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Begleiten sie Glinda, Mr. Hobbs, den Buchhändler und Ian, den Computer-Nerd auf ihrer Spurensuche in der spannenden Fortsetzung von Ichthys One. Glinda lässt das Verschwinden des Spieluhren-Killers keine Ruhe. Aber ohne Hinweise oder Spuren kommt sie keinen Schritt weiter. So widmet sie sich mit Casey's Unterstützung zunächst ihrem ersten Fall, bis ein Anruf Hoffnung auf Antworten in ihr weckt. Der Anrufer ist Dr. Martin, der Profiler vom FBI, der sie um ein geheimes Treffen bittet. Das Treffen endet mit einem Toten am Strand. Glinda jedoch, hält endlich einen vermeintlichen Hinweis in Ihren Händen und der führt genau in die Stadt in der seinerzeit das erste Mädchen verschwand - nach Orlando...
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Seitenzahl: 392
Veröffentlichungsjahr: 2019
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Andy Klein
ICHTHYS
Two
Impressum
Original Text Copyright © 2019 Andy Klein
1. Auflage
Druck: epubli - ein Service der neopubli GmbH, Berlin
Printed in Germany
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten, einschließlich des Rechts zur Vervielfältigung oder Teilen davon in jeglicher Form. Dieses Buch wurde von Andy Klein selbst herausgegeben.Für Informationen und/oder Fragen wenden Sie sich bitte an [email protected]
Cover-Bilder: Der kleine Mister Tii
Cover-Design: Andy Klein
Inhalt
Hi, da bin ich wieder
Der mysteriöse Fall Thompson... und dergleichen
Tod am Strand
Ethan
Die alte Frau und der Herzinfarkt
Kate
Pferde-Vince
Die Sache mit den versteckten Erinnerungen...
Jim
Die Einladung und die seltsame Mrs. Thompson
Wilder Westen inklusive
Was wir wissen ist ein Tropfen -
Was wir nicht wissen, ein Ozean.
Isaac Newton
Hi, da bin ich wieder
Standen sie schon einmal jemandem gegenüber und haben sich gefragt, was er oder sie wohl gerade denken mag? Sicher erging es dem einen oder anderen Menschen, der ihnen gegenüber stand genauso. Ein Königreich für deine Gedanken, denke ich dann immer... Aber mal Hand aufs Herz. Was wäre, wenn man wirklich die Gedanken des Anderen hören könnte oder gar umgekehrt? Ich denke manche Sachen sollte man einfach für sich behalten dürfen, oder?
Hi, da bin ich wieder, ihre Glinda North. Ich hatte es ihnen ja versprochen und Versprechen sollte man auch immer halten...
Am besten ich erzähle zu meiner und ihrer Erinnerung erst noch einmal kurz was bisher geschah... Also, ich kam frisch von der Uni mit einem Abschluss in forensischer Pathologie und einem Doktortitel in Psychologie in der Tasche. Mein Onkel Bob - seines Zeichens Sheriff - engagierte mich vom Fleck weg als Beraterin, damit ich half einen Kindesentführer zur Strecke zu bringen. Dieser entpuppte sich allerdings als Kindermörder von unvorstellbarer Grausamkeit. Er häutete kleine rothaarige Mädchen, stopfte sie aus wie ein präpariertes Tier und stellte sie öffentlich in Form einer Ballerina zur Schau. Viele Stunden verbrachte ich mit Trudy - der hiesigen Leichenbeschauerin - in der Autopsie. Wir entdeckten jedoch keine konkreten Hinweise, die uns direkt zum Täter führten.
Zusammen mit Casey Alexander vom FBI, Mr. Hobbs, dem liebenswürdigen Buchhändler und Ian, dem Computer-Nerd ermittelte ich mehr oder weniger auf eigene Faust und wir schafften es tatsächlich vier von den vielen entführten Mädchen zu retten. Allerdings hatte das Ganze einen bitteren Beigeschmack. Tony, der Entführer war zwar tot, der eigentliche Kindermörder jedoch war spurlos verschwunden. Die Presse nannte ihn Spieluhrenkiller, da er jedes Mal, wenn er ein Mädchen entführte eine Spieluhr zurückließ und die sich drehende Ballerina darauf aussah, wie das spätere Opfer. Wir allerdings nannten ihn Fischmann, weil er aufgrund eines Gendefektes an Ichthyose litt - Der sogenannten Fischkrankheit, welche die Haut eines Erkrankten wie die Schuppen eines Fisches aussehen lässt. Sie erinnern sich doch noch an unseren Fischmann, von dessen Existenz nur Casey und ich wirklich wussten? Aber auch die kleine Melinda wusste von ihm, eines der Mädchen, das wir hatten retten können. Vielleicht auch noch die anderen drei Mädchen, das wussten wir zu diesem Zeitpunkt nicht. Ja und nicht zu vergessen... Vielleicht sogar unsere Regierung. Das war nach Lynwood's Kommentar im Krankenhaus ja nicht auszuschließen.
"Was glauben sie denn noch gesehen zu haben?", fragte dieser fiese FBI-Schleimbeutel, seines Zeichens Casey's Vorgesetzter.
Das war eindeutig - zweideutig, oder?
Zwar war Casey zu hundert Prozent davon überzeugt den Fischmann mit einem Kopfschuss getötet zu haben und auch ich sah seinen brennenden Körper am Boden liegen, dennoch hatten wir beide so ein komisches Gefühl, was die ganzen Begleitumstände betraf, denn seine Leiche wurde nicht aus dem verbrannten Haus geborgen. Sie war einfach verschwunden. Nun ja, dieser ganze Fall ließ mich doch erheblich an meinen Fähigkeiten als Psychologin zweifeln, aber nicht nur das führte letztendlich dazu eine Detektei zu gründen. Es war der Nervenkitzel und eine innere Stimme die mir sagte, dass es meine Bestimmung war auf diese unkonventionelle Art und Weise Menschen zu helfen.
Der mysteriöse Fall Thompson
…und dergleichen…
Da saßen wir nun zusammengekuschelt auf meinem Sofa - Casey und ich. Ich kann ihnen gar nicht beschreiben, wie glücklich ich in diesem Moment war. Nicht nur dass der Mann, in den ich mich so schrecklich verliebt hatte wieder bei mir war und mich in seinen Armen hielt, nein, er war nach seiner kleinen Auszeit genauso besessen wie ich, herauszufinden was es mit dem Fischmann auf sich hatte. Natürlich erzählte ich ihm, dass sich Ian in den FBI-Computer gehackt hatte und Tony's DNA mit allen gefundenen Spuren übereinstimmte. Von Melinda's Zeichnung erzählte ich ihm, denn zeigen konnte ich sie ihm zu diesem Zeitpunkt noch nicht, da Ian sie in seiner Hemdtasche verschwinden ließ. Ich war wirklich froh, dass Casey nun an meiner Seite war. Normalerweise lässt man seinen neuen Freund ja nicht direkt bei sich einziehen, aber wir kamen zu dem Schluss, dass es vielleicht besser war, dass ich nicht alleine blieb... Unter den gegebenen Umständen natürlich.
»Wir werden schon noch herausfinden was passiert ist.«, sagte er und lenkte anschließend das Gespräch auf Mrs. Thompson.
Sie erinnern sich auch noch an Mrs. Thompson? Linda Thompson, unsere erste Klientin? Es war schon sehr eigenartig, dass unser erster gemeinsamer Fall als private Ermittler ebenfalls ein absolut Mysteriöser war. So, als hätte das Schicksal uns beide zusammengeführt und dazu auserwählt, den nächsten völlig verrückten Fall zu lösen. Zumindest empfand ich es so. Am besten ich beginne einfach mal dort, wo ich beim letzten Mal stehen geblieben war... Also nicht beim Küssen... Sondern bei unserer ersten Klientin natürlich.
Mrs. Thompson hatte uns also bei unserem ersten Kuss unterbrochen und berichtete aufgeregt davon, dass ihr Mann nachts einfach verschwand. Jeweils am darauf folgenden Tag meldete er sich mal aus Georgia oder Virginia, aber auch aus New Mexico und Nevada.
»Sie haben ja keine Ahnung, wie wenig ich in den letzten drei Wochen geschlafen habe. Selbst eine Überwachungskamera haben wir im Schlafzimmer aufgestellt. Ich habe so oft versucht wach zu bleiben, doch irgendwann überfiel mich dann doch die Müdigkeit und er war fort.« Mrs. Thompson schluchzte.
Sie sah aber auch wirklich total übernächtigt aus. Sie hatte stark ausgeprägte dunkelbraune Ränder unter ihren strahlend blauen Augen und im Gegensatz zu ihren braun gebrannten Armen, war ihr Gesicht blass, was nicht nur auf ihre fast schwarzen Haare, oder ihr übertriebenes Make-Up zu schieben war. Sie schien nicht gerade in ärmlichen Verhältnissen zu leben. Sie war gut gekleidet. Ihre langen Fingernägel waren manikürt, orange lackiert und großzügig mit Glitzersteinen verziert. Sie hatte auch eine große Gucci Handtasche neben dem Stuhl auf dem Boden platziert. Aber nicht nur das. Es war mehr als offensichtlich, dass ihr Gesicht bereits mehrfach von einem Schönheitschirurgen bearbeitet wurde.
»Hat denn ihre Überwachungskamera nichts aufgezeichnet?«, fragte Casey.
»Doch, das hat sie! Aber auf jeder Aufzeichnung ist eine ganz kurze Bildstörung. In der einen Sekunde lag mein Mann noch neben mir im Bett und in der anderen war er einfach verschwunden. Ob er schläft oder nicht, er verschwindet und kann sich nicht an das Geringste erinnern.«
Dann übereichte sie mir einen USB-Stick, der ihren Angaben zufolge sämtliche Aufzeichnungen enthielt. Casey begann sie zu ihrem Privatleben zu befragen. Dabei stellte sich heraus, dass sie und ihr Mann Henry erst seit drei Monaten verheiratet waren und dass sie ihn in einer Bar kennenlernte. Dass die Gute ihn nur drei Monate später heiratete wunderte mich dann auch nicht besonders, da sie vorher erwähnte, dass Henry bereits Ehemann Nummer Sechs war. So wirklich viel konnte sie über ihren Mann nicht berichten. Er war vor der Eheschließung als Dachdecker tätig und ihren Ausführungen nach schien er erheblich jünger zu sein als sie. Fragen sie sich gerade, wie alt Mrs. Thompson wohl war? Ja, das fragte ich mich in diesem Augenblick ebenfalls. Ich tue mich wirklich sehr schwer damit, geliftete Damen einem bestimmten Alter zuzuordnen. Eigentlich sind der Hals und das Dekolleté immer ein gutes Indiz, denn diese werden oftmals nicht gestrafft und dann mit Tüchern und hohen Kragen kaschiert. Na ja, es gab ja nun auch Wichtigeres, als das geliftete Gesicht einer nicht in Würde altern wollenden armen Seele... Wo war ich stehen geblieben? Ach ja... also ihr Mann stammte ursprünglich aus New Mexico und das war so ziemlich alles, was sie dazu sagte. Sie konnte wirklich noch nicht mal Auskunft darüber geben, ob ihr Mann Geschwister hat. Wie nannte Casey sie später noch gleich? Oberflächliches Mumiengesicht - So nannte er sie. Na ja, in diesem Fall schien sie mir allerdings nicht oberflächlich zu sein, schließlich sorgte sie sich um ihren Ehemann Nummer Sechs. Auf jeden Fall brachten wir deutlich zum Ausdruck, dass wir ihr Glauben schenkten und dass sie sich unserer Hilfe sicher sein konnte. Voller Dankbarkeit und mit Tränen in den Augen vor Erleichterung überreichte sie mir ihre Visitenkarte. Sie nahm noch eine zweite Visitenkarte, auf deren Rückseite sie noch eine andere Handynummer notierte und diese ließ sie auf meinem Schreibtisch liegen. Dann begleiteten wir sie zur Tür. Obwohl der darauf folgende Tag ein Sonntag war, versprachen wir ihr sie gegen 15.00 Uhr zu besuchen, um ihr Haus mal unter die Lupe zu nehmen. Es war sicherlich auch nicht das Schlechteste, den sich scheinbar immer wieder in Luft auflösenden Ehemann kennenzulernen. Dann verließ sie das Büro.
»Wo waren wir noch gleich stehen geblieben?«, fragte Casey, legte seine Hände auf meine Hüfte und zog mich ganz nah zu sich heran.
Zugegeben, in diesem Augenblick reagierte ich nicht gerade besonders romantisch. Da wollte mich gerade der Mann küssen, von dem ich die ganze Zeit hoffte, dass er zu mir zurückkehrte und ich dachte nur... "Da hast du nun ein tolles Büro, einen superschnellen neuen Computer und ein wirklich schönes Schild an deiner Tür..."
»Wir haben überhaupt kein Equipment...«, sagte ich und Casey starrte mich fragend an. »...Wir brauchen Mikrophone, Kameras und diesen ganzen Überwachungskram. Weißt du was... Ian - Ian weiß bestimmt wo man das ganze Zeug kaufen kann. Komm, wir gehen kurz runter in den Buchladen. Er ist bestimmt noch da.«, doch Casey hielt mich davon ab die Tür zu öffnen.
»Hey! Lass uns doch erst mal die Überwachungsvideos anschauen und dann machen wir in Ruhe eine Liste mit den Sachen, die wir brauchen.« Dann legte er sanft seine Hände auf meine Wangen und gab mir einen sehr zärtlichen Kuss.
»Ich liebe das.«, sagte er anschließend und schaute mir tief in die Augen.
»Was?«
»Du bist so leidenschaftlich bei allem was du tust.«
Das hatte er wirklich nett ausgedrückt, nicht wahr? Ja und ich hatte nichts Besseres zu tun und ruinierte einfach diesen romantischen Augenblick. Leidenschaftlich? Ich nenne es im Nachhinein betrachtet Besessenheit, gepaart mit extremer Aufregung, da tatsächlich bereits am Tag meiner Eröffnung jemand auftauchte, der meine Hilfe brauchte. Letztendlich ließen wir alles stehen und liegen und fuhren nach Hause.
Wie gesagt, nun saßen wir zusammengekuschelt auf dem Sofa, doch statt hemmungslos übereinander herzufallen, unterhielten wir uns erst über den Fischmann und schließlich stand ich auf und steckte den USB-Stick in den Fernseher. Auch wenn Casey jetzt hier wohnte und ich wahnsinnig in ihn verliebt war, so hieß das noch lange nicht, dass ich leicht zu haben war. So bin ich eben nicht. Ich nahm die Fernbedienung, kuschelte mich wieder an ihn und klickte von Aufzeichnung zu Aufzeichnung. Das war wirklich sehr mysteriös, ja schon fast gruselig. Die von Mrs. Thompson beschriebene Bildstörung hatte jeweils eine Dauer von drei bis vier Sekunden, das konnte man an der Uhrzeit am unteren linken Bildrand der Aufzeichnung deutlich sehen. Henry Thompson war also innerhalb von ein paar Sekunden aus seinem Bett verschwunden. Haben sie sowas Verrücktes schon mal gehört?
»Wir brauchen so ein Peil-Ding.«
»Du meinst einen Peilsender.«
»Ja genau. Aber ich glaube sowas kann man nicht mal eben irgendwo kaufen, oder?«
»Was meinst du, was man heutzutage alles im Internet kaufen kann.«, antwortete er lächelnd.
Dieser ganze High-Tech-Kram... Das ist wirklich nicht mein Ding, aber das haben sie ja schon längst bemerkt. Irgendwie war bisher immer jemand da, der sich statt meiner den auftretenden Problemen in allen technischen Belangen annahm, so wie Casey damals am Strand, wissen sie noch? Die Hauptsache war, dass ich alle für die Forensik wichtigen Apparaturen bedienen konnte. Ich bin eben eine ausgebildete Laborratte. Nicht dass sie jetzt denken, ich wäre eine technische Niete... Nein, ich würde mich in der Beziehung eher als "Bequem" bezeichnen, um es charmant zu umschreiben. Manche Dinge empfinde ich eben als lästig und einiges sogar als Lebenszeitverschwendung. Ich bin ja auch keine Bloggerin, die den ganzen Tag lang in allen Einzelheiten davon berichtet was sie so alles anstellt und stundenlang Zeit dafür verschwendet das perfekte Selfie zu schießen. Und sie erinnern sich sicher auch noch daran, dass ich noch immer mein Handy benutzte, das aus den 90er Jahren stammte. Ob sie es mir glauben oder nicht, aber ich hatte bis dato außer Büchern noch nie etwas im Internet gekauft.
Na jedenfalls - Fünf oder sechs Mal schauten wir uns jede dieser qualitativ sehr guten Aufzeichnungen an, aber man konnte darauf absolut nichts Verdächtiges entdecken. Er war da und dann war er weg. Es gab keinerlei Hinweise auf die Anwesenheit einer anderen Person, oder dergleichen. Mrs. Thompson schlief jedes Mal tief und fest neben ihm. So langsam begann ich zu gähnen. Der ganze Tag war ja komplett mit Aufregung verbunden.
»Ich bin doch ganz schön hinüber.«, brachte ich gähnend hervor.
»Na dann komm.«, sagte Casey, stand auf und zog mich an beiden Händen vom Sofa.
Da standen wir nun in dem kleinen Flur. Casey hielt meine Hände in seinen und da sagte er doch tatsächlich zu mir...
»Gehen wir zu dir oder zu mir?«, und er beugte sich zu mir herunter um mich zu küssen.
»Hey...«, antwortete ich. »...So leicht bin ich aber nicht zu haben.«
Verunsichert starrte er mir in die Augen.
»Ich wollte nicht...Also, ich meine ich...«, stotterte er und senkte anschließend seinen Blick zum Boden.
»Für gewisse Dinge sollte man sich etwas Zeit lassen, meinst du nicht? Ich weiß ja noch nicht mal ob du Geschwister hast.«
»Du hast vollkommen Recht.«, dann gab er mir einen langen und leidenschaftlichen Kuss, der mich einen klitze kleinen Moment doch noch darüber nachdenken ließ ihn mit "zu mir" zu nehmen...
»Ich bin übrigens ein Einzelkind, genauso wie du.«, sagte er lächelnd, wünschte mir süße Träume und verschwand im Gästezimmer.
Puh, da stand ich nun und musste doch erstmal tief durchatmen. In meinen Gedanken sah ich ihn, wie er seinerzeit nur mit dem Handtuch bekleidet vor mir stand...
"Nein, ich bin kein leichtes Mädchen.", dachte ich, schüttelte mich kurz und verschwand im Schlafzimmer.
Total erschöpft lag ich in meinem Bett und doch konnte ich mal wieder nicht einschlafen. Ich ließ den Tag im Geiste nochmal an mir vorüber ziehen. Soviel war passiert. Die Vorbereitungen für meine Party, die kleine Melinda, die mir die Zeichnung vom "Monster" gab, Casey, der auf einmal wieder bei mir war und nicht zu vergessen Mrs. Thompson, die mit einer Geschichte aufwartete, die man eigentlich als Normalsterblicher absolut nicht ernst nehmen konnte. Das Erste an das ich denken musste und ich bin mir sicher, dass es ihnen vielleicht genauso ging war, dass er von Aliens entführt wurde. Ich meine, glauben sie an solche Dinge wie Außerirdische, die Menschen entführen? Es gibt ja so unendlich viele Fotos von Ufos, Augenzeugen und Berichte von Menschen, die Opfer einer solchen Entführung gewesen sein wollen. Ich denke bei diesem Thema immer wieder...
"Und wenn nur ein einziges Foto, oder ein einziger Bericht von den vielen Tausenden die es gibt wirklich echt ist..."
Übrigens, Mom und ich dachten auch schon mal, dass wir ein UFO gesehen haben. Damals waren wir spät abends mal am Strand spazieren und plötzlich schwebte dieses Dreieck mit den bunten Lichtern geräuschlos über uns hinweg. Ich weiß noch, dass wir völlig außer uns waren, weil dieses UFO höchstens hundert Meter über uns hinweg schwebte. Ja, und als wir völlig aufgeregt Dad von unserer außerirdischen Beobachtung erzählten, da brach er in schallendem Gelächter aus. Tja, was soll ich sagen, er wies uns darauf hin, dass die Militärbasis in Pensacola ja nicht so weit entfernt lag und das wir nichts anderes gesehen hatten, als eine F-22 Raptor, besser bekannt als Tarnkappenbomber. Ja und in der Tat, das war nicht das einzige vermeintliche UFO, das ich danach noch ein, zwei Mal zu Gesicht bekam. Aber es ist schon faszinierend, dass dieses Flugzeug völlig geräuschlos durch die Lüfte schwebt. Also, wenn sie mal ein dreieckiges Flugobjekt sehen sollten... Es muss nicht zwangsläufig von Aliens gesteuert sein...
Irgendwann schlief ich dann doch ein und ich hatte mal wieder einen verrückten Traum...
Ganz alleine stand ich da - In Trudys Labor und drehte mich orientierungslos ganz langsam im Kreis, bis mein Blick auf den Seziertisch fiel. Dort lag eine komplett mit einem schneeweißen Laken abgedeckte riesengroße Leiche. Ganz langsam ging ich auf die Leiche zu. Ich atmete sehr schwer und meine Hände zitterten. All meinen Mut fasste ich zusammen und hob das Laken schließlich ganz langsam und behutsam an. Ich legte den Kopf der Leiche frei. Eine große Operationsleuchte schaltete sich ein und strahlte ihn an. Er war es - Der Fischmann. Um mich herum war es plötzlich stockfinster, bis auf diese Operationsleuchte, die sein Gesicht erhellte. Ich spürte mein Herz bis zum Hals schlagen. Angewidert stand ich dort und hatte plötzlich eine Rippenschere in der Hand. Schlagartig öffnete er seine Augen und ich spürte gleichzeitig ein heißes Brennen in meinem Bauch und auch meine Haut brannte wie Feuer. Sein Kopf drehte sich in Zeitlupengeschwindigkeit zu mir, so unwirklich, wie ein Roboter. Ich starrte in seine Augen, in seine schwarzen toten Augen, in denen man nichts weißes mehr erkennen konnte. Dann ergriff er meinen linken Arm. Aus seinen Mundwinkeln lief Blut, statt des Schokoladenspeichels, der mir noch in allerbester Erinnerung geblieben war. Ja und dann sprach er zu mir, aber mit einer völlig anderen Stimme.
»Eine Lüge ist nur so gut, wie derjenige, der dich an sie glauben lässt.«
Vor Schreck ließ ich die Rippenschere fallen und ich glaube ich hörte auf zu atmen. Dann flüsterte er...
»Du kannst niemandem vertrauen.«
Schweiß gebadet schreckte ich hoch und saß erstmal total verängstigt, kerzengerade und atemlos in meinem Bett. Ich sag's ihnen, diese Alpträume, sie machten mich so langsam ziemlich fertig. Ich hatte Bauchschmerzen, sprang aus dem Bett und rannte zuerst mal gleich zur Toilette. Als ich anschließend in den Spiegel schaute war ich ziemlich blass und hatte dicke, dunkle Ränder unter den Augen. Während ich in den Spiegel starrte, hörte ich Geräusche, die aus der Küche kamen und als ich auf die Uhr sah, da war es tatsächlich schon kurz nach zehn.
»Oh Mann, wie siehst du denn aus!?«, fragte Casey feststellend, als ich erschöpft zum Tresen schlappte.
Er verteilte gerade aus der Pfanne heraus Rührei auf zwei Teller.
»Na das ist ja eine nette Art seiner neuen Freundin einen guten Morgen zu wünschen.«
Casey stellte die Pfanne ab, kam hinter dem Tresen hervor und nahm mich in seine Arme.
»Guten Morgen, Süße. Was ist denn los?«
»Ach, ich habe nur schlecht geträumt und das ist mir magenmäßig irgendwie nicht so gut bekommen.«
Er küsste meine Stirn und führte mich dann zum Küchentisch. Der Tisch war bereits gedeckt und vor mir stand eine heiß dampfende Tasse Kaffee.
»Ich schätze fettige Eier und Kaffee ist heute nicht das richtige Frühstück für dich. Hast du irgendwo Tee?«
»Ja, ich glaube da oben im Schrank.«
Casey setzte anschließend eine Kanne Wasser auf, während ich eine Scheibe Toastbrot aus der Tüte nahm, diese mit meinen Fingern zerpflückte und mir in kleinen Happen in den Mund schob.
»So wie du aussiehst, da werde ich wohl heute alleine zu den Thompsons fahren müssen.«
Er reichte mir die Tasse Tee und platzierte sich samt Rührei auf die gegenüberliegende Seite des Tisches.
»Nix da! Und wenn ich auf allen Vieren kriechen muss! Das wird schon...« Er sah mich besorgt an. »...Jetzt ess mal. Deine Eier werden ja kalt. Ich lege mich noch eine Runde aufs Sofa.«, sprach ich, schlappte mit meiner Tasse Tee zum Sofa und kuschelte mich in meine Decke ein.
»Brauchst du etwas aus der Apotheke?«
»Nein, nein, ich brauche nichts, danke. Ich muss mich einfach nur ein bisschen ausruhen, dann geht das auch schnell wieder weg.«
Ich trank meinen Pfefferminztee und während Casey irgendwann in der Dusche verschwand schlief ich ein. Zum Glück träumte ich nicht schon wieder etwas Schreckliches...
Als ich erwachte und nach Casey rief, da bekam ich keine Antwort. Auf der Suche nach ihm lief ich durch das ganze Haus und fand schließlich einen kleinen Zettel auf dem Küchentisch.
"Bin Einkaufen"
Ich weiß noch, dass ich dachte: "Na das ist ja ein liebevoller Zettel.", aber ich hatte mich ja auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert, als ich gestern die romantische Stimmung sprengte... Meine Innereien schienen sich beruhigt zu haben, aber ich fühlte mich trotzdem noch ziemlich erschöpft. Also ging ich ins Bad und stellte mich unter die Dusche. Anschließend gönnte ich mir noch eine Tasse Pfefferminztee. Ein bisschen seltsam war es schon... Wie lange Casey wohl schon weg war? Mittlerweile war es schon fast halb eins...
Dann klingelte das Telefon.
»Ja, hallo?«
»Hallo Schatz, ich wollte mich bei dir entschuldigen, dass ich gestern nicht zu deiner Party zurückgekehrt bin.«
»Ist schon okay, Dad...«, antwortete ich. »...Du bist und bleibst ein Workaholic. Dass du überhaupt anrufst!«
»Na was glaubst du? Deine liebe Frau Mutter hat mir die Hölle heiß gemacht. Schließlich war das für dich ein bedeutender Tag.«
»Mach dir keinen Kopf. Ich liebe dich trotzdem, du böser, böser Daddy.«, und ich lachte.
Er erklärte mir, dass er nicht zu mir rüber kommen wollte, weil Mom ihm natürlich von Casey's Rückkehr berichtet hatte. Er wollte die Liebenden nicht stören, wie er sagte. Während er redete spielte ich mit der Visitenkarte von Mrs. Thompson herum. Dann stach es mir in die Augen.
»Sag mal Dad, kennst du eine Linda Thompson?«, fragte ich, denn ich entdeckte unter ihrem Namen das Wort Immobilienmaklerin, was mir gestern irgendwie gar nicht aufgefallen war.
»Linda, der Puma, natürlich kenne ich sie...« Dad brauchte mir nicht zu erklären, weshalb er sie als Puma bezeichnete. Hierzulande betitelt man so jene älteren Frauen, die Jagd auf junge knackige Männer machen. »...Was hast du denn mit der Fratze zu schaffen?«
»Fratze ist auch nicht schlecht. Casey nannte sie Mumiengesicht.«
»Mumiengesicht, das muss ich mir merken.« und er lachte laut.
Natürlich erzählte ich ihm, dass sie meine erste Klientin war, aber natürlich erzählte ich ihm nicht ihre Beweggründe, weshalb sie meine Hilfe in Anspruch nehmen wollte. Klar, dass er nach dem Grund fragte, aber ich verwies ihn auf meine Schweigepflicht gegenüber meinen Klienten. Daddys sind da keine Ausnahme.
»Du brauchst gar nichts zu sagen. Sicher will sie Ehemann Nummer Hundert beschatten lassen. Ich weiß nicht, wie oft sie schon verheiratet war und immer kleine Jungs, die gerade mal die High-School hinter sich gebracht hatten. Hast du eine Ahnung davon, wie alt die Gute ist?«
»Nein Dad, habe ich nicht.«
Ich spürte, dass er sich regelrecht in Rage redete und ich ahnte, dass sein Zorn einen geschäftlichen Hintergrund haben musste.
»Die Gute ist mittlerweile 66, beschäftigt sich nur noch mit diversen Schönheitschirurgen und den Kindern, die sie heiratet. Sie hat so einen Idioten namens Russel Grier als Geschäftsführer eingestellt.«
"Ah-ha!", dachte ich. Das Problem war also nicht Linda Thompson selbst, sondern ihr Geschäftsführer Russel Grier. Allerdings bestätigte mein lieber, zorniger Dad Casey's Eindruck in vollem Umfang. Er beschrieb sie als oberflächlich. Aber mein Gefühl sagte mir, dass sie ihren aktuellen Mann wirklich liebte.
»Ach Daddy, du kannst dir gar nicht vorstellen was für arme Menschen das sind, die nicht in Würde altern können. Ständig auf der Jagd nach der ewigen Jugend verlieren sie immer mehr den Blick für die wahre Schönheit.«
Dann fragte ich ihn noch nach diesem Russel Grier und warum er seine Wut auf diesen Russel auf Linda Thompson projizierte. Na, da schwieg er erstmal.
»Erwischt, was!«
»Also, so geht das ja nicht, deinen alten Vater hier zu analysieren. Ich sage nichts mehr ohne meinen Anwalt.«
Während Dad mir ins Ohr lachte, öffnete sich die Tür und Casey kam herein. Er stellte mehrere Tüten gefüllt mit Lebensmitteln vor den Tresen und schaute mich auch sogleich fragend an. Von meinen Lippen las er dann die Worte "mein Dad" ab und begann anschließend damit die Tüten zu leeren. Kurz darauf beendete Dad auch das Gespräch, da er wie üblich noch dringend in sein Büro musste. Ich erfuhr also nicht mehr, weshalb er so wütend auf diesen Russel war.
»Mein Dad lässt dich herzlich grüßen.«
Casey kam auf mich zu, küsste mich und zauberte wieder eine rote Rose hinter seinem Rücken hervor.
»Wie geht es dir?«
»Mir geht's schon wieder besser.«
»Meinst du, du schaffst das gleich?«
»Mach dir keine Sorgen. Mir geht es gut.«
Zärtlich strich er mir über die Wange und gab mir einen sanften Kuss auf meine Lippen. Dann erst widmete er sich wieder den Einkäufen. Ein bisschen komisch war das schon. Erst dieser lieblose Zettel und nun kehrte er zurück und ich hatte ganz kurz das Gefühl, als würden wir schon zwanzig Jahre lang zusammenleben...
So langsam wurde es auch Zeit sich auf den Weg zu machen. Während sich Casey noch um die Einkäufe kümmerte, verschwand ich im Schlafzimmer und zog mich um.
»Ernsthaft? «, fragte er, als ich zurückkehrte und er auf meine Hose starrte.
Zugegeben - Sneakers und meine alte mit Löchern versehene Jeans waren vielleicht nicht gerade die angemessene Kleidung, um einen seriösen Eindruck zu machen, aber das war mir egal.
»Mein Dad kennt übrigens Linda Thompson.«
»Ja, das dachte ich mir schon.«, war seine prompte Antwort.
Im Gegensatz zu mir hatte er gestern schon das Wort Immobilien-Maklerin auf der Visitenkarte gelesen. Schließlich machten wir uns auf den Weg zu Linda Thompson und spekulierten auf der Fahrt über unsere Vorgehensweise. Aber ohne einen wirklichen Plan, oder irgendeiner konkreten Idee erreichten wir unser Ziel.
Ihr Haus befand sich in der nobelsten Gegend von Naples. Ihr Grundstück war mit einem ziemlich hohen Eisenzaun umrandet und ein riesengroßes Tor versperrte uns zunächst den Weg zu ihrem Haus. Ich ließ den Motor laufen, stieg aus und drückte auf die Klingel. Eine Kamera, die an der Pforte angebracht war, setzte sich in Bewegung und sogleich breiteten sich die beiden Flügel des Eisentores aus, ohne jeglichen Kommentar aus der Gegensprechanlage. Ich winkte kurz in die Kamera, stieg wieder ein und fuhr langsam auf das Grundstück. Der Weg war ganz schön lang, bis wir ihre Villa erreichten. Also, ich muss schon sagen, dieses Häuschen wird schon seine paar Millionen gekostet haben. Ein riesiges gemauertes Bauwerk und unglaublich modern. Es war irgendwie quadratisch, aber dennoch unförmig. Es sah aus, als hätte man riesige Beton-Würfel völlig unwillkürlich über- und ineinander gestapelt. Ich weiß auch nicht, ob ich überhaupt schon mal in meinem Leben so eine drei- und sechseckige Fenster-Konstellation gesehen hatte. Also ich habe wirklich Schwierigkeiten diese Villa zu beschreiben. Deshalb überlasse ich es an dieser Stelle einfach mal ihrer Phantasie, sich dieses abstrakte Gebäude vorzustellen...
Ein hübsches, junges Dienstmädchen, so richtig altmodisch mit dunkelblauem Kleid, schneeweißer Rüschenschürze und inklusive einem weißen Spitzenhäubchen bekleidet, öffnete uns auch sogleich die große Tür aus schwarzem Schiefer.
»Herzlich willkommen Miss North. Mrs. Thompson wird gleich bei ihnen sein.«
"Wow!", dachte ich.
Also, mein Dad war ja nun auch nicht gerade ein armer Schlucker, aber dieser ganze Prunk, der sich uns in dieser riesigen Eingangshalle offenbarte, das machte mich echt sprachlos. Überall war schwarzer Marmor in dem glitzernde Steine eingearbeitet waren, wohin man auch sah. Mindestens drei Treppen zählte ich, die von diesem Raum aus mit ihren goldenen Geländern in unterschiedliche Etagen führten. Ein riesiger goldener Tisch stand in der Mitte und große Palmen in ebenfalls goldfarbenen Blumentöpfen zierten diese Halle. Ein wahnsinnig großes Portrait, locker zwei Meter hoch befand sich an einer Wand. Die junge Frau in diesem irren schwarzen Abendkleid, die dort in Öl an der Wand hing, war eine wahre Schönheit. Man konnte an den einzelnen Gesichtszügen deutlich erkennen, dass es sich um die junge Mrs. Thompson handelte.
»Bitte, folgen sie mir in den Blauen Salon.«, sprach das Dienstmädchen und führte uns nach links in einen großen Raum.
Das Zimmer war genauso protzig wie die Eingangshalle. Die Wände waren in Sandfarben gestrichen und die darauf angewandte Wischtechnik glitzerte ebenfalls in Gold. Lange goldene Vorhänge hingen neben einem dieser sechseckigen Fenster. An einer Wand befand sich ein großer offener Kamin. Unmittelbar vor diesem schwarzen Kamin standen ein sechseckiger goldener Tisch und eine Sofa-Garnitur im Barock-Stil, deren Farbe diesem Raum wohl seinen Namen gab. Sie war mit hellblauem und leuchtendem Samt bezogen.
»Mrs. Thompson wird ihnen gleich Gesellschaft leisten. Bitte nehmen sie doch Platz.« Dann verließ sie den Raum.
»Nicht schlecht die Hütte, was!«, sagte Casey und grinste.
»Also, ich weiß nicht. Das strahlt irgendwie alles keine Wärme aus. Schau nur... Hier ist kein einziges Bild an den Wänden.« Er nickte schweigend.
Während ich mich auf einen dieser großen Ohrensessel setzte, betrachtete er interessiert dieses große ungewöhnliche Fenster und strich mit seiner rechten Hand über den dicken schwarzen Kunststoffrahmen.
»Schön, dass sie gekommen sind.«
Mrs. Thompson trat herein. Sie trug ein leuchtend gelbes Armani-Kostüm. Das verrieten mir die großen goldenen Knöpfe an ihrer Jacke, auf denen man mehr als deutlich den Namen des Herstellers lesen konnte. Casey ging auf sie zu und reichte ihr seine Hand zur Begrüßung.
»Darf ich ihnen etwas zu trinken anbieten? - JASMIN!«
Lautstark rief sie nach ihrer Angestellten und fast glaubte ich ein Echo gehört zu haben, so sehr hallte es in diesem Haus.
Casey und ich lehnten ein Getränk dankend ab.
»Kommen sie, ich zeige ihnen am besten zuerst mal das Schlafzimmer.«
»Wir würden auch ganz gerne mit ihrem Mann sprechen...«, sagte Casey, während wir ihr einer dieser Treppen hinauf folgten. »...Ist er denn zu Hause?«
»Ja, er ist auf der Terrasse. Ich habe nur eine Bitte. Mein Mann wollte nicht, dass ich einen Detektiv engagiere. Er meinte, wenn ich das weiter publik mache, dann sperren sie mich irgendwann in einer Anstalt ein. Die Polizei hält mich ja schon für verrückt. Ich wäre ihnen also äußerst dankbar, wenn sie ihm direkt erklären würden, dass das nicht der Fall sein wird.«
»Machen sie sich keine Sorgen, Mrs. Thompson. Wir wären ja nicht hier, wenn wir ihnen nicht glauben würden.«, sagte Casey beruhigend und ihr huschte ein erleichtertes Lächeln über das Gesicht.
Dann hatten wir das Schlafzimmer erreicht. Es war relativ klein und die Wände waren dunkelrot gestrichen. Außer einem zwei mal drei Meter Bett, zwei Nachtschränkchen und einem schmalen schwarzen Sideboard befand sich nichts in diesem Zimmer. Kein Foto, kein Bild, kein Spiegel... Nur die Videokamera zog noch unsere Aufmerksamkeit auf sich. Diese stand auf dem Sideboard. Ich inspizierte zuerst das Bett, während Casey kurz die Kamera in die Hand nahm, sie aber auch sogleich wieder zurück stellte. Wonach sollten wir überhaupt suchen? Nach einem Wurmloch? Es gab absolut nichts Ungewöhnliches in diesem Schlafzimmer, außer dass es ebenfalls völlig lieblos und ohne Leben gefüllt war.
»Also hier ist nichts Ungewöhnliches zu entdecken. Denken sie, wir könnten jetzt mal mit ihrem Mann sprechen?«, fragte Casey.
»Natürlich, bitte folgen sie mir.«, und wir folgten ihr wieder die Treppe hinunter.
»Wie lange leben sie schon in diesem Haus?«, fragte ich.
»Seit fast acht Jahren.«, war ihre prompte Antwort.
Das war eine lange Zeit. Eigentlich hatte ich gehofft, dass sie noch nicht so lange hier wohnte. Das hätte zumindest diese kahlen Wände erklärt. Es kam auch kein Kommentar, wie "Ich habe gerade erst renoviert, da fehlen noch ein paar Bilder an den Wänden...", oder ähnliches. Psychologisch betrachtet sah es also in ihrem Inneren genauso trostlos aus, wie ihre gesamte Inneneinrichtung - Kalt und leer.
Mrs. Thompson führte uns durch eine Schiebetür auf die Terrasse. Ihr Mann Henry lag auf einer großen Liege direkt am Swimmingpool und sonnte sich.
»Der sieht aber nicht wie ein Henry aus.«, flüsterte mir Casey ins Ohr und ich gab ihm Recht.
Henry Thompson war dunkelbraun gebrannt und hatte pechschwarzes kurzes Haar. Sein Körper sah aus, wie der eines professionellen Bodybuilders. Jeder einzelne Muskel seines Körpers war klar definiert. Dagegen sah Casey, der ja auch einen ziemlich ansehnlichen Körper vorweisen konnte, wie ein schmächtiger Zwerg aus.
»Henry - Darling, ich möchte dir gerne jemanden vorstellen...« Henry stellte sein mit einem Schirmchen verziertes Cocktailglas auf einen Beistelltisch und schob seine schwarze Designersonnenbrille kurz nach oben. »...Darling, das sind Miss North und Mr. ...?«
»Alexander, Casey Alexander.«, vollendete Casey den Satz.
»Miss North und Mr. Alexander sind private Ermittler.«
Blitzschnell zogen sich seine zuerst interessiert lächelnden Mundwinkel nach unten und er platzierte seine Sonnenbrille wieder auf seiner Nase.
»Linda!«, brachte er entrüstet über seine Lippen.
»Darling, ich weiß was du sagen willst, aber diese beiden Menschen wollen uns wirklich helfen und sie halten mich auch nicht für verrückt.«
Henry stand auf und was soll ich sagen, dieser Typ entsprach nicht so ganz dessen, was Dad mir über ihre Vorlieben für Jungs, die gerade die High-School hinter sich gebracht hatten, berichtete. Also um es mal so auszudrücken... Männlicher geht's nicht. Viel zu männlich für meinen Geschmack. Dieser Hüne, der mir widerwillig seine Hand entgegenstreckte war mindestens so groß wie mein lieber Onkel Bob, also so um die zwei Meter. Unter seinen Achseln mussten sich die berühmt berüchtigten Rasierklingen befinden, denn seine Arme standen weit von seinem Oberkörper ab. Diese ganze Erscheinung erinnerte mich in diesem Moment an Lou Ferrigno, sie wissen schon... den unglaublichen Hulk.
»Kommen sie. Wir setzen uns in den Schatten. JASMIN!«
Wir folgten Mrs. Thompson in einen aus Fichtenholz erbauten Pavillon, der etwas weiter hinten in ihrem Garten stand. Wir hatten gerade Platz genommen, da kam Jasmin mit einem Tablett, auf dem sich eine Kanne Eistee und vier Gläser befanden. Hier draußen war es wirklich sehr heiß und schwül, so dass wir nun ein kühles Getränk dankbar annahmen.
»Mr. Thompson...«, sprach Casey und wurde gleich von ihm unterbrochen.
»Mein Name ist nicht Thompson. Mein Name ist Fernandez, Henry Fernandez.«
»Aus geschäftlichen Gründen habe ich den Namen meines Mannes nicht angenommen, sie verstehen schon.«, sagteMrs. Thompson und nippte an ihrem Eistee.
»Bevor sie fragen... Meine Mutter stammt aus Brasilien und mein Vater war ein amerikanischer Soldat.«
Nun, das erklärte natürlich sein gesamtes südamerikanisches Erscheinungsbild. Henry's Stimme war sehr schroff. Man spürte, dass ihn unsere Anwesenheit nicht gerade erfreute.
»Bitte, Henry! Sie wollen uns doch nur helfen.«, zischte ihm Mrs. Thompson zu.
Doch Henry Thompson - Entschuldigung, ich meine natürlich Henry Fernandez, nahm noch nicht einmal seine protzige Sonnenbrille ab.
»Was soll ich ihnen denn erzählen? Ich weiß ja selber nicht was mit mir passiert. Am Abend schlafe ich in unserem Bett ein und wache am nächsten Morgen woanders auf. Ich weiß gar nichts. Ich kann ihnen nicht helfen.«
Oh Mann! Dieses Gespräch war wirklich kein Einfaches...
»Haben sie vielleicht ein zeitliches Muster bemerkt?«
»Sie meinen, ob das an bestimmten Tagen passiert ist?«, fragte mich Mrs. Thompson.
»Ja genau, passiert es an einem bestimmten Wochentag, oder zum Beispiel alle fünf bis sechs Tage?«
Fragend schaute Mrs. Thompson ihren Henry an. Er schob kurz seine Sonnenbrille hoch und zuckte nur, mit einem nicht gerade intelligenten Gesichtsausdruck, die Schultern. Casey hatte anscheinend genug gehört und gesehen, denn er stand plötzlich auf. Ich allerdings hatte noch so viele Fragen. Er nötigte mich jedoch zu fahren.
»Am besten, wir bestücken sie mit einem Peilsender, den sie nachts am Körper tragen. Falls sie nochmal spurlos verschwinden, dann können wir zumindest schon mal ihren Weg nachvollziehen...«
"Peilsender, der war gut. Wenn wir bloß schon einen hätten!", dachte ich.
»Wir melden uns in den nächsten Tagen dann bei ihnen.«, sagte Casey.
Henry lächelte ganz im Gegensatz zu seiner Frau. Es war nicht zu übersehen, dass er froh war, dass wir endlich das Weite suchten. Wir verabschiedeten uns von ihm und Mrs. Thompson begleitete uns zum Ausgang.
»Ich möchte mich für meinen Mann entschuldigen. Er ist eben sehr besorgt, dass man uns für Verrückte hält. Er will mich nur beschützen. Nehmen sie es ihm nicht übel. Er ist sonst nicht so.«
»Keine Sorge Mrs. Thompson, wir werden schon herausfinden, was mit ihrem Mann passiert.«, entgegnete ich ihr, während Casey - für sie unsichtbar - die Augen verdrehte.
»Ich gehe davon aus, dass sie diese Sache so diskret wie möglich behandeln. Ich kenne ihren Vater, Miss North. Ich hoffe, sie sind so ehrbar wie er und stehen zu dem was sie sagen.«
»Selbstverständlich - Sie können sich auf uns verlassen. Ich gebe ihnen mein Ehrenwort.«
Dankbar nahm sie meine Hand und schon wieder entdeckte ich Tränen in ihren Augen.
»Mrs. Thompson, falls ihr Mann in der Zeit bis wir ihnen den Peilsender übergeben noch mal verschwindet, dann melden sie sich bitte bei mir.«, und ich übergab ihr meine Visitenkarte.
Ja, ich hatte tatsächlich Visitenkarten drucken lassen und war nicht mehr auf Zettel und Kugelschreiber angewiesen.
»Miss North, wir haben uns noch nicht über ihr Honorar unterhalten. Bitte, nehmen sie diesen Scheck und betrachten sie ihn als Anzahlung. Ich zahle ihnen nochmal die gleiche Summe, wenn sie dafür sorgen, dass mein Mann nicht mehr verschwindet.«
Zögernd nahm ich den Scheck entgegen und musste wirklich schlucken, als ich den Betrag las, der dort eingetragen war... 25.000 Dollar.
»Mrs. Thompson...ich...«, stammelte ich.
»Ich denke, diese Summe ist angemessen.«, unterbrach sie mich und ich erkannte am Klang ihrer Stimme, dass ich diesen Scheck nicht ausschlagen sollte.
»Die Summe ist mehr als großzügig. Vielen Dank!«
Es gab für mich drei gute Gründe, dass sie eine so großzügige Anzahlung springen ließ. Zum ersten, als Druckmittel - Zum zweiten aus Dankbarkeit, weil wir uns ihrer annahmen und der letzte Grund... weil sie es eben konnte. Ich dachte aber nicht weiter darüber nach, denn jetzt hatte ich eine Sorge weniger. Für das ganze Equipment, hätte ich meinen Vater um finanzielle Hilfe bitten müssen und sie wissen ja sicher noch, dass er nicht gerade vor Begeisterung platzte, was meine Berufswahl anging. Außerdem hatte er ja schon ein Vermögen für mich ausgegeben... Das Pool-Haus, das Büro, das Auto... Ich weiß, er hätte mir sicher das Startkapital gegeben, wenn ich ihn gefragt hätte, aber so kam ich eben um unangenehme und missbilligende Blicke herum. Dad hätte sicher nicht noch mal versucht mir meinen neuen Job auszureden, das war nicht seine Art, aber seine Gedanken konnte man stets sehr gut in seinem Gesicht ablesen... Haben sie sich schon mal Geld leihen müssen? Gerade bei den Eltern ist das ein beschämendes Gefühl. Man will sie ja eigentlich stolz machen und ihnen beweisen, dass man auf eigenen Beinen steht. Nun ja... Jedenfalls verabschiedeten wir uns von Mrs. Thompson und gingen zum Wagen.
»Was sollte denn das? Ich hatte doch noch so viele Fragen. Wo genau wacht er auf und wie kommt er nach Hause?«, fragte ich, als wir im Wagen saßen.
»Ach Shorty.«, war erst mal sein einziger Kommentar.
»Wieso ach Shorty?«
»Dieser Fernandez zieht hier irgendeine miese Nummer ab um seine Frau loszuwerden.«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Ich bitte dich, glaubst du diese ganze Geschichte etwa?...« Ich schwieg und starrte ihn an. »...Ein Prachtexemplar von einem Mann, heiratet ein reiches Mumiengesicht. Als ich den Typen sah, da wusste ich, dass er einen Plan hat an das Geld der Guten zu kommen.«
»Also, ich weiß nicht, hältst du ihn für so schlau?«
»Du bist doch die Psychologin, sag du es mir. Ich für meinen Teil denke die Gute hat ihn einen Ehevertrag unterscheiben lassen, bei dem er komplett leer ausgeht. Was liegt da näher als seine Frau in eine Nervenheilanstalt einliefern zu lassen.«
Casey gelang es mich nachdenklich zu stimmen. War ich wirklich so fixiert auf einen außergewöhnlichen Fall, wie der mit unserem Fischmann? Dieser Fall klang nun mal ebenso mysteriös. Vielleicht hatte er ja Recht und ich ließ mich von meinen Emotionen leiten und war naiv, statt den gesunden Menschenverstand einzuschalten. Ja, es konnte durchaus etwas dran sein an seiner Vermutung. Das Einzige, was dagegen sprach war, dass dieser Typ nun wirklich nicht gerade Intelligenz versprühte und sein Abwehrverhalten entsprach ja auch dem, was Mrs. Thompson uns zuvor vermittelte.
»Ich weiß nicht, ich halte ihn nicht für besonders intelligent.«
»Na, wir werden ja sehen. Was hältst du von einer kleinen Wette?«
»Okay! Um ein schickes Abendessen?«
»Abendessen hört sich gut an.«, sagte er und besiegelte unsere Wette mit einem Kuss auf meine rechte Wange.
»Ich schlage vor, wir sollten Henry Fernandez observieren, bis wir den Peilsender haben.«
»Okay, einverstanden...«, sagte Casey. »...Das übernehme ich sehr gerne.«, und er grinste.
Wir machten uns nun auf den Weg ins Büro. Der Buchladen war geschlossen, wie sollte es auch anders sein, es war ja schließlich Sonntag und sonntags arbeitete Mr. Hobbs nie.
Es gab ja nun wirklich so einiges zu organisieren. Ich überließ es Casey sich um die benötigten elektronischen Gerätschaften zu kümmern. Er kannte sich dahin gehend nun mal generell besser aus, so als Ex-FBI Agent.
»Kauf aber nur gutes Zeug!«, sagte ich und hielt Casey den Scheck vor die Nase, den er bis dahin noch nicht gesehen hatte.
»Wow, na das nenne ich ja mal großzügig.«
»Ich nenne das Liebe.«
»Kann schon sein, aber nur einseitig.«
»Na, wir werden ja sehen.«
»Ja, wir werden sehen, dass ich Recht habe.« und Casey grinste.
»Dein Grinsen wird dir dann schon vergehen, mein Lieber.«, und ich drückte ihm einen dicken Kuss auf seine Wange.
Während er dann im Internet entsprechende Bestellungen aufgab, kümmerte ich mich um das Party-Chaos, das noch im Büro herrschte.
»Weißt du was mir gerade einfällt?...«, sagte ich, als ich den zerflossenen Rest Sahnetorte im Müll verschwinden ließ. »...Wir könnten eine Sekretärin - Schrägstrich - Empfangsdame gut gebrauchen. Du wirst ja wohl morgen erst mal Schlaf nachholen und ich werde dann dazu verdammt sein, hier im Büro zu sitzen, falls potentielle Klienten hier auftauchen sollten.«
Casey stand plötzlich neben mir, nahm mir die Abfalltüte aus der Hand und legte seine Hände auf meine Hüften.
»Wie du meinst Boss, du kannst es dir ja leisten. Aber morgen musst du noch in den sauren Apfel beißen. Ich habe alles per Express-Lieferung bestellt und das meiste wird hoffentlich morgen schon geliefert. Sag mal, hast du eigentlich keinen Hunger? Du hast ja heute so gut wie nichts gegessen.«
Als ob er einen Knopf bei mir gedrückt hatte, machte sich mein Magen lautstark bemerkbar.
»Komm...«, sagte er lachend. »...Den Rest kannst du ja auch noch morgen wegräumen. Dann wird es etwas weniger langweilig für dich.«
»Ha - Ha, sehr witzig.«
Daraufhin ließ ich alles stehen und liegen und wir machten uns auf den Weg zum Denny's Diner. Die leckere hausgemachte Hühner-Nudel-Suppe, die sie dort verkauften, war genau das Richtige für meinen geschundenen Magen-Darm-Trakt.
»Hey, was für ein Zufall! Kommt, setzt euch zu mir.«
Ian saß alleine an einem Tisch gegenüber der langen Theke, aß ein Stück Limettenkuchen und winkte uns mit seiner Gabel zu sich an den Tisch. Ich freute mich ihn zu sehen. Casey's Begeisterung hielt sich allerdings in Grenzen. Von Neugier getrieben fragte er natürlich nach der gelifteten Immobilien-Maklerin, die zu uns ins Büro kam.
»Du bekommst auch alles mit, was!«, sagte Casey abwertend.
»Hey, wir alle da unten haben das mitbekommen. Deine Mom meinte direkt, dass sie sie kennen würde. Ist sie unser erster Fall? Ich meine, dass mit dem Job war doch nicht nur so daher gesagt, oder?«
»Wieso sollte ich auf so einen Super-Hacker wie dich verzichten wollen.«, sagte ich und lächelte.
Casey seinerseits lächelte auch, aber ich sah im Augenwinkel, dass es nur ein aufgesetztes Lächeln war. Na, jedenfalls gaben wir zuerst unsere Bestellung auf und dann erzählte ich Ian alles was wir bis zu diesem Zeitpunkt wussten. Natürlich stellte er sofort die wildesten Theorien auf, die mich teilweise laut lachen ließen, wie zum Beispiel: "Vielleicht ist der Typ ja der Flash und weiß es nicht.", oder... "Das hat bestimmt mit Teleportation zu tun, oder mit Aliens, die ihn dann einfach irgendwann und irgendwo aussetzen, nachdem sie fiese Experimente an ihm durchgeführt haben."
»Oder er will einfach nur seine superreiche Frau loswerden und mit ihrem Geld ein glückliches Leben zusammen mit einem attraktiven und jungen Fotomodel führen.«, brach es aus Casey heraus.
»Wir werden ja sehen.«, war mein einziger Kommentar und dann erzählte ich Ian von unserer Wette.
Irgendwie war das nicht gerade der Beginn einer wunderbaren Beziehung. Gleich mal eine Meinungsverschiedenheit zwischen den Verliebten. Aber um ganz ehrlich zu sein... Als ich so Ian's wilden Spekulationen lauschte und Casey anschließend diesen Satz sagte... Na, was würden sie da denken? Wahrscheinlich hatte er wirklich Recht, aber nur wahrscheinlich...
Casey begann irgendwann zu drängeln. Er wollte wenigstens noch ein bis zwei Stündchen schlafen. Schließlich hatte er sich angeboten Henry Fernandez zu oberservieren. Er stand auf und ging zur Kasse um zu bezahlen.
»Hast du noch etwas herausgefunden? Ich meine was diesen Ichthys-Kranken betrifft?«
»Ichthyose-Kranken. Nein. Du?«
»Ich durchforste gerade das Internet. Also die Zeichnung von der Kleinen... Oh Mann, das ist ja wirklich gruselig. Sah der denn wirklich so aus?«
»Viel schlimmer, Ian.«, und ich dachte an meinen Traum.
»Also, ich weiß nicht einmal, wo wir mit unserer Suche beginnen sollen.«, sagte er und schob sich mit der Gabel ein riesiges Stück Kuchen in den Mund.
»Aber ich habe noch eine Idee. Wie wäre es, wenn wir die anderen Kinder noch befragen. Vielleicht hat ja eines der Mädchen noch etwas Wichtiges zufällig aufgeschnappt.«
»Hey, keine schlechte Idee. Das ist ja schon mal was.«, erwiderte er schmatzend.
»Sag mal Ian, du kennst nicht zufällig jemanden, der einen Bürojob sucht?«, wechselte ich das Thema.
Manchmal schießen einem die Gedanken quer durch den Kopf, gerade wenn es gilt ein Problem schnellstmöglich zu lösen. Ich erklärte ihm kurz die Sachlage und er kannte tatsächlich jemanden...
»Penelope, eine Freundin von mir, die sucht schon seit längerer Zeit einen neuen Job. Die wär was für dich. Ich ruf sie gleich mal an.«
War das nicht super? Geistesblitze bewirken oftmals etwas Gutes, nicht wahr?
»Können wir?«, sagte Casey auffordernd, der unbemerkt wieder neben mir am Tisch stand.
»Sicher...«, antwortete ich etwas erschrocken. »...Bis dann, Ian - Und du gibst mir Bescheid, wegen deiner Bekannten?«
»Yo Glinda, ich ruf dich nachher an.«, und er machte sich über das nächste Stück Limettenkuchen her, das die Kellnerin ihm reichte.
»Was habt ihr denn noch alles besprochen?«, fragte Casey als wir im Wagen saßen.
»Wir wollen mal die anderen Kinder befragen. Es sei denn, du hast vielleicht eine bessere Idee, wo wir unsere Suche nach dem Fischmann ansetzen könnten?«
Casey verneinte meine Frage und befand meinen Vorschlag als super. Allerdings schien er ein kleines Problem mit Ian zu haben. Ich fragte aber nicht nach, denn der Grund seines Unmutes lag für mich eigentlich klar auf der Hand. Er war noch sauer wegen den Bananen, die er damals in den Auspuff seiner Kollegen stopfte. Sie können sich ja sicher noch gut daran erinnern. Wir wollten, dass sie uns nicht folgten, was ja auch funktionierte und Casey wurde aufgrund dieser Aktion suspendiert. Vielleicht gab er ihm sogar eine Mitschuld an seiner Entlassung. Aber das wollte ich ihn zu diesem Zeitpunkt nicht fragen. Vielleicht lag ich mit meiner Vermutung ja auch falsch, denn da stand ja nach wie vor Lynwood's letzter seltsamer Satz im Raum... Nein, die Beiden würden sich schon noch anfreunden. Auch als Psychologin muss man nicht immer alles bis aufs Kleinste analysieren und ausdiskutieren. Manche Dinge regeln sich eben auch oftmals von ganz alleine und darauf vertraute ich, denn Ian, genauso wie Mr. Hobbs waren in kürzester Zeit zwei sehr wichtige Menschen in meinem Leben geworden.
Casey natürlich auch...