Gladiatorin - Sieg oder Verderben - Lesley Livingston - E-Book

Gladiatorin - Sieg oder Verderben E-Book

Lesley Livingston

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Beschreibung

Harte Rivalitäten, tödliche Kämpfe und eine verbotene Liebe

Rom, 44 v. Chr.: Die keltische Prinzessin und Gladiatorin Fallon scheint endlich am Ziel ihrer Träume angekommen.

Nach dem erfolgreichen Kampf um ihre Gladiatorenschule sind Fallon und ihre Mitstreiterinnen zu den Lieblingen der Römischen Republik geworden. Fallons großer Liebe Cai jedoch wird sein Rang als Decurio aberkannt und er wird selbst zu einem von Caesars Gladiatoren gemacht. Während Fallon für Cais Freiheit kämpft, geschieht das Undenkbare: Caesar wird ermordet. Als Fallon klar wird, dass auch Kleopatra in größter Gefahr schwebt, setzen sie und ihre Freunde alles aufs Spiel, um die Königin zurück nach Ägypten zu bringen …

Alle Bände der „Die Gladiatorin“-Reihe:
Gladiatorin – Freiheit oder Tod (Band 01)
Gladiatorin – Verrat oder Triumph (Band 02)
Gladiatorin – Sieg oder Verderben (Band 03)

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Seitenzahl: 535

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Lesley Livingston

GLADIATORIN

Sieg oder Verderben

Aus dem Englischen

von Silvia Schröer

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Erstmals als cbt Taschenbuch Juni 2021

© 2021 für die deutschsprachige Ausgabe

cbj Kinder- und Jugendbuch Verlag in der

Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

© 2019 Lesley Livingston

Die Originalausgabe erschien 2019 unter dem Titel

»The Triumphant« bei Razorbill/Penguin Random House LLC, New York

Aus dem Englischen von Silvia Schröer

Umschlaggestaltung: Isabelle Hirtz, Inkcraft

nach einer Originalvorlage von Jacket art © 2019 by Michael Heath

sh • Herstellung: ik

Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach

ISBN 978-3-641-25624-1V001

www.cbj-verlag.de

Für die Frauen in meinem Leben:

Kriegerinnen, Gladiatorinnen, Schwestern, Königinnen.

I

URI … VINCIRI …«

Ich schattete mit der Hand meine Augen gegen die Helligkeit der aufgehenden Sonne ab und hörte den heiligen Gladiatoreneid, den ich unter dem Licht der Jägerin Mond geleistet hatte, wie ein fremdartiges, geheimes Lied in meinen Ohren flüstern.

»Verberari … ferroque necari …«

Ich blinzelte und sah mich um, warf einen Blick zu Elka, die mit geschlossenen Augen neben mir auf dem Übungsplatz stand, und den Eid vor sich hin murmelte.

»Was machst du da?«

»Hm?« Sie öffnete ein Auge und linste zu mir herüber.

»Was machst du?«, fragte ich noch einmal.

»Ich wiederhole nur den Eid«, sagte sie. »›Ich werde mich klaglos verbrennen … fesseln … schlagen …‹«

»›... und durch das Schwert töten lassen‹«, beendete ich für sie. »Ja. Ich weiß. Ich habe ihn auch abgelegt, weißt du noch?«

»Ganz recht. Von fliegen ist darin nicht die Rede.«

Ah, dachte ich. Darum geht’s also.

»Es ist nicht fliegen«, sagte ich. »Stell es dir mehr als … äh, einen großen Sprung vor?«

»Stell dir vor, du bist ein Stein!«, rief Quintus Elka ermutigend von der Tribüne hinter der Absperrung zu. »Ein großer, schwerer Stein, der von einem Katapult abgefeuert wird und über einen feindlichen Schutzwall fliegt …«

Er brach jäh ab, als Elka ihm einen derart bösen Blick zuwarf, dass man hätte meinen können, sie würde sich stattdessen vorstellen, die Gorgone Medusa zu sein und ihn in Stein zu verwandeln. Quint war vor Kurzem zu den Baumeistern der römischen Legion übergewechselt und darum ließ er neuerdings Belagerungsmaschinen, Verteidigungswälle und -gräben begeistert in seine Unterhaltungen einfließen. Meistens konnte man ihm nur schwer folgen, aber in diesem Fall hatte er recht.

Elka aber auch.

Im Eid war von fliegen nicht die Rede.

Und trotz dieser Auslassung waren Kore und Thalassa – die beiden aus Kreta stammenden Rekrutinnen des Ludus Achillea – fest entschlossen, uns genau dazu zu bringen. Zum Fliegen. Wenn auch nur für einen kurzen Moment … und geradewegs zwischen den Hörnern eines wütenden Stiers hindurch.

Eines Nachmittags hatten die beiden im Speisesaal vorgeschlagen, dass wir die alte Kunst des Stiersprungs in unser Repertoire aufnehmen sollten. Seit drei Tagen war ein düsterer Dauerregen gefallen, der es unmöglich gemacht hatte, im Hof zu trainieren, ohne im Schlamm zu versinken, und wir waren alle rastlos.

»Mir ist langweilig«, hatte Damya voller Inbrunst geseufzt.

»Blas keinen Trübsal«, hatte Ajani sie getröstet. »Eines Tages wird die Sonne wieder scheinen. Und dann kannst du wieder alles kurz und klein schlagen.«

»Das ist es ja gerade.« Damya schüttelte den Kopf. »Ich kann alles mit geschlossenen Augen und mit auf dem Rücken gefesselten Händen kurz und klein schlagen. Ich brauche eine neue Herausforderung.«

Ehrlich gesagt, war sie da nicht die Einzige.

Es war mehrere Monate her, dass wir den Ludus von unserer gegnerischen Gladiatorenschule, dem Ludus Amazona, zurückgewonnen und dafür gesorgt hatten, dass ihr Herr – und mein ganz persönlicher Albtraum – Pontius Aquila in Ungnade gefallen war. Wenig überraschend war die Beliebtheit unserer Kämpferinnen bei den nachfolgenden Wettkämpfen von einem bereits hohen Niveau aus noch einmal dramatisch angestiegen. Das Volk war verrückt nach uns gewesen. Aber das war Monate her. Und jetzt … na ja, das Volk war eben das Volk. »Launisch« war vielleicht das höflichste Wort, das mir dazu einfiel.

Wenn jetzt eine von uns die Arena betrat, war eine gewisse Ermüdung zu spüren. Anscheinend ließ das Interesse des Volkes nach, wenn wir nicht gerade eine Rebellion durch die Straßen anführten. Und unseres auch. Unser Programm war ausgefeilt, präzise … vorhersehbar. Wir brauchten etwas, um unsere gängigen Nummern aufzupeppen.

Daher Kores Vorschlag zu todesmutigen akrobatischen Sprüngen.

Durch die Luft. Über Stiere hinweg.

Fliegen …

»Klingt für mich nach einer ganz schlechten Idee«, hatte Damya damals gesagt und den Kopf geschüttelt. »Wenn die Götter gewollt hätten, dass wir fliegen, hätten sie uns Flügel gegeben. Erinnerst du dich an … wie hieß er noch gleich? Der mit dem Wachs und den Federn?«

»Du meinst Ikarus?« Stirnrunzelnd sah Thalassa sie über den Tisch hinweg an, nahm sich eine Olive aus der Tonschale und steckte sie sich in den Mund. »Sei nicht albern. Die Götter haben Ikarus keine Flügel gegeben. Das war sein Vater Daedalus. Damit er seiner Gefangenschaft entfliehen konnte.«

»Ganz genau«, schnaubte Damya. »Und sieh nur, wie gut das für ihn ausgegangen ist.«

»Es ist überhaupt nicht gut ausgegangen«, erklärte Thalassa geduldig, wobei sie den Sarkasmus entweder nicht beachtete oder ihn einfach nicht bemerkt hatte. »Ikarus war so überheblich, dass er zu nah an die Sonne flog und die Hitze das Wachs schmolz, das seine Flügel zusammenhielt. Er stürzte ab, ertrank im Meer und die Sirenen trauerten um ihn. Es ist eine Warnung. Für Menschen, die sich den Göttern gleich fühlen. Irgendwann stürzen sie alle ab.«

»Ja«, sagte Kore und stieß sie scharf mit dem Ellbogen an. »Aber uns wird es nicht so ergehen. Wir stürzen nicht ab. Wir müssen nur einen geeigneten Stier finden und ein Sprungbrett bauen, das eine von uns in die Luft schleudert, hoch genug, um nicht seine Hörner zu spüren zu kriegen.«

An diesem Punkt wurde die Diskussion hitzig. Ich grinste und lehnte mich zurück, sah dabei zu, wie meine Ludusschwestern sich stritten und sich mit Brötchen bewarfen, und begriff irgendwann, dass Kore und Thalassa sie tatsächlich davon überzeugt hatten, den kretischen Stiersprung in das Programm unserer Gladiatorenschule aufzunehmen. Ein Publikumsgarant. Ich schüttelte den Kopf und dachte, dass meine Luduskameradinnen so wenigstens für eine Weile beschäftigt sein und sich nicht in Schwierigkeiten bringen würden.

Dann bemerkte ich, dass jemand als Freiwillige mich für den ersten Versuch vorgeschlagen hatte.

Sieben Tage später kniete ich auf einem Knie auf dem Übungsplatz, band die Schnüre an meinen Sandalen und steckte sie seitlich fest, sodass ich auf keinen Fall über sie stolpern würde.

»Ich kann nicht fassen, dass du das getan hast.«

»Was?« Ich blickte zu Elka auf, die mit Mörderblicken auf mich hinuntersah.

»Mich als Freiwillige gemeldet«, sagte sie.

»Du meinst, nachdem du als Freiwillige mich gemeldet hast?« Unschuldig blinzelte ich sie an.

»Das ist etwas anderes.« Sie schüttelte den Kopf und ihre straff geflochtenen blonden Zöpfe flogen hin und her. »Du hangelst dich ständig über Streitwagendeichseln und springst von Schiffsmasten. Es liegt dir im Blut.«

Ich grinste sie an. »Wenn ich es überlebe, dann überlebst du es auch. Später kannst du mich dann immer noch umbringen.« Ich stand auf und ließ meine verspannten Schultern kreisen. »Falls wir es überleben …«

Ich sah zur Mitte des Übungsplatzes, wo Kore und Thalassa ihre kretische Vorrichtung aufbauten. Die Konstruktion war den Geräten nachempfunden, die sie in den Stierkampfarenen in Knossos verwendeten, und sie hatten mit Quint, dem großen Legionärsbaumeister, den größten Teil der letzten Woche daran gearbeitet. Heute Morgen hatten sie sie stolz aus der Werkstatt und schwungvoll über den Sand gezogen.

»Es ist … äh … ein Brett?« Gratia hatte ihren Kopf schief gelegt und betrachtete das Ding aus allen Blickwinkeln.

Das traf es recht genau. Es war ein Brett. Nur dass es auf einem Drehpunkt balancierte und von einem Rahmen gehalten wurde und … es gab Seile. Und Winden, vielleicht? Ganz ehrlich, ich hatte keine Ahnung, wie es funktionieren sollte. Ich wusste nur, dass, sobald mein Fuß auf das eine Ende traf, etwas in Kraft treten sollte, das Quint den »Torsionsmoment« nannte, und das Ding mich hoch und – theoretisch – über meinen Gegner in der Arena hinweg schleudern würde.

Einen störrischen Karrenochsen namens Sturm.

Er war das, was wir hatten auftreiben können und einem kretischen Stier am nächsten kam.

Die Luft an diesem Morgen war so kalt, dass sie auf der bloßen Haut meiner Arme und Beine stach und ich mir wünschte, ich hätte meine dickere Tunika angezogen. Aber ich wollte auch nicht, dass mich etwas zu Boden zog. Das laute Brüllen, das von dem Zuweg zum Übungsplatz kam, klang wie das Klagen eines Kriegshorns.

»Ich finde immer noch, dass wir es erst ohne den Stier probieren sollten«, sagte ich.

»Ja«, stimmte Elka mir inbrünstig zu. »Oder vielleicht lassen wir es einfach, machen Schluss für heute und gehen zu den Bädern …«

»Wie sollen wir wissen, ob du es tatsächlich schaffst, über einen Stier zu springen, wenn da kein Stier ist, über den du springen kannst?«, fragte Vorya.

Vorya war pragmatisch, aber sie war auch Warnin und eine Fatalistin – eine noch größere Fatalistin als Elka –, also gab ich nicht viel auf ihre Meinung in dieser Angelegenheit. Abgesehen davon war sie nicht diejenige, die sprang.

»Und außerdem«, fuhr sie mit einem ausgesprochen fatalistischen Achselzucken fort, »wenn es nicht klappt, dann stirbst du wahrscheinlich schnell und entgehst der Schande, versagt zu haben.«

Ich wusste nie genau, ob sie scherzte oder nicht.

Elka und ich warteten, liefen nervös auf der Tribüne der Arena auf und ab, bis sie mit dem Aufbau des Sprungbretts fertig waren und den Ochsen herausbrachten. Er sah heute, mitten auf dem Übungsplatz, viel größer aus als zuvor in seinem Stall. Mit viel größeren, spitzeren Hörnern. Wir hatten Seile um seine zwei Hörner gebunden, sodass ein paar der Mädchen – in diesem Fall unsere Amazonenschwestern Kallista und Selene und außerdem noch Ceto und Lysa, unsere beiden neuesten Ludusschülerinnen, die beide aus Bauernfamilien stammten – seinen Kopf festhalten konnten. Sturm gefiel dieser Ballast jedoch eindeutig nicht und er schnaubte und brüllte. Als ich ein Bein über das Geländer schwang und in die Arena sprang, fixierte er mich mit einem bedrohlichen Blick und scharrte mit seinem großen Huf im Sand.

»Ich glaube, er mag dich«, sagte Elka trocken und landete neben mir.

»Hoffe mal lieber, dass er dich mag«, sagte ich. »Du bist zuerst dran.«

Das war der Moment, in dem Elka verstummte.

Und den Gladiatoreneid vor sich hersagte.

Nachdem Quint ihr genug Ermutigungen zugebrüllt hatte, fuhr Elka ihn an und schrie zurück: »Nenn mich noch einmal einen Stein, Quintus! Trau dich!«

Er klappte seinen Mund zu, und über den Platz senkte sich eine Stille, die vor Spannung knisterte. Elka schnaubte durch die Nasenlöcher – selbst fast wie ein Stier – und wandte sich dem Sprungbrett zu. Sie nahm kräftig Anlauf, ihre Arme und Beine pumpten, und kam mit beiden Füßen auf dem Zielpunkt auf. Der Mechanismus des Bretts wurde ausgelöst, schleuderte sie nach oben und nach vorn durch die Luft, genau wie versprochen!

Elka segelte über das Tier hinweg – perfekt eingerahmt von seinen gebogenen Hörnern –, die Arme hatte sie vor sich ausgestreckt, als würde sie durch die Luft schwimmen. Sie flog optimal über Sturms Widerrist hinweg und an seinem wütend schwingenden Schwanz vorbei, kam mit den Händen zuerst auf und rollte sich sauber zu einer Schulterrolle ein. Sie rollte zweimal und kam dann mit einem raschen Sprung auf die Beine, auf ihrem Gesicht lag ein Ausdruck der Überraschung und absoluten Wonne.

»Ich hab’s geschafft!«, schrie sie und schlug mit den Fäusten in die Luft. »Ichbin geflogen!«

Unsere zuschauenden Kameradinnen stimmten ein Freudengebrüll an, und ich stieß einen Seufzer der Erleichterung aus – für sie und mich – und wartete etwas weniger besorgt darauf, dass Quint und Kore das ganze Arrangement wieder in seinen Ausgangszustand brachten. Die Mädchen, die Sturm festhielten, zogen kräftig an den Seilen. Ich sammelte mich und atmete bewusst ruhig. Dann rannte ich los.

Meine Füße trafen das Sprungbrett, genau wo sie sollten, und es schleuderte mich in einem perfekten Bogen in einen Vorwärtsflug – genau wie bei Elka –, nur dass Sturm es sich diesmal nicht gefallen ließ. Das große, gemeine Monster riss seinen riesigen Kopf hoch und zur Seite, traf mich mit einem seiner Hörner, sodass ich durch die Luft purzelte, und schleuderte Kallista und die anderen umher, als wären sie Puppen, die ans Ende einer Schnur gebunden waren. Ich schlug hart auf dem Boden auf und rollte weiter, bis ich gegen die Absperrung traf. Ich hörte Schreie von der Tribüne, hob meinen Kopf und sah, dass die Mädchen an den Seilen, die Sturm eigentlich bewegungslos hätten halten sollen, durch den Sand gezogen wurden. Der Stier schüttelte den Kopf und entriss ihnen drei der vier Seile. Kallista war die Einzige, die – gerade so – weiter festhielt, und sie kam stolpernd auf die Beine, als das wütende Tier seine Aufmerksamkeit auf mich richtete. Selene, zusammen mit Ceto und Lysa, brachten sich schnell in Sicherheit, während Kallista zu einem Eisenring in der Steinmauer lief und das Seil hindurchschlang und festzog, in der Hoffnung, mir so eine Chance zur Flucht einzuräumen.

Was auch klappte …

Aber jetzt war sie das einzige Ziel in erreichbarer Nähe, und Sturm hatte nicht vor, sie entwischen zu lassen. Kallista duckte sich hinter eine niedrige Holzwand und machte sich so klein wie möglich, während Sturm mit seinen Hörnern gegen die Absperrung schlug und wütend schnaubte und brüllte. Die Bretter zersplitterten und gaben nach innen nach. Sie würden Kallista nicht mehr lange schützen.

Plötzlich hörte ich die Stimme unseres Gladiatorenmeisters über den Sand brüllen. »Ajani!«, rief Kronos. »Erschieß das Monster!«

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Ajani einen Pfeil in ihren Bogen legte.

»Nein!«, schrie ich. »Ajani. Nein! Nicht schießen!«

Sie zögerte.

»Ich kümmere mich darum!«, rief ich und wandte meinen Blick nicht von dem Tier vor mir ab.

Ajani ließ ihren Bogen sinken. Sie zögerte – wie ich schon vermutet hatte – ein armes, dummes Tier zu töten, das nur seiner Natur gemäß handelte. Kronos würde wütend sein, aber Ajani und ich würden uns den Folgen seines Zorns gemeinsam stellen – wenn ich es erst mal geschafft hatte, aus der Arena herauszukommen. Außerdem konnte ich mich auch einfach nicht damit abfinden, meinen Verstand mit einem Nutztier zu messen – und zu verlieren. Ich war doch bestimmt schlauer als irgend so ein schlecht gelauntes, altes Rindvieh.

Ich breitete meine Arme aus und pfiff, um Sturms Aufmerksamkeit zu erregen.

Laut rief ich: »Kallista … lass das Seil los!«

»Wenn ich das tue, hält ihn nichts mehr auf«, antwortete sie und biss die Zähne zusammen, als Sturm eines seiner Hörner komplett durch die Holzbretterwand hieb, direkt neben ihrem Kopf. »Er wird dich angreifen – ahhh!« Sie schrie gellend auf, als er sich mit der Schulter gegen die Absperrung warf und einen der Stützpfosten geradewegs aus dem Boden riss.

»Das ist der Plan!«, rief ich zurück. »Vertrau mir – lass los! Elka, wirf mir ein Handtuch zu und geh zur Tribüne über dem Tor!«

Ohne Fragen zu stellen, knäulte Elka eines der Trainingshandtücher zusammen und warf es mir von der Tribüne aus zu. Dann rannte sie zwischen den Bänken hindurch zum Tor am anderen Ende der Arena. Ich wickelte das Handtuch wieder auseinander und hielt es ausgebreitet vor mich. Der Ochse sah schlecht und schwang seinen Kopf von einer Seite auf die andere, um einen besseren Blick auf mich zu bekommen – ein frisches Ziel für seine gewaltigen Hörner. Ich hatte einmal gesehen, wie der Herdenmeister meines Vaters auf diese Weise die Aufmerksamkeit der jungen Bullen in der Herde auf sich zog. Sie reagierten auf die Bewegung.

»Komm schon, du großes, stinkendes Ding …«

Als alle seine Sinne auf mich gerichtet waren, rief ich: »Kallista … geh jetzt. Langsam. Nicht rennen … verlass die Arena einfach auf dem kürzesten Weg.«

Leichtfüßig sprang sie auf und war im Nu über die Mauer. Jetzt waren nur noch ich und Sturm übrig. Ich wedelte mit dem Handtuch vor mir, während ich rückwärts zum Tor ging. Als ich vor dem Torbogen stand, Elka direkt über mir, schnalzte ich mit dem Handtuch durch die Luft, ließ es los, reckte meine Arme und sprang hoch, während Sturm den Kopf senkte und mich mit glänzenden Hörnern angriff. Elka brüllte vor Anstrengung, packte mich an den Handgelenken und hielt mich mit aller Kraft fest, während ich meine Beine nach oben schwang und Sturm vorbeidonnerte, eine Handbreit unter mir, geradewegs durch den Torbogen hindurch. Ich ließ Elkas Hände los und fiel zu Boden, rannte los und schloss das schwere Tor. Ich rammte die Stange durch die Ringe, ließ mich keuchend vor Erleichterung gegen das Tor sinken und hörte Sturms verwirrtes Blöken.

Das Gitter auf der anderen Seite des Eingangs hatten wir bereits vorsorglich geschlossen und den Tunnel dazwischen in eine Art eingezäunte Koppel umfunktioniert, und der Stalljunge, den wir genötigt hatten, uns mit Sturm zu helfen, stand mit frischen Heu- und Kleebündeln bereit, um das Tier durch das Gatter zu füttern. Sturms Wutanfälle dauerten immer nur so lange, bis er etwas Süßes zu fressen bekam. Dann war er sanft wie ein Lamm und der Junge konnte ihn friedlich zurück in seinen Stall führen.

Niemand war verletzt worden. Außer vielleicht mein Stolz …

Vorya schlug mir im Vorbeigehen auf die Schulter und sagte: »Nur ein bisschen Schande. Und du bist nicht einmal gestorben. Ich bin beeindruckt.«

Ich schüttelte den Kopf, als sie pfeifend davonging. Aber dann sah ich, dass Kronos seine Arme über seiner breiten Brust verschränkt hatte und auf mich wartete, und meine Nackenmuskeln verspannten sich. Ich hatte damit gerechnet, dass er wütend sein würde, und hatte mich bereits damit abgefunden, für einen Monat in die Wäscherei abgeordnet zu werden.

Aber als ich zu ihm hinüberstolperte und mich auf eine Bank sinken ließ, um Atem zu schöpfen und meine Strafe zu hören, sagte er nur: »Willst du meinen Rat? Ihr Mädchen müsst zuerst die Akrobatik üben, Fallon. Beherrsche sie. Dann fügt das Viech hinzu. Frag jedes Vogelküken, das flügge wird und das Nest verlässt: Fliegen ist schon schwierig genug, auch ohne dass jemand versucht, dich aus dem Himmel zu hauen.«

II

Elka seufzte, als sie sich auf die Bank mir gegenüber im Massageraum der Ludusbäder setzte. Ich nickte einer der zwei Dienerinnen zu, als sie ein mit Geranien angereichertes Öl für mich auswählte. Ich legte mich mit dem Gesicht nach unten auf meine Bank und ließ die Wärme und die Hände der Dienerin die Verspannungen in meinem Nacken und Rücken lösen, während sie geschickt die blauen Flecken mied, die ich mir während meines gescheiterten Sprungs heute Morgen zugezogen hatte. Ich fühlte mich wie ein Klumpen Brotteig, der in Form geknetet und für den Ofen vorbereitet wurde.

»Ich vermisse die Zeiten, als wir uns um nichts weiter kümmern mussten, als uns gegenseitig die Seele aus dem Leib zu prügeln«, sagte Elka, ihre Worte klangen gedämpft wegen des Handtuchs unter ihrem Kopf, das ihre eine Gesichtshälfte knautschte. »Du nicht auch?«

»Stimmt schon, du lässt leichter mit dir reden als ein Stier«, sagte ich.

»Und du riechst besser als einer.« Elka grinste. »Meistens.«

»Wenn das Volk sich doch einfach nur mit uns zufriedengäbe.«

»Pah.« Mit einer trägen Handbewegung wischte Elka diese Bemerkung beiseite. »Die Römer und ihre Scheinwelt. Ich frage mich, wie sie reagieren würden, wenn sie mit einem echten Krieg innerhalb der Mauern ihrer kostbaren Stadt konfrontiert werden würden.«

»Was glaubst du, warum alle Häuser hier so stabile Türen haben?«, schnaubte ich. »Sie würden sich in ihren Weinkellern verschanzen und trinken, bis die Gefahr vorüber ist.«

Kurz darauf strich ein sanftes Schnarchen über Elkas Lippen. Ich schloss meine Augen und versuchte, mich zu entspannen, aber mir – oder genauer gesagt, den meisten Menschen – fiel das nicht so leicht wie ihr. Elka war der einzige Mensch, den ich kannte, der auf einer Steinbank in einer Arena inmitten einer brüllenden Menschenmenge vor sich hin dösen und kurz darauf erfrischt und kampfbereit aufwachen konnte. Manchmal beneidete ich sie um ihre Unbeschwertheit.

Mein Verstand rebellierte gegen ein so glückseliges Vergessen und grübelte stattdessen über die Natur der Menschen nach, zu deren Unterhaltung wir unsere Körper derart schindeten. Mein Kommentar auf Elkas Frage war natürlich vorschnell und selbstgefällig gewesen und wir beide wussten das. Jeder Volksstamm hatte seinen eigenen Anteil an Feiglingen, dachte ich. Rom hatte einfach das Glück, eine Armee und Soldaten zu haben, die das Kämpfen für sie übernahmen – mit einem brillanten General an der Spitze: Gaius Julius Caesar.

Aber ich wusste genau, dass es in Rom auch einige gab, die dem Kaiser bereits den Krieg erklärt hatten. Einen geheimen Krieg, angeführt von machtgierigen Männern wie Cais Vater. Wie Pontius Aquila. Männern, die mit gefährlichen Gruppierungen und dunklen Göttern noch dunklere Geschäfte schlossen und vor nichts zurückschreckten, um den siegreichen Helden Roms in die Knie zu zwingen. Und ich glaubte nicht, dass wir zum letzten Mal von ihnen gehört hatten.

Es war ein beunruhigender Gedanke, der mich manchmal bis spät in die Nacht hinein wach hielt, von der Massagebank ganz zu schweigen. Bei ein oder zwei Gelegenheiten hatte ich Sorcha meine Sorgen anvertraut, aber meine Schwester schien überzeugt davon, dass Aquila keine Bedrohung mehr war, weder für uns, den Ludus Achillea, noch für Caesar. Ich hoffte inständig, dass sie recht hatte. Es stimmte, dass die Söhne von Dis uns keine Scherereien mehr bereitet hatten, seit wir den Ludus zurückerobert hatten. Und natürlich lag Senator Varro kalt und verwesend auf einer Marmorplatte im Familiengrab der Varros als ständiger Bewohner von Roms Totenstadt.

Cai hatte dafür gesorgt, dass er in einer stillen Zeremonie neben seiner geliebten Frau beigesetzt wurde. In Würde und in Ehren, ohne dass der Großteil der Trauergäste von den wahren Umständen des Ablebens von Decimus Fulvius Varro erfuhr. Sie wussten nur, dass sein Sohn, Caius Antonius Varro, dafür verantwortlich und deshalb bei den Ritualen auffällig abwesend gewesen war. Wenn er allerdings dabei gewesen wäre, hätten sie auch ihn an diesem Tag mit großer Wahrscheinlichkeit in der Erde verscharrt.

»Zu fest?«, fragte die Masseurin plötzlich und nahm den Druck zurück, den sie auf eine besonders hartnäckige Stelle an meiner linken Schulter ausgeübt hatte.

Ich schüttelte den Kopf und fühlte, wie sie ihre Daumen tiefer in die Stelle hineinarbeitete. Die Tränen, die unter meinen Wimpern hervorquollen, hatten nichts mit einem Knoten in den Muskeln zu tun.

Caesar hatte natürlich die volle Wahrheit über den Tod von Senator Varro erfahren. Und seine Reaktion auf die Situation hatte mich daran erinnert, dass selbst der heldenhafte Dienst eines treuen Offiziers in seinen Legionen zweitrangig für ihn war, wenn es um Politik ging. Es war eine harte Lektion für mich gewesen, aber eine noch viel härtere für Cai. Die Erinnerung an diesen Tag wusch über mich hinweg, während ich auf der Bank lag, fast so, als wäre sie in den Muskeln gespeichert gewesen, die die Masseurin bearbeitete, und als hätte sie beim Lösen der Knoten auch die Erinnerungen freigesetzt.

Einige Monate nachdem wir über Pontius Aquila triumphiert und den Ludus Achillea zurückerobert hatten, war Caesar mit eigenen Siegen nach Rom zurückgekehrt. In Hispania hatte an einem Ort namens Munda eine entscheidende Schlacht stattgefunden – eine, in der Cai zweifelsfrei gekämpft hätte, wenn er Caesar noch immer auf seinen Feldzügen begleitet hätte. Caesar hatte diese Schlacht gegen sein eigenes Volk geführt, und da er Caesar war, hatte er natürlich gewonnen. Aber Caesar zu sein bedeutete nicht automatisch, dass sein Erfolg nach seiner Rückkehr mit Lorbeeren und Lobeshymnen gefeiert wurde.

Wahrscheinlich hätte es mich also nicht überraschen dürfen, dass der große General – der erneut zum Diktator ernannt worden war – die Verkörperung von schlechter Laune war an dem Tag, an dem ich zu seinem Anwesen am Westufer des Tibers bestellt wurde. Er hatte sich erneut dort niedergelassen und war vermutlich damit beschäftigt, sich wieder mit seinen Freunden in Rom und seiner Frau Calpurnia vertraut zu machen.

Nachdem der Bote mit dem Befehl, mich noch am selben Nachmittag bei Caesar einzufinden, im Ludus eingetroffen war, blieb mir kaum Zeit, meine Übungsausrüstung abzulegen und mich herzurichten, bevor man mich in einen geschlossenen Wagen verfrachtete und mich die Via Clodia hinunterfuhr, in südliche Richtung nach Rom. Als wir uns der Stadt näherten, zog ich die Vorhänge am Wagenfenster beiseite, gerade weit genug, um zu sehen, wie sich das Sonnenlicht in den rot gefliesten Dächern und den glänzenden Marmorwänden der Gebäude spiegelte, die sich an den Hängen der sieben Hügel scheinbar übereinanderstapelten. Es war ein Anblick, der jedes Mal aufs Neue widersprüchliche Gefühle in mir auslöste. Genauso wie Caesar selbst. Ich hatte einen Großteil meines Lebens damit verbracht, dem Mann, der verantwortlich für den Tod meiner Schwester war – oder den ich zumindest für verantwortlich gehalten hatte –, ein schlimmeres Schicksal als den Tod zu wünschen. Ich gab ihm immer noch die Schuld für vieles andere, aber diese eine Wahrheit aus meiner Kindheit hatte sich als falsch herausgestellt. Ich hatte sie verloren, ja. Aber sie war nicht tot. Und ich hatte sie wiedergefunden. Und seitdem waren wir mehr als Schwestern. Wir waren ein Team. Eines, mit dem man rechnen musste. Ich dachte, dass nun endlich, endlich alles wunderbar lief. Mit dem Ludus, mit meinen Freunden, mit Cai …

Der Wagen bog nach Westen ab, zu der Steinbrücke, die über den Tiber führte, und ich zog die Vorhänge wieder zu, lehnte mich in den gepolsterten Sitz zurück und versuchte, nicht darüber nachzudenken, was Caesar in petto für mich hatte. Als der Fahrer vor der ausladenden vorderen Terrasse hielt, die den Eingang zu Caesars Villa schmückte und die Tür öffnete, damit ich aussteigen konnte, entdeckte ich, dass auch Cai herbeizitiert worden war.

Wir trafen uns im duftenden Haupthof der weitläufigen Villa und hatten kaum Zeit, uns zu begrüßen, als auch schon einer von Caesars Prätorianern uns durch die luftigen, lichtdurchfluteten Gänge zum Skriptorium des Kaisers führte.

»Kommt«, blaffte er ungeduldig, als man uns angekündigt hatte. »Setzt euch.«

Ohne aufzuschauen, winkte Caesar zu den niedrigen Stühlen ohne Rückenlehne auf der einen Seite des Schreibtisches, wo er hinter einer Mauer aus Schrifttafeln und -rollen saß und fieberhaft auf ein Pergament schrieb. Der Griffel in seiner Hand machte ein kratzendes Geräusch auf der dünn geschabten Schafshaut, und Caesars Sekretär – ein stämmiger, ernst dreinblickender Mann, der dem Aussehen nach wahrscheinlich Mazedonier war – wartete darauf, das Schreiben aus Caesars Hand entgegenzunehmen.

Zusammen überquerten Cai und ich den polierten Marmorboden – dabei versuchte ich, so wenig Lärm wie möglich zu machen – und setzten uns. Ich warf einen Seitenblick auf Cai, aber er starrte konzentriert auf die gegenüberliegende Wand vor uns, auf einen Wandteppich, der über Caesars Kopf hing und eine Szene aus einem Kampf zwischen Göttern und Göttinnen zeigte. Ich erinnerte mich vage an die Geschichte, wie man sie mir erzählt hatte: eine Geschichte von Blutvergießen in der Familie, in der die Kinder der Unsterblichen aufbegehrten, um ihre Eltern zu entthronen und sich selbst zu Göttern aufzuschwingen. Im Zentrum des Bildes war Jupiter zu sehen, wie er seinen eigenen Titanenvater stürzte und ihn nach Tartarus, in das Reich der Unterwelt, verbannte.

Ich faltete meine Hände im Schoß, wartete und starrte hinauf zu dem göttlichen Zwist, der mit glänzenden Seidenfäden für immer in dem gewebten Muster eingefangen war. Eine unangenehme Kälte kroch über meine Haut, als ich mich an meine eigene Zeit an einem Ort erinnerte, der nach diesem schrecklichen Gefängnis benannt worden war. Tartarus. Nachdem wir den Ludus zurückerobert hatten, hatte Sorcha den gedrungenen, hässlichen Steinbau zerstören lassen. Er wurde abgerissen, die Steine wiederverwendet, die feuchten unterirdischen Zellen zugeschüttet und an ihrer Stelle ein Garten angelegt.

Sie hatte mir den schwarzen Eisenschlüssel gegeben, schwer und krallenartig, als ich sie darum gebeten hatte. Als sie wissen wollte, warum, konnte ich nur antworten: »Weil ich mich erinnern will. Ich möchte nichts von dem vergessen, was mir widerfahren ist. Keinen der Orte, an denen ich gewesen bin, oder Dinge, die ich getan habe. Egal, wie schrecklich es war. Dieser Schlüssel verkörpert mich genauso wie die Eidlampe, die du mir gegeben hast und die Nyx zerbrochen hat. Er ist genauso real wie meine Schwerter und genauso ein Teil von mir, gleichzeitig zerbrochen und heil.«

Meine Schwester hatte mich lange mit schief gelegtem Kopf angesehen. Dann hatte sie mir den Schlüssel wortlos in die Hand gedrückt und sich umgedreht, um zuzuschauen, wie das Ochsengespann vorwärtsging und die Türen zu Tartarus geradewegs aus den Angeln hob.

Danach hatte ich meine Tage unter einem Schleier zaghaften Glücks verbracht, eingetaucht in die kleinen Freuden langer Trainingseinheiten, traumlosen Schlafs, guten Essens und guter Gesellschaft und dem Entfalten der neuen, kleinen Flügel meiner Seele, die eines Tages stark genug sein würden, um mich in die Freiheit zu tragen. Es war mir nie in den Sinn gekommen, dass ich diesen Flug würde allein antreten müssen.

Dann waren wir einbestellt worden.

Zuerst war ich in Hochstimmung. Als er seine Aufmerksamkeit schließlich dahin richtete, wo wir geduldig auf unseren Stühlen warteten, gratulierte Caesar uns beiden zu unserem Heldenmut, den Ludus Achillea zurückerobert zu haben. Er ließ uns von seinem Sekretär Geldgeschenke und Broschen in Form von vergoldeten Lorbeerzweigen überreichen.

Aber dann …

»Entlassen«, sagte Caesar zum zweiten Mal und musste seine Ungeduld sichtbar unterdrücken, weil er sich wiederholen musste, als wir beide unser Unverständnis zum Ausdruck brachten. »Sei froh, Caius Varro, dass es nicht in Ungnade ist.«

Irgendwo außerhalb des kühlen, lichtdurchfluteten Raumes, in dem Caesar uns an diesem Tag empfangen hatte, sang ein Vogel, der sorglos und freudig trällernd nach seiner Gefährtin rief. Es war das einzig andere Geräusch, während ich dort saß und den mächtigsten Mann der Welt mit offenem Mund anstarrte, während er die Worte aussprach, die Cai seiner Position als Offizier in der römischen Legion enthoben.

Wegen des Verbrechens, mein Leben gerettet zu haben.

Cai saß stocksteif neben mir, mit unbewegter, blasser Miene.

»Das könnt Ihr nicht tun!«, protestierte ich, und meine eigene Stimme erstickte den Vogelgesang.

Der Blick, den Caesar auf mich richtete, sagte mir, dass er natürlich alles tun konnte – und würde –, was ihm verdammt noch mal beliebte. Ich schloss den Mund und biss mir innen auf die Wange, damit ich schwieg. Meine Widerworte würden es für Cai nur noch schlimmer machen. Nach einer langen, angespannten Stille wurde Caesar ein wenig weicher. Er seufzte und stemmte sich von seinem Platz hoch, winkte seine Diener aus dem Raum und schloss die Tür hinter ihnen. Jetzt waren nur noch wir drei – Caesar, Cai und ich – und zwei von Caesars Prätorianern, die genauso gut Statuen hätten sein können und die, wie ich wusste, dem Kaiser bis vor die Tore des Todes und darüber hinaus treu ergeben waren, im Raum.

Auch Cai war ihm gegenüber loyal gewesen, dachte ich.

»Ich stelle deine Taten nicht infrage, Caius«, sagte Caesar in einem ruhigen, maßvollen Ton. »Tatsächlich begrüße ich sie. Natürlich.« Er stolzierte zu einem Tisch mit Kelchen und einer kleinen Amphore und schenkte uns beiden etwas Wein ein. »Du hast meinen Ludus und meine Ehre gerettet. Ich weiß, dass du es nicht für mich getan hast. Keiner von euch …«

»Mein Herr …«

»Mein liebes Mädchen …« Er streckte eine Hand aus, um meinem Protest zuvorzukommen. »Ich weiß, warum du es getan hast. Lass uns die Tatsache, dass du mir gleichzeitig einen unschätzbaren Dienst erwiesen hast, als glücklichen Zufall betrachten. Ich weiß, was in deinem Herzen vor sich ging, und ich preise dich für deinen Mut und deine Loyalität gegenüber deiner … wie nennt das Volk doch gleich noch meine Gladiatorinnen? ›Victrix und ihre Kriegerinnenschar?‹ Charmant, wirklich …«

Seine Mundwinkel zuckten nach oben und kopfschüttelnd lachte er ein wenig. Aber dann wurde seine Miene wieder ernst.

»Auch bei deiner Schwester Achillea stehe ich in großer Schuld«, fuhr er fort. »Aber jetzt sehe ich auch, dass ich ihr einen schlechten Dienst erwiesen habe. Ihr beide kommt aus einer Welt, Fallon, in der Ehre über allem anderen steht. Rom ist nicht diese Welt. Ich sehe jetzt, dass deine Schwester, trotz ihrer lobenswerten Bemühungen, sich anzupassen, das noch nicht ganz verstanden hat.«

»Ich bin mir nicht sicher, ob ich das verstehe.«

»Vertrauen, meine Liebe.« Caesar schüttelte den Kopf, ein angedeutetes Lächeln auf seinem Gesicht. »Ein edles, nutzloses, oft tödliches Gebrechen eures Volkes. Achillea hat Thalestris vertraut. Sie hat ihrem ärgsten Feind gestattet, nah genug an sie heranzukommen, um ihr einen Dolchstoß in den Rücken zu versetzen, Fallon. Das ist die Folge von blindem Vertrauen.«

»Ich verstehe immer noch nicht. Was hat das alles mit Cai zu tun?«

Caesar seufzte laut. »Ironischerweise müsst ihr beide darauf vertrauen, dass das, was ich in diesem Fall getan habe, das Beste ist. Für euch.«

»Ich verstehe«, sagte Cai und stand auf, um seinem General gegenüberzutreten. »Ich wusste, dass ich nicht in der Legion würde bleiben können, nachdem ich … nachdem, was ich getan habe. Ich fühle mich geehrt, dass Ihr es für angebracht hieltet, mein Urteil selbst zu verkünden.«

Caesar sah ihn einen Moment lang schweigend an und sagte dann: »Das ist noch nicht alles, Cai.«

»Herr?«

»Ich möchte, dass du dich innerhalb von drei Tagen im Ludus Flaminius meldest.«

»Zu welchem Zweck?«

»Zum Trainieren. Für die Spiele … Gladiator Varro.«

Es muss die Disziplin gewesen sein, die die Legion – aus der Caesar ihn erst vor wenigen Augenblicken kurzerhand rausgeworfen hatte – Cai anerzogen hatte, dass er in Habachtstellung, bewegungslos und ohne Protest stehen blieb. Ich hatte keine solche Ausbildung. Stattdessen brodelten meine undisziplinierten Cantae-Emotionen an die Oberfläche, ich sprang auf die Füße und schoss auf Caesar zu, nur um durch den eisernen Griff von Cais Hand um meinen Oberarm abrupt gestoppt zu werden, sodass ich mich nicht bewegen konnte. Er drehte sich zu mir.

»Was auch immer du sagen willst, um zu protestieren, Fallon …« Sein haselnussbrauner Blick war hart und kühl wie Marmor. »Lass es sein. Ich kämpfe meine eigenen Schlachten, wenn es welche zu kämpfen gibt. Hier gibt es keine.« Er wandte sich wieder an Caesar, der unseren Austausch schweigend beobachtet hatte, und nickte einmal kurz und knapp. »Ich werde morgen da sein, Herr.«

»Gut.« Caesar erwiderte das Nicken, etwas weniger kurz und knapp.

Dann flackerte sein Blick zu mir, und in seinen Augen schimmerte ein verdecktes Gefühl, das ich schon bei mehr als einer Gelegenheit darin gesehen hatte, wenn er mich anblickte. Irgendwie wusste ich, dass er in diesem Moment an seine tote Tochter Julia dachte. Ich fragte mich nicht zum ersten Mal, was genau er in mir sah, das ihn an sie erinnerte. Ich wusste, dass sie gestorben war, als Caesar auf der anderen Seite des Meeres mein Volk – die Stämme der Insel der Mächtigen – angegriffen hatte, aber viel mehr wusste ich nicht. Vielleicht hatte sie ihrem Vater einfach nur oft widersprochen. Das taten nicht viele. Cai tat es gerade auf jeden Fall nicht, und ich verstand nicht, warum.

In diesem Moment beschloss Caesar, es selbst zu erklären – noch etwas, das nicht oft vorkam.

»Weißt du, meine Liebe«, sagte er. »Caius versteht, was ich hier tue, und er vertraut mir. Denn ich versuche nur, ihn zu beschützen. Ich habe nicht gelogen, als ich sagte, dass ich in eurer beider Schuld stehe, und ich bin ein Mann, der seine Schulden bezahlt. Und sich nach besten Kräften um seine Freunde kümmert.«

»Ihr beschützt ihn, indem Ihr ihn in die Arena schickt?«, fragte ich. Da ich selbst ziemlich viel Erfahrung mit dieser Lebensform hatte, war ich skeptisch.

Caesar zog die Augenbrauen auf seiner hohen Stirn nach oben. »Du glaubst nicht, dass sich Caius genauso gut behaupten kann wie du?«

Ich fühlte, wie ich rot wurde. »Das wollte ich damit nicht sagen! Ich …«

»Du musst das verstehen, Fallon.« Caesar trank einen Schluck von seinem Wein, bevor er weitersprach. »Und auch du musst das verstehen, Cai. Du bist in weitaus größerer Gefahr in den Straßen Roms als innerhalb der Mauern eines Ludus. Meines Ludus.«

Cai nickte. »Ich verstehe.«

»Ich nicht«, sagte ich. »Nicht wirklich.«

»Was Pontius Aquila getan hat«, erklärte Caesar, »hat er mit außerordentlicher Schläue bewerkstelligt, Fallon. Weil er im Besitz von Sorchas Testament war – natürlich mit Thalestris’ Ergänzung, in dem sie ihm den Ludus Achillea mit Hab und Gut verkauft, und weil Thalestris jetzt tot ist und keine Gegendarstellung zu der Transaktion abgeben kann –, konnte er seinen Handlungen den Anschein von Legitimität verleihen. Seine Geschichte, die er weit verbreitet hat, lautet, dass er den Ludus bis zu meiner Rückkehr für mich in Gewahrsam genommen hat. Er beschuldigt die tote Amazone, ihn über die Umstände der Abwesenheit – und des angenommenen Todes – der ehrenwerten Achillea falsch informiert zu haben. Alles andere, so behauptet er, sei einfach nur ein schreckliches Missverständnis gewesen. Es gibt natürlich niemanden, der das widerlegen könnte, und da er gnädigerweise das Eigentumsrecht an der Gladiatorenschule zurückgegeben hat, jetzt, wo seine Perfidität sich als erfolglos erwiesen hat … tja.« Caesar zuckte mit den Schultern. »In den Augen des Senats, von denen ein großer Teil heimlich gemeinsame Sache mit dem Tribun macht – oder ihm zumindest wohlgesonnen ist –, ist er entlastet. Für den Pöbel vielleicht eine Lachnummer, aber unter seinesgleichen ein Mann ehrenhafter Taten.«

Ich fühlte, wie mein Blut bei dem Gedanken, dass Pontius Aquila für seine Vergehen nicht zur Rechenschaft gezogen werden würde, heiß in meinen Adern brodelte. Ich weiß nicht, ob ich wirklich damit gerechnet hatte. Gehofft, ja, – sogar inständig –, aber ich gewöhnte mich immer mehr an die fast schon selbstverständliche Korruption der römischen Elite. Sie floss durch die Oberschicht der Stadt wie der Fluss Styx: tief im Untergrund verborgen, dick und stinkend, mit einer Strömung, die selbst die besten Männer nach unten ziehen und ertränken würde, wenn sie am Ufer den Halt verlören.

»Caius«, fuhr Caesar fort, »hat dagegen nicht so viel Glück. In den Augen des Senats – und des Volkes – hat er sich des Vatermords schuldig gemacht. Für einen wahren Römer gibt es kein größeres Vergehen. Zu diesem abscheulichen Verbrechen kommt hinzu, dass Decimus Fulvius Varro einer der reichsten und einflussreichsten Senatoren in ganz Rom war. Ein hochdekorierter Kriegsheld. Ein Mann, der von allen geliebt wurde.« Er trank noch einen Schluck aus seinem Becher. »Ein Mann, der mich hasste. Oh, nicht öffentlich, nicht lautstark, aber vehement … und das über viele Jahre.«

Ich starrte Caesar an. »Ihr wusstet davon?«

Caesar nickte. »Und konnte nichts dagegen tun.«

»Aber Ihr habt Cai vertraut.«

»Das habe ich. Das tue ich immer noch.« Er drehte sich um und blickte hoch zu dem Wandteppich, auf dem Jupiter seinen Vater Saturn hoch über seinen Kopf gehoben hatte, bereit, ihn niederzuwerfen. »Der Vater ist nicht der Sohn.«

»Nein«, sagte Cai leise und starrte auf das Bild. »Das ist er nicht …«

»Ich werde das Vermögen deines Vaters treuhänderisch verwalten«, fuhr Caesar fort, »solange bis du dein Erbe gefahrlos zurückfordern kannst. In der Zwischenzeit kann ich dich nur bitten, mir diese Notwendigkeit zu verzeihen.«

»Es gibt nichts zu verzeihen, Herr«, sagte Cai mit einem kurzen Kopfnicken. »Nur Dankbarkeit.«

»Gern geschehen.« Caesar stand auf. »Jetzt geh. Kämpfe gut. Und um der Götter willen, Caius … bleib am Leben.«

Etwas an Caesars Tonfall führte dazu, dass sich meine Nackenhaare sträubten. Ja, Cai, dachte ich, um der Götter willen – deiner und meiner – bleib am Leben.

Als wir auf dem Weg zum Eingangstor der Villa den Innenhof durchquerten, kamen wir an einem Mann vorbei, der auf einer Bank neben einem Springbrunnen saß. Cai nickte ihm kurz zu, ohne langsamer zu werden.

»Die Legionen werden ohne dich ärmer sein«, rief der Mann uns hinterher.

Cai blieb wie angewurzelt stehen, und gemeinsam drehten wir uns zu dem Mann um, der mit einem kleinen, scharfen Messer eine Birne schälte.

»Eine verfluchte Schande ist das«, sagte er, steckte sich eine Obstscheibe in den Mund und leckte die Klinge ab. »Ehrlich. Es tut mir leid, das zu hören, Decurio Varro.«

»Bürger Varro, General Antonius«, sagte Cai und lächelte den Mann gezwungen an. »Oder Gladiator Varro, wenn es Euch beliebt.«

Antonius, dachte ich. Das ist Marcus Antonius.

Natürlich hatte ich von Caesars engem Freund und Schützling gehört – dem brillanten General und berüchtigten Schürzenjäger –, das hatten alle. Das meiste, was ich über den Mann wusste, hatte mir Antonia, meine Gladiatorenschwester, erzählt. Sie war entfernt mit ihm verwandt, als uneheliches Kind eines Vetters dritten Grades im weitverzweigten Antonius-Clan geboren und als Kind schlechter behandelt worden als eine Küchensklavin. Als sie alt genug gewesen war, hatte Antonia beschlossen, ihr Glück als Bettlerin in den Straßen Roms zu versuchen, bevor sie ihren Weg zum Ludus fand. Sie hatte ihren berühmt-berüchtigten Cousin nie persönlich getroffen, wie sie erzählte, aber sie hatte oft genug mit ihm unter einem Dach geweilt, um die Vermutung anstellen zu können, dass die Gerüchte durch den Charakter des Mannes nur bestätigt wurden.

Er war, nach ihren Angaben, ein Schuft. Er war auch, nach den Berichten aller anderen, ein genialer Soldat und gerissener Stratege. Ich nahm mir den kurzen Moment, während er mit Cai sprach, um Antonius’ Gesichtszüge zu studieren. Er sah auf eine Art und Weise gut aus, die man fast hübsch hätte nennen können, abgesehen von seinem Mund, dessen dünne Lippen dafür geschaffen schienen, mühelos von einem Ausdruck der Wärme zu einem Ausdruck von Hohn zu wechseln. Er trug korallenbesetzte silberne Armreifen und einen reich bestickten Umhang, der in dunkelroten Falten hinabfiel und den er über seinem linken Arm zusammengerafft hatte. Sein Haar war dunkel, dicht und sorgfältig in Locken gelegt. Ich versuchte, ihn mir in Soldatenuniform vorzustellen, aber mein Verstand wollte sich diesem Bild nicht beugen. Wahrscheinlich wäre es trotzdem ein Fehler, diesen Mann zu unterschätzen. Als sich die Falten seines Umhangs bewegten, entdeckte ich ein einfaches – und dem Anschein nach oft verwendetes – Kurzschwert, das um seine Hüfte gegurtet war.

»Ach, ja«, sagte Antonius mit einem Grinsen. »Gladiator Varro. Nun ja. Auf dem Feld warst du ein genialer Kämpfer. Bei deinem ersten Kampf in der Arena werde ich dich auf jeden Fall anfeuern.«

»So wie es aussieht, werdet Ihr da wahrscheinlich der Einzige sein.« Cai zuckte mit den Schultern. »Das Volk feiert einen in Ungnade gefallenen Helden nur, wenn es ihn noch weiter demütigen kann. Ich glaube nicht, dass man mich mit Lorbeerkränzen überschütten wird. Aber ich danke Euch.«

»Bedank dich nicht bei mir.« Antonius lachte und warf das Kerngehäuse der Birne, die er aufgegessen hatte, ins Gebüsch neben ihm. »Ich werde dich anfeuern, weil du gewinnen wirst. Du musst gewinnen. Und wenn du das tust, wird das Volk alles vergessen, was du getan hast. So leicht lässt es sich umstimmen, Varro. Vertrau mir.«

Cai vertraute ihm nicht. Das konnte ich deutlich in seinen Augen ablesen.

Insgeheim fragte ich mich, warum Caesar es tat.

Cai lächelte und nickte höflich und erst da schien Antonius mich an Cais Seite zu bemerken. Sein Blick schwenkte zu mir und er musterte mich gänzlich desinteressiert von Kopf bis Fuß. Zunächst. Doch gerade als er sich abwenden wollte, trat ein Funkeln in seine Augen, und er blinzelte. Und lächelte.

»Gehe ich recht in der Annahme, dass du Caesars Favoritin bist?«, fragte er und richtete seine volle Aufmerksamkeit auf mich. »Die Mädchen-Gladiatorin?«

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Cai zusammenzuckte.

»Ich bin Fallon ferch Virico, General Antonius«, antwortete ich. »In der Arena nennen sie mich Victrix. Und, ja, wahrscheinlich bin ich Caesars Favoritin.« Ich legte meinen Kopf schief und lächelte zuckersüß. »Eine davon, zumindest. Ich habe gehört, er hat noch andere.«

Cais Grimasse verwandelte sich in ein Grinsen, das er schnell hinter seiner Hand verbarg.

Marcus Antonius’ Augen blitzten kurz hitzig auf. Aber dann wurde sein Lächeln breiter und entblößte eine Reihe gerader weißer Zähne. »Ich muss leider gestehen, Victrix, dass ich deine Auftritte im Sand bisher verpasst habe«, sagte er, stand auf, griff nach meiner Hand und beugte sich tief darüber. »Das ist natürlich allein mein Verschulden. Eines, dem ich hoffentlich bald Abhilfe schaffen kann.«

»Das hoffe ich auch, Herr«, sagte ich. »Es gibt viele gute Kämpferinnen im Ludus Achillea – auch wenn wir, wie Ihr es nennt, ›Mädchen-Gladiatoren‹ sind. Ihr wäret überrascht.«

»Wahrscheinlich hast du da recht«, sagte er.

Er verstummte, und Cai trat vor, um uns zu entschuldigen. Antonius entließ uns mit einer trägen Handbewegung, und wir setzten unseren Weg fort zu der Kutsche, die auf uns wartete, um mich zurück in die Gladiatorenschule und Cai zurück in die Stadt zu bringen. Ich spürte Marcus Antonius’ Blick zwischen meinen Schulterblättern.

Als wir in der überdachten Kutsche saßen und das Geräusch der Räder und Hufe laut in unseren Ohren dröhnte, während wir über die Steinbrücke klapperten, gab ich alle Haltung, die ich bis dahin bewahrt hatte, auf und machte meiner ganzen Wut über die schiere Ungerechtigkeit von Cais Schicksal Luft. Wahrscheinlich ließ er mich weitaus länger toben, als mir zugestanden hätte. Als er schließlich das Wort ergriff, verstummte ich beim Anblick seiner Miene augenblicklich.

»Fallon.« Seine Stimme war ruhig. Aber so hart, wie ich sie noch nie zuvor gehört hatte. »Ich verstehe, dass du um meinetwillen gekränkt bist, weil du glaubst, dass das, was Caesar als Schicksal für mich bestimmt hat, hart ist.«

Ich schluckte meine wilde Empörung herunter und verknotete meine Hände. »Ist es das nicht?«, fragte ich.

Er lachte. Ein bitteres Hohngelächter. »Ohne Caesars Eingreifen«, sagte er, »hätte mich das volle Strafmaß eines ganz besonderen römischen Gesetzes getroffen. Es heißt poena cullei und ist für diejenigen Bürger reserviert, die sich des Elternmordes schuldig gemacht haben. Ich persönlich bevorzuge da doch die Aussichten, mich auch dem brutalsten Gladiator in der Arena zu stellen.«

»Statt …?«

Er sah mich mit hochgezogener Augenbraue an und sagte trocken: »Statt mich in einen Ledersack voller giftiger Schlangen einnähen und in den Tiber werfen zu lassen.«

Sprachlos blinzelte ich ihn an.

Die Kutsche rumpelte weiter und wir saßen schweigend da.

Ich wusste, dass die Römer ihre Vorfahren verehrten. Dass ihre Väter und Mütter für sie fast gottgleich waren. Und ich wusste, dass Cai seinen Vater angebetet hatte. Das heißt, bis zu dem Moment, als er dem älteren Varro ein Schwert in die Eingeweide gerammt hatte. Um mein Leben zu retten. Mit schockierender Klarheit sah ich immer noch den Moment vor mir, als Cai seinem Vater die Klinge zwischen die Rippen gestoßen hatte. Bis zum Schaft, ohne zu zögern. Ich erinnerte mich an Varros Gesicht, wie er die Hände nach seinem Sohn ausgestreckt hatte … und ich erinnerte mich an Cais Worte: »Du hast keinen Sohn«, hatte er zu seinem Vater gesagt. »Ich sage mich von dir los, von deinem Namen und deinem Blut. Für dich werde ich die Rituale nicht vollziehen, alter Mann. Ich werde keine Münzen für den Fährmann auf deine Augen legen. Du wirst in den Hades fahren, ohne Aussicht, ohne Vermächtnis und ohne Hoffnung, je durch die Felder Elysiums an der Seite des Schattens meiner Mutter zu wandeln.«

Wir hatten nicht wirklich die Gelegenheit gehabt – oder vielleicht hatten wir es auch vermieden –, über das Geschehene zu sprechen. Aber in diesem Moment in der Kutsche begriff ich plötzlich die volle Bedeutung dessen, was Cai getan hatte. Was er gesagt hatte. Er hatte seinen Vater im Wesentlichen mit einem Fluch belegt. Den Mann, der ihn großgezogen hatte, der ihn geliebt und ihn gelehrt hatte, ein Soldat und ein Mann zu sein. Und dann alles verraten hatte, woran Cai glaubte.

Und dadurch war Cai gezwungen gewesen, alles zu verraten, woran sein Volk glaubte.

»Wenn ich nicht gewesen wäre«, sagte ich, »wäre nichts davon jemals geschehen …«

»Nein.« Wieder gebot mir die Schärfe seines Tons Einhalt. »Nicht.«

Nach langem Schweigen seufzte er und griff nach meiner Hand. »Was glaubst du, wäre passiert, wenn ich nie herausgefunden hätte, wer – was – mein Vater wirklich war, Fallon?«, fragte Cai mich. »Wenn ich nie den Gorgonen, der unter der Maske lauerte, bloßgestellt hätte? Was glaubst du, wäre dann mit mir passiert? Mit meiner Seele? Er wollte nichts lieber, als dass ich in seine Fußstapfen trete.«

Ich schüttelte den Kopf. »Aber das hättest du nicht getan.«

»Das weiß ich nicht. Ich kann das nicht mit Sicherheit behaupten.«

»Ich kann das. Du bist der ehrenhafteste Mann, den ich kenne. Und dabei warst du mein Feind, als ich dich zum ersten Mal getroffen habe.«

»Und ich war ein anderer Mann, bis zu dem Tag, als ich dich traf.« Seine Augen wanderten über mein Gesicht, suchten nach etwas … Ich war mir nicht sicher, wonach. Aber er lächelte und sagte: »Fallon, ich bin – ich war – ein Soldat. Ich habe Befehle befolgt. Ich habe getan, was man mir sagte. Es musste erst jemand wie du kommen, der Hals über Kopf in mein Leben stolperte, damit ich begriff, dass ein guter Soldat zu sein nicht gleichzeitig bedeutet, auch ein guter Mann zu sein. Du hast mich dazu gebracht, eine eigene Persönlichkeit sein zu wollen. Ohne dich hätte ich nie allein den Willen dazu aufgebracht. Ich war der Sohn meines Vaters, und ich war Caesars Werkzeug, und jetzt bin ich nichts mehr davon. Aber ich bin … nun ja, wahrscheinlich bin ich ich selbst. Und ich gehöre dir.« Er lachte ein wenig. »Wenn du mich noch willst.«

»Oh Cai …«

Die Kutsche wurde langsamer und blieb stehen. Cai schob den Vorhang beiseite, und ich sah an ihm vorbei und stellte fest, dass wir vor den Toren des Varro-Anwesens angekommen waren. Das Erbe, das Cai erst später antreten konnte, sollte er lange genug am Leben bleiben. Und da schwor ich mir insgeheim, dass ich Morrigan meine Seele verschreiben würde, wenn ich dadurch erzwingen konnte, dass er die Prüfungen, denen er sich im Ludus Flaminius würde stellen müssen, überleben würde. Denn Cai hatte eine Chance erhalten, am Leben zu bleiben. Trotz der barbarischen römischen Gesetze würde er nach dem Tod seines Vaters weiterleben. Aber an der Last der Schuld würde er für den Rest seines Lebens tragen.

Das war Caesars Strafe.

Und das war Caesars Gnade.

III

Ich schien Göttinnen zu sammeln, dachte ich, als ich dem Wachposten an der Mauer zunickte und durch das Haupttor des Ludus Achillea hinausschlüpfte, in die Dunkelheit der Nacht hinein. Oder vielleicht sammelten sie mich.

Das Schwert, das beim Gehen gegen meine Hüfte schlug, war mit dem dreifachen Rabenknoten versehen, einem Symbol Morrigans, meiner eigenen Göttin, die es in ihrer Weisheit für angebracht gehalten hatte, mich mein Schicksal so weit weg von zu Hause suchen zu lassen. In meiner Hand trug ich eine Lampe, als Ersatz für die zerbrechliche Glaslampe, die ich in der Nacht erhalten hatte, in der ich meinen Gladiatorinnen-Eid im Schein der Jägerin Mond abgelegt hatte. Diese hier war etwas weniger zerbrechlich, aus Bronze gefertigt und mit dem Bild der römischen Kriegsgöttin Minerva versehen. Um meinen Hals trug ich eine silberne Kette. An dieser Kette hing ein Anhänger in Form einer weiteren Göttin: Sachmet, die den Kopf einer Löwin hatte und gegen die Feinde Ägyptens Krieg führte. Kleopatra, die ägyptische Königin höchstpersönlich, hatte mir den Anhänger gegeben, und ich hielt ihn in Ehren. Ich hielt sie alle in Ehren.

Aber in dieser Nacht schmiegte sich der Anhänger kalt an mein Brustbein. Die neue Lampe wog schwer in meiner Hand, und das Schwert an meiner linken Hüfte sehnte sich nach seinem Zwilling an meiner rechten Seite, um die Balance beim Gehen zu finden. Doch diese Klinge war zerbrochen. Zerbrochen in zwei Teile im Kampf gegen das Mädchen, dessen Grab ich in dieser Nacht besuchen wollte.

Der Mond hing wie eine Sense am Himmel, eine schlanke, glänzende Sichel, blasser als die Sterne. Aber meine neue Lampe warf genug Licht, damit ich nicht über einen umgekippten Grabstein stolperte, der dem Alter und dem Wetter erlegen war, und direkt neben der niedrigen Steinmauer im Inneren der kleinen Nekropolis lag. Gerade als ich die Totenstadt durch den Torbogen betrat, erstarb die nächtliche Brise, und die Sterne schienen mir heller zuzuzwinkern. Ich ging an den Gräberansammlungen und Statuen vorbei, die den verstorbenen Römern gewidmet waren, die meistens aus Familien der nahe gelegenen Landgüter stammten, die in der üppigen Landschaft um den See Sabatinus herum verteilt waren.

Am anderen Ende des Friedhofs befand sich eine Umfriedung, die vom Rest abgetrennt war. Dort gab es keine protzigen Marmorkrypten, die sich über den Gräbern der dort zur Ruhe Gebetteten wölbten. Keine Statuen. Nur einfache Kopfsteine, die in den Boden eingelassen waren. Ich blieb stehen, als ich die Stelle fand, an der noch vereinzelte Spuren von grauer Asche auf der Erde zu sehen waren – von dem Scheiterhaufen, der hier vor Monaten gebrannt hatte. Ich ging darum herum, bis ich zwischen ihm und einem anderen Grab stand: demjenigen, zu dem man mich ganz am Anfang mitgenommen hatte – zusammen mit all den anderen Mädchen, die später meine Ludusschwestern geworden waren –, um der Bestattung einer Gladiatorin beizuwohnen, die ich nie kennengelernt hatte. Eine Ewigkeit schien seit dieser Nacht vergangen zu sein, seit der allerersten Nacht, die ich im Ludus Achillea verbracht hatte. Lange bevor ich entdeckt hatte, dass die Frau mit der Kapuze, die die Bestattungsrituale durchgeführt hatte, meine Schwester war. Bevor ich wusste, dass ich eines Tages viele weitere Schwestern haben würde. Bevor ich die Schwester getötet hatte, die jetzt in der dunklen Erde unter meinen Sandalen lag.

Ich setzte mich auf den feuchten, kalten Boden und stellte meine Lampe neben den Grabstein, damit ich den dort eingemeißelten Namen lesen konnte. Er war auf Griechisch geschrieben, das ich gerade erst begonnen hatte zu lernen, aber natürlich wusste ich, dass es ihrer war.

»Hallo, Nyx«, sagte ich.

In dieser Nacht stattete ich ihr zum ersten Mal, seit wir ihren Körper verbrannt und ihre Asche mit ihren Waffen und ihren weltlichen Besitztümern begraben hatten, einen Besuch ab. Ich hatte einen kleinen Krug und zwei Becher mitgebracht, und ich setzte mich für einen Moment hin und lauschte dem traurigen Lied einer Nachtigall, bevor ich den Pfropfen zog und zweimal gutes, dunkles britisches Bier ausschenkte. Keinen Wein. Ich würde nie wieder Wein mit Nyx trinken – nicht einmal, wo sie tot und begraben war – nicht nach dem Fest, an dem sie mir mit Alraune versetzten Wein zu trinken gegeben hatte. Aber mit leeren Händen zu kommen, wäre unhöflich gewesen. Ich goss die Hälfte von Nyx’ Becher auf ihr Grab, stellte den Becher ab und sah zu, wie die durstige Erde das Trankopfer gierig aufsog. Dann trank ich einen Schluck aus meinem eigenen Becher und seufzte.

»Ich trinke auf meine Feindin«, murmelte ich und wiederholte Worte, die ich viele Male in der großen Festhalle in Durovernum gehört hatte. »Ich erhebe meinen Becher in Frieden und in der Hoffnung, dass wir, wenn wir uns wiedersehen, Freunde sein können.«

Es war ein altes Ritual, eines der ältesten der Cantae, und ich hatte meinem Vater oft dabei zugesehen. Natürlich nie an einer Grabstätte. Ich bin mir sicher, dass er keine Ahnung hatte, wo die meisten Leichen der Männer, die er im Kampf getötet hatte, begraben lagen. Aber er sprach diese Worte immer an den Jahrestagen zu den Schlachten, die er geführt hatte. Er sprach sie leise zu der dunklen Luft. Zu den Schatten, die ihn heimsuchten.

Ich fragte mich, ob Nyx’ Schatten, wenn ich die Worte richtig sprach, mir gegenüber freundlich gesonnen sein würde. Bei dem Gedanken verschluckte ich mich fast an meinem Bier.

Nicht in diesem Leben, dachte ich, oder im nächsten.

Oder einem der anderen danach.

»Das ist dumm«, seufzte ich. »Wir werden keine Freundinnen sein. Wir werden uns nie im Land der Seligen Toten treffen. Ich weiß noch nicht einmal, wo dein Schatten jetzt wandert …«

Nyx war Griechin, geboren in den Hintergassen eines Ortes namens Athen und von einer Bande Taschendiebe als gemeine Diebin großgezogen. Gefangen und als Sklavin verkauft, war sie nach Rom verschifft und im Forum versteigert worden. Und meine Schwester Sorcha, die gerade zur »Herrin Achillea« geworden war und einen Ludus von Caesar bekommen hatte, um ihn in seinem Namen zu führen, als ihre eigene Karriere in der Arena ein jähes Ende gefunden hatte, hatte etwas in Nyx gesehen. Ein Aufflackern eines eigensinnigen Geistes, eine blutrünstige Widerstandsfähigkeit, einen wütenden Funken, der sich weigerte, gelöscht zu werden … Ich weiß nicht genau, was es gewesen war. Aber so war Nyx in die Gladiatorenschule gekommen.

Sie hatte in ihrem Leben nie wirklich viel Liebe erfahren. Das wusste ich. Und als sie endlich jemanden gefunden hatte, den sie anbeten konnte, jemanden, den sie vergöttern und stolz machen konnte – jemanden wie Sorcha –, hatte Nyx sich dieser Aufgabe voll und ganz verschrieben. Und dazu musste sie nichts weiter tun, als all ihre Wut, die sich ihr Leben lang in ihr angestaut hatte, zu schleifen, zu formen und zu härten und sie in eine Waffe zu verwandeln. Und das hatte sie so gut geschafft, dass sie einen Ehrenplatz im Ludus eingenommen hatte. In ihrem neuen Zuhause. Ihrer Welt.

Mein unerwartetes Eindringen in diese Welt war nicht gut angekommen.

Ich nahm einen Schluck von dem dunklen, bitteren Bier und schüttelte den Kopf. »Ich mache mir Sorgen um dich, Nyx«, sagte ich. »Als du gestorben bist, hattest du nichts weiter als Hass in deinem Herzen. Ich habe es in deinen Augen gesehen. Und es tut mir wirklich leid, dass ich zum Großteil die Ursache dafür war.«

Ich hätte Nyx’ Götter darum gebeten, ihr diesen Hass im Tod zu nehmen, wenn ich nur gewusst hätte, wer ihre Götter überhaupt waren. Ich dachte einen Moment darüber nach und trank noch einen Schluck aus meinem Becher. Was wusste ich über die griechischen Götter?

Ich wusste nur, dass die Römer praktisch dieselbe Götterwelt verehrten, nur unter anderen Namen. Ich fragte mich, ob sie wirklich so austauschbar waren? Die göttlichen Wesen, die trotz ihrer eigenen Kriege, Verderben und verzwickten Beziehungen ihr Bestes taten, um uns Sterbliche durch unser verworrenes und chaotisches Leben zu geleiten? Ich hatte sogar gehört, wie Caesar meine Götter mit römischen Namen anrief. War Lugh wirklich Merkur in einer anderen Gestalt? Waren Morrigan und Minerva Schwestern oder Cousinen oder ein und dieselbe? Vielleicht waren mein Seliges Reich und Nyx’ Elysium, Elkas Walhalla und Neferets Sechet-Iaru alle dasselbe. Oder vielleicht berührten sich die Grenzen dieser Reiche … gingen ineinander über, als würde man durch einen Nebelschleier vom Feld in den Wald wandern. Wie dem auch sei, wahrscheinlich würde es nicht gelingen, Morrigan zu bitten, im Jenseits über Nyx zu wachen. Aber vielleicht könnte ich eine ihr nähere Gottheit finden, die ich darum bitten konnte.

Darum dachte ich über den kommenden Morgen nach. Sorcha hatte mich eingeladen, mit ihr einer Zeremonie in Caesars Tempel der Venus Genetrix in der Stadt beizuwohnen. Er wollte der Göttin ausgewählte Schätze weihen: Kriegsbeute, darunter einen Brustpanzer – ein prächtiges, mit Flussperlen verziertes Rüstungsteil –, den er von seinem Feldzug in Britannien mitgebracht hatte. Sorcha und ich waren die Einzigen, die wussten, dass ereinst ihr gehört hatte. Ich glaube, insgeheim hatte sie es sich als eine Art Ehre schöngeredet, aber ganz sicher war ich mir da nicht. Von der Weihe mal abgesehen, konnte ich einem Haufen Priesterinnen, die herumstanden, sangen und die Luft mit Weihrauch verpesteten, nichts Interessantes abgewinnen, und ich hatte mich immer noch nicht entschieden, ob ich hingehen würde oder nicht.

Aber … Venus war die römische Göttin der Liebe – Nyx’ griechische Gefolgsleute nannten sie Aphrodite – vielleicht war sie also eine Göttin, die es wert war, mit ihr Bekanntschaft zu schließen. Kriegsgöttinnen hatte ich bereits im Überfluss. Ich lächelte vor mich hin und beschloss, dass ich morgen in den Tempel gehen würde, und ich würde ein Gebet zu Venus schicken, damit sie vielleicht Liebe in das Herz meiner toten Feindin säte.

»Mein Stamm glaubt, dass es nie eine gute Idee ist, alleine zu trinken.«

Die Stimme in der Dunkelheit schreckte mich aus meiner Träumerei auf. Ich blickte hoch und sah Elka dort stehen. Ich hatte nicht einmal gehört, dass sie sich genähert hatte. Sie kauerte sich neben mich und zog einen Weinschlauch aus einem Beutel, den sie über die Schulter geschlungen hatte.

»Da haben böse Geister viel zu leichtes Spiel«, sagte sie.