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"Kleinkleckersdorf im Nirgendwo", nannte Maria Stein im Sommer abfällig das kleine Dorf auf Rügen, in das sie von den Eltern zur Tante in die Ferien abgeschoben wur-de. Dass es dann zu ihrem persönlichen Glückshausen wurde, lag nicht nur an fünf Kindern, die dann ihre Freunde wurden, sondern zu guter Letzt an einem außergewöhnlichen Erlebnis, das sie zum "Türöffner des Himmels" führte. Seitdem haben vier besondere Schlüssel einen besonderen Platz in ihrem Düsseldorfer Kinder-zimmer. über dieses Buch: Nun ist ein Wiedersehen in den Weihnachtsferien vorgesehen. Doch wieder läuft nicht alles glatt - und die Erfüllung von Marias größtem Weihnachtswunsch, dessen Botschaft in ihrem geheimen Rosenkästchen schlummert, wird so unwahrscheinlich wie Schnee-fall im August. Trotz der kurzen Zeitspanne bis Weihnachten lassen sich ihre fünf Freunde nicht entmutigen, denn für sie steht fest: Gute Gedanken und Gebete überwinden Raum und Zeit. Eine spannende und nervenaufreibende Zeit beginnt, in der Maria tiefere Glaubenserfahrungen ermöglicht werden. Wird sie diese Chancen nutzen, und welchen Namen wird sie ihrem fünften und bisher größten Schlüssel geben, den Felicitas ihr schenkt?
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Seitenzahl: 224
Veröffentlichungsjahr: 2015
www.tredition.de
„Kleinkleckersdorf im Nirgendwo“,
nannte Maria Stein im Sommer abfällig das kleine Dorf auf Rügen, in das sie von den Eltern zur Tante in die Ferien abgeschoben wurde. Dass es dann zu ihrem persönlichen Glückshausen wurde, lag nicht nur an fünf Kindern, die dann ihre Freunde wurden, sondern zu guter Letzt an einem außergewöhnlichen Erlebnis, das sie zum „Türöffner des Himmels“ führte. Seitdem haben vier besondere Schlüssel einen besonderen Platz in ihrem Düsseldorfer Kinderzimmer.
über dieses Buch:
Nun ist ein Wiedersehen in den Weihnachtsferien vorgesehen. Doch wieder läuft nicht alles glatt - und die Erfüllung von Marias größtem Weihnachtswunsch, dessen Botschaft in ihrem geheimen Rosenkästchen schlummert, wird so unwahrscheinlich wie Schneefall im August. Trotz der kurzen Zeitspanne bis Weihnachten lassen sich ihre fünf Freunde nicht entmutigen, denn für sie steht fest: Gute Gedanken und Gebete überwinden Raum und Zeit.
Eine spannende und nervenaufreibende Zeit beginnt, in der Maria tiefere Glaubenserfahrungen ermöglicht werden. Wird sie diese Chancen nutzen, und welchen Namen wird sie ihrem fünften und bisher größten Schlüssel geben, den Felicitas ihr schenkt?
über die Autorin
Brigitte Lehnemann wurde 1959 in NRW geboren und war als ausgebildete Erzieherin tätig.
Seit 2000 arbeitet sie als Gesundheitsberaterin und Seminarleiterin für Stressbewältigung in einer eigenen Praxis.
2005 wurde Rügen ihre neue Heimat.
Brigitte Lehnemann
Glückskinder
Marias allerallergrößter Weihnachtswunsch
www.tredition.de
© 2015 Brigitte Lehnemann
Covergestaltung/ Einband: Inselwerbestudio
Coverillustration: Heike Herrmann
Illustration Herz: Christa Uhlenbruch-Nussbaum
Verlag: tredition GmbH, Hamburg
ISBN
Paperback:
978-3-7323-6770-2
Hardcover:
978-3-7323-6771-9
e-Book:
978-3-7323-6772-6
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Menschliche Wege können irren, aber Gottes Wege führen immer zum Ziel.
Für
alle Menschenkinder, die daran, glauben, dass jeden, Tag Wundewolles geschehen kann
Kapitel 1
„Rabimmel, Rabammel, Rabumm …“
Leise, aber doch hörbar dringen die Kinderstimmen durch die geschlossenen Kinderzimmerfenster einer Düsseldorfer Villa. Maria, die am Schreibtisch sitzt, unterbricht ihre Aufgabe.
Sie steht auf, öffnet den rechten Fensterflügel oberhalb ihres Arbeitsplatz es und blickt in die anbrechende Dunkelheit, das heißt, von blicken kann eigentlich keine Rede sein, denn es ist trüb wie in einer Waschküche. Noch nicht einmal die Kronen der nächsten Bäume des parkähnlichen Familiengrundstücks sind zu erkennen. Maria macht ein paar tiefe Atemzüge, während eine Musikkapelle die ersten Töne eines neuen Liedes anstimmt.
Ja, St. Martin, denkt sie. Aber noch lieber wäre mir, wir wären schon drei Tage weiter … oder noch besser, drei Wochen. Dann wüsste ich nämlich, ob sich mein allergrößter Weihnachtswunsch erfüllt und Papa tatsächlich Wort hält.
Sie schließt das Fenster wieder und schielt zum Schreibtisch. „Wie soll ich mich denn jetzt noch auf die Englischarbeit konzentrieren, wo mir doch was ganz anderes durch den Kopf geht?“, brabbelt sie und setzt sich auf ihr neues Bett. Es hat keinen Himmel mehr, denn es wurde auf ihren Wunsch gegen ein normales Bett mit einem Holzgestell ausgetauscht. Sie schaut auf das geschliffene Glaskreuz, das als Geschenk vom Rügenurlaub im Sommer, genauso wie bei ihrer Tante, über ihrer Zimmertür hängt.
Ja, Weihnachten auf Rügen mit allen Menschen, die sie so liebgewonnen hat, nicht zu vergessen natürlich auch die Tiere - in dem Dörfchen mit den vier Sträßchen und zweiunddreißig Häusern, das sie so abfällig bei der ersten Besichtigung „Kleinkleckersdorf im Nirgendwo“ nannte, und das dann zu ihrem persönlichem Glückshausen wurde.
Zärtlich streicht sie mit dem Zeigefinger über das Foto der Freunde vom Besuch des Kornfeldes, das in einem sonnengelben Rahmen einen Platz auf dem Nachttisch hat.
Das sind sie: die zehnjährige Felicitas, die nicht nur von allen Fee genannt wird, sondern auch tatsächlich eine ist, die zwölfjährige sanfte Meli, ihr ein Jahr älterer Bruder Manne, der Hahn im Hühnerhaufen, Müppi, das freche „Küken“, dem man nie böse sein kann und ihre Schwester Moni, die „Lehrerin“ unter den Kindern.
Moni. Maria hält inne, denn sie wird an etwas erinnert. Warum soll sie noch bis zum Schlafengehen warten? Vokabeln hin oder her - egal jetzt!
Mit ein wenig Anstrengung hebt sie die Matratz e am Fußende ihres Bettes in die Höhe. Puh! Gar nicht so leicht, wenn man bedenkt, dass sie diese mit nur einer Hand hochhalten muss, während die andere nach dem Gegenstand greift, den sie von Moni zum Geburtstag geschenkt bekam: ein Holzkästchen, das ungefähr die Größe eines Buches und die Form einer Rosenblüte hat. Und mit diesem Rosenkästchen hat es eine besondere Bewandtnis. Weil es einerseits so schön und ausgefallen ist, aber auch, weil es andererseits einen außergewöhnlichen und raffinierten Verschluss hat, hat sie es zum Geheimkästchen gemacht. In dessen Geheimfach liegt nun seit wenigen Tagen etwas, das so geheim ist, dass keiner etwas davon weiß; weder ihre beste Schulfreundin Didi, noch Felicitas. Und das will ja schon was heißen.
Maria tätigt jetzt den letzten von insgesamt vier Tricks und Kniffen, die sie erst nach einer Weile beim erstmaligen Offnen herausgefunden hat. Auf dem Boden des Kästchens wird ein zusammengefaltetes Blatt sichtbar. Sie entnimmt es, breitet es auseinander und betrachtet es fast andächtig. Jetzt liegt er auf ihren Knien: ihr allerallergrößter Weihnachtswunsch, dessen Erfüllung zurzeit noch viel unwahrscheinlicher ist, als die Reise nach Rügen. Und außerdem - rein rechnerisch gesehen - ist die Zeit bis dahin sehr knapp.
Maria macht einen tiefen Seufz er und murmelt: „Ob er überhaupt jemals wahr werden kann?“
Kapitel 2
BRIIIING! … BRIIIING!
„Ah! Wie auf Bestellung, sonst fang ich noch an zu grübeln“, äußert sie laut und greift das Handy vom Schreibtisch.
„Lasst uns an das Gute denken“, meldet sie sich und schiebt das Kästchen samt Blatt mit der Fußspitz e vorsichtig unters Bett. „Und heute ganz viel Freude schenken“, klingt es fröhlich durch die Leitung.
„Hey, Fee! Stell dir vor, heute hab ich Katharina eine Freude gemacht, da hat sie über alle Backen gegrinst.“
„So? Was hast du denn gemacht?“
„Als sie mir beim Mittagessen versprochen hat, dass wir einen Adventskalender zusammen basteln, da hab ich ihr versprochen, dass sie meinen Chaosschreibtisch ab und zu aufräumen darf.“ Maria kichert. „Da hat meine Mutter aber ganz schön dumm aus der Wäsche geguckt, das kann ich dir sagen, denn das hat sie in all den Jahren nicht geschafft. Und du? Was hast du gemacht?“
„Mal kurz überlegen … nein, ich glaub heute noch nichts Besonderes. Aber, null Problema, mir fällt schon noch was ein. Ich erzähl’s dir dann morgen.“
„Null Problema, ich wünschte, das könnt ich auch sagen.“
„Wieso? Was ist denn?“
„Na, mein Vater. Er hatte mir doch gesagt, dass er an Martin weiß, ob wir kommen können, aber Pustekuchen! Wegen des Milchsuppenwetters wurde die Besprechung in Hamburg verschoben und deshalb weiß er wahrscheinlich erst Ende der Woche Bescheid ob’s klappt. Wahrscheinlich! Pah! Wetten, er verschiebt wieder. Warum muss er es auch immer so spannend machen? Das nervt.“
„Wenn man so eine große Firma hat wie er, dann kann man es sich nicht immer aussuchen.“
„Ach, du immer mit deinem Verständnis.“
„Hör zu, Maria. Wir tun jetzt einfach so, als ob es klappt und fangen an zu planen.“
„Ich plane erst, wenn ich’s weiß, und das ist dann allerspätestens zum 1. Advent. Herzchen, hat er gesagt, das ist der allerletzte Termin, ich versprech’s dir.“
„Na wundervollig, reicht doch“, meint Felicitas, obwohl ihr in diesem Moment auch lieber gewesen wäre, Maria hätte ihr heute schon mitteilen können: Ja, wir kommen! Hastig kramt sie in ihrem Oberstübchen nach einer Idee, wie sie sich und die Freundin auf andere Gedanken bringen kann.
„Fee, bist du noch da?“
„Wo soll ich sonst sein? Ach übrigens, schöne Grüße von Moni. Das Pferdebuch, das du ihr zum Geburtstag geschickt hast, ist klasse, soll ich dir sagen. Sie ist schon durch.“
„Was? In elf Tagen? Da hat unser Fräulein Neunmalklug im Kleinformat wohl turbogelesen?“
Felicitas lacht. „Ich lieb sie so, wie sie ist.“
„Jaaa, ich ja auch … mittlerweile. Wo wir doch am selben Tag geboren sind.“
„War ein Stückchen Arbeit mit euch beiden“, Felicitas lacht noch einmal, „aber ich denke, sie freut sich genauso auf dich wie wir. So, und jetzt muss ich Schluss machen, weil ich Meli noch versprochen hab sie anzurufen.“ Um ihnen zu sagen, dass ich jetzt weiß, dass du noch nichts weißt, denkt sie.
„Okay. Dann grüß sie schön und … ehm … bestell auch Manne schöne Grüße. Und sag ihnen …“
Eine Pause von drei Atemzügen entsteht. „Feeee! Ich glaub, ich halt’s nicht aus, wenn’s schiefgeht.“
„Soll ich für uns beten?“
„Och ja, bitte! Unterstütz mich! Du kannst das eh besser als ich.“
Ein paar Sekunden später ist das Telefonat beendet und das Kästchen mit dem wertvollen Inhalt wird wieder an seinen geheimen Platz geräumt. Dafür bekommt jetzt ein schmales Regalbrett unterhalb von Marias Fensterreihe ihre Aufmerksamkeit. Darauf liegen Erinnerungsstücke von Rügen; jede Menge Fundstücke vom Strand; Hieros Bernstein für jeden der Freunde, den sie dann zum gemeinsamen Talisman machten; und zu guter Letzt die vier schweren, alten, beeindruckenden Schlüssel, die Felicitas ihr zum Abschied schenkte, als Symbol für die „Türöffner zum Himmel“. Maria hatte längere Zeit überlegt, welche Namen sie ihnen geben könnte, denn sie sollten das aussagen, was sie auf Rügen für sich erkannt hat. Der mit dem besonders großen Bart bekam den Namen: Gutes denken. Der zweite mit dem fast herzchenförmigen Griff: Freude schenken. Den dritten mit den besonderen Zierelementen, die aussehen, als sei der Griff umflochten, nannte sie: verzichten können, weil sie empfand, dass der Verzicht aufs zweite Pferd, das sie dann ihrer Fee schenkte, sie noch enger mit ihr verband. Der vierte heißt: verzeihen können und unterscheidet sich von den anderen, weil er ziemlich viel Rost angesetzt hat. Maria nimmt ihn lächelnd in die Hand und sagt: „Genauso wie du, waren meine Gefühle auch eingerostet. Aber - zum Glück - kriegt man ja wieder weg.“
Kapitel 3
Es ist der Freitag vor dem 1. Advent. Genauer gesagt ein ziemlich chaotischer Freitagnachmittag in einem Supermarkt auf Rügen, wo Menschenmassen sich durch die langen Gänge schieben. Mittendrin steuern Felicitas und ihre Mutter einen hochgefüllten Einkaufswagen zu einer Kasse und reihen sich in die Schlange ein.
Felicitas, deren Gefühlslage heute zwischen ernst und fröhlich sein hin und herschwankt, hört bei sieben Köpfen, die vor ihnen an der Reihe sind, auf zu zählen.
Ach du dickes Ei!, würde Maria jetzt sagen.
Bei diesem Gedanken holt sie zum x-ten Male innerhalb der letzten zwei Stunden ihr Handy aus der Jackentasche und sieht verstohlen aufs Display - aber leider - null Info. Ihr anschließender Seufzer deutet ihre Mutter falsch, denn die öffnet die Knöpfe ihres Wintermantels und zieht ihre Mütze vom Kopf. „Puh! Schwitzt du auch so wie ich?“ Und weil die hängenden Mundwinkel der Tochter deutlich anzeigen, dass ihre Gefühlslage gerade mal wieder ins Minus gerutscht ist, versucht es Frau Glück mal mit einem Scherz. Meistens wirkt’s ja. „Eins sag ich dir, sobald wir nach Hause kommen, gehe ich sofort auf die Waage. Wenn ich dann ein Kilo leichter bin, dann mache ich diese Kraftanstrengung nächsten Freitag glatt noch mal.“ Sie muss über sich selber lachen, aber die einzige Reaktion der Tochter ist ein gequältes Mundwinkelverziehen.
„Ach so! Jetzt dämmert’s!“ Sie tippt auf Felicitas Jackentasche.
„Die wichtigste Nachricht des Tages lässt wohl noch auf sich warten, stimmt’s?“
Felicitas nickt nur.
Jette Glück fasst ihr unters Kinn. „Du weißt doch, was in solchen Situationen zu tun ist.“
„Ja doch, ich weiß. Glauben und hoffen, dass das Beste für alle Beteiligten dabei herauskommt.“ Felicitas klare graublaue Augen schauen fast flehentlich auf die Mutter. „Ich weiß es ja! Aber trotz dem!“
Ihre Mutter legt ihren Arm um sie und flüstert: „Weißt du aber auch, dass ich ein sehr weises Menschenkind kenne, das mir in solchen Momenten sagen würde: Null Problema, die Lösung ist schon da!“
Felicitas lehnt sich an sie und muss jetzt doch lächeln. Ihre rechte Hand greift in die Jackentasche und umschließt das Handy. „Vielleicht ist es besser, wenn ich’s rausnehme. Was meinst du?“
Frau Glück gibt ihr einen Kuss auf den Kopf. „Mach das!“
Kapitel 4
Gerade, als dieser Gedanke in die Tat umgesetzt wird, ertönt völlig überraschend ein blechernes „Jingle Bells“. Das zweite „Jingle Bells“ fällt leider samt Gehäuse zu Boden und „Jingle all the way“, landet dann mitten zwischen den Einkaufsrädern.
„Verflixt aber auch!“ Felicitas grabbelt es mit zwei Fingern hervor, erkennt sofort den Teilnehmer und meldet sich mit klopfendem Herzen. „Hallo, Maria. Kannst Du mich hören? Mir ist nämlich gerade vor lauter Schreck das Handy aus der Hand gefallen.“
„Klaro. Laut und deutlich.“
Weihnachtsmusik dringt ans andere Ende der Leitung durch. „Wo bist du denn gerade? Auf dem Weihnachtsmarkt?“
„Markt stimmt, aber Supermarkt. Mama und ich haben schon einen Haufen Zeugs eingekauft und eine Menge Zutaten für die allerbesten Plätzchen, die du dir vorstellen kannst. Wir wollen nämlich samstags mit dir noch einen Backtag machen. Alle Stralsunder kommen am 21. und jetzt fehlt nur noch ihr.“ Eigentlich müsste jetzt ihr Herzschlag von außen durch die Jacke zu sehen sein. „Ihr kommt doch, oder?“
„Wenn du mich auch mal reden lässt“, lacht Maria, „dann kann ich dir endlich sagen, dass Papa mich einen Tag früher aus der Schule nimmt und wir kommen schon …“
Sofort grölt ihr ein lautes „Juhuuu“ ins Ohr und zwischen Kasse, Menschen und Einkaufswagen führt Felicitas einen kurzen, aber sehr lebhaften Freudentanz auf, indem sie sich, von einem Bein auf das andere hüpfend, einmal um die eigene Achse dreht - mehr ist auch bei dem Platz angebot um sie herum nicht drin.
Alle schmunzeln oder schauen sich lächelnd an. Na ja, fast alle. Eine Frau, zwei Einkaufswagen hinter ihr und aufgebrezelt, als wolle sie zu dieser Nachmittagsstunde schon ins Theater, sieht sie kopfschüttelnd an. Das, was sie wohl zu viel an Schminke im Gesicht hat, scheint ihr an Humor zu fehlen. Dagegen hat die alte Dame vor ihr das Herz am rechten Fleck. Sie streicht Felicitas über ihren rotblonden Lockenkopf und erkundigt sich mit einem Augenzwinkern: „Nu, min Deern, wat freut di denn so, dat du aussem Einkaufsmarkt mal kurz ’ne Disco mogst?“ Felicitas niedliche Zahnlücke zwischen den oberen großen Schneide zähnen blitzt auf. „Ich hab gerade mein allerschönstes Weihnachtsgeschenk bekommen.“
Die alte Dame lächelt. „Na denn! Gode Wihnacht!“
In der Zwischenzeit hat sich die Schlange wie von Zauberhand auf zwei Köpfe verkleinert.
„Maria? Oh entschuldige, bist du noch da?“
Maria lacht. „Ja, ja. Ich hab alles gehört. Ich kann mir genau vorstellen, wie du jetzt aus der Wäsche guckst.“
„Na, wenn du dich genauso freust wie ich, dann müsstest du doch jetzt genauso aussehen.“
„Das hab ich schon hinter mir. Als Mama mir das eben gesagt hat, bin ich ihr einfach um den Hals gefallen. Da wäre sie fast aus ihren Stöckelschuhen gekippt. Und dann hat sie sofort Traudi angerufen und die hat gesagt, im Winter kommen keine Gäste in die Pension und wir können alle bei ihr in der „Oase“ wohnen. Oma und Opa sind ja auch da.“
„Ja, ist das nicht wundervollig? Alles passt. Aber lass uns heute Abend in Ruhe noch mal quatschen. Wir stehen an der Kasse und sind gleich dran.“
„Ja, ruf mich doch zurück, und ich werde gleich schon mal eine Liste machen mit Sachen, die mir einfallen. Du weißt ja, im Listenschreiben bin ich unschlagbar. Also, lass uns an das Gute denken.“
„Und heute ganz viel Freude schenken.“ Felicitas Augen strahlen wie ehemals zwei Hundert-Watt-Birnen.
Und dieser Blick trifft sich mit dem Blick der alten Dame, die gerade ihr Wechselgeld entgegennimmt - nur ein winziger Moment, nur ein Wimpernschlag lang, aber voller Warmherzigkeit und Güte. Die alte Dame schließt ihre Geldbörse und legt dann kurz eine Hand auf Felicitas Arm und ihre Augen schimmern feucht. Dann lächelt sie die Kassiererin an.
Die bekommt eine Gänsehaut der Rührung und dieser extrem anstrengende Tag ist auf einmal ein bisschen leichter zu bewältigen.
Ja, es sind oft diese kleinen Begegnungen, die viel sagen, ohne dass man reden muss. Leise und meistens unmerklich für andere sind diese Berührungen des Herzens, aber für diejenigen, die dafür offen sind, sind sie die Geschenke des Lebens - Geschenke, die immer ausgeteilt werden können und ein bisschen Weihnachten injeden Tag holen.
Den elektronischen Glücksboten in der Hand verlässt eine hüpfende und „Jingle Bells“ summende Felicitas wenig später den Supermarkt. Es regnet Strippen aus einem Himmel, der wolkenverhangen über dem Parkplatz liegt. Aber, was macht das schon, wenn man die Sonne im Herzen hat.
Kapitel 5
„Auf jeden Fall muss ein Schaukelstuhl rein. So einer, wie in Traudis Gemütlichkeitsstube steht“, verkündete Maria dem Vater, als sie zusammen im September an die Planung ihres neuen Zimmers gingen. „Und bunt soll’s sein. Kissen, Vorhänge, einfach alles. Ich will kein Rosa mehr sehen. Ach ja, und puddinggelbe Wände möchte ich und einen Holzboden mit weißen Brettern.“
Vater Stein rollte innerlich mit den Augen und schließlich fand man einen Kompromiss.
„Herz chen, wir überstreichen die Blümchentapete, na ja, von mir aus auch puddinggelb, aber der Bodenbelag bleibt. Alles andere kriegen wir hin.“
Das Herz chen, das mit dem Endergebnis der Verhandlungen ganz zufrieden war, grinste. „Nicht ganz, Papa. Die vierzehn Schritte von der Tür bis zum Fenster können wir ja nicht in sechs verwandeln. Aber, he, eigentlich ganz okay, denn wenn die Fünf mich mal besuchen, dann passen hier wenigstens mehrere Matratz en rein.“
Und genau in diesem Schaukelstuhl, den sie seit der Renovierung zu ihrer persönlichen „Oase“ erklärte, sitzt sie jetzt und drückt dem Handy einen Schmatz er auf. In ihrem Herzen ist es so friedlich wie an einem stillen, frostklaren Morgen, der mit einem wunderbaren Sonnenaufgang erwacht und so viel Geborgenheit schenkt, weil man an einem herrlich bullernden Kaminfeuer sitzt. Sie hat die Augen geschlossen und ein zartes Lächeln liegt auf ihrem Mund. Ja! Auch im Stillsein kann man glücklich sein. Vor ihrem geistigen Auge rennt Felicitas mit ausgebreiteten Armen auf sie zu und nacheinander tauchen jetzt auch alle anderen auf: Traudi, Hiero, Kumpel …
Doch als sie jetzt an Manne denkt, da ist es mit dem Stillesein vorbei. Ihr Handy landet mit einem Salto kurzerhand auf der Bettdecke. Sie schnappt sich ihr Kopfkissen und tanzt damit durchs Zimmer. Dafür wiederum ist die Größe des Zimmers genau richtig.
„Lieber Gott, lieber Jesus und ihr Engel.“ Maria findet, zu diesem Anlass müssen alle Himmelskräfte herhalten, die es gibt. „Vielen, vielen Dank, das wird das allerschönste Weihnachten, da bin ich mir sicher. Vielleicht sogar mit Manne Wand an Wand.“
Bei diesem laut ausgesprochenen Satz fühlt sie sich ertappt und wird tatsächlich ein bisschen rot. Ach du dickes Ei! Hoffentlich hatten die Wände keine Ohren. Um sich zu vergewissern, öffnet sie ganz leise ihre Tür, späht auf den Korridor, dann das Treppengeländer in die Eingangshalle hinunter und atmet auf. Gott sei Dank - keiner da!
Zurück im Zimmer breitet sie die Arme aus (PLONG! Das war das Kissen, das zu Boden fiel) und sagt laut in den großen Raum: „Und wenn ihr jetzt noch dafür sorgen könntet, dass es schneit, dann wäre es perfekt, wie es perfekter nicht sein kann.
WEIHNACHTSURLAUBSGESTALTUNGSPLAN
In fetten Großbuchstaben geschrieben, prangt das Wort wenig später oben in der Mitte eines weißen Blattes und sieht noch ziemlich verloren aus.
Doch bevor man eine große Denkaufgabe erledigen kann, muss man sich erst einmal stärken, denn ist der Magen leer, ist auch im Kopf nichts los. Das weiß ja jedes Kind.
Und genau aus diesem Grund steht Maria wenig später in der Küche der Steins - mit den elf Schritten von der Tür bis zur Arbeitsfläche - und schmiert sich ein Leberwurstbrot.
Hmmm! Wie das duftet!
Nachdem sie den Teller und einen Becher mit Milch auf ein Tablett gestellt hat, überlegt sie, dass vielleicht ein weiteres Leberwurstbrot die Denkkraft ja nur steigern kann, weil das erste bereits zur Hälfte vertilgt ist. Also wird noch ein zweites und zur Sicherheit auch noch ein drittes geschmiert. Man kann ja nie wissen, wie lange man so nachdenken muss.
Nach zweieinhalb Broten im Magen, die mit der Milch begossen werden, macht sie sich an die Arbeit.
Die Sonne ist schon längst untergegangen, als ihr Vorrat an Einfällen fürs Erste erschöpft ist. Doch damit nicht genug: Ihr Buchhalterdenken ordnet auf Blatt vier bis sechs das Gesammelte nach Alphabet und zum guten Schluss wird das Ganze noch durchnummeriert. Sie muss lachen und sagt laut: „Dreiundzwanzig. Das trifft sich gut. Genauso viele Wünsche wie die Schritte bei Traudi vom Gartentörchen bis zur Klöntür.“ Die Kulispitz e glüht, die Hand ist ein bisschen steif, aber sie fühlt sich großartig. Mit einem breiten Lächeln im Gesicht, presst sie den Rücken in die Lehne des Schreibtischstuhls und dehnt sich kräftig.
Doch blöderweise, mitten in dieses Hochgefühl platzt plötzlich - wie aus dem Nichts - ein Eindringling: eine Stimme in ihrem Innern.
Kapitel 6
Als bei ihrer Tante, ungefähr 700 Kilometer entfernt, in der Eingangsdiele ihrer „Oase“ die alte Standuhr sechsmal gongt, sitzt Maria mit erhitztem Kopf auf einem der farbigen Läufer, die seit Neuestem den hellen Fußbodenbelag ihres Zimmers bedecken und zählt einen großen Haufen kleiner Münzen bereits zum z weiten Male durch. „Ach du dickes Ei! Wenn ihr auch nach viel ausseht, das reicht ja nie und nimmer.“
Unruhig geht sie im Zimmer auf und ab. Der Gedanke, der sich ihr für eine Minisekunde versucht aufzudrängen, wird mit einem Fußstampfer sofort in die Flucht geschlagen. „Nein! Kommt nicht in die Tüte. Niemand wird angepumpt. Das muss ich schon alleine schaffen.“
Mitten in diese heldenhaften Gefühle platzt schon wieder ein Eindringling. Dieses Mal klopft es an der Tür und Katharinas schwarz er Pagenkopf erscheint.
Seit Marias Rückkehr von Rügen und dem gemeinsamen Einkauf von Katharinas neuen Stöckelschuhen vom Rest aus der Sparsocke von Rügen sind die beiden nicht gerade die dicksten Freundinnen, aber beide geben sich große Mühe. Das einst verhasste Kindermädchen, das schon im Sommer nach nur wenigen Wochen kündigen wollte, blieb also. Zugegeben, das eine oder andere Mal kehrt Katharina immer noch „Fräulein Neunmalklug“ heraus, aber seitdem sie einen Freund hat, wird es seltener. Maria schlussfolgert daraus, dass Verliebtsein wohl für viele Dinge gut sein muss.
„Gut, dass du kommst“, begrüßt Maria sie und lässt sich mit einem Plumps auf den Schreibtischstuhl fallen.
Katharina nimmt eins der zusammengeknüllten Blätter, die im Zimmer verstreut liegen, und faltet es auseinander. „Was ist denn das?“
„Die Arbeit der letzten zwei Stunden. Hab ich in die Wüste geschickt.“
„Aber, das sind doch alles Wünsche für deinen Weihnachtsurlaub.“
„Eben! Alles Wünsche, die ich habe. Aber nix für andere. Und dann, als ich fertig war, hab ich auf einmal Fees Stimme gehört: Lasst uns an das Gute denken und heute ganz viel Freude schenken. Na ja, und da hab ich was anderes angefangen.“
„Und? Was wäre das?“
Statt einer Antwort hält Maria ihr ein Blatt vom Schreibtisch entgegen. Nur ein einziges Wort steht da oben drauf, vorne und hinten mit Ausrufezeichen und zweimal dick und fett unterstrichen.
„Ach so! Das soll eine Geschenkeliste werden, aber um Geschenke machen zu können, braucht man Geld. Auf wie viel hast du denn geschlafen?“ Katharina zeigt auf den Läufer und kann sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Als hätte man sie angepiekst, springt Maria vom Stuhl hoch. „Du weißt von der Sparsocke unter meiner Matratze? Und … und … ich meine …“
„Wenn du das Kästchen am Fußende meinst, keine Sorge, ich guck nicht rein.“
„Vor euch Erwachsenen bleibt aber auch nix geheim.“ Maria zieht eine Schnute. „Hat schon bei Traudi nicht funktioniert.“
„Falls du es vergessen hast: Wer überzieht denn regelmäßig dein Bett?“ Katharina hockt sich hin und beginnt zu zählen.
„Brauchst du nicht. Hab ich schon zweimal gemacht. Es sind 14,82.“
„Mit 14 Euro 82 kommst du aber nicht weit.“
Upps! Da ist es leider noch mal - das Fräulein Neunmalklug.
Normalerweise wäre die „alte“ Maria jetzt aus dem Hemd gesprungen und hätte ihr vermutlich an den Kopf geschleudert: „Musst du immer alles besser wissen?“ Aber nichts dergleichen passiert, sondern sie meint kleinlaut: „Das restliche Geld steckt dann wohl im Schulkiosk vom Willi.“
Katharina schmun zelt. „Wie viele wären es denn, die du beschenken möchtest?“
„Weiß nicht genau, aber zu viele.“
„Und wenn ich dir was leihe?“ Katharina ist heute in Spendierlaune. Denkbar wäre, weil das Wochenende vor der Tür steht, vielleicht weil unten der Knatterfritz enfreund mit seinem Motorrad auf sie wartet, vielleicht aber auch einfach nur, weil sie nett ist.
Maria nimmt ihre Finger. „Also: Da wären die fünf Freunde, Mama, Papa, Traudi, Hiero, Oma und Opa, die Eltern der Freunde, die Omas Greta und Trudchen, die Opas Hinnerk und Willem …“ Sie zuckt resigniert mit der Schulter und ihr dunkelbraunes Augenpaar sieht Katharina ratlos an. „Du und Nadine natürlich auch. Und wenn ich noch weiter überlege, fallen mir unter Garantie auch noch mehr ein. Willst du mir jetzt immer noch Geld leihen?“
Fräulein Neunmalklug wählt den diplomatischen Rückzieher. „Lass uns am Montag nach einer anderen Lösung suchen, okay? Die Geschenke kriegen wir schon gewuppt. Mein Name ist ja nicht umsonst Sorglos.“
Maria lächelt ein bisschen gezwungen und denkt: Heute muss sie aber besonders verliebt sein, so gut wie die im Moment drauf ist.
Am Abend flitzen die Funkverbindungen zwischen Rügen und Düsseldorf, Rügen und Stralsund und innerhalb Stralsunds hin und her.
Darunter ist auch eine von Thomas Stein, der mit seiner Schwester telefoniert. „Weihnachten mal anders, ohne diesen ganzen Klimbim, darauf freu ich mich jetzt schon.“
„Ja, wir alle mal wieder zusammen, das wird schön“, erwidert Gertrude Waldmann. „Sagt mir noch genau Bescheid, wann ihr losfahrt.“
Als sie auflegt, wendet sie den Blick kurz zum Himmel, holt tief Luft und schaut ihrem Gegenüber in die Augen.
„Da wird schon nichts dazwischenkommen“, beschwichtigt Hiero Busch. Er steht vom Tisch auf und fährt ihr liebevoll durch die blonden Locken.
Kapitel 7
Zwei Tage später wird in vielen Häusern die erste Kerze am Adventskranz angezündet und auch in vielen Menschen entzünden sich Flämmchen, die ihr Inneres ein bisschen heller machen, wie man so sagt.
Wie so oft in der letzten Zeit, bevor sich Maria zum Schlafen hinlegt, holt sie auch an diesem Abend ihr Rosenkästchen hervor. Mittlerweile hat sie im Matratzenhochnehmen schon Übung. Der Geheimverschluss mit den besonderen Tricks wird geöffnet und das Blatt mit ihrem allerallergrößten Weihnachtswunsch herausgeholt und auseinandergefaltet. Drei Menschen sind zu sehen. Tagelang hatte sie in Illustrierten gesucht, um die richtigen zu finden und dann hat sie diese so zusammengeklebt, als müsse es so sein - denn leider - nach allem vorherigen Stöbern und Suchen musste sie resigniert feststellen: Solche Fotos existieren nicht in ihrer Familie - nicht ein einziges. Dafür bekommt der Ersatz nun ihre volle Aufmerksamkeit: Ein Mann und eine Frau haben ein Mädchen mit dunkelbraunem Pferdeschwanz, das in Marias Alter sein könnte, in ihre Mitte genommen, halten sich an den Händen und sehen unglaublich fröhlich aus – und das Wichtigste – alles in allem sehen sie den drei Steins sehr ähnlich.
Maria krabbelt unter ihre Bettdecke, legt sich auf den Rücken und drückt das Blatt mit den Zeitungsmenschen, die ungefragterweise zu einer Familie zusammengeklebt wurden, und von denen niemand etwas ahnt, auf ihre Brust.