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Im Internet kursierte das Gerücht über ein sogenanntes Black Zine - ein Heft aus schwarzen Seiten, vollgekritzelt mit weißen Symbolen, Buchstaben und Zahlen, die keinen Sinn ergaben. Mehrere Exemplare des Black Zine sollten in letzter Zeit hier und dort in London aufgetaucht sein, in Geschäften, in Comicshops und anderswo. Wer einen Blick in diese dunklen Seiten warf, wurde angeblich zu einem blutrünstigen Mordwerkzeug der Hölle. Wie sich bald herausstellte, war dieses Gerücht alles andere als ein Internet-Fake, und als ich mich der Sache annahm, geriet auch ich, der Geisterjäger von Scotland Yard, in einen Strudel von Grauen und Gewalt ...
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Seitenzahl: 141
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Inhalt
Dunkle Seiten
Grüße aus der Gruft
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Impressum
Cover
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsbeginn
Impressum
von Thomas Williams
Der Film war vorbei, die Menschen strömten aus dem Kinosaal, gingen zu den Toiletten, zum Ausgang, blieben im Foyer stehen und vertieften sich in Unterhaltungen.
David Sourapple, von seinen Freunden Dave genannt, hoffte, dass sie sich nicht zu viel Zeit ließen, denn er und seine Kollegen mussten noch sauber machen, bevor sie endlich Feierabend hatten.
Er ahnte nicht, dass an diesem Abend das Grauen über ihn hereinbrechen würde und er sich bald in einem Albtraum wiederfinden sollte, grausiger als so mancher Kino-Schocker ...
Es war die letzte Vorstellung des Abends gewesen.
Niemand hatte mit solch einem Besucherandrang gerechnet, doch der Film brach schon jetzt, kurz nach seinem Start, viele Rekorde, und Hollywood plante bereits eine Fortsetzung. Trotz der vielen Streamingdienste waren genug Menschen neugierig, sich dieses neue Meisterwerk auf der Leinwand anzusehen.
Es war Freitagabend. Am Wochenende kamen immer mehr Besucher als unter der Woche. Danach zog es sie in die Clubs, Restaurants und Pubs Londons.
Dave wäre auch gerne in einem Pub gewesen, hätte sich etwas zu essen und ein paar Bier gegönnt, doch wenn er Feierabend hatte, waren die meisten Küchen schon geschlossen, da blieb ihm nur noch ein Schnellrestaurant.
Bewaffnet mit Besen, Kehrblech und Müllsack betrat er den großen Saal, wo immer noch der Abspann lief und ein paar Zuschauer in ihren Sitzen saßen. Dave schenkte ihnen vorerst keine Beachtung. Wenn sie jedoch in den nächsten zehn Minuten keine Anstalten trafen, zu gehen, würde er sie freundlich darum bitten.
Er fing an, unter den Sitzen entlangzufegen, brachte Popcorn und Taschentücher zum Vorschein, während der Abspann zum Ende kam, die Musik verstummte und sich der Vorhang schloss.
»Der Film war beschissen!«, hörte er einen der Männer grölen, die noch in den Sitzen hockten. »Yow, ich will mein Geld zurück!«
Seine zwei Freunde lachten, und Dave hob seufzend den Kopf. »Haben Sie sich den Namen des Regisseurs gemerkt, Sir?«
Der Zuschauer, der zwischen seinen Freunden saß, sah Dave einen Moment lang irritiert an. »Was hat das denn damit zu tun?«
»Der Verantwortliche für den Film und für Ihre Enttäuschung dürften der Regisseur oder der Drehbuchautor sein. Nicht dieses Kino oder irgendeiner seiner Mitarbeiter. Wenden Sie sich mit Ihrer Beschwerde an Hollywood. Einen schönen Tag noch.«
Nach diesen Worten widmete sich Dave wieder seiner Arbeit.
»Willst du mich verarschen?«, fragte der junge Mann. Er sah die beiden Kerle neben sich abwechselnd an und fügte hinzu: »Der verarscht mich, oder?«
»Scheiß auf den!«, sagte einer der anderen.
Doch das Großmaul stand auf. »Hey, Mann. Glaub ja nicht, dass ich ...«
»So, Jungs!«, rief plötzlich eine weibliche Stimme. »Jetzt müsst ihr euch mal abmachen!«
Alle Augen, bis auf die von Dave, richteten sich auf die junge blonde Frau, die in den Saal gekommen war.
»Wir schließen!«, fuhr sie fort. »Alle, die nicht bleiben wollen, um aufzuräumen, gehen jetzt. Wer in fünf Minuten noch hier ist, wird Eigentum des Kinos! Und das wollt ihr nicht. Glaubt mir, ich arbeite hier.«
Dave, der weiterarbeitete und dabei den Kopf gesenkt hatte, lächelte über den Spruch und konnte ein paar der verbliebenen Zuschauer lachen hören.
Dem Herrn mit der Beschwerde passte es zwar nicht, so hinausgebeten zu werden, doch unter Gemurre verließ er schließlich mit seinen Kumpanen den Saal.
»Was war das denn gerade?«, fragte Gwen, die neben Dave trat.
Sie trug ein neues Parfüm, das konnte er sofort riechen. Sie roch immer gut, und Dave arbeitete gerne mit ihr zusammen. Gwen war hübsch, genau sein Typ. Aber er bezweifelte, dass sie Interesse an ihm hatte. Er war dünn und blass, und er hätte auch einen moderneren Haarschnitt vertragen können, doch er sparte sich lieber das Geld, anstatt zu einem der angesehenen Friseure in London zu gehen.
»Hast du den Film schon gesehen?«, fragte Gwen. Ihr Haar war kürzer als das von Dave, aber es stand ihr gut. Sie hatte helle Sommersprossen, die kaum auffielen.
»Nein, noch nicht«, antwortete Dave und begab sich in die nächsthöhere Reihe. Natürlich sah es dort, wo die drei Rowdys gesessen hatten, am schlimmsten aus. Neben Popcorn lagen ausgekippte Pappbecher auf dem Boden. Das aufzuwischen, würde Zeit kosten.
»Ich helfe dir«, sagte Gwen, als sie die Sauerei sah.
Nur ein paar Minuten später kehrte sie mit einem Eimer und einem Mopp zurück. Gemeinsam schafften sie es, den Saal innerhalb kurzer Zeit aufzuräumen ...
Im Foyer hielten sich noch zwei Kollegen auf. Sie alle trugen rote Poloshirts, die sie als Mitarbeiter des Kinos auswiesen. Dave kannte die beiden schon lange. Er hatte die zwei Männer eingearbeitet und wusste, dass er sich auf sie verlassen konnte.
Gwen hingegen war es gewesen, die ihm alles gezeigt hatte, als er hier angefangen hatte. Und die ihm auch beigebracht hatte, Kontra zu geben.
Das war etwas, was sich Dave normalerweise nicht traute, doch bei der Arbeit konnte er sich auf die Rückendeckung der anderen verlassen. Es kam eher selten vor, dass Zuschauer glaubten, ihren Frust an den Mitarbeitern auslassen zu müssen, doch wenn, standen die Kollegen zusammen. Oft waren die Preise das Problem, für die man die Mitarbeiter verantwortlich machte, und zu gerne hätte Dave dann geantwortet, dass die Leute nicht ins Kino gehen sollten, wenn es ihnen zu teuer war. Doch schließlich zahlten diese Leute ja im Grunde sein Gehalt. Also behielt er es für sich und versuchte, zu schlichten.
Er hatte genug Freunde, die sich Filme nur noch im Internet anschauten, und die prophezeiten ihm, dass er bald auf der Straße sitzen würde. Aber der heutige Abend hatte vorerst noch mal das Gegenteil bewiesen.
»Was macht ihr gleich so?«, fragte Gwen, als sich die vier Mitarbeiter am Ausgang trafen, um zu gehen. Die Tür war bereits von innen verschlossen, damit niemand mehr hereinkam.
»Schlafen«, sagte einer von Daves Kollegen und wirkte dabei, als würde er gleich an Ort und Stelle ins Reich der Träume sinken.
»Ich hol mir noch was zu essen«, antwortete Dave. »Ich verhungere.«
»O Mann, ich auch«, kam es mit Erleichterung von Gwen. »Wo gehst du hin?«
»Irgendwohin, wo es Burger auf die Hand gibt.«
»Bin dabei. Wie steht es um euch?«
Die zwei anderen hatten wohl keinen Hunger, deswegen verneinten sie und verabschiedeten sich, kaum dass sie alle draußen waren.
Tagsüber hatte es geregnet, und die Temperaturen waren nach Sonnenuntergang merklich gesunken. Dave bemerkte, dass seine Jacke für dieses Wetter deutlich zu dünn war und beneidete Gwen etwas um ihre schwarze Lederjacke.
»Also, wo gibt es hier gute Burger?«, fragte sie mit einem Lächeln auf den Lippen.
»Gute Burger kriegen wir um diese Uhrzeit wahrscheinlich keine mehr. Nur noch solche, die seit Stunden in Papier eingewickelt auf einem Blech warmgehalten werden.«
»Mein Leibgericht«, behauptete Gwen grinsend, und Dave unterdrückte grunzend ein Lachen.
»Okay, dann komm mit.«
Fast hätte er nach ihrer Hand gegriffen, doch sie waren kein Paar, sondern nur zwei Leute, die sich kannten und zusammen etwas essen wollten. Als verliebtes Pärchen existierten sie nur in Daves Vorstellung. Und das seit dem Tag, an dem er Gwen kennengelernt hatte. Doch die Hoffnung, dass wirklich etwas aus ihnen werden könnte, hatte er längst aufgegeben.
Das Kino lag am Rande des Zentrums von London. Nur wenige Straßen weiter tummelten sich auch um diese Uhrzeit noch Touristen und Einheimische in vollbesetzten Pubs. Doch Dave und Gwen gingen in die entgegengesetzte Richtung. Weg von belebten Orten, durch menschenleere Gassen, wo hinter den Fenstern kein Licht mehr brannte.
Wer hier lebte, arbeitete viel und lange für sein Geld, um die hohen Mieten zahlen zu können. Zu so später Stunde schliefen die meisten oder hatten ihre Fenster verdeckt, damit niemand hineinsehen konnte.
»Der Laden ist zwei Blocks weiter«, erwähnte Dave, als ihm klar wurde, dass sich Schweigen zwischen ihnen ausgebreitet hatte und wie unheimlich die Umgebung auf Gwen wirken musste. Er wollte sie keinesfalls ängstigen oder sie glauben lassen, er hätte irgendetwas vor, doch ihm fiel auf, wie sie sich immer wieder umsah. Kein Wunder, das hier war eine verlassen wirkende Gegend. Wäre er jetzt und hier über sie hergefallen, gäbe es keine Zeugen.
Um sie noch etwas mehr zu beruhigen, sagte Dave: »Vielleicht guck ich mir den Film nächste Woche an. Morgen habe ich frei, aber wenn ich nächsten Dienstag nach der Schicht nichts vorhabe, könnte ich noch etwas bleiben, um ihn mir anzusehen. Hast du ihn schon gesehen? Wir könnten ihn gemeinsam ... Gwen?«
Ohne dass Dave es bemerkt hatte, war Gwen stehen geblieben. Mit dem Rücken zu Dave stand sie mehrere Schritte entfernt. Noch immer glaubte er, ihr Parfüm zu riechen, obwohl das kaum sein konnte. Doch es sorgte dafür, dass er sich gut fühlte.
Er ging zu ihr zurück. »Wenn du lieber nach Hause möchtest, ist das okay.«
Gwen schenkte ihm keine Beachtung, sah in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Dave konnte dort nichts Auffälliges ausmachen. Geparkte Autos, leuchtende Straßenlaternen und Hauseingänge.
Dennoch sagte Gwen: »Ich glaube, wir werden verfolgt!«
»Echt?« Dave verengte seine Augen. Es blieb bei dem harmlosen Anblick einer Londoner Straße bei Dunkelheit. »Also, ich sehe niemanden. Sind es die drei Idioten von vorhin?«
»Weiß nicht. Sie haben sich versteckt, kaum, dass ich mich umgedreht habe. Aber ich weiß, dass sie da sind.« Gwen nickte in die Richtung der stehenden Fahrzeuge. »Hinter dem roten Golf.«
Tatsächlich stand dort ein alter roter Volkswagen, etwa fünfzig Meter entfernt. Doch Dave bezweifelte, dass drei Männer dahinter so viel Platz fanden, um von ihm ungesehen zu bleiben. Zumal die meckernden Kinobesucher zu bullig gewesen waren, um sich in eine schmale Lücke zwischen geparkten Autos zu quetschen.
»Also, ich sehe da nichts. Sicher, dass es die drei von vorhin sind?«
»Das weiß ich eben nicht.« Gwen klang ein wenig gereizt.
Würde es zu einer Konfrontation mit den Verfolgern kommen, würde Dave versuchen, seine Kollegin zu beschützen. Aber er wusste auch um seine beschränkten Fähigkeiten, sich zu verteidigen. Wie sollte er es also mit drei Gegnern aufnehmen?
»Wir sollten weiter«, schlug Dave vor.
Gwen zögerte, nickte schließlich und drehte sich um.
Dave wollte das Gleiche tun, doch als hätten die Verfolger nur darauf gewartet, kamen sie hinter dem roten Wagen hervor.
Es handelte sich nicht um die drei Kerle aus dem Kino. Diese Typen sahen vollkommen anders aus. Einer von ihnen war dünn, überragte aber seine Begleiter um eine ganze Kopflänge. Die anderen beiden waren recht breit und rund.
Sie gaben sich keine Mühe mehr, unentdeckt zu bleiben, kamen auf Dave zu, der sie wegen ihrer schmutzigen Kleidung für Obdachlose hielt. Normalerweise lagen die in Hauseingängen oder standen in den belebteren Gegenden und bettelten um Kleingeld.
Doch diese drei hatten etwas anderes vor. Und Dave wollte nicht wissen, was.
Er drehte sich auf der Stelle herum, sah, dass Gwen auf ihn wartete. Sie stand so, dass sie ihre Verfolger sehen konnte und erkennen musste, um was für Gestalten es sich handelte.
»Wie weit war es doch gleich bis zu diesem Laden?«, wollte sie wissen, als Dave zu ihr aufschloss und sie nebeneinander weitergingen.
»Zwei Blocks«, antwortete Dave.
»Kannst du schnell laufen?«
»Glaubst du wirklich, dass die was vorhaben?«
»Ich bezweifle, dass sie hinter dem Wagen gehockt haben, weil ihnen die Stoßstange so gut gefallen hat.«
Das hatte Dave nicht hören wollen. Er hatte gehofft, Gwen würde ihm etwas von seiner Furcht nehmen, und schämte sich dafür, denn eigentlich hätte es umgekehrt laufen müssen. Er war der Mann. Er musste sie beschützen.
Dave warf einen Blick zurück und konnte nur noch zwei der Männer sehen. Den Langen und einen der beiden Rundlichen. Der Lange trug einen Mantel, sein Kumpel eine blaue Daunenjacke. Beide sahen aus, als hätten sie sich seit langer Zeit nicht mehr gewaschen. Und das stimmte wahrscheinlich.
Den dritten erspähte Dave auch. Er folgte ihnen noch, doch nicht mehr auf dem Gehweg, sondern auf der Straße. Wenn sie die Seite wechseln wollten, würde er ihnen den Weg vertreten.
»Okay, die wollen definitiv was«, sagte Dave leise, den Blick wieder nach vorn richtend.
»Dann lass uns laufen.«
Gwen hatte kaum ausgesprochen, da begann sie zu rennen. Und Dave folgte ihr. Er hatte etwas Übung darin, da er oft zur U-Bahn oder zum Bus eilen musste. Und er erwartete von den drei Gestalten keine olympischen Höchstleistungen.
Doch er konnte ihre schnellen Schritte hinter sich hören. Und das näher, als ihm lieb war.
Die zwei Blocks bis zum Schnellrestaurant wirkten plötzlich viel zu weit, sodass er überlegte, was für Möglichkeiten es noch gab – und da fiel ihm ein kleiner Laden ein, der spät noch geöffnet hatte. Dort wurden Getränke und Snacks verkauft. Dinge, die man sich spontan abends auf dem Weg nach Irgendwo kaufte.
Dave wollte Gwen davon erzählen, musste sie aber erst einmal einholen.
Sie rannte, als wäre der Teufel hinter ihr her, sah einmal zurück, und Dave glaubte, dass sie kurz langsamer wurde, bevor sie wieder beschleunigte.
Hätte sie damit etwas gewartet, wäre sie vielleicht noch in der Lage gewesen, der Frau auszuweichen, die ihr plötzlich in den Weg trat.
Dave sah, wie die Fremde Gwen zur Seite stieß und seine Kollegin gegen einen der geparkten Wagen prallte. Sie schrie kurz auf, dann waren da plötzlich noch mehr Personen. Vier oder fünf. Auf jeden Fall zu viele für Gwen, um sich zu wehren.
Sie zerrten die junge Frau in die Gasse, aus der sie gekommen waren.
Dass es fast völlig geräuschlos passierte und der Schrecken, den dieser Anblick bot, ließ das Geschehen auf Dave geradezu unwirklich erscheinen. Aber er wusste, dass es wirklich geschah. Und dass er als Einziger helfen konnte.
»Hey!«, schrie er. Weniger an die Entführer gerichtet als an die Menschen, die hier lebten. »Hilfe! Bitte helft uns! Bi...«
Er glaubte, von einem Auto erfasst zu werden, mit solch einer Wucht wurde er zur Seite gerissen.
Auch er prallte gegen ein Hindernis. In seinem Fall handelte es sich jedoch um eine Hauswand.
Sein Kopf krachte gegen den Beton, ließ ihn kurz Sterne sehen, dann blickte er in das breite, runde Gesicht eines vollkommen Fremden.
Der Kerl stank. Doch das sollte Dave nicht lange stören.
Eine Faust traf ihn, und Dave verlor das Bewusstsein.
Als er aufwachte, verstand Dave nicht, warum ihm die Nase so weh tat. War er beim Saubermachen im Kinosaal gestürzt? Lag er auf den Stufen im Kinosaal und kam jetzt wieder zu sich?
Er wollte die Augen öffnen, doch da war etwas im Weg. Dave spürte Stoff, der um seinen Kopf lag. Jemand musste ihm die Augen verbunden haben.
Aber seine Hände waren angebunden. Er befand sich in einer sitzenden Position. Der Stuhl musste aus Holz bestehen, denn er knirschte bei seiner leichten Gegenwehr.
Verdammt, was ging hier vor? Wieso war er gefesselt?
Da erinnerte er sich wieder, was geschehen war, und die Angst packte ihn.
Der Geruch von Feuchtigkeit stieg ihm in die Nase. Dass er riechen konnte, bedeutete hoffentlich, dass diese nicht gebrochen war.
Aber so roch es normalerweise nicht im Kino. Dort lag meist das Aroma von Popcorn in der Luft.
»Hallo!«, rief Dave. Seine Arme waren links und rechts an die Stuhllehnen gebunden, seine Knöchel an die Stuhlbeine. Dass sie auf einen Knebel verzichteten, bedeutete wohl, dass er schreien konnte, soviel er wollte. Es hätte ihm nichts genützt.
»Bitte ... Ist da jemand?«
Eigentlich wollte er ja gar keine Antwort. Denn das bedeutete, dass ihn jemand beobachtete. Und diese Person konnte mit ihm machen, was sie wollte. Er dachte an die ungewaschenen Gestalten. Solche Leute fragten für gewöhnlich nur nach Kleingeld, wurden aber selten handgreiflich. Er hatte auch noch nie von Entführungen durch Obdachlose gehört.
Schlurfende Schritte erklangen, ganz in der Nähe, als hätte jemand nur ein Stück entfernt gestanden und gewartet. Dave rechnete damit, dass ihm jemand die Augenbinde abnahm, doch es blieb vorerst bei den Schritten.
Dann rief eine tiefe Männerstimme: »Er ist wach!«
Dave schreckte zusammen. Die Stimme war kaum verstummt, da ertönten lautere, festere Schritte. Und diesmal von mehreren Personen.
Jemand sagte leise: »Danke.«
Und der Schreihals von vorhin wiederholte sehr viel leiser: »Er ist wach.«
»Danke, Gregor. Warte bitte bei den anderen.«
Das Schlurfen entfernte sich. Dann herrschte kurz Stille.
Dave wartete ab. Lauschte.
Als die festen Schritte diesmal zu hören waren, bewegte sich der andere nur langsam.
»Was wollen Sie von uns?«
Das war Gwens Stimme. Und sie klang sehr nahe.
»Gwen«, hauchte Dave.
Sie gab ihm keine Antwort. Er fragte sich, ob sie auch gefesselt war.
»Willkommen bei uns«, sagte der Unsichtbare. »Seien Sie ganz unbesorgt. Ihr Aufenthalt wird nur von kurzer Dauer sein.«
Er ging hörbar durch den Raum. Langsam. Dann blieb er stehen, und es gab ein schleifendes Geräusch, als würde er auf der Stelle umdrehen, um wieder in die andere Richtung zu spazieren. Während er redete, passierte das mehrmals. Ohne ihn sehen zu können, ahnte Dave, dass er auf- und abging.
»Wenn Sie tun, was wir Ihnen sagen, wird Ihnen nichts geschehen. Alles, was wir möchten, ist, dass Sie uns einen kleinen Gefallen tun.«