Gespenster-Krimi 132 - Thomas Williams - E-Book

Gespenster-Krimi 132 E-Book

Thomas Williams

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Beschreibung

In den trockenen Weiten Arizonas schlummert ein düsteres Geheimnis tief unter der Erde. Verscharrte Leichen, vermeintlich vergessen und längst vergangen, bergen eine grauenhafte Wahrheit. Als plötzlich die ersten Vermisstenfälle die Kleinstadt heimsuchen und das Böse aus den Schatten hervortritt, geraten Sheriff Tully und sein Deputy Smith in einen albtraumhaften Strudel aus Mord und Angst.
Inmitten dieser schrecklichen Geschehnisse trifft die zehnjährige Louise auf etwas, das weit schrecklicher ist, als ihr bescheidenes Armenviertel es je hätte vermuten lassen. Mit Halloween vor der Tür und Louises wachsender Begeisterung für das Fest, bringt ein mysteriöses Haus eine unglaubliche Enthüllung ans Licht ...


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Inhalt

Cover

Hungriges Halloween

Vorschau

Impressum

Hungriges Halloween

von Thomas Williams

August

»Ich glaube, ich muss kotzen«, sagte Deputy Smith, bevor er sich von dem schrecklichen Anblick abwandte. Was er gerade gesehen hatte, würde er nie vergessen.

»Achte gefälligst auf deine Wortwahl, Bursche«, ermahnte ihn Sheriff Tully, wie immer durch zusammengebissene Zähne sprechend.

Seine Augen lagen hinter den verspiegelten Gläsern einer Sonnenbrille verborgen, sodass niemand recht wusste, wohin er gerade sah. Seine großen Hände hatte er in die Seiten gestemmt. So blickte er auf die aus dem Sand ragenden Knochen hinab. Es waren bereits mehrere Schädel und Gliedmaßen zu erkennen. Kein Fetzen Fleisch oder Stoff schien an ihnen zu hängen, aber um Gewissheit zu haben, musste er sie erst vollständig freigraben lassen.

Und wer wusste schon, wie viele Knochen sie dann noch finden würden?

Smith schaute zum Streifenwagen hinüber. Die Türen waren weit geöffnet. Auf dem Kofferraum saß ein vierzehnjähriges Mädchen in Latzhose und gestreiftem T-Shirt. Auf dem Kopf trug es eine Cap, um sein Gesicht vor der grellen Sonne zu schützen. Es legte beide Hände wie einen Trichter um den Mund und rief: »Kann ich jetzt kommen?«

»Nein«, antwortete Smith sofort. »Bleib, wo du bist!«

»Ich weiß doch, was da ist. Ich war es, die Sie drauf hingewiesen hat. Schon vergessen?«

»Bleib einfach da sitzen!« Smith stützte sich auf seine Knie, als er glaubte, sein Frühstück würde einen Weg nach draußen suchen.

»Lass die Kleine doch herkommen. Es sind nur Knochen«, hörte er Tully hinter sich sagen.

»Ich darf nicht in ihrer Gegenwart fluchen, aber sie darf sich verweste Leichen ansehen?«

Tully ging in die Knie. »Ich sehe keinerlei Verwesungsspuren. Nur blanke, saubere Knochen. Zu sauber für Körper, die hier verfault sein sollen.«

»Das sehen Sie jetzt schon?«

»Ich mache das hier schon etwas länger als du.«

Smith wischte sich den Schweiß von der Stirn. Zu gerne hätte er den Hut abgenommen, aber die Krempe spendete seinem Gesicht wenigstens etwas Schatten. Unter den kurzen Ärmeln seines Hemds bildeten sich große Schweißflecke, und er spürte einen weiteren auf seinem Rücken.

Zwar befand sich das Grab neben einem hohen Felsen, der Schatten, den dieser warf, lag aber gerade in der entgegensetzten Richtung zu ihnen.

»Kann ich jetzt kommen?«, wiederholte das Mädchen namens Louise Bekker.

Und ehe Smith ein weiteres Mal verneinen konnte, winkte Tully sie zu sich heran. Er stand wieder auf, ächzte leicht, ließ sich aber sonst nichts anmerken.

Tully war über sechzig Jahre alt, und obwohl er immer noch einen kräftigen, in seinem Alter geradezu beeindruckenden Körperbau hatte, machten sich immer mehr kleinere Beschwerden bemerkbar.

Louise kam herbeigelaufen, als könnte sie es gar nicht abwarten, einen weiteren Blick auf den makabren Fund zu werfen, den sie gemacht hatte.

»Wow!«, stieß sie hervor.

Smith empfand das als äußerst makaber.

Tully übernahm das Reden. »Also, Kleines, du hast diese armen Hunde beim Spielen gefunden? Kannst du mir erklären, wieso du in der Wüste spielst statt im Ort?«

»Ich komme gerne hier raus. Hier stört mich keiner.«

»Willst du nicht lieber mit den anderen Kindern spielen?«

»Nein, die sind alle blöd.« Louise blickte auf die aus dem Sand ragenden Gebeine, sodass Smith ihr Gesicht nicht richtig sehen konnte, doch er hörte die Trauer in ihrer Stimme.

Was er über Louise und ihre Eltern wusste, war, dass sie kaum Geld besaßen. Louises Vater schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch. Er konnte praktisch alles reparieren und tat das für weniger Geld als die echten Handwerker in der Stadt. Weil aber keine Stelle für ihn frei war, hatte er keinen Job.

Louises Mutter arbeitete als Sprechstundenhilfe bei einem der zwei ansässigen Ärzte, kümmerte sich aber nur um Terminvergaben und alles andere, was am Empfang erledigt werden musste. Eine medizinische Ausbildung hatte sie nie in Anspruch genommen. Sie beide waren gute Menschen, stets knapp bei Kasse, aber Smith mochte sie und hatte beiden schon mal einen Kaffee spendiert, wenn sie sich im Diner begegneten. Soweit er wusste, bekam Louise dort immer umsonst etwas zu essen.

»Wenn dir hier draußen etwas passiert, ist niemand da, um zu helfen«, klärte Tully Louise auf.

»Bis jetzt ist mir nichts passiert.«

»Ab sofort spielst du in der Stadt. Die Wüste ist kein sicherer Ort für dich.«

»Aber ...«

»Kein aber. Sieh doch nur, was du gefunden hast. Das ist kein Spielplatz, sondern ein Grab.« Tully atmete tief durch. »Da kommt eine Menge Papierkram auf uns zu, Smith.«

»Ja, Sir.«

»Können Sie es nicht einfach wieder zuschütten?«, fragte Louise.

Tully gab ein Geräusch von sich, das fast als Lachen hätte durchgehen können. Aber Smith hatte ihn noch nie über irgendetwas lachen hören. Nicht mal zu einem Lächeln ließ er sich hinreißen. Eine Zeit lang waren im Department Wetten angenommen worden, wer es schaffte, Tully wenigstens ein Schmunzeln zu entlocken. Fast hätte Louise das Unmögliche vollbracht.

»Wenn ich ganz ehrlich zu dir sein darf, Kleine, nichts würde ich lieber tun als das. Ein paar Schippen Sand drauf und nie wieder drüber reden. Das klingt herrlich. Aber es ist unser Job, herauszufinden, wer oder was dahintersteckt. Und diese Menschen haben es verdient, dass ihr Tod nicht ungesühnt bleibt.«

Louise sah zu Tully hoch. »Haben Sie das aus einem Comicheft?«

Smith hatte das Gefühl, Eiswasser würde durch seine Adern laufen. Er wusste, was passierte, wenn sich jemand respektlos gegenüber Tully äußerte, und erwartete, dass der Sheriff knallrot anlaufen würde, aber zu Louises Glück beherrschte er sich. Womöglich, weil sie ein Kind war.

Dennoch senkte er seinen Blick eindeutig auf sie hinab. »Kleines. Noch so eine Bemerkung, und du erlebst ein riesengroßes Donnerwetter.«

Louise trat einen Schritt zurück. Dann noch einen, sodass sie halb hinter Smith stand.

Der sagte: »Wir sollten Verstärkung rufen. Auch von außerhalb. Hier werden wir schlecht herausfinden, was passiert ist. Ich meine ... Wir sind nicht das FBI oder so.«

»Das hat mir gerade noch gefehlt. Ein Schwarm arroganter Anzugträger, die sich hier ausbreiten und so tun, als gehöre ihnen die Stadt. Aber du hast recht, Bursche. Das hier ist eine Nummer zu groß für uns.«

Wieder ging Tully in die Knie und griff nach einem der Knochen.

»Sir«, rief Smith, doch der Sheriff zog das Stück Gebein nicht wie befürchtet heraus, sondern wischte mit der Fingerkuppe etwas Sand beiseite.

Damit legte er nicht nur einen größeren Teil des Knochens frei, sondern auch etwas, das Smith an das erinnerte, was der Hund seiner Eltern früher immer übrig gelassen hatte, wenn er den Rest von Steaks zugeworfen bekam.

»Sind das Bissspuren?«, fragte Smith leise.

»Sieht ganz so aus,« knurrte Tully, kam wieder in die Höhe, stemmte die Hände in seine Hüfte und blickte in die Wüste. Als er sprach, ignorierte er seine eigene Regel, in Gegenwart von Frauen und Kindern nicht zu fluchen. »So eine Scheiße hat uns gerade noch gefehlt.«

Oktober

Sam schenkte sich selbst ein strahlend weißes Zahnpastalächeln im Spiegel. Er sprach es nicht aus, aber er fand sich wieder einmal großartig. Das dunkle Haar war perfekt gestylt, der dünne Oberlippenbart ordentlich getrimmt und seine Muskeln konnten sich sehen lassen. Am liebsten hätte er seinen Oberkörper gar nicht unter Kleidung verborgen, damit alle im Ort sehen konnten, was für ein Prachtexemplar von Mann er war, aber dann entschied er sich doch für ein rotes Poloshirt. Natürlich eines, das eng über seinem Körper saß.

Den Morgensport hatte er erledigt und ein gesundes Frühstück zu sich genommen. Jetzt würde er einkaufen, danach in sein Lieblingsdiner gehen und hoffen, dass seine Lieblingsbedienung heute arbeitete. Dass sie nur halb so alt war wie er, störte Sam nicht. Mit zwanzig wusste sie bestimmt, was sie wollte, und er musste ihr nur erklären, dass sie ihn wollte.

Eingehüllt in zu viel Parfüm, verließ er seine Wohnung, machte an der Haustür kurz Halt, um in den Briefkasten zu sehen, und fand neben mehreren Rechnungen die Tageszeitung vor. Normalerweise hätte er die später gelesen, doch die Titelstory sprang ihm geradezu ins Auge. Er nahm die Zeitung, las die Überschrift noch einmal und grinste fast von Ohr zu Ohr.

»Das ist doch nicht zu fassen«, sagte er zu sich selbst, als neben ihm die Tür aufgeschlossen wurde und eine ältere Frau sich mit einer Papiertüte in das Treppenhaus schob.

Sam hätte ihr helfen können, wusste er doch, dass Miss Byrne nicht gut zu Fuß war und nur schlecht sehen konnte, doch er warf ihr nur einen flüchtigen Blick zu. Der Artikel interessierte ihn viel mehr als seine gebrechliche Nachbarin.

Die rückte ihre Brille zurecht, deren Gläser so dick sein mussten wie die Böden von Colaflaschen. »Mister Dillon. Guten Morgen.«

Sie klang wenig begeistert, ihn zu sehen.

Er nickte, ohne ihr wirklich Aufmerksamkeit zu schenken.

»Ich hoffe, Sie haben gut geschlafen. Ich wurde nämlich durch Ihren Lärm geweckt, Mister Dillon!«

Jetzt sah er sie doch an. »Was? Ich habe doch gar nichts gemacht.«

»Sie machen Seilspringen. Und das in Ihrer Wohnung. Genau über meinem Schlafzimmer.«

»Ich muss in Form bleiben.«

»Könnten Sie das bitte trotzdem draußen machen?«

Sam lächelte humorlos. »Ich zahle einen Haufen Miete, also kann ich in meiner Wohnung machen, was ich will.«

»Mister Dillon, das hier ist immer ein ruhiges Haus gewesen.«

Irgendwie ahnte Sam, dass der Satz noch weiterging und sie ihm im Stillen vorwarf, dass es seit seinem Einzug mit der Ruhe vorbei war.

»Ich werde schauen, ob ich mein Morgenprogramm etwas leiser durchziehen kann«, versprach Sam und zog sein Lächeln noch etwas in die Breite.

Miss Byrne beeindruckte das wenig. Mit ihrer Einkaufstüte machte sie sich auf den Weg nach oben. Langsam, nach jeder einzelnen Stufe eine kurze Pause einlegend. Ohne sein gespieltes Lächeln sah Sam ihr nach und dachte, dass er sie wahrscheinlich auf der Treppe überholen würde, wenn er in ein paar Stunden wieder nach Hause kam.

Mit der Zeitung unter dem Arm ging er nach draußen. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, doch die Temperaturen sollten angeblich kaum über zwanzig Grad steigen. Für Sam war das warm genug. Im Gehen holte er den Autoschlüssel hervor. Der rote Mustang GT von 1966 war sein ganzer Stolz. Ihm schenkte er ein echtes, warmes Lächeln. Die Fahrertür schloss er fast schon vorsichtig auf, setzte sich in den frisch gesäuberten Innenraum und genoss es wie beim ersten Mal.

In dieses Fahrzeug hatte er so viel Zeit und Geld investiert, aber das war es wert gewesen. Er wusste, dass die Kleine im Diner auf den Wagen abfuhr. Deswegen parkte er stets so, dass sie ihn vom Tresen aus sehen konnte. Sam hatte ihr alles über sein Schmuckstück erzählt. Sie mochte vielleicht nicht durchgehend zugehört und auch nicht alles verstanden haben, aber das war ihm egal. Ihr Blick auf den Wagen reichte, um zu wissen, dass sie gerne mal drinnen Platz genommen hätte. Und das wollte er ihr heute anbieten.

Aber dann war die Titelstory der Zeitung gekommen, und er musste sich nun entscheiden, ob er doch lieber woanders hinfahren sollte.

Zu Mrs. Priest, genau genommen. Wie er der Schlagzeile auf Seite 1 entnehmen konnte, war ihr Mann unter den Toten gewesen, die sie im August in der Wüste gefunden hatten. Das bedeutete, dass Mrs. Priest jetzt offiziell Witwe war. Sie würde Trost brauchen. Den wollte Sam ihr schenken. In der Hoffnung, dass sie sich dafür bald erkenntlich zeigte. Mr. Priest war ein verdammter Glückspilz gewesen, solch eine Frau an seiner Seite zu haben.

Gerade deswegen gab es bestimmt einige, die sie in dieser schweren Zeit trösten wollten. Wenn Sam nun dort auftauchte, ging er in der Menge unter. Es war besser, sich Zeit zu nehmen, ihr ein wenig Luft zum Atmen zu lassen und erst in ein paar Tagen bei ihr vorbeizuschauen.

Aber dann ...

Sam grinste sich selbst im Innenspiegel zu, betrachtete sein kantiges, jung gebliebenes Gesicht. Wer konnte diesem schon widerstehen?

Er startete den Motor. Sam liebte das Geräusch, das er als Mischung aus Heulen und Knurren bezeichnete. Wie ein wildes Tier, das zur Jagd aufbrach. Als solches sah sich auch Sam.

Langsamer als vorgeschrieben und selbstzufrieden fuhr er durch den kleinen Ort in Arizona. Viel hatte dieser gar nicht zu bieten. Ein Kino mit nur zwei Sälen, das kaum echte Blockbuster zeigte, ein paar Geschäfte, Restaurants und dieser Comicladen. Wann immer Sam an ihm vorbeifuhr, fragte er sich, wie diese kleine Bude überleben konnte.

Seiner Ansicht nach kauften da nur Jungs mit Pickeln ein. Oder Erwachsene, die nie in ihrem Leben eine Frau anfassen durften. Er konnte diese Begeisterung nicht nachvollziehen. Männer und Frauen in bunten Kostümen mit Superkräften und bescheuerten Namen.

Wer dachte sich so etwas aus? Wieso zog das die Massen ins Kino? Er hatte mal in einen der Filme reingeschaltet und nur deswegen mehrere Minuten zugesehen, weil ihm die weibliche Hauptrolle gefiel. Aber als sie ihre Superkräfte einsetzte, bekam er zu viel. Das war einfach albern.

Auf dem nächsten Sender machte Jean-Claude van Damme Kleinholz, und diese Filme mochte er schon sehr viel lieber. Ein Mann, viele Gegner und jede Menge Kämpfe. Ohne Laserstrahlen oder ähnliches. Das wollte er sehen.

Den Comicladen hinter sich lassend, bog Sam in die nächste Straße ab. Der Supermarkt lag auf dem Weg zum Diner, und Sam wollte hier noch jemanden besuchen. Er hielt auf dem fast leeren Parkplatz, stieg aus und sah mehrere Personen am Eingang miteinander reden. Normalerweise schenkte er solchen Leuten keine Beachtung, doch schon jetzt konnte er ganz genau verstehen, um was es in ihrem Gespräch ging.

Oder besser: um wen.

»Die arme Mrs. Priest. Sie muss am Boden zerstört sein. Und sie wird sich Vorwürfe machen, dass sie geglaubt hat, ihr Mann wäre mit einer anderen durchgebrannt.« Der Mann schüttelte den Kopf, stemmte die Hände in die Hüfte. »Aber wenigstens hat sie jetzt Gewissheit.«

Die Gruppe bestand aus drei älteren Herren, die Sam alle nicht kannte. Er ging an ihnen vorbei in den zu stark klimatisierten Laden, wo wie immer diese schreckliche Wohlfühlmusik lief. In Sams Vorstellung lief in der Hölle ununterbrochen irgendein Einkaufsradio mit genau solcher Musik und gespielt fröhlichen Durchsagen zu irgendwelchen Sonderangeboten.

»Kaufen Sie nur ein Glas und bezahlen sie drei!«

Außerdem wäre es dort noch kälter als in diesem Laden. Sogar er fror ein wenig und das geschah selten.

Auf dem Weg durch die Gänge dachte er daran, dass bereits jetzt über den toten Mister Priest getratscht wurde. Sein Verschwinden gegen Anfang des Jahres hatte für viel Aufsehen gesorgt. Gerüchte und Geschichten wurden weitergetragen, als gäbe es nichts anderes mehr auf der Welt. Es hieß, Mister Priest wäre mit einer anderen Frau durchgebrannt, aber daran wollte Sam nie glauben.

Wer konnte Mrs. Priest schon das Wasser reichen? Die Frau war ein Traum für Hollywood- oder Topmodelagenten. Dass sie nie die Chance ergriff, mit ihrem Aussehen Karriere zu machen, blieb für Sam unbegreiflich. Stattdessen lebte sie in diesem Kaff in der Wüste, wo niemand vorbeikam, der sie entdecken konnte.

Ein gutes Aussehen war für Sam das Wichtigste auf der Welt. Wer gut aussah, konnte alles erreichen. So vielen Menschen in Filmen und in der Musikbranche fehlte es an echtem Talent, und dennoch machten sie Millionen, weil sie heiß waren.

Wieder hörte Sam im Vorbeigehen ein Gespräch mit. Diesmal waren es zwei ältere Frauen mit Einkaufswagen, die sich wohl zufällig über den Weg gelaufen waren.

»Außer Mister Priest soll bisher kein einziger der Toten von hier stammen. Und sie wissen auch nicht, wer oder was diese Menschen getötet hat. Die Knochen weisen deutliche Bissspuren auf, die allerdings keinem bekannten Tier zugeordnet werden können«, erzählte die eine.

Ihre Freundin schüttelte den Kopf. »Schrecklich. Einfach schrecklich.«

Obwohl er kein Geräusch machte oder sonst irgendwie ihre Aufmerksamkeit erregte, sahen beide Frauen gleichzeitig in Sams Richtung. Der setzte seinen Weg durch die Gänge fort.

Aus dem Getratsche der Menschen machte er sich nichts. Die überschlugen sich ohnehin mit wilden Theorien darüber, was die Menschen in der Wüste getötet haben könnte.

Von Riesenratten bis Mutanten, die in der Wüste Arizonas lebten, war bestimmt bald alles dabei.

Sollte die Polizei sich damit befassen. Die waren doch dafür zuständig.

Im letzten Gang des Supermarkts fand Sam, weshalb er hier war. Ein junger, dunkelhäutiger Mann räumte Getränke von einer Palette ins Regal. Wie das gesamte Personal trug er ein dunkelgrünes Poloshirt und ein Namensschild.

Sam ging auf ihn zu, doch der andere war so in seine Arbeit vertieft, dass er ihn gar nicht bemerkte. Auch dann nicht, als Sam sich lässig an das Regal lehnte. Der andere musste glauben, er hielte nach etwas Ausschau, doch nach ein paar Sekunden sah er Sam endlich an.

Und der lächelte ehrlich. »Hey, Marc. Wie geht es dir?«

Sam kannte den jungen Mann, seit er ein Teenager war. Er hatte früher in Sams Viertel gewohnt, bevor seine Eltern ein Haus im Ort kauften und umzogen.

Wann immer er Marc begegnete, nahm er sich ein wenig Zeit für Small Talk.

»Mister Dillon, guten Morgen«, sagte der, ohne seine Arbeit zu pausieren. Ein Sixpack Bier nach dem anderen wanderte in das Regal.

Sam sah ihm dabei zu, bekam ein wenig das Gefühl, Marc wollte sich gar nicht mit ihm unterhalten, aber wie so oft redete er sich auch diesmal etwas anderes ein.

»Lass doch dieses Mister Dillon. Du kannst mich Sam nennen. Das weißt du doch.«

Den nächsten Sechserpack von der Palette nehmend, warf Marc ihm einen kurzen Blick zu. »Okay.«

»Hey, hast du schon das von Mister Priest gehört?«

Marc zögerte, als müsste er überlegen, was gemeint war. »Dass er tot ist?«

»Ja.« Sam strahlte über das ganze Gesicht. »Ist das nicht großartig?«

Dass Marc ihn verwirrt ansah, bemerkte er nicht einmal. In ihm sah er eine jüngere Version von sich selbst. Gut aussehend, mit einigen Verehrerinnen. Um das zu wissen, musste man kein Hellseher sein. Sam spürte so etwas und sah es den Kundinnen an, die mit Marc redeten. Bestimmt hätten ihm einige zu gerne ihre Telefonnummer zugesteckt. Und vielleicht taten das auch ein paar. Marc war gerade mal zwanzig Jahre alt, und ihm standen schon jetzt lauter Schlafzimmertüren offen, wie Sam sich im Stillen ausdrückte.

»Was soll daran großartig sein?«, wollte Marc wissen und riss Sam aus seinen Gedanken.