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Blaise Cendrars

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Beschreibung

Der hochverschuldete Basler Tuchhändler Johann August Suter macht sich 1834 von Burgdorf auf nach New York. Der Sehnsuchtstraum der Neuen Welt treibt ihn immer weiter nach Westen, wo er im Tal des Sacramento sein Ziel erreicht und die Kolonie Neu-Helvetien gründet. Er kauft Land und macht es urbar, lässt Straßen, Brücken, Brunnen bauen, betreibt Ackerbau und Viehzucht im großen Stil. Bald gehört ihm halb Kalifornien. Doch - wie gewonnen, so zerronnen! Als auf seinem Land Gold entdeckt wird, bricht ein Run los, wie man in nie gesehen hat: Zehntausende von Abenteurern fallen ein und verwüsten seine Ländereien, die Arbeiter laufen ihm davon. Der »Vater Kaliforniens« wird um sein ganzes Territorium gebracht.In einer rasanten, vorwärtstreibenden Sprache erzählt Blaise Cendrars' erster, heute weltbekannter Roman vom Aufstieg und Fall des Amerikapioniers Suter, dem, wie es heißt, San Francisco seine Existenz verdankt. Die gnadenlose Beschreibung einer obsessiven Inbesitznahme, auf die der haltlose Untergang folgt - ausgelöst durch einen Klumpen Edelmetall -, führt den irren Rausch des Versprechens von Reichtum vor Augen und macht das erstmals 1925 erschienene Buch zu einem zeitlosen Stück Literatur.

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Seitenzahl: 143

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Blaise Cendrars

Gold

Die fabelhafte Geschichte des Amerikapioniers Johann August Suter

Aus dem Französischen von Yvan Goll

atlantis

Madame Woehringen gewidmet

Hamburgerin, Reederin, Forscherin,

gebildet und neugierig auf Abenteuer und Abenteurer.

Zur Erinnerung

an einige schöne Abende

in der Vorkriegszeit

in ihrer FOLIE von Sceaux

B.C.

San Francisco

Dort hast du die Geschichte des Pioniers Suter gelesen, der Kalifornien für die Vereinigten Staaten erschloss und der, ein Milliardär, ruiniert wurde durch die Entdeckung von Goldminen auf seinen Ländereien.

Du hast lange gejagt im Tal von Sacramento, wo ich gearbeitet habe, um das Land urbar zu machen.

Blaise Cendrars, Le Panama ou les Aventures de mes sept Oncles,1914

 

Eine andere Geschichte ist die der 900 Millionen, vermerkt in Le Panama, sowie die Geschichte des Pioniers Suter, die ich eines Tages schreiben oder hier wieder aufgreifen werde – später, falls ich sie nicht schon vorher veröffentliche.

Blaise Cendrars, Pro Domo,1918

Erstes Kapitel

1

Der Tag ging zu Ende. Die Bauern kehrten von ihren Äckern heim, mit einer Hacke über der Schulter oder einem Korb am Arm. Vor ihnen her gingen die jungen Mädchen in weißem Mieder und hochgeschürztem Rock. Sie hielten sich um die Hüften gefasst und sangen:

Wenn ich ein Vöglein wär

und auch zwei Flüglein hätt

flög ich zu dir …

Auf den Türschwellen rauchten die Alten ihre Porzellanpfeifen und strickten die Weiber lange weiße Strümpfe. Vor dem Wirtshaus Zum Wilden Mann wurde leichter weißer Landwein aus Krügen getrunken, die mit einem Wappen versehen waren: ein Bischofsstab und sieben rote Punkte darum. An den Tischen wurde ruhig gesprochen, ohne Geschrei und viele Gesten. Die Gespräche drehten sich alle um die für diesen Monat außerordentliche Hitze und die Trockenheit, die jetzt schon die junge Ernte bedrohte.

Es war der 6. Mai 1834.

Die Taugenichtse des Ortes umringten einen kleinen Savoyarden mit einer Drehorgel aus Sainte-Croix, und die Kinder fürchteten sich vor einem gereizten Murmeltier, das eben eines von ihnen gebissen hatte. Ein schwarzer Hund hob das Bein gegen einen der vier Ecksteine, die den bunten Brunnen einrahmten. Die letzten Sonnenstrahlen ließen die historischen Fassaden der Häuser aufleuchten. Der Rauch stieg steil in die reine Abendluft. In der Ebene quietschte fern ein Wagen.

Die Ankunft eines Fremden brachte die friedlichen Baselbieter plötzlich in Aufregung. Selbst wenn sich mitten am Tage ein Unbekannter zeigte, war das für das kleine Dorf Rünenberg bereits ein seltenes Ereignis; was aber sollte man sagen, wenn sich einer zu so ungewohnter Stunde, spät am Abend, kurz vor Sonnenuntergang, einstellte? Dem schwarzen Hund stand sein Bein in der Luft, und die alten Weiber ließen die Handarbeit sinken. Der Fremde kam über die Solothurner Landstraße. Zuerst waren ihm die Kinder entgegengelaufen, hielten dann aber unschlüssig inne. Die Gäste im Wilden Mann hatten aufgehört zu trinken und beobachteten den Fremden aus den Augenwinkeln. Dieser hatte am ersten Haus der Ortschaft angehalten und nach der Wohnung des Bürgermeisters gefragt. Der alte Buser, an den er sich gewandt hatte, drehte sich um, zupfte seinen Enkel Hans beim Ohrläppchen und befahl ihm, den Fremden zum Bürgermeister zu führen. Dann stopfte er weiter seine Pfeife und blickte dem Fremden nach, der mit langen Schritten dem voranlaufenden Knaben folgte.

Man sah ihn in das Haus des Bürgermeisters eintreten.

Die Dorfleute hatten Zeit gehabt, ihn im Vorbeigehen näher zu betrachten. Er war groß, mager und hatte ein frühzeitig gewelktes Gesicht. Seltsam strohblondes Haar schaute unter dem Hut mit der silbernen Schnalle hervor; seine Schuhe waren genagelt. In der Hand hatte er einen dicken Stock.

Schon wurde eifrig hin und her geredet. »Diese Fremden, können nicht einmal grüßen«, sagte der Schankwirt Buhri, die beiden Hände über dem breiten Bauch verschränkt. »Ich sage euch, der kommt aus der Stadt«, meinte der alte Siebenhaar, der in Frankreich gedient hatte; und wie so oft begann er, seine Geschichten über die seltsamen Dinge und Menschen, die er bei den Welschen gesehen hatte, vom Stapel zu lassen. Den Mädchen war vor allem der gerade Schnitt seines Überrockes aufgefallen und der steife Kragen mit den hohen Ecken, der ihm den unteren Teil der Ohren ganz verdeckte; sie tuschelten leise miteinander, erröteten und waren ganz aufgeregt. Die jungen Burschen aber, die um den Brunnen standen, nahmen drohende Mienen an und harrten der Dinge, bereit einzuschreiten.

Bald sah man den Fremden wieder auf die Straße heraustreten. Er schien abgespannt zu sein und trug den Hut in der Hand. Er wischte sich die Stirn mit einem großen gelben Seidentuch, wie man sie im Elsass herstellt. Im Nu sprang der Junge wieder auf, der ihn auf der Treppe erwartet hatte. Der Fremde tätschelte ihm die Wangen, gab ihm einen Taler, überquerte mit seinen langen Schritten den Dorfplatz und spuckte im Vorbeigehen in den Brunnen. Jetzt schaute das ganze Dorf zu ihm. Die Trinker waren aufgestanden. Aber der Fremde würdigte sie keines Blickes, stieg auf seinen Wagen und verschwand bald wieder auf derselben von Eschen gesäumten Landstraße, die zum Hauptort des Kantons führte.

Dieses plötzliche Auftauchen und ebenso schnelle Verschwinden brachte die friedlichen Dorfleute aus dem Häuschen. Der Junge war in Tränen ausgebrochen. Das Silberstück, das ihm der Fremde gegeben hatte, ging von Hand zu Hand. Diskussionen machten sich breit. Der Wirt zählte zu den Lautesten und empörte sich darüber, dass der Fremde sich nicht einmal herabgelassen hatte, bei ihm einzutreten und einen Krug zu leeren. Er wollte schon die Sturmglocke läuten lassen, um die umliegenden Dörfer zu warnen und eine Jagd auf den Mann zu veranstalten.

Bald jedoch sprach es sich herum, dass der Fremde vorgeblich aus der Gemeinde stammte und gekommen war, um sich einen Heimatschein und einen Pass für eine große Reise ins Ausland ausstellen zu lassen, dass aber, da er seine Zugehörigkeit nicht hatte beweisen können und da der Bürgermeister ihn nicht kannte und niemals gesehen hatte, dieser ihm Zeugnis und Pass verweigert hatte.

Alle lobten das umsichtige Handeln des Bürgermeisters.

Am nächsten Morgen fand im Büro des Polizeisekretärs in Liestal, dem Hauptort des Kantons, folgender Dialog statt. Es war kurz vor elf:

Der alte Ratsschreiber: »Wollen Sie bitte einen Pass nach Frankreich für den so benannten Johann August Suter, geboren in Rünenberg, ausstellen?«

Der Polizeisekretär Kloss: »Besitzt er einen vom Bürgermeister seiner Gemeinde ausgestellten Heimatschein?«

Der alte Schreiber: »Nein, aber sein Vater war ein Freund von mir, und ich bürge für ihn.«

Der Polizeisekretär Kloss: »So kann ich keinen Pass ausstellen; der Chef ist abwesend. Er hätte die Befugnis. Leider ist er heute in Aarau, und ich kann unter diesen Umständen keinen Pass ausstellen.«

Der alte Schreiber: »Jetzt übertreiben Sie aber, mein Lieber. Ich sage Ihnen doch, dass sein Vater ein alter Freund von mir war. Was wollen Sie mehr?«

Der Polizeisekretär Kloss: »Mein lieber Gäbis, ich tue meine Pflicht, alles Übrige geht mich nichts an. Ohne Heimatschein stelle ich keinen Pass aus.«

Am späten Abend kam ein Steckbrief aus Bern. Aber der Fremde hatte bereits die Schweizer Grenze überschritten.

2

Johann August Suter hatte seine Frau und seine vier Kinder verlassen.

Er ging unterhalb von Mariastein über die Schweizer Grenze; an Waldsäumen entlang erreichte er die gegenüberliegenden Berge. Die Hitze war wieder groß, und die Sonne brannte. Am Abend kam er nach Ferrette, als gerade ein starkes Gewitter losbrach, und er verbrachte die Nacht in einer verlassenen Scheune.

Am nächsten Tage machte er sich schon vor Sonnenaufgang auf den Weg. Er hielt sich gegen Süden, ließ Delle seitlich liegen, überschritt den Lomont und gelangte in die Gegend des Doubs.

Er war mehr als 25 Meilen gewandert, der Hunger peinigte ihn, er hatte keinen Pfifferling in der Tasche, denn der Taler, den er dem Jungen in Rünenberg gegeben hatte, war sein letzter gewesen.

Er irrte noch zwei Tage lang in dem hoch gelegenen, wüstenartigen Weideland der Franches-Montagnes umher, schlich abends müde um die Bauernhäuser; aber das Bellen der Hunde jagte ihn immer wieder in die Wälder zurück. Eines Abends war es ihm jedoch gelungen, die Milch einer Kuh in seinen Hut zu melken, und er hatte das warme, schäumende Getränk in einem Zug aufgetrunken. Bis dahin hatte er nur einige Büschel Sauerampfer ausgerupft und die Stiele blühenden Enzians ausgesogen. Er hatte auch die erste Erdbeere des Jahres gefunden, und ihr Geschmack war ihm lange auf der Zunge geblieben.

Große Reste harten Schnees lagen noch im Schatten der Tannen.

3

Johann August Suter war 31 Jahre alt.

Er war am 15. Februar 1803 in Kandern, im Großherzogtum Baden, geboren.

Sein Großvater Jakob Suter, der Begründer der »Suter Papiermacher«-Dynastie, wie sie auch in den Registern der Kirchgemeinde Kilchberg in Basel eingetragen ist, hatte die kleine Gemeinde Rünenberg mit fünfzehn Jahren verlassen, um in der Stadt in die Lehre zu gehen. Zehn Jahre später war er der größte Papierfabrikant von Basel und hatte seine Geschäfte mit den kleinen Universitätsstädten im Süden Deutschlands so weit ausgebaut, dass er in Kandern weitere Papierfabriken errichten musste. Der Vater von Johann August, Hans Suter, hatte diesen neuesten Manufakturen vorgestanden.

Es war damals die gute alte Zeit der Innungen; der Meister schloss noch mit seinen Arbeitern und Angestellten Verträge für die Dauer von 101 Jahren ab; seine Frau, die Meisterin, bereitete jeden Frühling für ihre Familie und die ihrer Arbeiter einen Blutreinigungstee zu, der gemeinsam getrunken wurde. Das Fabrikationsgeheimnis vererbte sich vom Vater auf den Sohn, und mit der Ausdehnung der Geschäfte erschlossen sich immer neue Felder der Papierindustrie – Druck, Schmuckpapier, Buchherstellung, Buchhandel, Verlag – und boten immer neue Chancen für immer neue Familienmitglieder. Jede neue Generation spezialisierte sich in einem anderen Fach und gab der ursprünglichen Papierfabrik Suter, die sich bereits einen europäischen Ruf errungen hatte, neuen Aufschwung.

So hatte Friederich Suter, ein Onkel Johann August Suters, Pamphlete und revolutionäre Schriften aus der Schweiz ins Elsass geschmuggelt und die Drucksachen in großen Mengen in der Gegend zwischen Altkirch und Straßburg verteilt, was dazu führte, dass er als fameux colporteur in Paris während der Schreckenstage von 1793 und 1794 dabei war, worüber er auch Memoiren voll unbekannter Einzelheiten hinterlassen hat. Und vor Kurzem noch lebte einer der letzten Sprösslinge des großen Papierfabrikanten, Gottlieb Suter, und zwar als Buchbindermeister in Basel auf dem alten friedvollen Platz, wo die Schulmädchen um das Denkmal des alemannischen Bauerndichters Ringelreihen spielen.

Johann Peter Hebel

hat zwischen den Bein’ ein’ Knebel.

Und dass man ihn besser fassen kann,

hat er zwei große Knollen dran.

Eine winzige Bude. Der Buchbinder Gottlieb besuchte eifrig die Sekten und die Wirtshäuser, brachte den Sträflingen in den Gefängnissen Worte des Heils und verhaute seine Kinder, wie man Korn drischt. Seit dem General sind die Suters so.

4

Eine Meile vor Besançon badet Johann August Suter seine zerschundenen Füße in einem Bach. Er sitzt mitten in einem Ranunkelfeld, dreißig Meter von der Landstraße entfernt.

Da kommen aus einem kleinen, blauen Wäldchen zehn junge Deutsche des Weges. Es sind lustige Kumpane, die eine Spritztour nach Frankreich machen wollen. Einer ist Goldarbeiter, einer Eisenschmied, der dritte Metzgerbursche, ein anderer Lakai. Jeder stellt sich vor, und bald umringen sie alle Johann. Es sind gute Kerle, die immer bereit sind, ein Mädchen zu umarmen und ohne Durst zu trinken. Sie sind in Hemdsärmeln und tragen ihr Bündel an einem Stock. Johann schließt sich ihnen an und gibt sich als Buchdrucker aus.

In dieser Gesellschaft wandert Suter ins Burgund. Eines Nachts, in der Nähe von Autun, bestiehlt er, nachdem sie alle Wein getrunken, zwei oder drei seiner Kameraden und zieht einem alle Kleider aus.

Am nächsten Tage befindet sich Suter im Postwagen auf dem Weg nach Paris.

In Paris hat er schon wieder keinen Sou mehr; er begibt sich, ohne zu zögern, zu einem großen Papierhändler im Marais, einem der besten Kunden seines Vaters, und weist ihm einen gefälschten Kreditbrief vor. Eine halbe Stunde nachdem er das Geld eingesteckt hat, sitzt er schon in der Postkutsche, die nach Norden fährt; er kommt nach Beauvais und von dort über Amiens nach Abbeville. Der Besitzer eines Fischerbootes nimmt ihn an Bord und bringt ihn nach Le Havre. Drei Tage später donnern die Kanonen, läuten die Glocken und eilt die ganze Bevölkerung von Le Havre auf die Quais: Die »Espérance«, ein Schaufelraddampfer mit viereckigen Segeln, fährt stolz aus dem Hafen, am Quai entlang. Seine erste Reise. Es geht nach New York.

An Bord befindet sich der Bankrotteur, Ausreißer, Landstreicher, Vagabund, Dieb und Betrüger Johann August Suter.

Er trägt den Kopf hoch und entkorkt eine Flasche Wein.

So verschwindet er in den Nebeln des Ärmelkanals, bei stürmischem Wetter und aufgewühlter See. In der Heimat hört man nichts mehr von ihm; seine Frau bleibt vierzehn Jahre ohne Nachricht, und dann plötzlich erschallt sein Name durch die ganze Welt, zur Verwunderung aller.

Hier beginnt die fabelhafte Geschichte des Johann August Suter.

An einem Sonntag.

Zweites Kapitel

5

Der Hafen.

Der Hafen von New York.

1834.

Dies ist der Ort, wo die Schiffbrüchigen, die Unglücklichen und die Unzufriedenen der alten Welt landen. Die Freien und die Fahnenflüchtigen. Die, die ein Schicksalsschlag getroffen hat, die alles auf eine Karte gesetzt haben oder in romantischer Leidenschaft aus der Bahn geworfen wurden. Die ersten deutschen Sozialisten und die ersten russischen Mystiker. Die Idealisten, die von allen Polizeiämtern Europas verjagt werden und die vor der Reaktion flüchten müssen. Die kleinen Handwerker, die ersten Opfer der sich bildenden Großindustrie. Die französischen Phalansterier, die Carbonari, die letzten Jünger St. Martins, des unbekannten Philosophen, und viele Schotten. Edle Geister und zerschlagene Köpfe. Räuber aus Kalabrien und griechische Patrioten. Bauern aus Irland und Skandinavien. Menschen und ganze Sippschaften, die Opfer der napoleonischen Kriege und diplomatischen Kongresse geworden sind. Karlisten, Polen und ungarische Partisanen. Die Hitzköpfe aller Revolutionen von 1830 und die letzten Liberalen, die ihr Vaterland verlassen, um sich der großen Republik anzuschließen, Arbeiter, Soldaten, Händler, Bankiers aus allen Ländern, sogar aus Südamerika, die Komplizen Bolivars. Seit der Französischen Revolution, seit der Unabhängigkeitserklärung (siebenundzwanzig Jahre vor der Wahl Lincolns zum Präsidenten) werden die Quais von New York, das in stetem Wachstum und voller Entfaltung begriffen ist, Tag und Nacht von den Einwanderern überflutet, und in jedem Schiff, in jeder Menschenladung gibt es mindestens einen, der zur Sorte der Abenteurer gehört.

Johann August Suter geht am 7. Juli, einem Dienstag, an Land. Er gibt sich ein Gelübde. Kaum hat das Schiff gehalten, springt er auf den Quai, stößt die Soldaten der Miliz auf die Seite und umfängt mit einem Blick den unendlichen Meereshorizont, entkorkt, leert in einem Zug eine Flasche Rheinwein und wirft die leere Flasche in Richtung Sklavenmannschaft eines Bermuda-Dampfers. Dann bricht er in Lachen aus und läuft in die unbekannte große Stadt hinein, als hätte er’s eilig und als erwartete ihn jemand.

6

»»Seht, mein Lieber«, sagte Paul Haberposch zu Johann August Suter, »was ich Euch anbiete, ist direkt eine Erholungskur, und Ihr werdet Brot, ein Dach und die Wäsche umsonst haben. Sogar neu einkleiden werde ich Euch. Ich habe da einen Garrick-Mantel mit sieben Kragen, vor dem werden die irischen Auswanderer die Augen aufreißen. Nirgends werdet Ihr eine bessere Stellung finden als bei mir; vor allem, wo Ihr, unter uns sei es gesagt, kein Sterbenswörtchen von der Landessprache versteht; und da wird der Garrick seinen Dienst erweisen, denn vor den Iren, diesen guten Kerlen und Teufelssöhnen, die ganz nackt aus dem Paradies entlaufen sind, braucht Ihr einfach nur die Ohren offen zu lassen, und sie werden mit ihrer heiligen Gottessprache, wie sie solchen Hurensöhnen geläufig ist, hineinkriechen. Ich schwöre Euch, dass Ihr binnen acht Tagen so viel zu hören bekommen werdet, dass Euch die Lust anwandeln wird, ins Kloster zu gehen. Ein Ire kann sein Maul nicht halten, und während er auskotzt, was er im Leibe hat, bitte ich Euch nur, ein wenig sein Bündel zu betasten, um zu sehen, ob er nicht etwa einen doppelten Magen hat, wie die roten Affen, oder verstopft ist wie ein altes Weib. Ich gebe Euch also meinen Garrick und eine Gallone Bay-Rum dazu (denn ein Ire, der gerade ankommt, muss saufen, das ist seine Art, seine Landsleute willkommen zu heißen) und außerdem ein kleines Messer meiner Erfindung, das lang bis zum Ellenbogen und dessen Klinge biegsam wie eine Weidengerte ist. Seht Euch diese Feder an: Hier drückt man, und, siehe da, drei kleine Haken springen am Ende der Klinge hervor. So geht das, ja. Und während Ihr ihm von O’Connor oder von der eben vom Parlament angenommenen Unionsakte erzählt, wird Euch das kleine Werkzeug sagen, ob Euer Klient hohl oder voll ist. Ihr braucht da nur draufzubeißen, um zu wissen, ob sein Säckel aus Gold oder aus Blei ist. Verstanden? Nun, umso