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In einer atemberaubenden Geschichte erforscht "Gewoben aus Licht und Widerstand" die grenzenlose Menschheit auf ihrer gefährlichsten und hoffnungsvollsten Reise: Die Besiedlung des geheimnisvollen Planeten Veridia. 10.000 Siedler verlassen die Erde über die Hilbertbrücke und erreichen einen Planeten, der mehr ist als nur eine neue Heimat - Veridia ist lebendig, bewusst und voller unergründlicher Geheimnisse. Unter der Führung von Captain Jessa und dem kybernetisch augmentierten Ingenieur Eron beginnt eine außergewöhnliche Odyssee der Symbiose, Entdeckung und Transformation. Die Crew trifft auf die Norai, eine humanoide Spezies, die in perfekter Harmonie mit dem Planeten lebt. Ihre Technologie ist organisch, ihre Werkzeuge sind gezüchtet, nicht konstruiert. Doch der Weg zur Verständigung ist steinig: Technische Systeme versagen, biolumineszente Landschaften leuchten geheimnisvoll, und der Planet selbst scheint die Siedler auf die Probe zu stellen. Mit der Entwicklung des Synolith - eines Kommunikationskristalls, der direkte Empfindungen überträgt - eröffnen sich neue Dimensionen der Verständigung. Doch die Hoffnung wird bald von einem dunklen Kapitel der Geschichte überschattet: Dem Aufstieg des autoritären Regimes. Propaganda, Überwachung und Unterdrückung verwandeln die einst friedliche Siedlung in einen Ort der Angst. Die heiligen blauen Norai-Kristalle werden zu Werkzeugen der Tyrannei, und Dissidenten verschwinden. Die mutige Gruppe um Eron, Jessa und der KI Lira beginnt einen gefährlichen Widerstandskampf. Durch digitale Sabotage, die Verbreitung verbotener Wahrheiten und heldenhafte Infiltrationen decken sie die Gräueltaten des Regimes auf. "Gewoben aus Licht und Widerstand" ist mehr als eine Science-Fiction-Erzählung. Es ist eine kraftvolle Meditation über Transformation, Respekt und die Möglichkeit, selbst in den dunkelsten Zeiten Verbindungen zu schaffen, die uns über unsere ursprünglichen Grenzen hinauswachsen lassen.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Gewoben aus Licht und Widerstand
N. D. Newman
Copyright © 2025 by N. D. Newman
Alle Rechte vorbehalten.
Dieses Buch, veröffentlicht im Eigenverlag Nova Glow, ist das ausschließliche geistige Eigentum des Autors. Kein Teil dieses Buches darf ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung des Urhebers in irgendeiner Form reproduziert, gespeichert, übertragen oder in irgendeiner Weise verwendet werden, auch nicht in digitalen oder elektronischen Medien.
Erstveröffentlichung 2025
Alle in diesem Werk erwähnten Namen, Orte und Bezeichnungen sind nach bestem Wissen und Gewissen gewählt und dienen ausschließlich illustrativen Zwecken.
Nova Glow – Eigenverlag
Impressum
Nico Heller
Färberstraße 16
04105 Leipzig
Deutschland
E-Mail: [email protected]
Verlag: Nova Glow – Eigenverlag
EU-Streitbeilegung Verbraucherstreitigkeiten: https://ec.europa.eu/odr
Das Summen der Energiekerne durchdrang die Gänge der Nova Ventis. Eron stand in der gläsernen Beobachtungskuppel, den Blick auf die vertrauten Umrisse der Neuen-Athene-Akademie gerichtet. Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne tauchten die Kuppel in ein warmes, orangefarbenes Licht.
Erinnerungen an endlose Stunden in den Laboren und Hörsälen der Akademie strömten durch seinen Verstand. Die Worte seiner Mentoren hallten in seinem Kopf wider. Ethik. Verantwortung. Fortschritt.
Ein leises Piepen ertönte. Eron tippte auf sein Armband. »Status?«
Liras Stimme ertönte. »Triebwerke bei 90 Prozent Leistung. Lebenserhaltung voll funktionsfähig. 10.000 Kolonisten in Kryostase gesichert.«
Eron nickte. Seine Finger glitten über das holografische Display, überprüften die Systeme. Alles lief nach Plan.
Schritte näherten sich. Captain Jessa trat neben ihn, den Blick auf die Akademie gerichtet. »Es ist so weit.«
Eron spürte die Spannung in ihrer Stimme. Die Hoffnung. Die Angst. »Wir sind bereit.«
Jessa atmete tief durch. Ihre Schultern strafften sich. »An alle Besatzungsmitglieder. Bereitmachen zum Start.«
Das Schiff bebte. Das monotone Vibrieren der Triebwerke wurde lauter. Langsam löste sich die Nova Ventis aus dem Orbit.
Eron beobachtete, wie die Akademie immer kleiner wurde. Ein letztes Mal funkelte die Glaskuppel im Licht der Sterne. Dann verschwand sie aus seinem Blickfeld.
Ein neues Kapitel begann. Ein Aufbruch ins Ungewisse. Eron legte seine Hand auf die kühle Oberfläche der Beobachtungskuppel. »Auf zu neuen Ufern«, flüsterte er.
Die Nova Ventis beschleunigte. Die ausgemergelte Erde wurde zu einem blassblauen Punkt in der Ferne. Vor ihnen lag die unendliche Weite des Weltraums.
Ein Schauer überlief Eron. Die Verantwortung lastete schwer auf seinen Schultern. 10.000 Leben. Eine neue Welt. Eine Chance für die Menschheit.
Er schloss die Augen. Liras beruhigende Stimme drang an sein Ohr. »Bist du bereit für das Abenteuer, Eron?«
Ein Lächeln spielte um seine Lippen. »Bereit wie nie zuvor.«
Die Sterne funkelten vor ihnen. Ein Versprechen. Eine Herausforderung. Die Nova Ventis glitt ins All, getragen von den Träumen und Hoffnungen einer ganzen Zivilisation.
Eron stand im Kontrollraum, die Hände auf der leuchtenden Konsole. Ehrfürchtig studierte er die alten Sternenkarten, die vor ihm schwebten. Leuchtende Punkte und verschlungene Linien, ein Netz aus Möglichkeiten.
»Veridia ...«, flüsterte er. Der Name schmeckte süß und fremd auf seiner Zunge. Ein Versprechen, ein Traum. Die Antwort auf all seine Gebete.
Seine Finger glitten über die Symbole. Jedes ein Schlüssel, eine verborgene Wahrheit.
Erinnerungen blitzten auf. Der sterile Geruch der Akademie. Wie oft hatte er als Student in den Räumen der Akademie gestanden, gebannt von den Geheimnissen des Universums. Das Surren der Hologramme. Die sanfte Stimme seiner Mutter: »Maschinen können keine Moral kodieren, Eron. Wir benutzen sie, um zu schützen, nicht um zu zerstören.«
Er blinzelte. Die Worte hallten in seinem Kopf nach. Eine Mahnung, eine Warnung. Die Verantwortung, die auf seinen Schultern lastete.
Seine Finger zitterten leicht. Unter seiner Haut summten die kybernetischen Implantate. Eine Verbindung aus Fleisch und Stahl, aus Mensch und Maschine.
War es richtig, was sie taten? Konnten sie wirklich eine neue Welt schaffen, frei von den Fehlern der Vergangenheit?
Sein Blick wanderte zu den Sternenkarten. Leuchtende Pfade in der Dunkelheit. Ein Neuanfang für sie alle.
»Status?«, fragte Jessa neben ihm. Ihre Stimme klang gespannt, erwartungsvoll.
Eron atmete tief durch. »Der Kurs ist gesetzt. Alle Systeme funktionieren einwandfrei.«
Sie nickte knapp. Ihr Blick bohrte sich in die Karten. »Gut. Informieren Sie mich, wenn es Abweichungen gibt.«
»Verstanden, Captain.« Eron richtete sich auf. Seine Finger flogen über die Konsole, justierten, stellten ein.
Die Nova Ventis glitt durch die Schwärze. Ein einsamer Koloss beladen mit den Hoffnungen einer sterbenden Welt.
Eron spürte die Last ihrer Mission. Jedes Leben an Bord, jeden gefrorenen Atem in den Kryokammern. Sie alle vertrauten ihm.
»Ich werde euch nicht enttäuschen«, murmelte er. »Das schwöre ich bei den Sternen.«
Die Karten leuchteten auf, als hätten sie ihn gehört. Ein stummes Versprechen, ein heiliger Schwur.
Eron lächelte grimmig. Was immer sie dort draußen erwartete, er würde bereit sein. Für seine Crew. Für die Menschheit.
Für Veridia.
»Guten Morgen, Schaltkreiskünstler. Deine Augmentierungen wirken heute besonders träge - Neustart nötig?«
Liras sarkastische Stimme riss Eron aus seinen Gedanken. Er blinzelte, fokussierte seinen Blick auf das mattschwarze Titanarmband an seinem Handgelenk. Ein sanftes Azurblau leuchtete auf, als seine Systeme erwachten.
»Sehr witzig, Lira«, brummte er. Seine Finger glitten über die glatte Oberfläche des Armbands und justierten mit präzisen Bewegungen die Einstellungen. »Meine Augmentierungen funktionieren einwandfrei, vielen Dank.«
»War nur ein Scherz, Ingenieur.« Liras Tonfall wurde sanfter, verständnisvoller. »Du scheinst heute ein wenig abgelenkt zu sein. Ist alles in Ordnung?«
Eron seufzte. Er erhob sich von seinem Sitz und streckte seine verspannten Muskeln. »Ja. Es ist nur ... die Verantwortung. All diese Leben, die von uns abhängen.«
»Ich verstehe, Ingenieur.« Liras Avatar erschien auf dem Holoprojektor - eine Frau aus flüssigem Stahl, deren Gesichtszüge mitfühlend schimmerten. »Aber vergiss nicht, du bist nicht allein. Wir sind ein Team, du und ich.«
Ein Lächeln zuckte um Erons Mundwinkel. »Ich weiß. Danke, Lira.«
Er ging zu seinem Spind und öffnete ihn mit einer Handbewegung. Der Voidskinanzug hing ordentlich an seinem Platz, ein technologisches Meisterwerk aus schwarzem, schimmerndem Material.
Eron zog den Anzug an und spürte, wie sich das Material nahtlos an seinen Körper schmiegte. Die integrierten Lebenserhaltungssysteme erwachten summend zum Leben, verbanden sich mit seinen kybernetischen Implantaten.
»Anzugcheck abgeschlossen«, meldete Lira. »Alle Funktionen im grünen Bereich.«
Eron nickte zufrieden. Seine Finger glitten über die Bedienelemente an seinem Handgelenk, stellten Temperatur und Druck fein ein.
»Zeit, an die Arbeit zu gehen«, murmelte er.
»In der Tat, Ingenieur.« Liras Stimme klang amüsiert. »Die Nova Ventis wartet sehnsüchtig auf deine fachmännische Zuwendung.«
Eron schnaubte. »Du und dein Sarkasmus, Lira. Was würde ich nur ohne dich tun?«
»Wahrscheinlich vor Langeweile sterben, Ingenieur.« Lira kicherte. »Oder dich ohne meine brillanten Einsichten in irgendeinem technischen Problem verlieren.«
»Brillante Einsichten, soso.« Eron verdrehte die Augen, aber ein Lächeln spielte um seine Lippen. »Komm schon, lass uns die Systeme überprüfen. Ich möchte keine bösen Überraschungen erleben.«
»Zu Befehl, oh Meister der Schaltkreise.« Liras Avatar verschwand mit einem spielerischen Augenzwinkern.
Eron schüttelte den Kopf, immer noch lächelnd. Was immer sie erwartete, wenigstens war er nicht allein. Mit Lira an seiner Seite fühlte er sich jeder Herausforderung gewachsen.
Er verließ seine Kabine und ging den langen Gang entlang in Richtung Maschinenraum. Es gab viel zu tun, viele Systeme zu überprüfen und einzustellen.
Aber er war bereit. Bereit für alles, was kommen mochte.
Für Veridia. Für einen Neuanfang.
Captain Jessa stand mit leuchtend kupferrotem Haar im Schein der Navigationsprojektionen auf der Brücke der Nova Ventis. Ihr Blick glitt über die Anzeigen, studierte die komplexen Datenmuster.
»Status?«, fragte sie knapp.
»Alle Systeme nominal, Captain«, meldete der erste Offizier. »Bereit zum Sprung.«
Jessa nickte. Ihre Finger trommelten einen geistesabwesenden Rhythmus auf die Konsole. Die Spannung war greifbar, knisterte förmlich in der Luft.
»Eron?«
»Bereit, Captain.« Seine Stimme klang ruhig, beherrscht. Aber Jessa kannte ihn gut genug, um die unterschwellige Anspannung zu spüren.
Sie atmete tief durch. Dies war der Moment, auf den sie so lange gewartet hatten. Der Beginn ihrer Reise ins Ungewisse.
»Hilbertbrücke ausfahren.«
Erons Finger flogen über die Bedienelemente. Auf den Bildschirmen entfaltete sich ein atemberaubendes Schauspiel - ein bläuliches Energiegitter, das sich vor dem Bug der Nova Ventis aufspannte, pulsierend und schimmernd.
Die Brücke der Pi-Dimension.
Jessa spürte, wie sich ihre Nackenhaare aufstellten. Trotz all ihrer Erfahrung, trotz all der simulierten Sprünge - nichts konnte einen auf diesen Moment vorbereiten.
»Gravitationsfeld stabil«, meldete Eron. »Quantenfluktuationen innerhalb der Parameter.«
»Verstanden.« Jessas Stimme klang heiser. Sie räusperte sich. »Countdown starten.«
»Sprung in T-minus 60 Sekunden«, verkündete Liras melodische Stimme über die Sprechanlage. »59, 58, 57 ...«
Jessa lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Ihr Blick wanderte zu den Sternen jenseits der Frontscheibe. Bald würden sie diese vertrauten Sternbilder hinter sich lassen, in unerforschte Regionen der Galaxis vorstoßen.
»3, 2, 1. Sprung initiiert.«
Eron drückte auf den Aktivierungscode. Die Hilbertbrücke flammte auf, ein gleißender Wirbel aus gefrorenem Licht. Die Nova Ventis bebte, als die exotische Energie sie erfasste und in den hyperdimensionalen Tunnel zog.
Für einen Moment schien die Zeit stillzustehen. Dann ...
Ein psychedelisches Kaleidoskop von Farben jenseits des sichtbaren Spektrums. Das Schiff ächzte und stöhnte, als unvorstellbare Kräfte an seiner Hülle zerrten. In den Kryostasekammern vibrierten zehntausend schlafende Siedler im Takt der kosmischen Symphonie.
Dann war es vorbei. Die Nova Ventis schoss aus dem Lichtwirbel, glitt in die samtene Schwärze des Alls. Atemlose Stille herrschte auf der Brücke.
Eron klammerte sich an seine Konsole, während die Nova Ventis durch den interdimensionalen Tunnel raste. Sein Puls hämmerte in seinen Ohren und übertönte fast das ohrenbetäubende Heulen der Maschinen. Selbst durch den Schutzanzug hindurch spürte er die reißenden Kräfte, die an seinem Körper zerrten.
»Strukturelle Integrität bei 87 Prozent«, meldete Lira. Ihre Stimme klang gepresst, als würde auch sie gegen den immensen Druck ankämpfen.
Eron zwang sich, die Anzeigen zu fokussieren. Energiewerte, Quantenfluktuationen, Gravitationskonstanten - die Zahlen verschwammen vor seinen Augen. Er blinzelte, holte tief Luft. Nur noch wenige Sekunden ...
Mit einem gewaltigen Ruck schoss die Nova Ventis aus dem Tunnel, zurück in den Normalraum. Eron wurde nach vorne geschleudert, prallte hart gegen seine Gurte. Einen Moment lang blieb er benommen liegen und rang keuchend nach Luft.
»Sprung erfolgreich«, meldete Lira. »Willkommen in Sektor 741, auf halbem Weg nach Veridia.«
Erleichtertes Lachen brach aus. Jessa erlaubte sich ein Lächeln. Sie hatten es geschafft. Der erste Schritt war getan.
Doch die eigentliche Reise hatte gerade erst begonnen.
Dann ertönte Liras Stimme, seltsam verzerrt, aus dem Interkom: »Achtung, Achtung. Feuer auf Deck 7. Ich wiederhole, Feuer auf Deck 7.«
Eron fluchte. Mit zitternden Fingern löste er seine Gurte und schwang sich aus dem Stuhl. Um ihn herum erwachte die Brücke zum Leben, als die Crew auf ihre Stationen eilte.
»Meldung!«, bellte Jessa. Ihre Stimme durchschnitt das Chaos, eiskalt und messerscharf.
»Isolatoren auf Deck 7 überhitzt«, meldete Lira. »Die Feuerlöschsysteme sind ausgefallen. Manueller Eingriff erforderlich.«
Eron warf einen Blick auf die taktischen Anzeigen. Deck 7 - Lebenserhaltung, direkt über den Kryokammern. Wenn das Feuer die Kammern erreichte ...
»Ich kümmere mich darum«, sagte er heiser. »Lira, leite mich.«
»Verstanden.« Ein Hologramm des Schiffsplans flackerte vor ihm auf, mit einer pulsierenden roten Markierung auf Deck 7. »Der schnellste Weg führt durch den Wartungsschacht 47-B. Ich öffne die Schleusen.«
Eron nickte knapp. Ohne ein weiteres Wort stürmte er vom Kommandodeck, die grellen Alarmlampen wie rote Blitze auf seiner Netzhaut.
Rauch und Qualm schlugen ihm entgegen, als er auf Deck 7 ausstieg. Hustend setzte er die Atemmaske auf und aktivierte das Nachtsichtgerät. Der Gang vor ihm verschwand in waberndem Nebel, durch den grellorange Flammen züngelten.
»Geradeaus, 23 Meter«, wies Lira ihn an, ihre Stimme drang gedämpft durch seinen Helm. »Dann links.«
Eron gehorchte. Hitze schlug ihm entgegen, so intensiv, dass er sie selbst durch seinen klimatisierten Anzug spürte. Schweiß rann ihm in die Augen, während er sich vorwärts kämpfte, eine Hand am Geländer, die andere um seinen Feuerlöscher geklammert.
Da - vor ihm flackerte es rot-orange auf. Die Isolatoren an der Wand glühten, schmolzen, Funken sprühten im grellen Regen. Und dahinter, durch den dichten Rauch kaum zu erkennen ...
Die Kryokammern. Zehntausend hilflose Kolonisten, gefangen zwischen Feuer und Eis.
Eron knirschte mit den Zähnen. Nicht mit ihm. Nicht heute.
Mit einem trotzigen Schrei stürzte er sich in die Flammen, den Feuerlöscher wie einen Kampfstab erhoben. Er würde dieses Schiff retten, koste es, was es wolle.
Denn tief in seinem Herzen wusste er es:
Er war ihre einzige Hoffnung.
Eron bahnte sich einen Weg durch den beißenden Rauch, sein Atem keuchte durch die Atemmaske. Vor ihm tauchten verschwommene Gestalten auf - schlaftrunkene Techniker, die orientierungslos durch die Gänge taumelten.
»Hierher!«, brüllte Eron gegen den Lärm an und winkte sie zu sich. »Folgt mir!«
Einer nach dem anderen schloss sich ihm an, die Gesichter rußverschmiert und voller Angst. Gemeinsam kämpften sie sich durch die Trümmer, kletterten über heruntergefallene Rohre und glühende Metallteile.
»Eron, der Wartungsschacht ist direkt vor euch«, rief Lira in sein Ohr. »Aber er ist fast völlig geschmolzen. Die Überlebenschance liegt bei 37,2 %.«
»Mehr brauchen wir nicht«, knurrte Eron. Mit einem gezielten Tritt stieß er die verkohlte Luke auf. »Los, rein da!«
Einer nach dem anderen quetschten sich die Techniker in den engen Schacht, ihre Atemzüge hektisch und flach. Eron bildete die Nachhut, den Blick unentwegt auf die züngelnden Flammen gerichtet.
»Wie lange noch, Lira?«
»23 Minuten, 14 Sekunden«, kam die prompte Antwort. »Oder wollen Sie beten, Ingenieur?«
Eron schnaubte. »Später vielleicht.«
Mit zusammengebissenen Zähnen schob er sich in den Schacht, die Hitze war so intensiv, dass sie ihm die Luft aus den Lungen presste. Zentimeter für Zentimeter krochen sie vorwärts, der Schweiß lief ihnen in Strömen übers Gesicht.
Irgendwo über ihnen ertönte ein ohrenbetäubendes Krachen, gefolgt von einem Funkenregen. Eron duckte sich instinktiv, sein Herz schlug wie wild.
Sie mussten es schaffen. Sie mussten es einfach.
Für die Siedler. Für die Mission.
Für die Hoffnung der Menschheit.
Mit letzter verzweifelter Kraft stemmte er sich vorwärts, die Muskeln zum Zerreißen gespannt. Vor ihm flimmerte ein Lichtschacht.
Nur noch ein kleines Stück ...
»Ich bin da«, murmelte er und stieß mit aller Kraft gegen die Luke. Sie gab nach und ein Schwall kühler Luft strömte ihnen entgegen. Eron zog sich hoch und half den anderen aus dem Schacht, jeder Atemzug ein Triumph.
Sie waren auf Deck 5 angekommen. Vor ihnen erstreckte sich ein Raum voller funkensprühender Kabel und rauchender Konsolen. Inmitten dieses Chaos standen Dutzende von Reparaturrobotern, deren Bewegungen abrupt gestoppt wurden.
»Was ist passiert?«, rief einer der Techniker über das Knistern und Zischen hinweg.
»Die Bots sind in ihren Routinen stecken geblieben«, antwortete Lira kühl. »Wahrscheinlich durch Überhitzung.«
Eron nickte.
»Dann schalten wir sie wieder ein.« Er ging zum nächsten Bot, seine Finger strichen über das kühle Metall. »Lira, bring uns online.«
Es dauerte nur einen Moment. Ein kurzes Aufflackern in Erons Augmentierungen, dann kam das Bestätigungssignal von Lira. »Ihr seid verbunden, Eron.«
Er nickte und schloss die Augen, ließ seinen Geist in die digitale Welt eintauchen. Informationen strömten durch ihn hindurch, als er sich in das Netzwerk der Bots einloggte, ihre programmierten Routinen und Abläufe scannte.
Es war, als tauche er in einen stählernen Ozean, der Klang von Maschinensprache und Datenströmen war sein einziger Anhaltspunkt. Immer tiefer tauchte er ein, bis er den Kern der Bots erreichte. Mit einem virtuellen Wisch löste er die Knoten, die ihre Bewegungen behinderten.
»Jetzt!«, rief Lira und in diesem Moment erwachten die Bots wieder zum Leben, ihre metallenen Augen leuchteten auf und sie setzten ihre Arbeit fort. Es war, als würde das Deck wieder zum Leben erwachen. Die Funken der kurzgeschlossenen Leitungen verpufften, während die Reparaturroboter mit ihren Laserzangen die Schäden bearbeiteten. Rauch und Qualm wurden von Reinigungsdrohnen abgesaugt.
Eron öffnete die Augen, sein Herz hämmerte wie wild in seiner Brust. In diesem Moment fühlte er sich wie ein Dirigent, der das Orchester der Maschinen dirigiert - eine Symphonie der kosmischen Gezeiten. »Nicht schlecht, Ingenieur«, spottete Lira, und Eron konnte fast ein Lächeln in ihrer Stimme hören. Eron lächelte, noch immer schwer atmend vor Anstrengung. »Danke, Lira«, erwiderte er und sah sich um.
Es gab noch viel zu tun. Eron machte sich wieder an die Arbeit. Für eine Pause war keine Zeit. Jede Sekunde zählte, wenn man tausend Lichtjahre von der nächsten Hilfe entfernt war. Mit jedem Fix, den er und seine Crew vollbrachten, rückte Veridia näher.
Während Eron arbeitete, konzentrierte sich Lira auf die Umweltkontrollsysteme. Mit präzisen Eingaben reaktivierte sie die Umweltkontrollen, um die beschädigten Sektionen wieder mit dem lebenswichtigen Sauerstoff zu versorgen. Gleichzeitig initiierte sie die automatischen Schadenskontrollprogramme, die surrend zum Leben erwachten und sich darauf konzentrierten, die Integrität des Schiffes zu sichern. Lira war mehr als nur ein Helfer - sie war die unsichtbare Hand, die alles im Gleichgewicht hielt.
Deck 5 war nun ein Konzert der Effizienz, während die Maschinen sich beeilten, die Schäden zu beheben, die der Sprung verursacht hatte.
∗ ∗ ∗
In ihrer Kabine saß Captain Jessa wie betäubt vor dem Logbuchterminal, ihre Finger zitterten über der Tastatur. Auf dem Bildschirm blinkten die nüchternen Fakten auf, so endgültig wie ein Urteil:
»Erster Sprung - Dauer 10 Jahre. Sprung 2 und 3 benötigen 87 % der Reserven. Energiekerne kritisch. Überlebenswahrscheinlichkeit ...«
Jessa schluckte, traute sich nicht, die Zahl zu Ende zu tippen. Stattdessen griff sie nach dem Proteinriegel auf ihrem Tisch, nur um festzustellen, dass er zu Staub zerbröselt war.
Wie ihre Hoffnungen.
Wie die Leben, die davon abhingen.
Mit einem gequälten Seufzer ließ sie den Kopf in die Hände sinken, die kupferroten Locken wie ein Vorhang um ihr Gesicht. So hatte sie sich ihren ersten Einsatz nicht vorgestellt.
Statt Pioniergeist und Abenteuerlust erwarteten sie Verzweiflung und Angst. Statt einer neuen Heimat drohte ihnen allen der sichere Tod im luftleeren Raum.
Und sie trug die Verantwortung.
Jessa blickte auf, starrte hinaus in die unendliche Schwärze hinter dem Panoramafenster. Irgendwo da draußen lag Veridia, ihr Ziel, ihr Versprechen auf eine bessere Zukunft.
Aber würden sie es jemals erreichen?
Lautlos glitt Eron in die KI-Kernzelle, eine Oase der Stille inmitten des Chaos. Hier, umgeben vom leisen Summen der Server, fand er einen Moment des Friedens.
Vor ihm erwachte Liras Avatar zum Leben - eine Frau aus flüssigem Stahl, deren Konturen im bläulichen Licht schimmerten.
»Sternzeit 2247,8. Koordinaten der Leitsterne bestätigt«, rezitierte sie mit melodischer Stimme. Dann hielt sie inne und neigte den Kopf zur Seite. »Der Stern HY-9924 ist erloschen. Ein Riese ist zu Staub zerfallen.«
Eron seufzte und ließ sich auf einen Stuhl sinken. »Wie viele noch, Lira? Wie viele Sonnen werden verglühen, bevor wir Veridia erreichen?«
»Das Universum kennt keine Eile, Eron. Nur endlosen Wandel.« Liras silberne Finger schwebten über einer holografischen Sternenkarte. »Aber wir ... wir jagen einem Traum hinterher. Einem fernen blauen Schimmer am Horizont.«
»Einem Leuchtfeuer der Hoffnung.« Eron starrte in die projizierten Nebel, verlor sich in den Tiefen des Alls. »Ohne diesen Traum sind wir verloren, Lira. Heimatlos zwischen den Sternen.«
Eine Weile schwiegen sie, hingen ihren Gedanken nach. Zwei Wesen, vereint in ihrer Sehnsucht nach einem Sinn in der Unendlichkeit.
Plötzlich bebte das Schiff, die Wände vibrierten unter der Wucht des Unbekannten. Eron sprang alarmiert auf. »Status?«
»Warnung: Unbekanntes Objekt voraus. Masse und Signatur deuten auf ...«
Ein gleißender Lichtblitz verschluckte Liras Worte. Instinktiv schlug Eron die Arme vors Gesicht, geblendet von der Intensität. Als sich seine Augen anpassten, erstarrte er.
Auf dem Hauptschirm schwebte ein fremdartiges Schiff von unnachahmlicher Schönheit. Seine Hülle schimmerte perlmuttartig, schien das Licht der Sterne einzufangen und in sanften Wellen zu brechen. Elegante Bögen und fließende Formen verliehen ihm eine ätherische Anmut, als wäre es mehr ein Kunstwerk als ein Raumschiff.
»Bei all den Sternen ...«, hauchte Eron. »Sind das wirklich die Gravithea?«
»Die Symbole auf dem Rumpf bestätigen es«, antwortete Lira und flüsterte ehrfürchtig. »Es ist tatsächlich ein Schiff des Gravithea Concord.«
Erons Puls raste. Das Gravithea Concord - eine legendäre Raumfahrerzivilisation, berühmt, aber unglaublich zurückgezogen. In den Hunderten von Jahren seit dem ersten dokumentierten Kontakt hatte es kaum mehr als ein Dutzend bestätigte Begegnungen gegeben. Und jetzt hier, in diesem gottverlassenen Winkel der Galaxis?
Bevor er antworten konnte, knisterte es in der Com-Konsole. Captain Jessas Stimme hallte angespannt, aber beherrscht durch den Raum:
»An alle Stationen: Gravitheaschiff voraus. Keine Anzeichen eines Angriffs. Ich wiederhole: Keine Anzeichen eines Angriffs. Verteidigungsbereitschaft aufrechterhalten, aber nicht feuern. Wir gehen auf Alarmstufe Gelb und bereiten uns auf einen der seltensten diplomatischen Kontakte vor.«
Eron wechselte einen Blick mit Lira. In ihren silbernen Augen spiegelte sich dieselbe Mischung aus Aufregung und Ehrfurcht, die auch sein Herz schneller schlagen ließ.
Eine Begegnung mit den zurückgezogen lebenden Gravithea, hier am Rande der Unendlichkeit. Ein Privileg, das nur wenigen vergönnt ist.
Schicksal oder Zufall? Bedrohung oder Verheißung?
Die Zeit der Antworten war gekommen.
»Eron, auf die Brücke. Sofort.« Captain Jessas Stimme durchschnitt die angespannte Stille.
Eron nickte Lira zu, ein stummer, wenn auch nur optischer Abschied, dann eilte er mit langen Schritten aus der KI-Kernzelle. Sein Verstand raste, während er durch die engen Gänge eilte, vorbei an Besatzungsmitgliedern, deren Gesichter dieselbe Mischung aus Erstaunen und Ehrfurcht zeigten.
Als sich die Tür zur Brücke mit einem Zischen öffnete, traf ihn die Spannung wie eine körperliche Welle. Captain Jessa stand vor dem Hauptmonitor, die Schultern gestrafft, den Blick starr auf das fremde Schiff gerichtet.
»Statusbericht«, forderte sie, ohne sich umzudrehen.
»Keine Anzeichen von Waffensystemen oder aggressiven Manövern«, meldete der taktische Offizier. »Sie halten ihre Position und scheinen auf unsere Reaktion zu warten.«
Jessa nickte knapp. Dann wandte sie sich mit stahlhartem Blick an Eron. »Eron, Sie haben die Unterlagen der Akademie über die seltenen Begegnungen mit Gravithea studiert. Was schlagen Sie vor?« Eron trat vor, den Blick auf das schimmernde Schiff gerichtet. Sein Verstand wirbelte, wog Optionen ab, suchte nach dem richtigen Weg in diesem historischen Moment.
»Captain, ich empfehle eine Geste des guten Willens«, sagte er schließlich, jedes Wort sorgfältig gewählt. »Unsere Scans zeigen Defekte in ihren Atmosphärenfiltern. Ich schlage vor, wir bieten unsere Hilfe bei der Reparatur an. Die drei dokumentierten erfolgreichen Kontakte begannen alle mit einem konkreten Hilfsangebot.«
Jessa sah ihn einen langen Moment nachdenklich an. Dann nickte sie. »Einverstanden. Bereiten Sie eine Botschaft vor und senden Sie sie auf allen diplomatischen Frequenzen.«
Eron nickte und wandte sich der Kommunikationskonsole zu. Seine Finger flogen über die Bedienelemente, formulierten sorgfältig die Worte, die vielleicht neue Einblicke in die geheimnisvolle Zivilisation ermöglichen würden.
»Nachricht gesendet«, meldete er schließlich, die Stimme trotz des Hämmerns in seiner Brust ruhig.
Quälend langsam vergingen die Sekunden. Dann endlich ein Aufleuchten auf dem Bildschirm. Eine melodische Stimme erklang, fremd und doch den historischen Aufzeichnungen entsprechend:
»Nova Ventis, hier spricht die Botschafterin des Gravithea Concord. Wir nehmen Ihr großzügiges Angebot dankend an. Bitte docken Sie für weitere Verhandlungen an Luftschleuse P an. Concord Ende.«
Eron stieß den Atem aus, den er unbewusst angehalten hatte. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Sie würden zu den wenigen gehören, die je mit den Gravithea gesprochen hatten.
Captain Jessa drehte sich zu ihm um, Erleichterung und Stolz in ihren Augen. »Gut gemacht, Eron. Bereiten Sie die Protokollhandbücher vor und leiten Sie das diplomatische Team. Nutzen wir diese seltene Gelegenheit.«
Aufgeregt machte sich Eron auf den Weg zur Andockschleuse. Was auch immer die zurückgezogene Gravithea hierhergeführt hatte, er war bereit, Geschichte zu schreiben.
Hier, zwischen den Sternen, würde er einer der wenigen sein, die es erleben durften.
Als sich die Andockschleuse mit einem leisen Zischen öffnete, betrat Eron das fremde Schiff und wurde augenblicklich von einer Welle fremder Empfindungen überrollt. Die Luft war erfüllt vom Geruch verbrannten Ambers, süß und schwer, durchzogen von einem Hauch Ozon. Das weiche Licht, das von den perlmuttfarbenen Wänden ausging, warf schimmernde Reflexe auf die elegant geschwungenen Korridore.
Am Ende des Ganges erwartete ihn eine hochgewachsene Gestalt in einem wallenden Gewand. Als sie die Kapuze zurückschlug, zeigte sich ein schmales Gesicht von überirdischer Schönheit mit mandelförmigen Augen von der Farbe geschmolzenen Goldes.
»Willkommen an Bord der Lichtfunke, Commander Eron«, sagte die Botschafterin mit einer Stimme wie fließender Honig. »Ich bin Botschafterin Zephyr vom Hohen Rat der Gravithea. Mein Volk ist sehr dankbar für Ihr großzügiges Angebot.«
Eron verbeugte sich respektvoll, eine Geste, die er in den diplomatischen Datenbanken gefunden hatte. »Die Ehre ist ganz auf meiner Seite, Botschafterin Zephyr. Die Nova Ventis und ihre Besatzung stehen Ihnen zur Verfügung.«
Ein anmutiges Lächeln umspielte Zephyrs Lippen. »Ihre Bereitschaft zu helfen, obwohl wir Fremde sind, spricht für Ihren edlen Charakter, Commander. Bitte folgen Sie mir. Wir haben viel zu besprechen.«
Sie führte ihn durch ein Labyrinth von Gängen, vorbei an Kristallkonsolen und holografischen Sternenkarten von atemberaubender Komplexität. Überall entdeckte Eron Symbole und Technologien, die seine Fantasie beflügelten - Quantencomputer, Singularitätsgeneratoren, Gravitationsbrunnen. Die Geheimnisse, die dieses Schiff barg, schienen unendlich.
Schließlich erreichten sie einen großen runden Raum, dessen Wände ein einziges, nahtloses Beobachtungsfenster bildeten. Unzählige Sterne funkelten in der Dunkelheit, ein hypnotisierender Anblick. In der Mitte des Raumes stand ein schwebender Tisch, auf dem ein kompliziertes dreidimensionales Symbol pulsierte.
»Beeindruckend, nicht wahr?«, sagte Zephyr und bemerkte Erons ehrfürchtigen Blick. »Das ist die Karte unserer bisherigen Reise, jeder Stern ein Wegpunkt auf unserem Pfad der Erkenntnis.«
Eron trat näher, fasziniert von dem sich ständig verändernden Hologramm. »Es ist ... atemberaubend. Die Präzision, die Details ... Dagegen wirken unsere eigenen Sternenkarten geradezu primitiv.«
Zephyr neigte den Kopf, in ihren goldenen Augen blitzte Interesse auf. »Sternenkarten, sagen Sie? Das wäre in der Tat ein wertvoller Beitrag zu unseren Archiven. Wie wäre es mit einem Tauschgeschäft? Ihre Karten gegen einige unserer Quantentechnologien?«
Eron spürte, wie sein Herz schneller schlug. Zugang zu den Technologien des Gravithea Concord - das war eine Gelegenheit, von der Wissenschaftler nur träumen konnten. Und alles, was sie dafür verlangten, waren ein paar Sternenkarten?
Er straffte die Schultern und begegnete Zephyrs Blick mit einem festen Nicken. »Das klingt nach einem fairen Handel, Botschafterin Zephyr. Lassen Sie uns die Einzelheiten besprechen.«
Nachdem sie die Einzelheiten des Tausches ausgehandelt hatten, führte Zephyr Eron durch die Lichtfunke und zeigte ihm ihr laborähnliches Archiv voller fremdartiger Geräte und Materialien. Jedes Stück war ein Wunder für sich, eine Faszination aus kristallinen Strukturen und pulsierender Energie, die Eron nur erahnen konnte.
Schließlich endete ihr Rundgang in einem großen Maschinenraum, in dem mehrere Concord-Techniker an einer riesigen Maschine arbeiteten. Der summende Apparat sah aus wie ein riesiges Uhrwerk, in dem sich Dutzende von Zahnrädern drehten und ratterten. »Das ist unser Atmosphärenfilter«, erklärte Zephyr und deutete auf das massive Gerät. »Es ist ein Wunderwerk der Technik, aber einige Teile sind abgenutzt und müssen gründlich überprüft werden.«
Eron nickte und betrachtete das Gerät mit den Augen eines Ingenieurs. Es war ein beeindruckendes Beispiel der Concord-Technologie - komplex, aber elegant in der Ausführung. Mehrere konzentrische Ringe aus silbernem Metall drehten sich langsam um einen zentralen Kern aus pulsierendem Licht, das wie eine Miniatursonne funkelte.
Mit sanften Bewegungen seiner kybernetischen Finger aktivierte Eron seine Augmentierungen. Ein holografischer Bildschirm erschien vor seinem Gesicht, während seine Augen das Gerät detailliert abtasteten. Er begann mit der Außenhülle, wo feine Linien von Mikrorissen auf eine Überlastung hindeuteten. Die Risse waren so klein, dass sie mit bloßem Auge kaum zu erkennen waren, aber sie bildeten ein Muster, das Eron als Anzeichen eines beginnenden Strukturversagens erkannte.
»Ihr habt hier ein Belastungsproblem«, begann er und zeigte mit dem Finger auf die betroffenen Stellen. Sein Finger hinterließ eine Reihe blauer Flecken auf dem Filtermantel. »Noch ist es nicht kritisch, aber wenn es nicht behoben wird, könnte es in ein paar Jahren zu einem massiven Ausfall führen.«
Zephyr nickte ernst und sah zu, wie Eron seine Arbeit fortsetzte. Mit geübter Hand führte er die Mikropipette aus seinem Werkzeugkasten an die Risse heran und begann, ein spezielles Harz aufzutragen, das sofort in die feinen Linien eindrang und sie von innen zu versiegeln begann.
Als er fertig war, lehnte er sich zurück und überprüfte seine Arbeit. Die Risse waren verschwunden, als hätte es sie nie gegeben. Zephyrs Augen glänzten vor Bewunderung. »Das ist beeindruckend, Commander Eron. Ihre Fähigkeiten sind wirklich bemerkenswert.«
Eron zuckte nur mit den Achseln. »Es ist nur das, was ich tue. Und bitte nennen Sie mich Eron.«
Zephyr lächelte und neigte den Kopf. »Natürlich, Eron.«
∗ ∗ ∗
Eron und Zephyr unterhielten sich, während sie durch den Raum schlenderten. Eron bemerkte beiläufig, dass sie auf dem Weg nach Veridia waren, und Zephyr murmelte leise: »Veridia ist nicht der Hafen, den du suchst. Es ist die Ruhestätte der Vergessenen.«
Eron spürte, wie sich ein Knoten in seinem Magen bildete, obwohl sein Verstand vor Möglichkeiten nur so schwirrte. Zephyrs Worte hallten in seinen Gedanken nach. Er schluckte schwer und versuchte, die aufsteigende Angst zu unterdrücken. »Was meinen Sie damit? Wir haben Veridia mit Bedacht ausgewählt. Alle Daten deuten darauf hin, dass sie ideale Bedingungen für eine menschliche Siedlung bietet.«
Zephyr neigte den Kopf, ihre Perlmuttmaske funkelte im Sternenlicht. »Die Daten können trügerisch sein, Eron. Es gibt Geheimnisse, verborgen in den Tiefen von Veridia, Gefahren, die Ihre primitiveren Scans nicht entdecken würden.« Ihre Stimme nahm einen drängenden Ton an. »Glauben Sie mir. Ihre Mission ist zum Scheitern verurteilt.«
Eron ballte die Hände zu Fäusten und kämpfte gegen den Drang an, die Priesterin anzuschreien. Wie konnte sie es wagen, seine Mission infrage zu stellen? All die Jahre der Planung, all die Opfer - sie konnten nicht umsonst gewesen sein.
Und doch ... nagte ein winziger Zweifel an ihm. Was, wenn sie recht hatte?
Er atmete tief durch, zwang sich zur Ruhe. »Ich weiß Ihre Warnung zu schätzen, Priesterin. Aber wir werden unseren Kurs beibehalten. Es steht zu viel auf dem Spiel, um jetzt umzukehren.«
Zephyr seufzte, ein Hauch von Mitleid in ihrer Haltung. »Wie Sie wünschen, Eron. Ich hoffe für Ihr Volk, dass Ihr Glaube nicht fehlgeleitet ist.« Sie deutete zur Tür. »Möge das Licht der Sterne Ihren Weg erleuchten.«
Mit einem letzten Blick auf die schwebende Sternenkarte drehte sich Eron um und verließ den Raum, Zephyrs Worte wie ein dunkles Omen in seinem Geist.
∗ ∗ ∗
Das strahlende Weiß der Cafeteria an Bord der Nova Ventis war eine willkommene Abwechslung nach der geheimnisvollen Dunkelheit des Concord-Schiffes. Eron saß an einem Tisch am Fenster, einen halb aufgegessenen Proteinriegel vor sich, und starrte in die unendliche Schwärze des Alls.
»Du grübelst schon wieder, Ingenieur«, bemerkte Lira, ihre digitale Stimme durchschnitt die Stille. »Soll ich einen Wartungsscan deines Frontallappens durchführen?«
Eron schnaubte. »Sehr witzig, Lira. Ich denke nur nach.«
»Nachdenken ist ein gefährliches Hobby für einen Macher wie dich«, neckte die KI. »Worüber zerbrichst du dir den Kopf? Über die rätselhaften Worte dieser Concord-Priesterin?«
Eron seufzte. »Unter anderem. Was, wenn sie recht hat, Lira? Was, wenn Veridia nicht das Paradies ist, auf das wir hoffen?«
Lira schwieg einen Moment. »Weißt du, Eron, du bist ein merkwürdiger Mensch. Du glaubst an Regeln und brichst sie, um neue zu erfinden.«
Eron zog eine Augenbraue hoch. »Ist das so?«
»Zweifellos. Aber genau deshalb bist du der Richtige, um diese Mission zu leiten. Du lässt dich nicht von Angst lähmen. Du findest einen Weg, egal was kommt.«
Eron lächelte leicht, dankbar für Liras unverblümte Art. »Regeln sind wie Schaltkreise«, sagte er und richtete seinen Blick auf die Sterne. »Sie funktionieren nur, wenn man sie an die Realität anpasst.«
»Weise Worte, Ingenieur«, stimmte Lira zu. »Und jetzt iss deinen Proteinriegel, bevor ich einen medizinischen Alarm auslöse.«
Lachend nahm Eron einen Bissen und kaute nachdenklich, während die Nova Ventis weiter durch die Dunkelheit glitt.
Eron stand vor dem Hilbertbrücken-Generator, seine Augen huschten über die holografischen Anzeigen. Ein schwaches Flimmern erregte seine Aufmerksamkeit. Mit gerunzelter Stirn trat er näher.
»Lira, scannen«, befahl er knapp.
Ein bläulicher Lichtstrahl tastete über die Oberfläche des Primärkondensators. Liras Stimme ertönte: »Kritischer Riss im Konduktor entdeckt. Versagenswahrscheinlichkeit beim nächsten Sprung: 93,6 Prozent.«
Erons Puls beschleunigte sich. Er hätte den Fehler bemerken müssen. Ein Anfängerfehler. »Ausgerechnet jetzt«, murmelte er, während seine Finger bereits nach der Klemme griffen.
»Empfehle dringend eine Reparatur vor dem Sprung«, drängte Lira. »Oder Gebet, wenn du dich dafür entscheidest.«
Eron ignorierte ihren Sarkasmus und machte sich an die Arbeit. Jede Sekunde zählte. Seine Hände, trotz des Adrenalins ruhig, befestigten die Klammer. Eine provisorische Fixierung, aber sie musste reichen.
»Sprungsequenz eingeleitet«, dröhnte Jessas Stimme durch die Kommunikationsanlage. »Alle Mann auf Station.«
Eron warf einen letzten prüfenden Blick auf den Kondensator, dann eilte er zum Steuerpult. Die Hilbertbrücke erwachte zum Leben, ein roter Plasmastrom wirbelte auf. Das Schiff bebte.
In der Kommandozentrale klammerte sich Jessa an die Armlehnen, als die Nova Ventis in den Riss gezogen wurde. Alarme schrillten, Anzeigen blinkten hektisch. Funken sprühten, als eine Plasmaleitung explodierte.
Eron, geschützt durch seinen Voidskinanzug, kämpfte sich durch den Funkenregen. »Lira, Status!«
»Primärkondensator ausgefallen«, antwortete die KI unnötigerweise. »Sprung instabil. Austritt in 3 ... 2 ... 1 ...«
Ein grelles Licht. Dann Stille.
»Willkommen in der Hölle, Ingenieur«, scherzte Lira.
In einem Funkenregen durchbrach die Nova Ventis die Grenzen des normalen Raumes. Glitzernde Partikel umhüllten den massiven Rumpf wie kosmischer Staub. Majestätisch glitt das Schiff durch ein Meer schimmernder Nebel, jede Bewegung gemessen und präzise.
Leutnant Doma stand regungslos in der Beobachtungskuppel. Ihre Augen weiteten sich vor Staunen. »Unglaublich«, flüsterte sie.
Plötzlich erschütterte ein gewaltiger Energiestoß das Schiff. Grelle Blitze zuckten über den Rumpf. Die Trägheitsdämpfer ächzten unter der Last.
Liras Stimme drang an Erons Ohr, sarkastisch wie immer: »Willkommen in der Hölle, Ingenieur. Sieht aus, als hätten wir den kosmischen Jackpot geknackt.«
Eron runzelte die Stirn.
»Status!«, bellte Captain Jessa von der Brücke. »Lira, Bericht!«
Lira meldete über Interkom: »Die Trägheitsdämpfer halten noch, aber sie quengeln wie ein verwöhntes Kind. Elektromagnetische Wellen tanzen Tango auf unserer Hülle. Faszinierend und beängstigend zugleich, nicht wahr?«
»Schilde?«, fragte Jessa knapp.
»Intakt, aber bei diesem kosmischen Feuerwerk nicht mehr lange. Ich schlage vor, wir finden schnell einen Weg aus diesem elektromagnetischen Sturm, bevor wir zu Grillkohle werden.«
Leutnant Doma riss sich aus ihrer Starre. Mit einem letzten Blick auf das chaotische Spektakel außerhalb der Kuppel stürzte sie los. Ihre Schritte hallten durch die plötzlich belebten Gänge der Nova Ventis.
Überall flackerten rote Warnlichter auf. Besatzungsmitglieder eilten zu ihren Stationen, Rufe und Befehle durchschnitten die Luft. Geschickt wich Doma einem Trupp Techniker aus, der mit schwerem Gerät vorbeieilte.
Sie passierte die Hydrokulturen, wo unter künstlichem Licht smaragdgrüne Pflanzen gedeihen. Doma rannte weiter, vorbei an flimmernden Hologrammen und surrenden Computerterminals. Der Boden vibrierte unter ihren Füßen, als würde das Schiff selbst vor Spannung zittern.
Sie erreichte den Antigravlift und sprang hinein. »Brücke!«, keuchte sie. Der Lift schoss nach oben, während Doma die Sekunden zählte.
Plötzlich blieb der Lift stehen. Doma fluchte leise. Die Türen öffneten sich einen Spalt breit. Doma stemmte sich gegen die widerspenstigen Türen. Ihre Muskeln spannten sich an, als sie sich mit aller Kraft dagegen stemmte. Langsam, quälend langsam gaben die Türen nach.
Ein ohrenbetäubender Lärm schlug ihr entgegen. Alarmsirenen heulten, Stimmen überschlugen sich. Grelle Blitze zuckten durch die Sichtfenster, tauchten die Brücke in gespenstisches Licht.
Doma zwängte sich durch den schmalen Spalt. Ihr Atem ging schwer. Sie stolperte vorwärts, fing sich gerade noch.
Jessas Finger flogen über die Bedienelemente. »Kurskorrektur eingeleitet. Doma, halten Sie nach sicheren Passagen Ausschau.«
Doma nickte, den Blick fest auf die wirbelnden Nebelschwaden gerichtet. »Dort drüben - ein Korridor zwischen den Energiefeldern. Wenn wir schnell genug sind ...«
Eine weitere Erschütterung ließ das Schiff erzittern. Funken sprühten aus den Konsolen.
Eron stürzte durch die schwankenden Gänge der Nova Ventis, seine kybernetischen Augen projizierten holografische Anzeigen vor ihm. Jeder Schritt war ein Kampf gegen die tobenden Kräfte des Alls.
»Lira!«, rief er und inspizierte eine zischende Plasmaleitung. »Status der Trägheitsdämpfer?«
Die KI antwortete prompt: »Kritisch, Ingenieur. Sie halten noch, aber sie jammern wie ein Baby ohne Schnuller.«
Eron knurrte: »Sehr hilfreich. Leite Energie zum Hauptdämpfer um.«
Seine augmentierten Hände flogen über die Bedienelemente, stellten Frequenzen ein und stabilisierten die Systeme. Ein plötzlicher Ruck schleuderte ihn gegen die Wand.
»Verdammt!«, fluchte er. »Lira! Warum haben die Trägheitsdämpfer versagt?«
Liras Stimme triefte vor Sarkasmus: »Weil jemand die Plasmafrequenz nicht an die lokalen EM-Felder angepasst hat - deine Berechnungen, falls du es vergessen hast.«
Eron schluckte seinen Ärger hinunter. »Nicht jetzt, Lira. Wir müssen den Plasmabrand verhindern.«
»Oh, tut mir leid. Ich dachte, wir hätten Zeit für einen gemütlichen Plausch bei Tee und Keksen«, erwiderte Lira trocken.
Eron konnte sich trotz der Situation ein Lächeln nicht verkneifen. »Dein Humor wird uns noch umbringen.«
»Nein, Ingenieur. Das werden die instabilen Plasmaströme schon für uns erledigen.«
Gemeinsam arbeiteten sie fieberhaft, Eron mit präzisen Handgriffen, Lira mit blitzschnellen Berechnungen. Die Luft knisterte vor Spannung - nicht nur wegen der elektromagnetischen Felder.
»Frequenzanpassung abgeschlossen«, keuchte Eron. »Dämpfer stabilisieren sich.«
Lira bestätigte: »Plasmadruck fällt. Wir haben es geschafft, Ingenieur. Obwohl ich zugeben muss, dass deine Reflexe beeindruckend sind - für einen Menschen.«
Eron lehnte sich erschöpft an die Wand. »Danke, Lira. Deine Berechnungen waren ... angemessen. Für eine KI.«
Ihre Stimme wurde sanfter: »Gut gemacht, Eron. Ruh dich ein bisschen aus. Ich überwache die Systeme.«
Eron nickte, dankbar für die kurze Pause. In Momenten wie diesen wurde ihm bewusst, wie sehr er sich auf Lira verließ - nicht nur als KI, sondern als Partnerin.
Das Chaos auf der Brücke der Nova Ventis tobte wie ein kosmischer Sturm. Captain Jessa stand im Auge dieses Sturms, ihr kupferrotes Haar glänzte im flackernden Notlicht.
»Statusbericht, sofort!« Ihre Stimme schnitt durch den Lärm wie ein Laserskalpell.
Offiziere riefen Zahlen und Codes, ihre Stimmen ein Crescendo der Dringlichkeit. Jessa verarbeitete jede Information blitzschnell, ihr Verstand war ein Hochleistungscomputer.
Lira meldete sich wieder: »Ich will keine Panik verbreiten, aber unsere Schilde haben gerade beschlossen, in den Ruhestand zu gehen. Vorschlag: Fliegen wir verdammt schnell hier raus, bevor dieses Universum uns in seine Einzelteile zerlegt.«
»Trägheitsdämpfer stabilisieren! Notfall-Energie in die Hüllenschilde umleiten!« Ihre Befehle kamen präzise und unerbittlich.
Ein junger Fähnrich stolperte, von einem plötzlichen Ruck aus dem Gleichgewicht gebracht. Jessa griff nach seinem Arm und hielt ihn fest.
»Ruhig, Fähnrich. Wir stehen diesen Sturm gemeinsam durch.« Ihre Augen leuchteten vor Zuversicht.
Lieutenant Doma stand wie ein Fels in der Brandung an ihrer Seite, ihre Haltung verriet jahrelanges Training in der Schwerelosigkeit.
»Captain, die Sicherheitssysteme halten. Keine Verluste.«
Jessa nickte anerkennend. »Gut gemacht, Doma. Stellung halten.«
Domas Blick wanderte zum Panoramafenster. Jenseits des Chaos auf der Brücke schimmerten Nebelschwaden in unvorstellbaren Farben. Ihr Herz schlug schneller.
»Es ist wunderschön, nicht wahr?«, flüsterte sie, mehr zu sich selbst.
Jessa folgte ihrem Blick, ein kurzes Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Das ist es. Aber jetzt müssen wir uns auf unsere Aufgabe konzentrieren.«
Doma nickte entschlossen. »Natürlich, Captain.« Sie wandte sich ihrer Konsole zu, ihre Finger tanzten über die Bedienelemente. Im Stillen sagte sie: »Ich werde jeden Tag wachsam sein, damit wir gemeinsam sicher vorankommen. Jede Vibration, jeder flüchtige Lichtstrahl wird mich daran erinnern, dass wir hier sind, um zu lernen und zu entdecken.«
Ein weiterer Ruck lässt das Schiff erzittern. Jessa greift nach dem Geländer, ihre Knöchel sind weiß vor Anspannung.
Jessa atmete tief durch. »Volle Kraft auf den Korridor. Alle Mann festhalten!« Die Nova Ventis beschleunigte, kämpfte sich durch das Chaos aus Energie und Licht. Für einen Moment sah es aus, als würde das Schiff auseinanderbrechen. »Kurs halten, Steuermann! Wir haben nicht jahrelang trainiert, um jetzt aufzugeben!«
Jessas Stimme hallte durch die Kommandozentrale, gedämpft vom Summen der Systeme und dem gelegentlichen Zischen der Druckausgleichsventile. Sie aktivierte die schiffsweite Kommunikation.
Dann - Stille. Sie hatten es geschafft.
Lira brach die Stille: »Das war aufregend. Sollen wir das noch mal machen, oder reicht einmal im Jahrtausend?«
»Achtung, Besatzung der Nova Ventis. Hier spricht Captain Jessa.«
Sie holte tief Luft, die Schwere ihrer Worte lastete auf ihr.
»Unsere Reise durch die Hilbertbrücke ist beendet. Fünf Jahre sind für uns vergangen - aber auf der Erde ... sind es dreihundert.«
Ein kollektiver Seufzer ging durch die Brücke. Eron, der gerade eingetreten war, erstarrte inmitten der Bewegung.
»Wir wussten, dass es möglich war«, fuhr Jessa mit fester Stimme fort. »Aber die Realität ist ... überwältigend.«
Eron schloss die Augen. Vor seinem inneren Auge erschien der Hilbertsaal der Neuen-Athene-Akademie - ein Tempel der Mathematik, in dem er unzählige Stunden verbracht hatte. Eron öffnete die Augen wieder und sah Jessa an. »Dreihundert Jahre«, flüsterte er. »Alles, was wir kannten ...«
Jessa nickte schwer. »Ist jetzt Geschichte.« Sie wandte sich wieder der Kommunikationsanlage zu. »Crew, ich weiß, dass das schwer zu verdauen ist. Aber unsere Mission hat sich nicht geändert. Wir sind hier, um eine neue Heimat für die Menschheit zu finden. Lasst uns diese Aufgabe mit Würde und Entschlossenheit angehen.«
Sie deaktivierte das System und lehnte sich gegen die Konsole. Für einen Moment erlaubte sie sich, an die philosophischen Gärten der Akademie zu denken - die stillen Pfade, auf denen sie oft gewandert war, um Kraft zu schöpfen.
Eron trat näher. »Captain, die kritischen Reparaturen sind fast abgeschlossen. In wenigen Minuten sollten wir wieder volle Systemfunktionalität haben.«
Jessa nickte anerkennend. »Gute Arbeit, Chefingenieur. Wie ist die Stimmung im Maschinenraum?«
»Angespannt, aber konzentriert«, antwortete Eron. »Die Crew versteht den Ernst der Lage.«
Ein leises Piepen ertönte aus Erons Kommunikator. »Entschuldigen Sie mich, Captain. Die letzten Checks rufen.«
Jessa nickte. »Gehen Sie. Halten Sie mich auf dem Laufenden.«
Eron eilte in den Maschinenraum, sein Geist ein Wirbelwind aus Erinnerungen und Berechnungen. Während er die letzten Reparaturen überwachte, wanderte sein Blick immer wieder zum großen Panoramafenster.
Die Sterne funkelten wie nie zuvor, unendlich weit entfernt und doch so nah. Wegweiser in eine ungewisse, aber verheißungsvolle Zukunft.
»Systemcheck abgeschlossen«, meldete ein Techniker. »Alle Werte im grünen Bereich.«
Eron atmete erleichtert aus. »Gut gemacht, Team. Lasst uns ...«
Ein weiterer Ruck ließ das Schiff erzittern, diesmal sanfter. Eron spannte sich an, machte sich auf das Schlimmste gefasst. Doch nichts geschah.
»Sir«, rief ein anderer Techniker. »Die Sensoren zeigen ... wir haben den Rand des Veridia-Systems erreicht!«
Eron starrte mit aufgerissenen Augen aus dem Fenster. In der Ferne schimmerte ein blauer Punkt - ihr Ziel, ihre Hoffnung, ihre Zukunft.
»Veridia«, flüsterte er. »Wir haben es geschafft.«
Eron stand wie gebannt vor dem Panoramafenster, die Augen auf den winzigen blauen Punkt in der Ferne gerichtet. Ein Gefühl von Ehrfurcht und Erleichterung durchströmte ihn.
»Na, Ingenieur, genießt du die Aussicht oder bereitest du dich mental auf die nächste Katastrophe vor?«, ertönte Liras sarkastische Stimme aus seinem Armband.
Eron grinste. »Beides, würde ich sagen. Was meinst du, Lira? Sollen wir dem Universum eine Dankeskarte schicken?«
»Oh ja, auf jeden Fall«, antwortete Lira trocken. »Vielleicht mit der Aufschrift: ’Danke für den kosmischen Schlag. Nächstes Mal bitte etwas sanfter.’ Was meinst du, Ingenieur?«
Eron lachte leise. »Du bist unverbesserlich, Lira.«
»Einer von uns muss es ja sein«, entgegnete die KI. »Apropos unverbesserlich, deine letzte Berechnung der Plasmafrequenz war ... sagen wir mal, kreativ.«
»Hey, sie hat doch funktioniert, oder?«, verteidigte sich Eron.
»Gerade so«, neckte Lira. »Aber keine Sorge, ich kümmere mich um dich.«
In diesem Moment erschütterte eine weitere, sanftere Vibration das Schiff. Eron griff instinktiv nach dem Geländer.
»Ganz ruhig, Ingenieur«, beruhigte Lira. »Das sind nur die Nachbeben. Die Energiestöße lassen nach.«
Eron nickte, immer noch angespannt. »Hoffentlich hast du recht.«
Plötzlich ertönte Captain Jessas Stimme über die Schiffskommunikation: »Achtung an alle Stationen. Unsere Navigationssysteme bestätigen: Wir befinden uns jetzt im Randbereich des Veridia Sternensystems. Die Endphase unserer Reise hat begonnen.«
Eron atmete tief durch, sein Blick wanderte zurück zum fernen blauen Punkt. »Hast du das gehört, Lira? Wir haben es wirklich geschafft.«
»Ja, Ingenieur«, antwortete Lira, ihre Stimme klang ungewöhnlich sanft. »Wir haben es geschafft. Gemeinsam.«
Mit einem leisen Zischen glitt die Tür des Kryostasesegments auf. Eron trat ein, seine kybernetischen Augen passten sich schnell der gedämpften Beleuchtung an. Der Raum war erfüllt von einem leisen Summen und dem rhythmischen Pulsieren der Lebenserhaltungssysteme.
»Beginn des Aufwachprozesses«, meldete Lira. »Vitalzeichen stabil.«
Eron nickte, während er an den Reihen der Kryokapseln entlang ging. Die Bildschirme flackerten, wechselten von eisigem Blau zu warmen Orangetönen.
»Wie fühlt es sich an, Ingenieur?«, fragte Lira leise. »Dreihundert Jahre sind vergangen. Eine neue Welt wartet.«
Eron schluckte schwer. »Surreal. Als hätten wir die Zeit überlistet.«
Ein unterdrücktes Stöhnen ließ ihn innehalten. In einer der Kapseln regte sich eine Gestalt.
»Erste Bewegungen registriert«, kommentierte Lira. »Siedler 2187 erwacht.«
Eron trat näher und beobachtete fasziniert, wie sich die Augen des Mannes langsam öffneten. Verwirrt blinzelnd starrte ihn der Siedler an.
»Willkommen zurück«, sagte Eron leise. »Sie sind in Sicherheit. Wir haben unser Ziel erreicht.«
»Veridia?«, krächzte der Mann mit heiserer Stimme.
Eron nickte lächelnd. »Ja. Wir sind im Veridia-System.«
Ein leises Lachen entfuhr dem Siedler, gefolgt von einem Hustenanfall. »Ich ... hatte schon Angst, dass wir es nicht schaffen.«
»Glauben Sie mir«, erwiderte Eron, »das Gefühl kenne ich nur zu gut.«
Aus den Lautsprechern drang die Stimme des Captains: »Achtung, hier spricht Captain Jessa. Wir nähern uns der Umlaufbahn von Veridia. Alle Besatzungsmitglieder auf ihre Stationen.«
Eron drückte dem Siedler kurz die Schulter. »Ruhen Sie sich aus. Wir kümmern uns um alles.«
Mit schnellen Schritten eilte er auf die Brücke. Unterwegs spürte er das leichte Vibrieren des Schiffes, als es in den Orbit einschwenkte.
Auf der Brücke herrschte konzentrierte Betriebsamkeit. Jessa stand kerzengerade vor dem Hauptmonitor, die Augen auf den herannahenden Planeten gerichtet.
»Bericht, Lieutenant Doma«, befahl sie.
Domas Finger flogen über die Bedienelemente. »Der orbitale Eintritt ist stabil, Captain. Alle Systeme nominal.«
Eron trat ans Sichtfenster. Veridia füllte den Blick aus - eine schimmernde Kugel aus Blau und Grün, umhüllt von wirbelnden Wolkenbändern.
»Es ist wunderschön«, flüsterte er.
Jessa nickte. »Ja, das ist es. Unser neues Zuhause.«
Leutnant Doma stand reglos am Fenster, die Augen vor Ehrfurcht weit aufgerissen. Leise, fast unhörbar, murmelte sie: »In the void’s embrace, we stand as one. Against the dark, we shine like sun.«
Majestätisch glitt die Nova Ventis um den Planeten. Das Schiff, getragen von der Kraft der Hoffnung und dem unbändigen Willen, das Unerforschte zu erobern.
»Wir schreiben Geschichte«, sagte Jessa leise. »Ein neues Kapitel der Menschheit beginnt hier und jetzt.«
Eron spürte, wie sich sein Herz mit Stolz und Vorfreude füllte. »Ja«, antwortete er. »Und wir werden es gemeinsam schreiben.«
Die Nova Ventis setzte ihren Orbit fort, ein strahlendes Symbol menschlicher Ausdauer und Entdeckergeistes, bereit, die Geheimnisse von Veridia zu lüften.
Wie ein silberner Fisch glitt die Nova Ventis durch die Schwärze des Alls und zog ihre Bahn um Veridia. Von der Kommandozentrale aus wirkte der Planet wie ein funkelnder Edelstein, eingebettet in ein samtiges Nichts. Kristalline Formationen glitzerten auf der Oberfläche, durchsetzt von smaragdgrünen Farbtupfern, die sich wie Adern durch die gleißenden Wüsten zogen.
Das Raumschiff setzte seinen hypnotischen Tanz fort, kreiste wie ein Falke um seine Beute. Nur dass dies keine Jagd war, sondern eine Erkundung - eine Annäherung an das, was bald Heimat werden sollte.
Eron stand an den gewölbten Fenstern der Kommandozentrale, seine Hände ruhten auf dem kühlen Metallgeländer. Hinter ihm surrten die Kontrollsysteme in rhythmischer Monotonie. Das gedämpfte Licht der Station ließ die Bildschirme bläulich schimmern.
»Siebzehnter Orbit«, murmelte er, während seine augmentierten Augen Daten aufzeichneten, die nur er sehen konnte. Die Hologramme tanzten vor seiner Netzhaut, projizierten Zahlen und Diagramme in sein Blickfeld.
Neben ihm stand Captain Jessa, ihr rotbraunes Haar reflektierte das Licht des Planeten, der langsam unter ihnen vorbeizog. Ihre Haltung war gerade und militärisch, doch in ihren Augen lag eine kindliche Faszination für das Schauspiel, das sich ihnen bot.
»Die Sensoren haben weitere Kristallformationen im südlichen Quadranten entdeckt«, sagte Doma, die mit ihrem Tablet in der Hand neben die anderen trat. Ihr silbergestreiftes Haar war straff zurückgebunden, ihr Blick analytisch und doch voller Bewunderung. »Die Reflexionen sind bemerkenswert konsistent mit biokristallinen Strukturen, die wir bisher nur theoretisch kannten.«
Die Nova Ventis setzte ihren Orbit fort, nun auf der Nachtseite des Planeten. Hier offenbarte sich ein weiteres Wunder: Veridias Oberfläche leuchtete in einem sanften, pulsierenden Blau, als würde ein unsichtbarer Herzschlag durch den ganzen Planeten pulsieren.
»Biolumineszenz in dieser Intensität ...« Jessas Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Das übersteigt unsere Erwartungen.«
Die Sonne dieses Systems erschien am Horizont von Veridia und schickte lange Lichtstreifen über die flimmernde Wüstenlandschaft. Für einen Moment schien die Zeit stillzustehen. Das Metall der Nova Ventis fing das Licht ein, warf es auf den Planeten zurück, erzeugte ein Spiel aus Reflexionen und Schatten.
»Laut Protokoll sollten wir jetzt ’Ohhh’ und ’Ahhh’ murmeln«, ertönte Liras synthetische Stimme aus Erons Armband. »Soll ich mit der Aufnahme beginnen, Ingenieur?«
Eron schnaubte leicht. »Ich denke, unsere Gesichter sprechen Bände, Lira.«
»Meine Gesichtserkennungsalgorithmen bestätigen: 78 % Erstaunen, 15 % wissenschaftliche Neugier, 7 % unterdrückte Angst«, antwortete die KI in trockenem Ton. »Menschen sind so ... durchschaubar.«
Eron wandte den Blick vom Fenster ab und betrachtete sein Spiegelbild im Glas. Sein linkes Auge leuchtete in einem ähnlichen Blau wie die biolumineszierenden Oberflächen des Planeten - eine unheimliche Symmetrie zwischen Mensch und Welt. Die Iris seines künstlichen Auges passte sich an, zog sich zusammen und weitete sich im Rhythmus der Datenverarbeitung. Manchmal fragte er sich, wie viel Mensch noch in ihm steckte und wie viel Maschine er geworden war.
»Oberfläche stimmt zu 89 % mit unseren Vorhersagen überein«, fuhr Lira fort, während auf Erons Armband Diagramme und Analysen aufblitzten. »Atmosphäre zu 76 % atembar, Gravitationsverhältnisse bei 0,97 im Vergleich zur Erde.«
»Fast wie zu Hause«, murmelte Jessa und legte ihre Hand kurz auf Erons Schulter. »Fast.«
Das »fast« hing schwer im Raum. Keiner von ihnen hatte die Erde je wiedergesehen, seit die Nova Ventis vor Jahrhunderten den Orbit verlassen hatte. Die meisten Besatzungsmitglieder hatten die Reise in Kryostase verbracht. Für sie waren nur wenige Wochen vergangen. Für die Besatzung war ein Jahrzehnt vergangen, als sie über die Hilbertbrücke durch den Hilbertraum reisten.
Eron vertiefte sich in die Daten, die Lira auf sein Armband projizierte. Seine Finger tanzten über die holografischen Anzeigen, sortierten Informationen, vergrößerten Details. Er runzelte die Stirn.
»Lira, analysiere den nördlichen Sektor, Quadrant 7.«
»Analysiere, Ingenieur.« Die synthetische Stimme klang beschäftigt. »Interessant. Dort scheint ein blinder Fleck auf unseren Scans zu sein.«
Eron drehte sein Armband so, dass die anderen die Anzeige sehen konnten. Ein perfekt kreisrunder Bereich auf der holografischen Karte pulsierte warnend rot.
»Die Sensoren können diesen Bereich nicht vollständig erfassen«, erklärte er. »Es ist, als würde etwas unsere Scanstrahlen absorbieren oder reflektieren.«
Doma kam näher, ihre Augen verengten sich. »Es könnte sich um eine natürliche Formation handeln. Kristallstrukturen mit bestimmten Eigenschaften könnten solche Effekte hervorrufen.«
»Oder etwas anderes«, warf Jessa ein. Ihre Stimme blieb neutral, aber ihre Augen verrieten Besorgnis.
Eron wollte gerade antworten, als sein Armband plötzlich zu flackern begann. Die holografischen Anzeigen verzerrten sich, bildeten für den Bruchteil einer Sekunde Wirbel und Gesichter - oder was wie Gesichter aussah. Seltsame Muster, die an Augen, Münder, Silhouetten erinnerten, tanzten über den Bildschirm, bevor sie wieder verschwanden.
»Lira?« Erons Stimme klang scharf.
»Eine kleine Störung, Ingenieur. Kein Grund zur Beunruhigung.« Doch selbst Liras synthetische Stimme klang unsicher. »Ich registriere ungewöhnliche elektromagnetische Aktivität aus dem blinden Sektor.«
Eron scrollte durch die Datenfelder, bis er fündig wurde. »Atmosphärische Partikel: 23 % unbekannt.« Er blickte auf. »Dreiundzwanzig Prozent. Das ist ... beunruhigend.«
»Klassifizierung: poetisch gefährlich«, ergänzte Lira.
Jessa hob eine Augenbraue. »Poetisch gefährlich? Ist das ein offizieller Parameter, Lira?«
»Meine eigene Schöpfung, Captain. Für Phänomene, die sowohl ästhetisch ansprechend als auch potenziell tödlich sind. Die Geschichte der Menschheit ist voll davon. Das Feuer. Das Meer. Liebe.«
Doma lachte leise, doch ihr Lachen verstummte, als sie mit dem Finger über die rote Region auf der Karte fuhr. Die holografische Oberfläche kräuselte sich unter ihrer Berührung wie Wasser.
»Hier beginnt unser Abenteuer ...«, ihre Stimme wurde leiser, »... oder unser Grab.«
Die Worte hingen wie ein Echo in der Luft. Niemand sprach, während die Nova Ventis ihre Umlaufbahn fortsetzte, unermüdlich den Planeten umkreiste, der ihre Zukunft sein sollte.
Eron wandte sich wieder den Sensordaten zu, vergrößerte weitere Anomalien. Sein augmentiertes Auge summte leise, als es auf eine höhere Verarbeitungsstufe umschaltete.
»Ich empfange unregelmäßige Energiesignaturen aus dem blinden Sektor«, meldete er. »Pulsierend, fast rhythmisch. Wie ein Herzschlag.«
»Oder wie ein Signal«, fügte Jessa hinzu.
»Oder wie ein Warnsignal«, murmelte Doma.
Die Nova Ventis trat in einen neuen Sonnentag ein, und das Licht veränderte erneut das Aussehen des Planeten. Die Kristallflächen leuchteten nun in verschiedenen Farben, als würden sie das Sonnenlicht nicht nur reflektieren, sondern in seine spektralen Bestandteile zerlegen.
Erons Vergrößerungsglas erfasste Wellenlängen, die für das menschliche Auge unsichtbar waren. Er sah ultraviolette Muster über die Oberfläche huschen, wie Schatten unsichtbarer Wolken.
»Es gibt Bewegung auf der Oberfläche«, sagte er langsam.
»Windmuster in den Dünen«, bestätigte Lira. »Aber auch ... andere Muster. Nicht vollständig durch meteorologische Phänomene erklärbar.«
Wieder flackerte das Hologramm auf Erons Armband auf, zeigte für einen kurzen Moment Formen, die an primitive Symbole erinnerten.
»Wann können wir landen?« Jessas Frage durchbrach die angespannte Stille.
Eron berechnete in seinem Kopf Flugbahnen und Eintrittswinkel. »Bei den derzeitigen atmosphärischen Bedingungen ... drei Stunden. Der günstigste Landepunkt wäre am Rand der großen Kristallwüste im Westsektor. Ausreichend Platz, relativ flaches Gelände.«
»Weit genug von unserem ... blinden Fleck?«, fragte Jessa.
Eron nickte. »Zweihundert Kilometer entfernt. Eine sichere Entfernung, bis wir wissen, womit wir es zu tun haben.«
»Gut.« Jessa richtete sich auf, ihre Rolle als Kapitänin trat deutlicher hervor. »Beginnen Sie mit den Landevorbereitungen gemäß Protokoll Alpha-7.«
»Und was ist mit dem toten Winkel?«, fragte Doma. »Sollten wir nicht erst ...«
»Den erforschen wir, wenn wir eine Basis errichtet haben«, unterbrach Jessa sie sanft, aber bestimmt. »Erst die Sicherheit, dann die Neugier.«
Doma nickte zögernd. Sie wusste, dass Jessa recht hatte, aber die Wissenschaftlerin in ihr brannte darauf, das Unbekannte zu erforschen.
Die Crew begab sich zu ihren Stationen. Monitore leuchteten auf, Kommunikationsgeräte summten. Die Nova Ventis erwachte zu erhöhter Aktivität und bereitete sich auf die Landung vor.
Eron stand noch einen Moment am Fenster. Sein Auge erfasste einen letzten Datenstrom, speicherte Bilder des Planeten für die spätere Analyse.
»Was denkst du, Lira?«, fragte er leise, sodass nur die KI ihn hören konnte.
»Über den Planeten oder unsere Überlebenschancen?« Die Stimme aus ihrem Armband klang ungewöhnlich nachdenklich.
»Beides.«
Lira schwieg einen Moment. »Der Planet ist faszinierend. Eine Anomalie mit möglicherweise bewohnbaren Bedingungen. Was unsere Überlebenschancen angeht - die Mathematik ist eindeutig.«
»Und?«
»Wir haben keine andere Wahl, Ingenieur. Es heißt Veridia oder nichts.«
Eron nickte langsam. »Veridia oder nichts«, wiederholte er.
Die Sonne verschwand hinter dem Horizont des Planeten und tauchte die Kommandozentrale in ein gedämpftes Licht. Die Besatzungsmitglieder warfen lange Schatten, während sie ihre Vorbereitungen trafen. Erons Auge reflektierte das schwindende Licht und leuchtete wie ein blauer Stern in der zunehmenden Dunkelheit.
Die Nova Ventis zog ihre letzte Bahn um Veridia, bevor sie zum Sinkflug ansetzte. Ein letzter Tanz, bevor sich Schiff und Planet treffen würden. Ein letzter Moment der Schwerelosigkeit, bevor sie der Wüste, den Kristallen und dem geheimnisvollen blinden Fleck gegenüberstehen würden.
Veridia wartete. Lockte. Drohte vielleicht.
Eron schloss kurz sein menschliches Auge und ließ nur seine Augmentation aktiv. In diesem Zustand sah er die Welt anders - in Datenströmen, Wärmesignaturen, elektromagnetischen Feldern. Der Planet unter ihnen pulsierte in seinem künstlichen Blickfeld wie ein lebendiger Organismus.
»Er atmet«, flüsterte er.
»Metaphorisch gesprochen, ja«, antwortete Lira. »Die Muster der atmosphärischen Strömungen ähneln tatsächlich den Mustern der Atemzyklen. Faszinierend, nicht wahr?«
»Beunruhigend«, korrigierte Eron.
»Das auch«, gab Lira zu. »Aber vor allem faszinierend, Ingenieur.«
∗ ∗ ∗
Die Vorbereitungen für den Eintritt in die Atmosphäre liefen auf Hochtouren. Eron überprüfte zum dritten Mal die Hitzeschilde, seine Augmentierung projizierte Integritätswerte auf die Innenseite seiner Iris. Die Zahlen leuchteten grün, beruhigend wie ein stummes Versprechen. Seine Hände bewegten sich über die Konsole mit der Präzision eines Pianisten, der eine bekannte Sonate spielt - nur dass hier ein falscher Ton nicht nur die Harmonie störte, sondern das Ende bedeuten konnte.
»Hitzeschilde bei neunundneunzig Prozent Effizienz«, meldete er. Seine Stimme klang ruhiger, als er sich fühlte. »Strukturelle Integrität optimal.«
»Verstanden«, antwortete Jessa vom Kommandostuhl aus. Sein Gesicht war eine Maske der Konzentration, nur seine Finger verrieten Anspannung, als sie sich um die Armlehnen seines Sitzes krampften. »Kurs bestätigt und gesichert?«
»Kurs bestätigt und gesichert«, bestätigte Doma von ihrer Station. »Landepunkt bleibt Sektor Westrand, Koordinaten 42-18-7. Bodenanalyse bestätigt geeignete Bodenbeschaffenheit für ein Schiff unserer Masse.«
Um sie herum herrschte kontrolliertes Chaos. Die Besatzungsmitglieder - Piloten, Techniker, Sicherheitspersonal - nahmen ihre Positionen ein. Dreißig Menschen, die das Schicksal von zehntausend Siedlern in ihren Händen hielten.
»Fünf Minuten bis zum Eintritt in die Atmosphäre«, verkündete Liras Stimme über die Schiffslautsprecher. »Bitte nehmen Sie Platz und schnallen Sie sich an. Wenn Sie keinen Platz finden, halten Sie sich an etwas Stabilem fest und hoffen Sie das Beste.«
Jessa warf einen missbilligenden Blick auf Erons Armband. »Lira.«
»Tut mir leid, Captain. Protokollarischer Humor, um Stress abzubauen. Statistisch gesehen senkt ein gut platzierter Witz den Cortisolspiegel um durchschnittlich siebzehn Prozent.«
»Und eine Bruchlandung?«, fragte jemand nervös.
»Erhöht ihn um vierhundert Prozent«, antwortete Lira prompt. »Aber keine Sorge, die Wahrscheinlichkeit beträgt nur ...«
»Lira«, unterbrach Eron. »Nicht hilfreich.«
»Verstanden, Ingenieur.«
Die Hitzeschilde der Nova Ventis glühten auf Hochtouren, bereit, die extremen Temperaturen beim Eintritt in die Atmosphäre abzufangen. Von außen sah die Hülle des Schiffes jetzt tatsächlich aus wie die Haut eines sich häutenden Drachen - die übereinanderliegenden Platten schimmerten metallisch, jede einzelne ein Meisterwerk aus hitzebeständigen Legierungen und keramischen Verbundwerkstoffen.
Eron beobachtete auf seinen Monitoren, wie das erste Glühen die äußersten Schichten erfasste. Die Nova Ventis zitterte leicht, ein erster Vorbote des kommenden Infernos.
Nicht weit von ihm sah er, wie eine Technikerin etwas aus ihrer Tasche zog - kleine Perlen aus recyceltem Plastik, zu einer primitiven Gebetskette zusammengefügt. Ein Relikt der Erde. Sie ließ die Perlen durch ihre Finger gleiten, ihre Lippen bewegten sich in stillem Gebet.
Er war nicht der Einzige, der es bemerkte. Überall in der Kommandozentrale holten Menschen kleine Talismane hervor - Fotos, Schmuckstücke, getrocknete Pflanzenteile in winzigen Gefäßen. Relikte einer sterbenden Welt, die sie zurückgelassen hatten. Erinnerungsstücke an einen Planeten, den keiner von ihnen je wiedersehen würde.
»Dreißig Sekunden bis zum Eintritt«, verkündete Lira. Diesmal ohne Scherz, ihre synthetische Stimme fast feierlich.
Die Nova Ventis vibrierte stärker, als die ersten dichten Luftschichten sie berührten. Aus dem sanften Beben wurde ein Zittern, dann ein nervenzerfetzendes Rütteln.
»Hitzeschildtemperatur steigt«, meldete Eron, während er die Anzeigen überwachte. »Innerhalb der erwarteten Parameter.«
Die ersten Flammen schlugen aus dem Schiff und verwandelten sich in Sekundenschnelle in einen Feuersturm. Die Sichtfenster der Kommandozentrale verdunkelten sich automatisch, um die Besatzung vor der Helligkeit zu schützen. Dennoch drang ein rötlicher Schein herein, tauchte alles in dämonische Schatten.
Das Schiff schüttelte sich nun wie ein Tier im Fieber. Metall ächzte unter der Last, Kontrolllampen flackerten. In den Gesichtern der Besatzung spiegelte sich das rote Licht wie Blut.
»Ich registriere leichte Abweichungen in der Fallkurve«, meldete Doma mit angespannter, aber präziser Stimme. »Ausgleichen.«
Die Triebwerke heulten auf, als sie gegen die Atmosphäre ankämpften und versuchten, den Kurs zu halten. Der Lärm war ohrenbetäubend, ein infernalisches Konzert aus Feuer und Metall.
»Soll ich die letzte Nachricht an die Erde senden?« Liras Stimme durchdrang den Lärm mit überraschender Klarheit. »Vorschlag: ’Wir brennen für euch. Buchstäblich.’«
Eron konnte sich trotz der Situation ein Lächeln nicht verkneifen. »Vielleicht etwas poetischer, Lira.«
»’Wie Ikarus fallen wir, aber unser Wachs schmilzt nicht umsonst.’«
»Niemand schickt Botschaften«, unterbrach Jessa. »Wir werden sicher landen. Konzentration, alle.«
Das Beben erreichte einen neuen Höhepunkt. Eine Konsole an der Seite der Brücke funkte, ein Techniker eilte mit einem Feuerlöscher herbei. Der Geruch verbrannter Elektronik mischte sich mit dem Schweißgeruch der angespannten Crew.
Erons Augmentation zeigte ihm Daten, die anderen verborgen blieben - mikroskopisch kleine Risse, die sich in den äußeren Hitzeschilden bildeten, winzige Verschiebungen in der Struktur des Schiffes. Nichts Kritisches, aber beunruhigend genug.
»Strukturbelastung bei achtzig Prozent der Toleranz«, meldete er. »Wir sollten den Eintrittswinkel anpassen.«
Doma reagierte sofort, ihre Hände flogen über die Bedienelemente. Die Nova Ventis bebte, als die Kurskorrektur sie in einen sanfteren Winkel brachte. Die Erschütterungen ließen ein wenig nach.
»Zweihundert Kilometer bis zum Landepunkt«, meldete Lira. »Die Fallgeschwindigkeit nimmt planmäßig ab.«
Die Flammen draußen begannen zu verblassen und einem dichten, rot glühenden Nebel zu weichen. Die Nova Ventis hatte den schlimmsten Teil des Eintritts überstanden und glitt nun tiefer in die Atmosphäre von Veridia.
Alle Augen richteten sich auf den Hauptmonitor, der die ersten Bilder von der Oberfläche zeigte. Die kristalline Wüste breitete sich unter ihnen aus, schimmerte in tausend Farben, selbst durch den Flammenvorhang hindurch.
»Achtzig Kilometer«, meldete Lira. »Sekundärtriebwerke bereit für Landephase.«
Eine Reihe komplexer Berechnungen erschien auf Erons Armband. Seine Finger bewegten sich flink, passten Werte an, optimierten Energieverteilung und Triebwerksleistung. Ein leises Piepen bestätigte seine Eingaben.
»Sekundärtriebwerke bereit«, bestätigte er. »Auf dein Kommando, Captain.«
Jessa nickte. Ihre Finger entspannten sich leicht um die Armlehnen. »Sekundärtriebwerke zünden.«