Gespräche auf dem Meeresgrund - Root Leeb - E-Book

Gespräche auf dem Meeresgrund E-Book

Root Leeb

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Beschreibung

»Und es rollt, fließt, tanzt in mächtigen Wogen. Hin und zurück. Das Licht wirft abwechselnd schwarzgrüne Schatten und glitzernde Netze ins Wasser. Tiefem Dröhnen folgt betäubende Stille. ›Woher kommst du?‹ …« Am Grund des Mittelmeeres, das für so viele Ort der Freude und Erquickung und für Unzählige Ort des Vergessens und namenlose Grabstätte ist, erhält diese Frage Antworten. Drei anfangs namenlose Stimmen, drei Menschen und ihre Schicksale treten hier miteinander in Verbindung und können dabei einander nichts mehr verbergen. Alles offenbart sich. Keine Täuschung gelingt. Und so sinkt im mythischen Element Wasser zwar die Vergangenheit auf den Meeresgrund, doch die Geschichte dieser Leben steigt als Klage gegen Unterdrückung und Zwänge, gegen Missachtung und Qual von Armen und Frauen wieder an die Ufer unserer Gegenwart zurück.

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Root Leeb

Gespräche auf dem Meeresgrund

Der Eine, der Andere und die Dritte

OKTAVEN

Für S. & E. über dem Wasser

İşte geldik gidiyoruz

hoşça kal kardeşim deniz

Wie wir gekommen sind, so gehen wir,

auf Wiedersehen Bruder Meer.

NÂZIM HIKMET

Schließlich trauert niemand um einen Niemand.

SHASHI THAROOR

Der große Roman Indiens

Alles geht weiter, es gibt keinen Anfang, zumindest liegt dieser nicht in unserer menschlichen Sehkraft oder einer anderen Möglichkeit unserer Wahrnehmung. Wir sind also mittendrin, daher beginnt diese Geschichte mit UND

Inhalt

Kapitel 1.

Kapitel 2.

Kapitel 3.

Kapitel 4.

Kapitel 5.

Kapitel 6.

Kapitel 7.

Kapitel 8.

Kapitel 9.

Kapitel 10.

Kapitel 11.

Kapitel 12.

Kapitel 13.

Kapitel 14.

Kapitel 15.

Kapitel 16.

Kapitel 17.

Kapitel 18.

Kapitel 19.

Kapitel 20.

Kapitel 21.

Kapitel 22.

Kapitel 23.

Kapitel 24.

Kapitel 25.

Kapitel 26.

Kapitel 27.

Kapitel 28.

Kapitel 29.

Kapitel 30.

Kapitel 31.

Kapitel 32.

Kapitel 33.

Kapitel 34.

Kapitel 35.

Kapitel 36.

Kapitel 37.

Kapitel 38.

Kapitel 39.

Kapitel 40.

Kapitel 41.

Kapitel 42.

Kapitel 43.

Kapitel 44.

Kapitel 45.

Kapitel 46.

Kapitel 47.

Kapitel 48.

Kapitel 49.

Kapitel 50.

Impressum

Leseprobe: Lavinia Greenlaw – Wo die Liebe schläft

1.

Und es rollt, fließt, tanzt in mächtigen Wogen. Hin und zurück. Das Licht wirft abwechselnd schwarzgrüne Schatten und glitzernde Netze ins Wasser. Tiefem Dröhnen folgt betäubende Stille.

«Woher kommst du?»

Es muss die Stimme eines Mannes sein. Die Größe und Form des Kopfes sprechen dafür. Genaues kann er nicht erkennen. Es ist zu dunkel.

Statt eines Kopfes meint er plötzlich eine Baumkrone vor sich zu haben, oder ein Gebüsch, Blätterformen sind nicht zu erkennen, alles ist zu dicht, wie verwoben. Die Gesichtszüge verschwimmen, zerfließen in sich schnell bewegenden Schatten. Auch die Stimme klingt verzerrt und wabernd, als ob sie von weit her käme.

«Weißt du noch, wo du herkommst?»

Er müht sich zu verstehen. Sowohl, was der andere sagt, als auch, was mit ihm geschieht. Welche Art der Veränderung er gerade durchmacht. Ist das die Auflösung, das Verlieren aller Konturen, überspringt er gerade eine Grenze, von der er vielleicht nie mehr zurück gelangen wird?

«Es ist noch nicht so weit», hört er den anderen jetzt ganz deutlich.

«Womit?», fragt er zurück.

«Du bist noch nicht bei uns. Du hast noch mehrere Möglichkeiten.»

Licht scheint aus sehr großer Ferne zu kommen, tanzt in feinen Schlieren weit über ihm, dringt aber nicht in die Tiefe. Er kann die Frage nach seinem Woher nicht beantworten. Was kann er noch? Er versucht sich zu erinnern. Schmerzen hat er nicht. Umrisse wohl auch nicht mehr. Er fühlt sich auslaufen, sich verschwenden, dabei schwebt er, oder ist es schwimmen? Ja, das um ihn herum ist Wasser, und der Kopf ziemlich nah vor seinem Gesicht ist, wie er jetzt erkennen kann, ein Schädel, mit Moos, nein, eher Algen oder einer Art Gallerte überzogen und hat keine Augen in den Höhlen. Er erschrickt nicht einmal. Auch nicht, als er sieht, dass der Kopf an einem skelettartigen Körper hängt, der merkwürdig verrenkt zwischen gleichfalls moosig überzogenen Felsbrocken eingeklemmt ist. Alles ist schwarzgrün und dunkel. Waren die Fragen von dort gekommen? Aus diesem Spalt mit den zerfressenen Lippen, den Resten von Zähnen, dem schemenhaften Abgrund dahinter?

«Wer bist du?», fragt er zurück, statt zu antworten.

«Ich war Alasan Jobe. Ob ich es jetzt noch bin, weiß ich nicht. Man lässt uns über vieles im Unklaren, daher ist alles so wenig durchschaubar, so undurchsichtig. Aber ich habe genau gesehen, dass du gerade erst gekommen bist. Von oben.»

«Von oben?»

«Ja, wir alle hier kommen von oben.»

Wieso fragt er mich dann?, denkt er, der ab jetzt der Andere ist. Und wie kann er mich ohne Augen gesehen haben? Er kann wohl Gedanken lesen.

«Augen scheint man hier nicht zu brauchen.»

«Bist du schon lange da?»

«So lange, wie es dauert, um auszusehen wie ich», sagt die Stimme.

«Und wie …?»

«Von einem Boot. Zuerst wusste ich nichts mehr. Nur ein Gefühl von ich, das hatte ich immer. Mittlerweile erinnere ich mich genauer. Es kommt immer in Schüben. Erst einzelne Bilder, lose wie zerrissene Fetzen, die nicht zusammenpassen, dann gibt es irgendwann Verbindungen, das Netz liegt geflickt vor dir. Du musst wissen, ich war Fischer früher.»

Er macht eine Pause und der Andere denkt, das war schon alles, und fragt: «Dann bist du also beim Fischen …?»

Er hört die Stimme, wie ihm scheint, jetzt etwas leiser antworten.

«Nein, nicht beim Fischen. Aber doch von einem Boot. Wir waren viele, Männer vor allem, aber auch ein paar Frauen waren dabei und Kinder. Meine nicht. Ich war allein. Wir wollten neu anfangen. Nach langer Zeit, ich glaube, zwei Nächte hatten wir schon überstanden, kam ein anderes Boot, viel schneller als unseres, das nur einen schwachen Motor hatte. Es holte uns ein. Die Männer in diesem Boot wollten, dass wir umkehrten. Ich stand auf, ich weiß nicht mehr warum, rief auch etwas. Dann schien mit dem Trommelfell der ganze Schädel zu zerplatzen. Die Welt explodierte, verbrannte und wurde schwarz. Später, wohl viel später, fand ich mich an dieser Stelle liegend, so eingekeilt, dass mein Körper, obwohl es ihn nach oben drängte, das nicht konnte, sondern da bleiben musste, einfach hängen blieb.»

Irgendwie kommt mir das bekannt vor, denkt der Andere. So einer ist der also. Sie kommen alle mit Booten. Und einer mehr oder weniger fällt ja eigentlich nicht ins Gewicht. Bestimmt hat der da nicht einmal einen Chip.

«Ihr seid sicher viele hier?», fragt er, obwohl er es ja weiß.

«Ich kann sie nicht zählen. Und es ändert sich. Du bist ja auf einmal auch da, mit diesem Chip, was immer das sein mag, und vor dir sind welche gekommen und nach dir werden noch andere kommen. Viele schweben irgendwann nach oben und werden herausgefischt. Zu denen verlieren wir die Verbindung. Aber es gibt auch solche wie mich. Die, wie du sagst, ohne Chip, die niemand sucht und die selbst nicht weg können. Die bleiben. Und immer wieder kommen Neue. Die meisten eingesperrt in Wracks in großer Tiefe. Und es gibt welche, die in Einzelteile zerlegt sind. Die kommen von ganz oben, aus Flugzeugen und brauchen lange, bis sie sich wieder erinnern. Aber nach vielen wird gesucht, vor allem, wenn sie als Gruppe kommen, und die meisten werden wieder geholt. Von solchen wie dir gibt es nur wenige.»

«Wieso hast du gesagt solchen wie dir?»

«Ihr seid anders. Man merkt das gleich. Sieht das – auch ohne Augen.»

«Warum wirst du nicht geholt, sucht dich denn niemand?»

«Von denen, die mich zu Hause kennen, sind viele nicht gut auf mich zu sprechen, sie sind neidisch und böse auf mich, dass ich gegangen bin. Und von denen, die mit mir aufgebrochen sind, sind die einen hier und können nichts tun, nicht für sich und nicht für mich, und die oben wissen wohl nicht, wo ich bin, dass ich genau an dieser Stelle liege. Vielleicht sind sie auch nie angekommen. Und wenn, können sie sicher nicht mehr sagen, wo es war, dass ich von Bord gegangen bin. Vielleicht verhindern auch jene von diesem schnelleren Boot, dass man mich findet. Ich bin ja nicht von Interesse, würde niemandem nutzen und nur kosten. Und das Schlimmste, ich wäre eine Anklage. Bestimmt war es nicht richtig, was einer von ihnen oder sie alle getan haben, und sie würden in dem Land, in das wir wollten, verurteilt werden. Genau wegen solcher Menschen, die nicht zuhören, haben wir unser Land verlassen. Sie haben Waffen und schießen auf andere, die keine haben, sie wollen keine Erklärungen hören und können selbst auch keine geben. Wir dachten, ja hofften, woanders wäre es besser. Wolltest du auch nach Europa?»

«Nein, ich bin von da.»

«Wolltest also weg?»

«Nein. Ja, aber nur für kurz … ich wollte mal raus aus allem, mich entspannen, Urlaub am Meer, Ruhe. Auch ich war mit mehreren Leuten unterwegs …, aber alles ist verschwommen. Ich erinnere mich nicht.»

«Es wird wiederkommen. Manches braucht länger. Bei mir hat es auch gedauert, bis wieder deutliche Bilder kamen. Ich denke, wir haben genug Zeit. Zur Sicherheit kann ich dich ja am Knöchel festhalten, wenn du erlaubst.»

«Lieber nicht», wehrt der Andere entsetzt ab. «Sie werden mich suchen und sicher finden, ich habe, wie gesagt, einen Chip am Handgelenk, wahrscheinlich verstehst du davon nichts, das hat man bei uns jetzt. Ist sehr vorteilhaft. So wissen sie immer, wo du bist, und können dich retten. Wird also nur eine Frage der Zeit sein, bis ich wieder weg bin.»

«Ich dachte, du suchst Ruhe. Jetzt hast du sie. Trotzdem willst du gefunden und gerettet werden?»

«Natürlich. Ich verstehe nicht, warum bis jetzt noch niemand da ist.» Nach einer Pause sagt er: «Sag mal, du wirkst ein bisschen wie von vorgestern. Kennst du vielleicht Skype, weißt du, was das ist?»

«Nein.»

Der Andere zögert, überlegt, ob es der Mühe wert ist. Dann sagt er kurz, im Ton einer Gebrauchsanleitung: «Visuelle Kommunikation mit Bild, ohne körperlichen Kontakt. Funktioniert über verschiedene Erdteile …»

«Dann haben wir das hier schon lange», unterbricht der Eine, «ich erfahre alles. Auch von denen im Chinesischen Meer. Auch von denen vor Libyen. Nur sehen kann ich sie nicht.»

Der Andere ist verblüfft, weiß nicht, was er dazu sagen soll.

2.

Das Licht wird dunkler, das Wasser fleckig. Schattenlose Wesen ohne Körper flüstern, ziehen in der Höhe vorüber. Sie scheinen näher zu kommen und der Andere fühlt sich bedroht. Dann zieht ein dichter Schwarm Fische wie ein schwarzer Flügel über die beiden hinweg.

«Du musst dich nicht ängstigen. Die einen gehören nicht zu uns. Die werden weitergetragen. Vielleicht in ein anderes Meer.»

«Und die anderen?»

«Entweder nach oben, werden herausgefischt, oder nach unten, zu uns.»

«Ich meine die Fische.»

«Diese großen Schwärme kommen nur selten. Kleine Fische und einzelne große wie Wale oder Haie bemerken wir kaum. Schlimmer sind der beständige Lärm und die reißenden Strömungen, die immer wieder auftreten. Ich habe mir sagen lassen, dass sie unter diesen gewaltigen Schiffen entstehen, die wie Türme oder Berge über das Wasser ziehen und unglaublich viele Menschen, wie in einer Stadt, im Meer herumfahren. Einfach so. Sie drehen ihre Runden. Diese Schiffe machen Angst. Sie schieben Riesenbäuche unter sich her, bringen das Wasser in Wallung und reißen einen wie mich, der festhängt, fast entzwei.»

«Woher hast du diese Worte? Warum können wir uns verstehen? Ich glaube, du hast doch irgendetwas Elektronisches eingepflanzt.» Womöglich ist er ein geschickt positionierter Spion, denkt der Andere, ohne es laut auszusprechen. Aber er hat ohnehin die ganze Zeit schon das Gefühl, nicht zu sprechen, sondern in einer ihm bisher unbekannten Weise laut zu denken. Die Worte verlassen seinen Mund, ohne geformt zu werden, sie fließen einfach aus ihm heraus und treiben davon.

«Wir sprechen hier alle eine Sprache, vielleicht weil wir am Ursprung angelangt sind, und der ist für uns alle wohl derselbe», sagt der Eine. «Jeder versteht, Worte und Gedanken. Egal, wie er aussieht oder woher er kommt. Zuerst dachte ich deswegen, das sei das Paradies. Aber wir verstehen und verstehen doch nicht. Informationen haben keinen Wert für andere, nur für einen selbst, also gibt es keine Spione. Alles ist offen, für jeden.»

«Du meinst den Ausgang?»

«Ja, den auch und auch den Zugang zu dem, was andere von sich geben.»

Klingt ja schon cool, open access zu allem, aber will ich das wirklich?, denkt der Andere kurz, aber der Eine redet einfach weiter.

«Irgendwann einmal ist es für jeden so weit. Jeder gibt etwas von sich preis und die anderen können das hören. Zwar wirken wir nach einer Weile irgendwie ausgemergelt, und ohne Wasser zwischen den Kiefern würden wir mit den Zähnen klappern. Oder, falls die fehlen, mit den Knochen. Aber dennoch sind wir als Person komplett. Bei dir ist noch viel Fleisch dran. Aber du bist schon auf dem Weg. Ist aber kein Grund zum Gruseln. Viele Menschen sammeln Muscheln, aber ekeln sich vor einem Skelett. Dabei besteht der Unterschied doch nur darin, wo vormals das Fleisch lag. Beim Skelett außen, verdeckte und schützte, bei Muscheln innen, wurde geschützt.»

«Ich gehöre auf jeden Fall zu den Muschelsammlern. Mit einem Skelett will ich nichts zu tun haben.»

«Man wird nicht gefragt, die Dinge passieren einfach.»

«Klingt, als ob du Philosoph warst.»

«Oh nein, wie gesagt, war ich Fischer. Was Bildung angeht, kann ich dir sicher nicht das Wasser reichen. Na ja, hier vielleicht schon. Wir sind ja mittendrin. Und das verbindet uns.»

3.

«Nach meiner Herkunft fragst du? Ich fange bei meinen Vorfahren an.» Der Eine spricht nach kurzer Pause einfach weiter. «Wir können weit zurückgehen, wir haben hier ja alle Zeit. Meinen Urgroßvater von der mütterlichen Seite, er war Sklave in British Jamaika, haben sie mit Fäkalien gefüllt, durch den Mund, und den dann zugenäht. Als Strafe für irgendetwas, was auch der Sklave, den sie gezwungen hatten, das zu tun, nicht wusste. Aber er hat es weitererzählt. Und die es gehört haben, haben es wieder weitererzählt. So ist es zu uns gekommen. Und wir haben gelernt. Du kannst jeden entwürdigen, jeden Menschen zu einem Wurm machen, den du dann ohne Hemmung zerschneiden, zertreten, zermatschen kannst. Er ist keine Kreatur mehr, nur Dreck. Und wenn niemand von ihm erzählt, wer er war und was er sagte und liebte, wird er zu nichts. Nicht gelebt, nicht gelitten, nicht gewesen, nichts. Und alles ist umsonst, war umsonst. Wir leben nur, solange jemand sich an uns erinnert.

Das also haben wir gelernt. Und auch, dass die einen das brauchen, die anderen zu Dreck zu machen, und dass die aber trotz allem, was mit ihnen gemacht wird, Menschen bleiben. Sogar der, den sie zwingen, Scheußliches zu tun. Immerhin hat er dann jemandem davon erzählt. Mein Urgroßvater blieb mein Urgroßvater, auch wenn er schlecht behandelt wurde. Er muss stark gewesen sein. Sonst hätte es meinen Großvater nicht gegeben und nicht meine Mutter und mich auch nicht.»

«Und du, hast du Kinder?»

«Zwei. Ich wollte mehr. Wir hatten große Hoffnung. Aber dann kam das hier. Ich sollte alleine voraus, erst einmal schauen und sie dann später holen. Warum mich keiner gewarnt hat, mir niemand abgeraten hat, wegzugehen, weiß ich nicht. Gut, die einen waren neidisch, haben mir übel genommen, dass ich das Geld für das Visum auftreiben konnte. Aber die anderen, haben die auch nichts gewusst? Ich weiß nicht, was mit meiner Familie ist. Wir wissen ja nichts von oben. Auf dem Boot hätten sie ohnehin keinen Platz mehr gehabt. So eng wie es war. Mein Bruder wird sich um sie kümmern. Obwohl der jetzt vergeblich auf meine Hilfe wartet.»

«Vielleicht kannst du froh sein, dass es so gekommen ist», sagt der Andere wie in Trance. «Es ist doch sehr verwirrend alles, eine große Konfusion überall. Und wir sind ein herumwirbelnder Teil davon.»

Er hat das Gefühl, dass auch seine Gedanken Teil dieser Konfusion sind und gerade gründlich durcheinandergewirbelt werden. Schwindel ergreift ihn. Er spricht lallend wie im Rausch. Vielleicht auch wegen des Wassers, das seinen halb geöffneten Mund durchfließt. «Ich glaube nicht, dass wir etwas ändern können. Das wird uns zwar immer eingeredet, vorgegaukelt, doch ich fühle mich gerade selbst wie ein Gaukler, wie ein Akteur in einem billigen