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In Berlin hat sich in den vergangenen Jahren eine erstaunliche Anzahl von Vertretern des digitalen Publizierens angesiedelt. Ihre gemeinsame Sprache ist ein Code, der E-Book-Code, der weltweit verständlich und global in Benutzung ist. Im Rahmen des Stadtsprachen-Festivals im November 2016 in Berlin, gefördert vom Hauptstadtkulturfonds, schaut diese Anthologie auf das, was diese internationale digitale Sprache ausmacht. Auch auf Englisch erhältlich. Die vier Berliner Verlegerinnen-Autoren Kathrin Passig (Techniktagebuch u.a.), Nikola Richter (mikrotext), Ansgar Warner (ebooknews) und Gregor Weichbrodt (0x0a/Frohmann) diskutieren ihre Standpunkte, Erfahrungen, Widerstände in vier Kurztexten. Für diese Textsammlung erläutern zusätzlich vier wichtige Autoren Berlins ihren literarischen Zugang zum Netz: Assaf Alassaf, ein syrischer Autor, erzählt von der Zwickmühle, einerseits frei in die Welt hinein auf Facebook zu schreiben, andererseits aber die besten Ideen auch an traditionelle Medien verkaufen zu wollen. Asal Dardan, iranisch-stämmig, Berlin-sozialisiert, in Schweden lebend, hat über das Internationale am E-Book nachgedacht. Der Netzpoet Alan Mills aus Guatemala, in Berlin und Wien wohnhaft, betrachtet Facebook-Texte mit Kafkas Augen. Chloe Zeegen, deutsch-englische Autorin, auch in Berlin lebend, verbindet in ihrem assoziativ-philosophischen Text das Heilsversprechen des Internets mit biblischem Versprechen.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 75
Veröffentlichungsjahr: 2016
Assaf Alassaf, Asal Dardan, Christiane Frohmann, Alan Mills, Kathrin Passig, Nikola Richter, Ansgar Warner, Gregor Weichbrodt, Chloe Zeegen
Global & Beta
E-Book Code Berlin
mit Übersetzungen von Sandra Hetzl, Maja Hoock und Magda Kotzurek
ein mikrotext
Lektorat: Nikola Richter
Cover: Andrea Nienhaus
Coverfoto: ePub-Code aus diesem E-Book
Covertypo: PTL Attention, Viktor Nübel
Version 2, Februar 2017
www.mikrotext.de – [email protected]
ISBN 978-3-944543-41-3
Alle Rechte vorbehalten. Erschienen zur Veranstaltung Global & beta während des Stadtsprachen-Festivals Berlin. © mikrotext und Stadtsprachen Festival 2016, Berlin.
In Berlin hat sich in den vergangenen Jahren eine erstaunliche Anzahl von Vertretern des digitalen Publizierens angesiedelt. Ihre gemeinsame Sprache ist ein Code, der E-Book-Code, der weltweit verständlich und global in Benutzung ist. Im Rahmen des Stadtsprachen-Festivals im November 2016 in Berlin, gefördert vom Hauptstadtkulturfonds, schaute die Veranstaltung Global & beta auf das, was diese internationale digitale Sprache ausmacht: Die vier Berliner Verlegerinnen-Autoren Kathrin Passig (Techniktagebuch u.a.), Nikola Richter (mikrotext), Ansgar Warner (ebooknews) und Gregor Weichbrodt (0x0a/Frohmann) diskutieren über ihre Standpunkte, Erfahrungen, Widerstände. Das Gespräch wurde aufgezeichnet, transkribiert und ungekürzt später diesem E-Book zugefügt. Die erste Version des E-Books bestand aus ihren kurzen Positionen zum E-Book vertreten. Diese sind natürlich immer noch enthalten.
Für diese Textsammlung haben wir zusätzlich vier wichtige Autoren Berlins nach ihrem literarischen Zugang zum Netz gefragt. Assaf Alassaf, ein syrischer Autor, erzählt von der Zwickmühle, einerseits frei in die Welt hinein auf Facebook zu schreiben, andererseits aber die besten Ideen auch an traditionelle Medien verkaufen zu wollen. Asal Dardan, iranisch-stämmig, Berlin-sozialisiert, in Schweden lebend, hat über das Internationale am E-Book nachgedacht. Der Netzpoet Alan Mills aus Guatemala, in Berlin und Wien wohnhaft, betrachtet Facebook-Texte mit Kafkas Augen. Chloe Zeegen, deutsch-englische Autorin, auch in Berlin lebend, verbindet in ihrem assoziativ-philosophischen Text das Heilsversprechen des Internets mit biblischem Versprechen.
Impressum
Inhalt
Titelseite
"Verlegen im Digitalen": Transkript der Diskussion am 2.11.2016
Alan Mills: Facebook ist nicht Franz Kafka
Chloe Zeegen: Verbunden
Assaf Alassaf: Invasion der Vollidioten und ihr Gekritzel
Asal Dardan: Digitale Heimat
Ansgar Warner: Die Macht ist stark im Code
Christiane Frohmann: Nicht E-Books oder Bücher machen, sondern Literatur. Ein Selfie-Cut
Kathrin Passig: Ein Buchkauf am äußersten Rande des Internets
Nikola Richter: Googlism für E-Book
Weitersagen
Die Autorinnen und Autoren
Die Übersetzerinnen
Über mikrotext
Katalog
Abu Jürgen von Assaf Alassaf (Leseprobe)
Digitale Love Story (Leseprobe)
Essay von Alexander Kluge (Leseprobe)
Diskussion in der Blogfabrik am 2. November 2016
Global & beta
E-Book Code Berlin
Anthologie
Nikola Richter: Ich fange an, ich schmeiße den Ball in die Runde. Die Frage ist kurz und hoffentlich nicht zu schwierig: Was bedeutet für euch heute Verlegen im Digitalen?
Kathrin Passig: Alle gucken ein bisschen ratlos. Du hast mich jetzt als erste aufgerufen, weil ich als erste gezuckt habe. Ich habe nur gelacht, weil ich erst im Vorfeld dieser Veranstaltung gemerkt habe, dass ich da als Verlegerin gefragt bin. Das liegt daran, dass es das Techniktagebuch gibt: Das ist ein Blog, das seit zweieinhalb Jahren existiert, ich habe es damals, Februar 2014, gegründet. Es hat inzwischen ungefähr 50 regelmäßige und ungefähr 300 gelegentliche Autorinnen und Autoren. Davon gibt es auch E-Book-Fassungen: Die erste haben wir gemacht zum Einjährigen und dann einedazwischen und dann eine zum zweijährigen Jubiläum. Jetzt allmählich nähert sich das Buch zum dritten Bloggeburtstag, und das qualifiziert mich jetzt dazu, über das Verlegen zu reden, weil vorher hatte ich das auch noch nie gemacht. Insofern: Da mir das jetzt eben erst wegen dieser Veranstaltung klar geworden ist, dass ich jetzt Verlegerin bin, kann ich nicht sagen, dass ich mir jetzt schon ein berufliches Selbstverständnis zurecht gelegt hätte – tut mir leid! Habt ihr eines?
Ansgar Warner: Naja, ich würde sagen: Vor allen Dingen digital! Weil das heutzutage doch so einfach ist und der Einstieg niedrigschwellig. Man kann mit Bloggen anfangen, dann ist man im Grunde schon Publisher, wie das heutzutage heißt – es ist ja relativ egal, was man publisht, man kann auch einen YouTube-Kanal haben. Die Distribution übernehmen das Internet oder irgendwelche Plattformen. Im Grunde genommen war es für mich so: Ich habe vorher schon für Zeitungen geschrieben, aber das war eher Print. Irgendwann habe ich angefangen zu bloggen, und irgendwann hat sich das zum Verlegen ausgeweitet. Weil ich auch über E-Books gebloggt habe, habe ich angefangen, E-Books zu machen: Ein E-Book über die Geschichte des E-Books stand am Anfang. Wenn man irgendwann nicht nur eigene Bücher verlegt, sondern auch von Fremden, dann ist man eben nicht nur Selbstverleger sondern auch Verleger oder Fremdverleger. Irgendwann macht man auch Print: Dann merkt man, dass sich ein Kreis geschlossen hat. Ich habe mir einen Slogan überlegt für mein Verlagslabel. Das ist eigentlich kein richtiger Verlag, weil man da fast keine Bücher kaufen kann und auch fast keine Bücher erscheinen, weil ich keine Zeit dafür habe – aber zumindest habe ich eigene ISBN-Nummern. Der Slogan war: Alle Bücher sind E-Books, manche werden ausgedruckt. Das ist heutzutage so, selbst wenn ein Buch nur gedruckt vorliegt, war es ja irgendwann schon mal ein E-Book – als Manuskript, als Druckvorlage. Und das zirkuliert als PDF durch die Welt. Insofern ist das eigentlich die Grundlage unseres Tuns. Der E-Book-Code – um diesen Bogen vielleicht mal zu schließen – ist im Grunde genommen mittlerweile schon der Buch-Code, weil über Print-on-Demand alles elektronisch vorliegt. Lustig finde ich auch, dass die reinen E-Book-Verlage irgendwann auf diese Weise wieder bei gedruckten Büchern angelangt sind. (Zu Nikola Richter:) Du auch mit mikrotext, ich mache es auch mit ebooknews press und Frohmann macht es auch. Ja, so viel von mir jetzt – Pong!
Kathrin Passig: Ich würde gerne direkt dazu etwas fragen. (Zu Gregor Weichbrodt:) Währenddessen kannst du noch ganz kurz über deinen Verlegerstatus nachdenken! (Zu Ansgar Warner:) Du hast gerade gesagt, dass mittlerweile alles elektronisch vorliegt und das ist ein Prozess der – lange bevor es das Wort E-Book auch nur gab – aufgetaucht ist. Das hat mich ein bisschen überrascht an diesem “internationalen E-Book-Code”: Die Software, mit der Bücher gemacht werden, ist schon seit Jahrzehnten genauso international.
Nikola Richter: Das ist vielleicht eine Frage an die These dieses Abends! Die Grundthese meines Verlags ist ungefähr: Ausgedrucktes Internet. Weil es noch weitergeht: Viele Texte, die bei mikrotext erscheinen, wurden zuerst im Netz geschrieben. Was ich mit E-Book-Code meinte – denn ich bin für diesen Satz verantwortlich – war: Die Herstellungswege waren schon elektronisch, aber die Art und Weise, dass ein Code, der drumherum gestrickt wird, der weltweit auslesbar ist und auch durch das Netz verteilbar ist als Datei; dass Text sozusagen als standardisierte Datei – sei es auch auf einem Blog mit HTML und CSS – eingepackt und verteilt wird, ist doch neuer als diese jahrzehntealte oder -lange Buchherstellung. Nein?!
Kathrin Passig: So wie die Datei aussieht, wenn du sie jetzt mit InDesign oder mit QuarkXPress – oder womit man klassische Papierbücher setzt – machst, gibt es keinen grundsätzlichen Unterschied zu dem, was man bei einem E-Book in der Hand hat – oder eben nicht in der Hand hat.
Nikola Richter: Ok, dann können wir also sagen: Das E-Book gibt es eigentlich gar nicht – alles ist E-Book! Wäre das eine These, die weltweit greift?
Gregor Weichbrodt: Mario Sixtus hat einen Artikel im Buchreport geschrieben. Er sagt, dass das E-Book vielleicht nichts anderes ist als ein Metapherngerüst für eine digital vermarktbare Datei. Aber ich weiß nicht, ob wir jetzt thematisch so schnell so tief gehen wollen. Ich kenne mich ja selber auch nicht so wirklich aus! Ich wollte noch etwas zum Thema Verlegen sagen: Ich habe eigentlich keine Erfahrung mit dem Verlegen und bei Frohmann – ich habe zwei Titel bei Frohmann (I Don’t Know und Code und Konzept) – ist es auch nur so schnell möglich, weil sie total schnell reagieren kann. Ich habe also eine Idee, erzähle es ihr, und das wird innerhalb von einer Woche umgesetzt – das funktioniert super! Das würde mit traditionelleren Verlagen überhaupt nicht funktionieren. Ich habe schon aufgegeben, denen zu schreiben. Die antworten nicht innerhalb von ein paar Tagen, deswegen schreibe ich denen nicht mehr. Um das Projekt zu erklären, wo ich herkomme bzw. was ich mit dem Hannes Bajohr zusammen mache: Das ist eine Webseite, die heißt 0x0a, das ist ein Blog und vielleicht so eine Art Schaukasten für Texte, die wir dort online stellen und dort zeigen. Die haben vielleicht alle gemeinsam, dass es bei ihnen nicht darum geht, neue originelle Texte zu schreiben, sondern mit vorhandenem Material zu arbeiten. Ich glaube, das will sowieso keiner lesen und das will auch keiner kaufen. Also von daher: Wir veröffentlichen eher, wir verlegen nicht!