Gitanjali - Gebete, Lieder und Gedichte - Rabindranath Tagore - E-Book

Gitanjali - Gebete, Lieder und Gedichte E-Book

Rabindranath Tagore

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Beschreibung

Eine ungewöhnliche Geschichte: Der indische Dichter Tagore übersetzte eine Auswahl seiner Gedichte ins Englische. Daraus entstand das Buch Gitanjali, das ihm die Aufmerksamkeit der westlichen Welt und schließlich den Nobelpreis für Literatur 1913 einbrachte. Die mystisch gestimmten Lieder zeugen von tiefer Spiritualität und kreisen um Liebessehnsucht, Gottes Größe, Trauer über die eigene Unvollkommenheit und die Liebe zur Natur. Vollständige Ausgabe mit dem berühmten Vorwort von William Butler Yeats.

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Seitenzahl: 74

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Rabindranath Tagore

Gitanjali

Gebete, Lieder und Gedichte

Mit einem Vorwort von W. B. Yeats

Aus dem Englischen übersetzt von Axel Monte

Anaconda

Sir William Rothenstein: Portrait of Sir Rabindranath Tagore (1912)Illustration zur Originalausgabe von 1913

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Die Übersetzung von Axel Monte erschien erstmals 2013im Anaconda Verlag.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sindim Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2023 by Anaconda Verlag, einem Unternehmender Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Straße 28, 81673 München

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlagmotiv: Shutterstock / Ivchenko Evgeniya

Umschlaggestaltung: www.katjaholst.de

Satz und Layout: InterMedia – Lemke e. K., Heiligenhaus

ISBN 978-3-641-29752-7V001

www.anacondaverlag.de

Für

William Rothenstein

VORWORT

Vor ein paar Tagen sagte ich zu einem angesehenen bengalischen Doktor der Medizin: »Ich verstehe kein Deutsch, doch wenn mich die Übersetzung eines deutschen Dichters berührt, gehe ich ins Britische Museum1 und suche nach englischen Büchern, die mir etwas über sein Leben und die Entwicklung seines Denkens verraten. Aber obwohl diese Prosaübersetzungen von Rabindranath Tagore meine Gefühle aufgewühlt haben wie seit Jahren nichts mehr, werde ich nicht das Geringste über sein Leben erfahren, oder über die Entwicklung seines Denkens, das diese Übersetzungen ermöglicht hat, wenn nicht irgendein Inder, der unser Land bereist, mir etwas darüber erzählt.« Dem Doktor schien es ganz selbstverständlich, dass ich so berührt war, denn er antwortete: »Ich lese jeden Tag Tagore, eine Zeile von ihm lässt einen allen Ärger der Welt vergessen.« Ich sagte: »Bei uns wäre es in der Zeit von Richard II. so gewesen, wenn ein Londoner Übersetzungen von Petrarca oder Dante zu sehen bekommen hätte. Er hätte keine Bücher finden können, die ihm auf seine Fragen Antwort zu geben vermocht hätten. Wie ich heute Sie, würde er damals einen florentinischen Bankier oder lombardischen Händler gefragt haben. Denn ich weiß nur, dass diese Lyrik außerordentlich gehaltvoll und schlicht ist und diese neue Renaissance2 in Ihrem Land begonnen hat, von der ich bloß durch Hörensagen erfahren habe.« Der Inder erwiderte: »Wir haben auch andere Dichter, doch keiner kommt ihm gleich. Wir nennen es das Zeitalter von Tagore. In Europa scheint mir kein Dichter so berühmt zu sein, wie er es bei uns ist. In der Musik ist er eine ebensolche Größe wie in der Dichtkunst. Seine Lieder werden gesungen, wo immer Bengali gesprochen wird, vom Westen Indiens bis nach Burma. Schon mit neunzehn erlangte Tagore Berühmtheit, als er seinen ersten Roman verfasste, und die Bühnenstücke, die er kurz darauf schrieb, werden in Kalkutta noch heute aufgeführt. Ich bewundere im höchsten Maße seine Vielseitigkeit. Als er jung war, schrieb er vor allem über die Natur, den ganzen Tag saß er in seinem Garten. Ungefähr von seinem fünfundzwanzigsten bis zu seinem fünfunddreißigsten Lebensjahr, als er großen Kummer litt, schrieb er die schönste Liebeslyrik, die es in unserer Sprache gibt.« Tief bewegt fügte er hinzu: »Worte vermögen nicht auszudrücken, was ich als Siebzehnjähriger seinen Liebesgedichten verdankte. Danach gewann seine Kunst an Tiefe, sie wurde religiös und philosophisch; in seinen Hymnen findet sich die Inspiration der ganzen Menschheit. Er ist der erste von unseren Heiligen, der dem Leben nicht entsagt, sondern aus dem Leben selbst heraus gesprochen hat, das ist der Grund, warum wir ihm unsere Liebe entgegenbringen.« Vielleicht gebe ich seine gut gewählten Worte aus der Erinnerung nicht exakt wieder, aber genau das wollte er ausdrücken. »Vor kurzem hielt Tagore eine Andacht in einer unserer Kirchen – wir von der Brahmo Samaj3 verwenden auf Englisch das Wort ›Kirche‹ –, es war die größte in Kalkutta, und sie war nicht bloß überfüllt, sondern es gab wegen der vielen Leute auch auf der Straße davor kein Durchkommen mehr.«

1Britische Museum: Dort befand sich die welt­berühmte British Museum Library.

2 Die so genannte »bengalische Renaissance« war eine religiöse, politische und kulturelle Erneuerungsbewegung im 19.Jahrhundert, ausgehend von Raja Rammohan Roy (1772–1833), die nicht unwesentlich von Mitgliedern der Tagore-Familie getragen wurde.

3Brahmo Samaj: Indische Reformgemeinde, 1828 von Rammohan Roy in Kalkutta gegründet.

Ich traf noch andere Inder und ihre Verehrung für diesen Menschen klingt seltsam in unserer Welt, wo wir große und kleine Dinge unter ein und demselben Schleier offensichtlicher Komödie und halb ernst gemeinter Herabsetzung verbergen. Als wir die Kathedralen errichteten, brachten wir da den Großen unter uns eine ähnliche Verehrung entgegen? Ein Inder sagte mir: »Jeden Morgen gegen drei – ich habe es mit eigenen Augen gesehen – sitzt er zwei Stunden lang reglos in Kontemplation versunken da und sinnt über die Natur Gottes nach. Sein Vater, der Maharishi4, blieb manchmal den ganzen Tag lang so sitzen. Eines Tages fiel er bei einer Bootsfahrt auf dem Fluss wegen der Schönheit der Landschaft in Versenkung und die Männer an den Riemen mussten acht Stunden lang warten, bevor sie die Fahrt fortsetzen konnten.« Dann erzählte er mir von Tagores Familie und dass sie seit Generationen große Persönlichkeiten hervorbringt. »In heutiger Zeit«, sagte er, »wären da die Künstler Gogonendranath und Abanindranath Tagore, sowie Dwijendranath, Rabindranaths Bruder, der ein bedeutender Philosoph ist. Eichhörnchen kommen von den Zweigen herab und klettern auf seinen Schoß und Vögel lassen sich auf seiner Hand nieder.« Ich bemerke im Denken dieser Menschen ein Gespür für sichtbare Schönheit und Sinnhaftigkeit, als würden sie Nietzsches Ansicht teilen, dass wir an keine moralische oder intellektuelle Schönheit glauben dürfen, die sich nicht früher oder später in den materiellen Dingen zeigt. Ich sagte: »Im Orient verstehen es die Familien, ihren guten Ruf zu bewahren. Erst gestern machte mich der Kurator eines Museums auf einen kleinen dunkelhäutigen Mann aufmerksam, der dort die chinesischen Drucke ordnete, und sagte: ›Das ist in dieser Generation der Kunstkenner der japanischen Kaiserfamilie, und er ist bereits der Vierzehnte aus der Dynastie, der diesen Posten innehat.‹« Der Inder erwiderte: »Von Kindheit an war Rabindranath zu Hause überall von Literatur und Musik umgeben.« Ich dachte an die Fülle und die Schlichtheit der Gedichte und fragte: »Gibt es in Ihrem Land viel propagandistisches Geschreibe, viel Kritik? Wir müssen jede Menge davon schreiben, besonders in meinem Land, so dass unsere Geister allmählich aufhören, schöpferisch zu sein, und wir können doch nichts dagegen tun. Wäre unser Leben nicht ein einziger Kriegszustand, hätten wir keinen Geschmack, wüssten wir nicht, was gut ist, würden weder Zuhörer noch Leser finden. Vier Fünftel unserer Energie verbrauchen wir dafür, den schlechten Geschmack zu bekämpfen, ob in unserem eigenen Geist oder dem der anderen.« – »Ich verstehe«, antwortete er, »wir haben auch unsere Propagandaschriften. In den Dörfern rezitieren sie lange mythologische Gedichte, die aus dem Sanskrit des Mittelalters übernommen werden, und häufig fügen sie Abschnitte ein, die die Leute dazu aufrufen, ihren Pflichten nachzukommen.«

4Maharishi: Etwa »großer Seher«, hier Ehren­bezeichnung für Debendranath Tagore (1817–1905); die Rishis waren die Barden der vedischen Hymnen, die von ihnen »geschaut« wurden.

II

Ich habe das Manuskript mit diesen Übersetzungen tagelang mit mir herumgetragen und in Zügen, Bussen und Restaurants gelesen, und nicht selten musste ich unterbrechen, damit kein Fremder sehen konnte, wie sehr es mich berührte. Diese Gedichte – die, so versichern mir meine indischen Freunde, im Original etliche Feinheiten des Rhythmus, unübersetzbare Finessen und Nuancen, als auch Neuerungen im Versmaß aufweisen – breiten in ihrem Denken eine Welt aus, von der ich mein ganzes Leben lang geträumt habe. Das Werk einer verfeinerten Kultur, erscheinen sie dennoch ebenso als ein Gewächs der gewöhnlichen Erde wie Gräser oder Büsche. Eine Tradition, in der Dichtung und Religion ein und dasselbe sind, hat die Jahrhunderte durchlaufen, von Gebildeten und Ungebildeten Metaphern und Gefühle aufgegriffen und der Menge das Denken der Gelehrten und Vornehmen zurückgebracht. Wenn die Zivilisation Bengalens ungebrochen bestehen bleibt, wenn dieser gemeinschaftliche Geist – wie man erahnt – alle durchdringt und nicht wie bei uns in Dutzende Geister, die nichts voneinander wissen, zerbrochen ist, dann wird selbst etwas von dem, was an diesen Versen das Sublimste ist, in ein paar Generationen den Bettler auf der Straße erreicht haben. Als es auch in England nur einen gemeinsamen Geist gab, schrieb Chaucer sein Troilus and Cressida