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Ich kann nicht schweigen! Ich war Zeuge der ebenso grauenerregenden wie zutiefst beunruhigenden Ereignisse, die ich nun offenbaren muss. Ich habe die bestialisch verstümmelten Leichen gesehen, und ich war dabei, als Dr. Lovecraft in dem seit Jahrhunderten verschütteten Grabgewölbe den entscheidenden Hinweis auf die wahren Zusammenhänge fand. Ich habe die daran anschließende Katastrophe nur mit knapper Not überlebt und war Augenzeuge von Angela Gridares einsetzender, grässlicher Erkrankung. Ich habe an ihrem Bett gesessen, während sich ihre Wunden nicht schließen wollten.
Ich fürchte, dass die Kraft meiner Sprache nicht ausreichen wird, um das Unvorstellbare zu schildern ...
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Seitenzahl: 133
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Die Tore der Zeit
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati/BLITZ-Verlag
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-9231-9
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Die Tore der Zeit
von Mortimer Grave
Ich kann nicht schweigen! Ich war Zeuge der ebenso grauenerregenden wie zutiefst beunruhigenden Ereignisse, die ich nun offenbaren muss. Ich habe die bestialisch verstümmelten Leichen gesehen, und ich war dabei, als Dr. Lovecraft in dem seit Jahrhunderten verschütteten Grabgewölbe den entscheidenden Hinweis auf die wahren Zusammenhänge fand. Ich habe die daran anschließende Katastrophe nur mit knapper Not überlebt und war Augenzeuge von Angela Gridares einsetzender, grässlicher Erkrankung. Ich habe an ihrem Bett gesessen, während sich ihre Wunden nicht schließen wollten.
Ich fürchte, dass die Kraft meiner Sprache nicht ausreichen wird, um das Unvorstellbare zu schildern …
In den Abendstunden war das Wetter umgeschlagen. Nach einem strahlend schönen Spätsommertag hatte sich dunkles Gewölk über das Hügelland des Chianti gelegt. Ein kalter Wind pfiff schneidend durch die Gassen des kleinen, mittelalterlich anmutenden Städtchens. Es war die erste Ankündigung des nahenden Herbstes.
Die beiden Touristen hatten einen langen, mit Unternehmungen vollbepackten Tag hinter sich und eilten ihrem Hotel zu. In dem gemütlichen Restaurant, in dem sie zu Abend gegessen hatten, hatten sie gar nicht bemerkt, wie sehr sich draußen das Wetter verändert hatte.
Der Wind peitschte nun durch die engen, nächtlichen Straßen und die engen Gassen des Ortes, und dann rollte ein lauter Donnerschlag über das Land, und ein greller Blitz zuckte um den hohen Turm des Doms. Sein Licht tauchte die Szene für Sekunden in ein fahles, gespenstisches Licht.
»Wir sollten sehen, dass wir ins Hotel kommen«, sagte der junge Mann, und leise Furcht schwang in seiner Stimme mit. Piet van Zant war Ende zwanzig, ein holländischer Tourist mit weizenblondem Haar, hellblauen Augen und einem schlanken, schlaksigen Körper.
Erst vor einigen Wochen war in DelMonte ein Touristenpärchen spurlos verschwunden, und Piet wusste, dass die Einheimischen untereinander tuschelten, eine Hexe habe sie geholt.
Er hatte nicht viel auf diese Geschichten gegeben. Hexen – die gab es im Märchen. Dort ritten sie auf ihren Besen durch die Nächte. Aber nicht in der Realität.
Aber warum war da jetzt dieses unangenehme Gefühl in ihm? Okay, es musste nichts mit dem Gerede über Hexen zu tun haben. Ein Touristenpärchen war verschwunden, und das reichte, um sich Sorgen zu machen, da brauchte es kein abergläubisches Geschwätz.
Außerdem würde es wahrscheinlich gleich auch noch regnen, also fasste er Mara, seine Freundin, an der Hand, und gemeinsam strebten sie der großen Piazza des Städtchens zu.
Kein Mensch war mehr unterwegs, die Straßen und Gassen waren wie leer gefegt. Sie überquerten eilends den weiten Platz, wo die Tische und Stühle der Straßencafés längst nach drinnen geräumt waren.
Ein schwerer Donnerschlag ließ die steinernen Mauern der Häuser erbeben, und ein weiterer Blitz erhellte die gewaltige, unheilverkündende Fassade des Festdoms.
Was war das?
Ein gellendes, hysterisches Lachen war auf einmal zu hören.
Piet und Mara waren stehen geblieben. Die Hand der jungen Frau krallte sich voller Angst um die ihres Freundes.
Wieder erscholl das überdrehte, geifernde Lachen.
Es war eine weibliche Stimme.
Der weite Platz wurde nur von wenigen Laternen spärlich erleuchtet. Und in keinem einzigen der Fenster brannte noch Licht, denn überall waren die hölzernen Läden zugezogen.
Die beiden Touristen blickten sich um, aber niemand war zu sehen.
»Was ist das?«, wisperte Mara. Sie zitterte in ihren knappen Shorts und ihrem dünnen T-Shirt und presste ihren Körper gegen den ihres Freundes.
»Es muss dort oben sein«, flüsterte Piet und blickte hinauf zum Glockenturm des Doms, denn von dort klang das entsetzliche Lachen zu ihnen herab.
»Wir sind in zwei Minuten im Hotel«, sagte er. »Komm. Wir wollen uns beeilen.«
Da geschah es!
Eine heftige Windböe fegte über das Dach des riesigen Doms. Der Sturm riss und zerrte mit unbändiger Kraft an den Ziegeln und an den Zinnen, die das Dach umkränzten. In der nächsten Sekunde hagelten Steine und Ziegel mit gewaltigem Getöse nach unten und zerbarsten krachend und polternd auf dem Pflaster.
Das Pärchen sprang gerade noch zur Seite, um von dem mörderischen Steinhagel nicht erschlagen zu werden.
»Mein Gott!«, schrie die junge Frau entsetzt.
In dieser Sekunde öffnete sich eine kleine Seitenpforte des mächtigen Gebäudes, die die beiden Touristen noch niemals zuvor bemerkt hatten. Im fahlen Licht eines Blitzes sahen sie eine Gestalt in der Pforte stehen.
Piet und Mara waren unfähig, sich zu bewegen. Die Glieder ihrer Körper waren erstarrt.
Mit langsamen Schritten trat die Gestalt auf sie zu.
Es schien eine Frau zu sein, die einen langen, schwarzen Mantel aus sehr grobem Stoff trug. Er erinnerte an das Kostüm einer Nonne. Der Mantel war voller Blut, und sein Saum schleifte hinter ihr auf dem Boden.
Piet und Mara erkannten nun, dass unter dem schwarzen Kopftuch das Gesicht einer jungen Frau hervorlugte. Aber dieses Gesicht war zerschrammt und zerschlagen, gezeichnet von blutigen Wunden und Striemen. Es war grün und blau verschwollen von Schlägen und Prügel.
»Wie schön, dass ihr gekommen seid, um bei mir zu sein«, sagte die Frau mit leiser Stimme.
Piet, der fließend italienisch sprach, hatte dennoch Schwierigkeiten, diese Worte zu verstehen, denn sie waren in einem offenbar sehr altertümlichen Dialekt gesprochen worden.
Die Frau wandte sich nun an Mara, und ihr Gesicht verzerrte sich zur Grimasse eines Lächelns.
Dann sprach sie mit der rauen Stimme eines Mannes: »Wir werden eine Menge Spaß mit dir haben, meine Süße!«
Piet van Zant spürte, dass es auf Leben und Tod ging. Irgendwie war ihm das klar. Die Situation war so unwirklich, aber auch grauenerregend, und seine Instinkte sprachen an. Er bückte sich, hob mit beiden Händen einen der schweren Gesteinsbrocken hoch und schleuderte ihn gegen das grausige Wesen.
Das aber bewegte den linken Arm – aus dem schwarzen Ärmel tauchte eine blutige, zerschundene Hand auf –, und wischte den Stein zur Seite, als sei er nicht schwerer als ein umherwirbelndes Blatt.
»Du wirst jetzt sterben!«, sagte die Frau mit säuselnder Stimme.
Sie fasste in ihren langen Mantel – und zog eine riesige doppelschneidige und blutbesudelte Axt hervor.
Es war ein Henkersbeil!
»Nein!«, kreischte Mara in äußerstem Entsetzen.
Piet taumelte zurück, aber er war nicht schnell genug. Das schreckliche Weib jagte mit unglaublicher Geschwindigkeit auf ihn zu, und er hörte ein dunkles, seinen Tod ankündigendes Surren.
Das Beil trennte mit einem einzigen scharfen Hieb seinen Kopf vom Körper!
Er stolperte nach vorne, während sein Kopf davonflog und eine gewaltige Fontäne von heißem, tiefrotem Blut zwischen seinen Schultern hervorschoss.
In einem letzten Reflex, der durch die Nerven des Rückenmarks ausgelöst wurde, riss er die Arme hoch in die Luft und taumelte weiter.
Dann brach sein Körper in sich zusammen.
»Wie ein Hahn, dem man den Kopf abschlägt«, sagte das Wesen mit der Axt und ließ ein grausiges Kichern hören.
Mara schrie gellend und verzweifelt auf.
Aber im gleichen Atemzug krachte ein neuer Donnerschlag, lauter und furchtbarer als alle vorhergehenden, und begrub ihren Schrei unter sich.
Und der Himmel öffnete nun seine Schleusen. Regen prasselte herunter wie eine Sintflut und ließ Piets Blut in breiten, grausigen Strömen über das Pflaster dahin schießen.
Das Wesen hielt nun einen dicken, sehr groben Strick in den blutigen Händen.
»Komm her!«, forderte es.
Aber die junge Frau dachte nicht daran. Sie drehte sich um, begann zu rennen. Bereits in wenigen Sekunden war sie bis auf die Haut durchnässt, ihr lockiges blondes Haar kringelte sich wie Wasserschlangen um ihren Kopf, und ihre Schultern und ihre Kleidung klebte durchweicht an ihrem Körper.
Hinter sich hörte sie rennende Schritte und das laute Lachen von Männerstimmen.
Mara lief um ihr Leben.
Doch da verhakten sich die hohen Absätze ihrer Sandaletten in dem uralten, holprigen Pflaster der Piazza.
Maras linker Fuß knickte um, und ein stechender Schmerz erfüllte von ihrem Fußgelenk aus ihren gesamten Körper. Übelkeit stieg in ihr auf, und ein verzweifeltes Stöhnen entfuhr ihrer Kehle.
Sie verlor das Gleichgewicht, stürzte jählings nach vorn. Hart knallte sie auf Knie, Arme und Gesicht. Blut sickerte aus einer Platzwunde an ihrer Stirn.
Aber Mara schaffte es noch einmal, sich aufzurichten.
Sie kam wieder auf die Füße, wollte weiter fliehen.
Doch nun wurde sie mit brutaler Kraft von hinten gepackt und roh zu Boden gerissen. Jemand bog ihre Arme auf den Rücken und schnürte die Hände mit einem groben Strick fest zusammen. Ihr T-Shirt war inzwischen vom Regen klatschnass und klebte an ihrem Körper. Ihre Brüste waren deutlich durch den dünnen Stoff zu sehen, und sie spürte, wie Männerhände sie gierig berührten und abtasteten. Sie hörte fanatisches Schreien. Aber auch den monotonen Singsang einer religiösen, lateinischen Litanei.
Sie spürte die groben Hände nun auch an ihren nackten nassen Beinen, als man ihre Füße fesselte. Dann hob man sie auf und warf sie derb auf die mit Stroh bedeckte Ladefläche einer Bauernkutsche. Sie schrie, aber niemand eilte ihr zu Hilfe.
Der Wagen setzte sich ruckelnd in Bewegung. Mara hörte, wie die Hufe des Pferdes, das ihn zog, klappernd auf das Pflaster des Marktplatzes schlugen.
Vorsichtig hob sie den Kopf und blickte auf. Sie sah die breiten Rücken zweier Männer, die auf dem Bock der Kutsche saßen. Beide trugen braune Mönchskutten.
Neben ihnen fuhr ein zweiter Wagen, auf dem der Körper eines jungen Mannes lag, dem man den Kopf abgeschlagen hatte.
Ringsum auf dem Platz brannten lodernd hohe Pechfackeln und erfüllten die Luft mit einem beißenden, dunklen Qualm. Überall waren Menschen unterwegs, die in leinenen, mittelalterlichen Kostümen gekleidet waren. Manche standen in Gruppen beieinander und besprachen sich aufgeregt, andere krochen wie Schlangen auf dem Boden umher, und wieder andere vollführten die seltsamsten Bock- und Luftsprünge.
An der Seite der Piazza sah Mara eine lange Prozession von nackten Männern und Frauen, die – offenbar in einem Zustand religiöser Verzückung – lateinische Gebete sangen und ihre ausgemergelten Körper mit Ruten und ledernen Peitschen schlugen, dass das Blut hervorquoll. Ihnen voran schritt ein nackter Mann, der ein großes, hölzernes Kreuz trug.
Und auf zwei riesigen Scheiterhaufen wurden Leichen verbrannt. Die Toten waren mit weißen Tüchern bedeckt und wurden auf Bahren herbeigetragen. Männer in schwarzen Kutten warfen sie ins Feuer.
Es waren Dutzende von Leichen. Ein hochgewachsener, breitschultriger Mann trat auf die Bauernkutsche zu. Er trug eine lange weiße Kutte, auf deren Brust ein großes rotes Kreuz prangte, und eine schwarze, lederne Gesichtsmaske, die mit magischen Zeichen bemalt war.
Mara hatte niemals zuvor eine solche Maske gesehen, denn vor dem Mund des Mannes ragte eine Art großer Schnabel aus dunklem, poliertem Holz empor.
Er hob gebieterisch die rechte Hand. Die Kutsche stoppte, und die Menschen ringsum verstummten. Alle schienen diesem Mann mit Hochachtung und Respekt, ja mit Furcht zu begegnen.
Er blickte auf die junge Frau, und Mara spürte die gnadenlose Gier in den kleinen, schwarzen Augen hinter der Maske. Jeder Blick dieses Mannes traf sie wie ein Peitschenhieb. Seine Augen schienen ihre Brüste abzutasten, die sich unter dem nassen Shirt deutlich abzeichneten, und ihre langen Beine unter dem knappen Shorts.
»Wir haben die Hexe«, erklärte einer der Mönche mit rauer Stimme. »Wir sind gerettet! Nun wird endlich alles gut werden!«
Der Mann mit der Maske nickte.
»Wir sind erlöst!«, sagte der Mönch. »Schafft Sie in den Folterkeller!«, sagte der Maskenmann mit schnarrender Stimme.
Mara wusste, dass sie in dieser Nacht tausend entsetzliche Tode sterben würde …
✞
Ich lernte Dr. Paul Lovecraft an einem sonnigen Morgen im Spätsommer des vergangenen Jahres kennen. Wir hatten bereits Dutzende von Briefen und E-Mails gewechselt, denn ich hatte seine Aufsätze und Bücher immer mit Interesse gelesen, und auch er kannte meine Arbeiten.
Als er mir schließlich mitteilte, dass er nach Italien kommen würde, um in Florenz auf einem Kongress über ›Parapsychologie und abnorme Psychiatrie‹ einen Vortrag zu halten, hatte für mich nichts näher gelegen, als ihm ein persönliches Treffen vorzuschlagen.
Lovecraft hatte gerne zugestimmt. Er wollte sowieso Urlaub machen und einige Freunde und Bekannte besuchen. Er hatte mir vor drei Tagen von Mailand aus ›gemailt‹, und wir hatten ein Treffen für diesen Morgen in einem bestimmten Café auf dem Marktplatz von DelMonte vereinbart.
Ich freute mich darauf, den berühmten Wissenschaftler endlich persönlich kennenzulernen.
In der vergangenen Nacht war ein schweres Gewitter über der Toskana niedergegangen, der erste Vorbote des herannahenden Herbstes.
Das Ende des Sommers hat mich seit jeher mit beinahe traurigen Gefühlen erfüllt. Die Tage werden nun unerbittlich kürzer, das Jahr neigt sich seinem Ende entgegen, und es wird nicht mehr lange dauern, bis der erste Schnee fällt.
Der Sturm war wirklich schlimm gewesen. Ich hatte während der Fahrt von meinem Wagen aus gesehen, dass etliche Zypressen entwurzelt und dass die Dächer einiger Bauernhäuser beschädigt worden waren. Und als ich durch eine der schmalen Gassen auf die Piazza von DelMonte trat, bemerkte ich, dass auch das kleine, mittelalterliche Städtchen nicht ungeschoren davongekommen war.
Vom Dach des Doms hatten sich Steine und Ziegel gelöst und waren nach unten gestürzt, und städtische Arbeiter waren in der Morgensonne lärmend damit beschäftigt, die gröbsten Schäden zu beseitigen.
Ich ging an der ebenso düsteren wie beeindruckenden Fassade des Doms vorbei und schlenderte dann über die Piazza zu dem Café, in dem ich mich mit Dr. Lovecraft verabredet hatte.
Mein Blick glitt über ein buntes Plakat, auf dem für das große Musikfestival geworben wurde, das am kommenden Wochenende in DelMonte stattfinden sollte.
Das Café war in einem der mittelalterlichen Gebäude untergebracht, die den Marktplatz umsäumen, und die beiden Kellner hatten Tische und Stühle nach draußen in die warme Morgensonne gestellt.
Ich ließ meinen Blick über die Cafégäste schweifen. Sämtliche Tische waren besetzt, einige von Einheimischen, die meisten natürlich von Touristen.
Dr. Lovecraft hatte mir per E-Mail erklärt, dass er vor einigen Monaten ein Foto von mir in einer Zeitschrift gesehen hatte. Er würde mich also erkennen.
Ein kleiner, beleibter Mann in einem bunten Sommerhemd hob dann auch die Hand und winkte mir freundlich zu. Er hatte kurz geschnittenes blondes Haar, wasserblaue Augen und ein ausgesprochen sympathisches, beinahe schalkhaftes Gesicht.
Ich trat zu ihm hin, um ihn zu begrüßen.
»Doktor Paul Lovecraft«, stellte er sich vor. »Wie schön, dass wir uns endlich einmal kennenlernen!«
Lovecraft erzählte mir aufgekratzt, dass auch er vor kaum einer halben Stunde erst in DelMonte eingetroffen war. Die Stadt schien ihm zu gefallen.
Ich hatte mir den berühmten Psychiater und Parapsychologen anders vorgestellt. Ich hatte an einen großen, hageren Mann gedacht, mit dunklen Haaren und schwarzen, flackernden Augen, der verzehrt und ausgemergelt war von seinen Forschungen über das Übernatürliche, von seiner Beschäftigung mit Geistern und Dämonen, mit blutigem Teufelsspuk und fanatischer Hexerei.
Aber Dr. Paul Lovecraft war einer der nettesten und sympathischsten Menschen, die ich in meinem ganzen Leben kennengelernt habe. Mit seinem etwas pummeligen Körperbau wirkte er sogar ausgesprochen gemütlich. Dass ich gut zwanzig Jahre jünger war als er – er war Mitte Fünfzig – kümmerte ihn nicht. Er war mir gegenüber sofort aufgeschlossen und sehr herzlich.
Das bunte Hemd, das er trug, zeigte, dass er wenig auf Mode hielt oder sich auf diesem Gebiet ganz und gar nicht auskannte. Es war abscheulich, muss ich gestehen.
Die junge Dame, die neben ihm saß, war mehr als attraktiv. Sie hatte dunkelbraunes, lockiges Haar, das ihr bis auf die Schultern fiel, große braune Augen, eine kleine, schmale Nase und einen vollen, sehr sinnlichen Mund. Ihr Teint war dunkel, wie bei einer Süditalienerin, und ihre Figur war hinreißend. Sie war groß und schlank, und trotzdem besaß sie sehr weibliche Rundungen, die sich unter ihrem hellen, sehr kurzen Sommerkleid deutlich abzeichneten.
Ich kannte diese attraktive junge Frau, konnte mich im Augenblick aber nicht daran erinnern, wo ich sie bereits gesehen hatte.
Das änderte sich, als Lovecraft uns vorstellte.