanzen im Körper festgestellt, auch kein Alkohol. Nun kamen zwei Tätowierungen, eine alte Operationsnarbe, Zahnstatus und so weiter. Unwichtiges Zeug.

Seine Kleidung sei im Labor, aber die war vollständig ganz gewesen. Man musste ihn nach der Folterung angezogen haben. Er legte den Bericht zu der Akte.

„Ramon, das war kein normaler Mord“, sprach er ihn im Nebenzimmer an. „Antonio Pereira wurde vor seiner Ermordung brutal, bestialisch gefoltert, misshandelt. Danach zog man den Mann an und erst infolge bekam er den Schlag auf den Hinterkopf, welcher tödlich war. Sie vermuten mit einer runden Eisenstange. Rohrdurchmesser von 5 bis 7 Zentimeter. Da haben sich mutmaßlich mehrere Personen an ihm ausgetobt, ihren ganzen Frust, die Eifersucht, den Hass, Neid raus gelassen.“

„Haben sie es dem Callboy richtig gegeben“, erwiderte der ungerührt. „Solche Weiber leben nun mal gefährlich. Weiß aber jeder.“

Álvaro schüttelte den Kopf. „Ramon, ich denke, du bist hier falsch. Es ist ein grausamer Mord an einem jungen Mann geschehen, egal, was er machte. Du scheinheiliger Pharisäer betrügst deine Ehefrau, betrügst den Steuerzahler und maßest dir an, über andere Menschen zu urteilen? Du bist verlogen, arrogant, denkst, du wärst etwas Besseres, da du bei der Brigada de investigación Criminal arbeitest.“

Lucia rief an, unterbrach das Gespräch. Sie teilte ihm vorab mit, dass die zwei Männerschuhe die Größen 43 und 46 hatten. Beide normale Turnschuhe. Einmal Fila, der große Adidas. Die Frau trug Größe 38. Dabei handelte es sich dito um Straßenschuhe mit glatter Sohle, vermutlich Pumps mit spitzen Absätzen. Das Blut an den Booten 23 und 47 stammt eindeutig von Antonio Pereira.

Er bedankte sich. Wie kann das sein? Álvaro besah die DIN-A-1-Karte, die an der Pinnwand hing.

„Álvaro, entschuldige. War nicht so gemeint“, betrat Ramon sein Büro.

„Dann behalte deine abscheulichen Kommentare für dich. Es wurde ein junger Mann bestialisch ermordet. Das geht in dein Spatzenhirn? Hier schwamm der Tote. An der 23 und der 47 fand die Spusi außen Blut von Antonio. Innen hatte man gut gereinigt – oder er wurde woanders ermordet, was ich annehme. Diese Folterung war nicht nur bestialisch, sondern sehr blutig. Für den Mann ein rotes Kreuz, für die beiden Boote ein Blaues.“

„Geht nicht. Die 23 steht in einer ganz anderen Reihe.“

„Logisch, da auf die 23 nicht die 47 folgt oder umgekehrt. Bist du irgendwie geistig zurückgeblieben oder denkst du das von mir?“, schüttelte Álvaro den Kopf. „Es sind zwei Kanäle dazwischen, jedenfalls theoretisch. Nun malen wir, mit welcher treuen Ehefrau er etwas hatte. Lies die Nummern vor.“ Er reichte ihm die Liste, kreuzte an.

„Weder die 23 noch die 47 sind dabei“, stellte Ramon fest.

„Falsch! Die Renate von der 23 steckst du in die 28. Arbeite gefälligst bisweilen ordentlich und hab nicht nur eine große Klappe. Ganz abgesehen davon, bin ich noch nicht ganz durch. Nur wenn, war es Anfang des Jahres. Warum dann jetzt erst den Mord? Warum war er auf dessen Kähnen? Ramon, sortiere die Listen der Eigner mit hiesigem Wohnsitz nach Staaten. Innerhalb der Staaten nach Orten mit Postleitzahlen oder so. Nachher besuchen wir einige der Frauen, fragen sie, was der Gärtner so alles beschnitt und besamte.“

„Warum lässt du sie nicht antanzen?“

„Ich möchte die Gärten sehen. Stellt sich eine quer, kann ich gleich die Spusi in deren Haus lassen. Gefahr in Verzug.“

„Clever“, äußerte Ramon anerkennend. „Von dir kann man wirklich noch eine Menge lernen.“

„Deswegen muss ich mich mit dir herumärgern“, konterte Álvaro trocken. Er schaute nochmals die Bilder des Toten an. Welcher Yachtbesitzer lief mit Straßenschuhen auf seinem Boot herum, duldete sogar Frauen mit Pumps dort, außer unten, wo Teppich, Holz ausgelegt war? Die 23 und die 47 waren nicht gerade die kleinsten, billigsten Boote.

„Ramon, trage mir schnellsten alles über die Leute von der 23 und der 47 zusammen, auch finanziell. Gracias!“

„Warum?“

„Weil ich es sage! An deinem Platz wird gearbeitet.“ Er blickte dem Kollegen nach, der nervte. Es wurde fast wöchentlich schlimmer. Antonio: Der Besitzer der 23 bittet den Mann auf seine Yacht, wegen … seines Gartens. Er betritt diese arglos, wird dort gefoltert. Man wirft ihn über Bord. Nur er ist nicht tot, schwimmt. Jemand springt rein, will ihn nun ertränken oder so. Da kommen Leute die Mole entlang. Er zieht das Opfer zu seinem Boot, der 47. Man hievt ihn auf das Boot, wartet eine Weile, bis draußen Ruhe ist. Nun der Schlag mit der Eisenstange. Geht nicht. Anders rum. Erst die 47, dann die 23, da er dort schwamm. Er griff zum Telefon. „Hola! Pedro, kannst du feststellen, ob Antonio Pereira kurz vor seinem Tod schon mal im Wasser war?“ „Gewiss?“ „Gracias“, legte er auf. So war es also nicht. Wie dann?

„Brigada de investigación Criminal, Capitán del Cervé. Buenos días!“, zeige Álvaro seinen Ausweis. „Wir haben ein paar Fragen an Señora Maria Diaz.“

Das Mädchen verschwand und die Frau erschien persönlich. „Hola! Was habe ich mit der Policía zu tun?“

„Dürfen wir reinkommen?“

Sie trat beiseite, ging vor. „Mathilda, Kaffee für uns, por favor. Gracias! Nehmen Sie Platz. Was führt Sie nun zu mir?“

Wow, eine sehr schöne Frau, der man ihre 59 Jahre nicht ansah. Die Figur - perfekt. Die langen, schwarzen Haare zwar bereits mit einigen silbernen Fäden durchzogen – wunderschön. Der Gang, barfuß, geschmeidig. Die Frau ist genau mein Fall, dachte Álvaro. So ähnlich würde in fünfzehn Jahren Isabel aussehen.

„Sie kennen Señor Antonio Pereira?“

„Si, ein guter Freund der Familie. Er gestaltete unter anderen unseren Garten neu, gibt zuweilen dem Gärtner Tipps. Er ist wie wir ein Opernfan, berät meinen Mann in Stilfragen, geht mit meinem Sohn regelmäßig Tennis spielen, kiten, segeln und vieles mehr. Warum? Was hat er angestellt?“

„Er wurde ermordet im Hafenbecken in Port Adriano aufgefunden.“

Die Frau sah sie sprachlos an, schluckte. Die Tränen kullerten, aber sie wischte sie nicht weg.

„Señora Diaz, Sie sagten eben, er war unter anderem Gärtner. Was war der noch?“, fragte Ramon gefühllos.

„Mathilda, ein Glas Wasser und meine Tabletten, por favor“, rief sie mit merkwürdig verzehrter Stimme. Sie warteten, bis sie die Tabletten geschluckt hat, dass Wasser in einem Zug austrank. „Entschuldigung“, hauchte sie.

„Geht es? Benötigen Sie einen Arzt, Señora Diaz?“, erkundigte sich Álvaro.

Sie schüttelte den Kopf.

„Was war der Mann noch?“, Ramon in einem aggressiven Tonfall.

„Ein Freund der Familie, Vertrauter, Beichtvater und ja, auch mein Liebhaber. Das wollten Sie doch hören“, weinte sie still, machte jedoch immer noch keine Anstalten die Tränen wegzuputzen.

„Den Sie bezahlen mussten, weil man was Junges brauchte“, Ramon gehässig.

„Ja, für den Sex zahlte ich. Nur wir hatten schöne Stunden ohne Sex und die verbrachte er gern hier. Er war nicht so ungebildet, voreingenommen, altmodisch, prüde, weltfremd wie Sie, junger Mann. Ist es bei Ihnen Neid, dass er es in jungen Jahren trotzdem weit brachte? Sagen Sie etwas Falsches über den Toten, verunglimpfen ihn, bekommen Sie mit mir Ärger, da ich das nicht zulassen werde. Mein Mann und ich werden Sie verklagen.“ Sie stand auf, holte einen Katalog, legte den aufgeschlagen vor Ramon. „Nun erzählen Sie mir, was Sie sehen?“

„Vermutlich alte Schinken. Ich bin nicht hier, um Schulunterricht zu bekommen, sondern um alte Frauen, die sich junge Lover ….“ Er sah den Blick von seinem Chef, schwieg.

„Bildung würde Ihnen allerdings guttun. Antonio wusste, was ich da katalogisierte. Gucken Sie raus, sehen sich unseren Garten an und sagen mir nur ein Teil der Pflanzen. Können Sie auch nicht. Können Sie meinen alten Bentley reparieren? Können Sie kochen? Kennen Sie sich beim WWF aus? Haben Sie schon armen Menschen geholfen, wirklich geholfen, nicht nur 5 Euro gespendet? Also kommen Sie mir nicht dermaßen dumm. Haben Sie noch weitere Fragen, Capitán del Cervé?“

„Wir sind auch nicht hier, weil Sie sich einen Callboy hielten, Señora Diaz.“

„Es reicht!“, Álvaro ärgerlich.

Die Frau stand auf, griff nach dem Handy. „Verlassen Sie sofort unser Haus, Sie Flegel. Das melde ich Ihrem Vorgesetzten. Was fällt Ihnen ein, dermaßen respektlos über einen Toten zu sprechen.“

Álvaro nickte und Ramon ging. „Ich entschuldige mich für meinen Kollegen. Wie lange ging die Freundschaft?“

„Viele Jahre. Ich habe mich in seiner Gegenwart wirklich sehr wohl geführt. Er war gebildet, nett, verschwiegen, höflich, konnte auch über sich selbst lachen“, schluchzte Maria Diaz. „Sex hatten wir in den Jahren nur sechs-siebenmal. Dieses Jahr einmal. Das war nicht das Primäre. Mein Mann wusste auch das. Wir sind solange zusammen, haben einiges erlebt, da ist das Sexuelle nur noch zweitrangig, obwohl wir gern auch in der Beziehung zusammen sind. Er hatte auch bisweilen eine Affäre, und? Wichtig ist für uns beide, dass wir einen vertrauensvollen, ehrlichen Partner haben, wenn wir auch oftmals einige Zeit getrennt leben, bedingt durch unsere Arbeiten.“

„Señora Diaz, wissen Sie etwas, dass er bedroht wurde, ob er Feinde hatte?“

„Feinde ja, da die Frauen nie wollten, wenn er Schluss sagte. Männer eventuell, da nicht alle so tolerant waren, dass auch einer Frau zuzubilligen. Sie dürfen teure Affären haben, die Ehefrau nicht. Bedroht hat er nie erwähnt.“

„Waren Sie jemals in seiner Wohnung?“

„Öfter. Wir saßen abends auf der Terrasse, unterhielten uns, bevor ich nach Haus fuhr. Alles ohne Sex.“

Er bedankte sich, entschuldigte sich nochmals für Ramon und ging.

„Bist du bescheuert, die Señorita dermaßen grob anzugehen?“

„Álvaro, blödes Gesülze. Der Mann hat sie mitgenommen, weil er abkassieren wollte. Nix da, ach so guter Freund.“

„Weil das nicht in dein Schema passt? Weil für dich alle Frauen nur fürs Bett interessant sind? Ramon, bete, dass sie dich nicht anzeigt.“

„Hallo, darf man jetzt keine Leute mehr befragen?“

„Doch, aber nicht beleidigen, nur weil Sie dir die Wahrheit sagte.“

„Mensch, die Alte war sauer, dass wir wussten, sie muss sich einen Mann für Sex kaufen. Sollte sie drauf verzichten, diese alte Gans, spart ihr Mann Geld.“

„Hoffentlich zeigt sie dich an.“

Die nächste Frau war Carmen Modega. Ein Strich in der Landschaft – dürre, aber mit einer weichen melodischen Stimme. Bei ihr hatte er im Gegensatz zu Maria Diaz, die nur einen Fünfhundert zahlte, 3.500 Euro genommen. Sie weinte, weil er doch sooo nett war. No, kein Callboy, sondern bei ihr war es etwas anderes.

Josepha Rueda war die nächste Dame. Sie wusste bereits von seinem Tod, da es ihr Gerda erzählt hätte. Die Gute wäre deswegen fix und fertig. Dabei war es doch bereits beendet. Sie gab es ganz offen zu, meinte, es wäre ihre Sache, was sie mit ihrem Geld mache. Sie habe dafür dreißig Jahre schwer gearbeitet. Antonio gab ihr eben das Gefühl, noch nicht alt zu sein und auch, dass man mit so einer Frau noch Spaß im Bett haben konnte, auch wenn sie dafür bezahlte. War eben sein Job.

Ähnliche Sätze hörten sie von den folgenden Frauen, nur bei ihnen stets verbunden mit der Frage, ob sie das ihrem Mann sagen würde. Álvaro notierte die Bootsnummern 7, 34, 59, 18. 32, 37, 83, damit sie einen Überblick behielten. Von allen Personen nahmen sie Fingerabdrücke und DNA-Material. Ärger machte deswegen keine der Frauen.

Nun noch die noble Médico. Die Frau wollte sie gleich arrogant an der Tür abfertigen, wurde unverschämt.

„Ramon, rufe einen Streifenwagen, damit man sie abtransportiert. Beamtenbeleidigung, Behinderung der Polizeiarbeit. Bei der Vorstrafe wird es eng.“

Sofort lenkte sie ein, bat sie herein. Álvaro musterte die schlanke Frau von hinten. Sie sah mehr wie ein Mann aus. Die Kurven fehlten. Antonio beglückte anscheinend nur Frauen, die nicht dick waren, resümierte er.

Ihr tue der Tod von Antonio leid, aber nicht mehr. Als Doctora lebe sie schließlich stets damit. Während Ramon die Fragen stellte, beobachtete er die Frau, welche sichtlich nervös war. Was stimmte da nicht? Plötzlich ahnte er es. Er fragte nach der Toilette, verschwand. Im Bad zog er Handschuhe an, durchsuchte die zwei niedrigen Schränkchen. Bingo! Zwei Beutel mit weißem Zeug – Koks und mehrere Spritzen, fand er zwischen den Handtüchern. Also doch! Er steckte die Beutel in eine seiner Tüten, legte die Spritzen dazu, zog die Handschuhe aus. Nun bediente er die Spülung, wusch die Hände.

Im Flur blieb er stehen, rief die Spusi an, damit sie Wohnung und Praxis durchsuchten. Sie kam herausgestürmt, schrie, hier käme niemand rein und sie sollten sofort ihre Wohnung verlassen.

„Damit Sie die Drogen entsorgen können? Sie werden gleich ins Präsidium gefahren. Als Médico sind Sie generell erledigt. Nun steht noch im Raum, ob Sie etwas mit der Ermordung von Señor Pereira zu tun haben.“

Sie wollte auf Álvaro einschlagen, aber der fasste sie an den Handgelenken. „Fessel diese Furie. Tätlicher Angriff eines Kriminalbeamten kommt hinzu und dafür werden Sie lange sitzen.“ Er rief einen Polizeiwagen, damit man sie abtransportierte.

Da sie auf die Kollegen warten musste, schauten sie sich im Wohnzimmer näher um. In einem Schreibtisch, der seitlich stand, nochmals zwei Beutel mit Kokain. Álvaro fotografierte auch das mit dem Handy, bevor er die Beutel herausnahm.

„Ist für die Patienten.“

„Sicher! Das erzählen Sie dem Richter. Die Spurensicherung wird nun die Wohnung und die Praxis genau untersuchen, dann auch sehen, welche Drogen dort eingetragen sind, wer die Patienten sind, die Kokain und Heroin, Morphium benötigen. Daneben wird man einen Drogentest bei Ihnen machen. Als Ärztin war es das dann wohl. Seit wann nehmen Sie Drogen?“

„Mal ein wenig Koks ist nun kein Verbrechen. Macht fast jeder“, weinte sie. „Antonio war ein Schwein und hat es verdient.“

„Haben Sie ihn also ermordet?“, fragte Ramon.

„Ich habe ihn seit damals nicht mehr gesehen. Der Mann nimmt 7.000 Euro, sagt in der Nacht, das war das erste und letzte Mal. Du bist mir zu langweilig. Da geht einfach nichts. Wie eine Pura hat der mich behandelt.“

„Sie wussten doch, dass er ein Callboy war, oder?“

„Bei mir war es Liebe“, schluchzte sie.

„Hat er Ihnen nicht gesagt, ich nehme immer Geld dafür?“

„Bei Verena hat er nie Geld verlangt, wie ich wusste. Ich dachte, das wäre ein Scherz, als er sagte 7.500 Euro für eine Nacht.“

„Wer ist Verena?“, erkundigte sich Álvaro.

„Eine Verkäuferin, mit der er ein Jahr zusammen war. Nach mir war es Mia, die in Port Adriano arbeitet.“

„Die junge Señorita aus der Modeboutique? Sie ist Mitte zwanzig, sehr hübsch und passte zu ihm, war keine Frau, die ihn buchte, so wie Sie. Er hätte Ihr Sohn vom Alter her, sein können.“

So ging es weiter mit den Hasstiraden über den Toten. Álvaro war froh, als man sie abtransportierte, die Spusi erschien, denen er die Drogen aushändigte.

„Die Ärztin hat dich förmlich mit Blicken ausgezogen. Die wäre über dich hergefallen, wäre ich nicht dabei gewesen.“

„Ist auch so leicht, über mich herzufallen. Überlege bisweilen, was du äußerst. Es geht nicht darum, gut auszusehen, die Psyche ist mehr entscheidend. Probleme entspannt angehen, nicht mit Hektik, Anspannung, ein weiterer Pluspunkt. Frauen interessieren mich wenig, da ich eine wundervolle Ehefrau habe. Also erspare mir solche dummen Sprüche. Schließ nicht von dir auf andere Personen. Comprende?“

„Stimmt doch. Du gehörst zu der Sorte Männer, die von Geschlechtsgenossen beneidet, von Frauen begehrt werden. Du verkörperst mühelose Coolness, gefährliche Männlichkeit, verwegenes Charisma. Die Frauen fliegen auf dich und du kannst sie alle haben.“

„Fertig? Ramon, ich habe geheiratet, weil ich meine Ehefrau wollte und für mich gehört zu einer Ehe Treue. Was habe ich bei einer anderen Frau, was ich nicht auch daheim bekomme? Nichts. Sex ist Sex und der stimmt bei uns. Also was? Weil sie jünger ist? Albern! Ich bin auch älter geworden. Und? Meine Frau sieht heute noch wunderschön aus. Mit ihr kann ich reden, streiten, lachen, kann sie um Rat fragen und alles andere. Das würde ich nie für eine Affäre aufs Spiel setzen, weil mich andere Frauen auch nicht reizen. Ausprobiert habe ich genug vor meiner Ehe und das war zeitweise anstrengend. Erspare mir daher dein neidisches Geschwätz.“

„Finde ich nicht.“

„Ruhe!“

„Álvaro, kann ich morgen früh drei Stunden später kommen? Muss was erledigen“, fragte Ramon zum Feierabend.

„Mann, du nervst. Kannst du das nicht am Wochenende regeln?“

„Ein Umzug! Will ihr nur beim Tragen kurz helfen.“

„Mit Sex?“

„Ohne!“

„No, da du generell jeden Tag zu spät kommst. Es reicht allmählich.“

„Gracias!“

„Für was?“, erkundigte sich Álvaro irritiert.

Ramon verschwand gleich, da er Feierabend hätte, seine Frau auf ihn wartete. Álvaro hingegen überlegte, suchte nun im Terminkalender nach Gerda. Im März fand er sie. 7.500 Euro und einmal im Februar mit der gleichen Summe, sonst keine Einträge mehr. Nun rief er Josepha Rueda an, fragte, wie Gerda mit Nachnamen hieß. Die Antwort erstaunte ihn, machte ihn aber auch zornig. Ramon erledigte nichts korrekt. Alles nur schnell, schnell. Gerda war die Ehefrau von dem Mann, der den Toten fand. Zufall?

~~~~~

Am Freitagmorgen informierte er sich bei seinen Untergebenen über die einzelnen Fälle. Einen Fall konnte man abschließen, da der Täter verhaftet war, sogar schon ein Geständnis vorlag. Nun noch der restliche Schreibkram und wieder war etwas erledigt. Als er von den neuen Vorkommnissen betreffs der Schreibkraft hörte, warf er die Frau fristlos raus. Es war genug! Nun rief er bei einer Zeitung an, da er für morgen eine Anzeige wegen einer gelernten Bürokraft aufgab. Erst danach informierte er die Personalabteilung, von da hörte er nun entsprechendes Gemecker, da er eigenmächtig handelte. Er nahm das kommentarlos hin.

Nun widmete er sich den Frauen von dem Opfer. Er war fest davon überzeugt, dass die brutale Tat mit diesen Frauen zusammenhing. Da war sehr viel Eifersucht, Hass, verletzter Stolz im Spiel gewesen.

Alberto bracht ihm den Bericht der Spurensicherung, da stürmte Ramon herein. „Hola!“

„Hola! Umzug war aber fix erledigt.“

„Hhmmm!“

„Elena habe ich vorhin fristlos entlassen, da wieder alles falsch war. Schreibt Alberto jetzt. Du arbeitest heute Abend länger, schreibst die Bänder von gestern und was heute dazukommt. Wenn nicht, folgst du Elena, da du bereits drei Abmahnungen hast. Dass du die Frechheit besitzt, einfach abzuhauen, obwohl alle noch arbeiteten - infam. Der Bericht der Spusi ist da. Gucke ich, wer alles von der Damenwelt in seiner Wohnung war. Du tippst! Deprisa, deprisa, deprisa!“, rief er ins Nebenzimmer.

Er verglich die ersten Ergebnisse, konnte welche streichen. „Uns fehlen noch 12 Fingerabdrücke und 7-mal DNA-Vergleichsmaterial. Alles innerhalb einer Woche.“

„Na toll, weiter notgeile Bräute abklappern.“

„Wären dir notleidende Männer lieber? Überlege zuweilen, was du redest Hast du schlechte Laune, verschiebe sie bis nach Dienstschluss. Ramon, machst du so weiter, bist du raus. Allen reicht es mit dir. Du bist stinkfaul, verlogen, unverschämt, erledigst nichts ordentlich, kannst nur ordinär quatschen. Du warst ein riesengroßer Fehler, den ich gedenke zu bereinigen.“

„Entschuldige! Nur man hört immer das Gleiche. Der Mann zu selten da, also nimmt man sich einen Lover, den der Ehemann auch noch bezahlen darf. Schizophren!“

„Sagt gerade der Richtige. Du bist unlogisch“, Álvaro kalt. „Du befriedigst die Tippse hier während der Arbeitszeit, die vom Steuerzahler bezahlt wird und die Ehefrau sitzt brav daheim, denkt, ihr Mann arbeitet, notgeiler Mann. Eine Frau darf nicht ehebrechen oder was? Steht irgendwo, dass nur der Mann der Schöpfung fremdgehen darf? Unlogischer, überheblicher, nicht denkender Macho!“

„Hast recht. Was würdest du machen, wenn Isabel dich betrügen würde?“

„Mit ihr reden, warum sie das machte. Vor Jahren, als wir mit dem kranken Waldmörder zu tun hatten, drohte sie damit, sich einen Lover zu suchen, wenn ich nur noch zum Schlafen und Duschen nach Hause komme. Umgekehrt würde sie das genauso handhaben. Es gibt meistens einen Grund, außer bei Menschen wie dir, für die die Wörter Treue, Ehrlichkeit, Vertrauen generell Fremdwörter sind. Entweder man rauft sich zusammen, steckt so ein Ausrutscher weg oder Scheidung. Im Normalfall verbindet ein Ehepaar wesentlich mehr wie Kinder und Sex. Señora Diaz sagte es: Zuneigung, Vertrauen, Ehrlichkeit, gemeinsame Interessen, Erlebnisse, Gespräche, Hobbys oder auch schöne, romantische Momente zu zweit, die nicht nur aus Sex bestehen. Genug davon. Fahren wir Señoras befragen. Ich habe eine Liste zusammengestellt, damit wir so wenig wie möglich fahren müssen. Die Protokolle tippst du danach – aallleee!!!“