Gottes hauchdünnes Schweigen - Wilhelm Bruners - E-Book

Gottes hauchdünnes Schweigen E-Book

Wilhelm Bruners

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Beschreibung

"Harmlos von Gott zu reden ist gefährlich." - Das Sprechen mit und über Gott war lange Zeit primär Kirchensprache in Gottesdienst und Katechese, spirituelle oder theologische Fachsprache. Zur Umgangssprache aber entstand ein immer tieferer Graben. Im Ringen um eine neue Sprache dreht Wilhelm Bruners die übliche Fragestellung um. Nicht: Wie heute von Gott reden? Sondern: Wie redet Gott den Menschen an? Welche Sprache müssen wir lernen, wenn wir ihn hören und verstehen wollen? Bedient sich Gott ausschließlich einer hohen, exklusiven, spirituellen Theologensprache? Oder ist seine Ansprache an uns nicht wie die Sprache der Psalmen voll Leben, mit kritischen Fragen und Zweifeln, mit vorläufigen Antworten und auch voll Zorn über unsere Feindschaften? Kann nicht jede menschliche Sprache, wenn sie nur ehrlich ist, zur Trägerin der Gott-Sprache werden? Diesen Fragen geht Wilhelm Bruners nach und ermutigt so dazu, den eigenen Sprach-Erfahrungen bei der Suche nach der Gottsprache in unserer Welt zu trauen. Das aber beginnt vor allem und zuerst im guten Hinhören.

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Wilhelm Bruners

Gottes hauchdünnes Schweigen

Auf seine Stimme hören

Franziskanische Akzente

herausgegeben von Mirjam Schambeck sfund Helmut Schlegel ofm

Band 20

WILHELM BRUNERS

Gottes hauchdünnesSchweigen

AUF SEINE STIMME HÖREN

echter

Herzlicher Dank geht an Eva Laux für die sorgfältige Zuarbeit bei den Korrekturen sowie an die Provinz Sankt Elisabeth der Franziskaner-Minoriten, OFM Conv. in Deutschland, für die finanzielle Unterstützung. Mirjam Schambeck sf und Helmut Schlegel OFM danke ich für die Einladung und Aufnahme meiner Überlegungen in die Reihe „Franziskanische Akzente“.

Ich widme Markus Roentgen, meinem geistlichen Begleiter, dankbar dieses Buch. Seine Weise, Gottes Stimme zu hören, hat mir in den letzten Jahren neue theologisch-spirituelle Räume erschlossen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.d-nb.de› abrufbar.

1. Auflage 2019

© 2019 Echter Verlag GmbH, Würzburg

www.echter.de

Umschlag: wunderlichundweigand.de (Foto: Elisabeth Wöhrle sf)

Satz: Crossmediabureau – http://xmediabureau.de

E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de

ISBN

978-3-429-05380-2

978-3-429-05032-0 (PDF)

978-3-429-06442-6 (ePub)

Inhalt

Vorwort

1. Biblische Gotteserfahrung und ihre Bildsprache

Die Karmelerfahrung und ihr Bild: Warum die Suche nach dem richtigen Gott ins „Kinderzimmer der Religion“ gehört und nicht weiterführt

Die Horeberfahrung: Warum wahre Gottrede das hauchdünne Schweigen in sich trägt

Der Damaskusauftrag: Warum im „hauchdünnen Schweigen“ dennoch die Frage: Was willst du hier, Elija? laut wird

Die Galiläaerfahrung: Warum die Gottrede durch das Wort Jesu an den Rändern noch eine neue Dimension bekommt

2. Spracherfahrungen mit der Gottrede

Die neue Frage: Warum Gott Ägyptisch lernt

Die Botschaft der Engel: Warum Frauen und Männer in der Nachfolge Jesu aus einem leeren Jesus-Grab zurück nach Galiläa geschickt werden – mitten ins Leben

Das hörende Herz: Warum allem Reden von, über und mit Gott das Hören vorausgeht

Gottes Sprachverstecke: Warum Gott in der Alltagssprache immer auch da zu Wort kommt, wo Menschen trotz allem an ihren Hoffnungen und Lebens-Visionen festhalten

3. Auf ein Wort zum Schluss

4. Anmerkungen

5. Zum Weiterlesen

glaube

für r.k.

er bewohnt in mir

ein zimmer nur zur miete

er ist oft unterwegs

er kommt und geht

unberechenbarer besucher

meist ist er ungepflegt

ein clochard unrasiert

er riecht nach welt

und behauptet

draußen sähe er

den himmel besser

auch bei nacht

wilhelm bruners

Vorwort

„Und es braucht eine neue Sprache für den Glauben. Eine Sprache, die sich nach Erde anfühlt, die nach dem Schweiß der Angst und der Arbeit riecht, eine Sprache mit dem Geschmack allen Glücks und aller Bitterkeit der Welt, die heutig klingt und die Augen öffnet für Gottes Welt – und was ihr entgegen steht.“1

Um diese „neue“ Sprache geht es in den vorliegenden Überlegungen. Bisher hatte die Kirchensprache der Gottesdienste und Katechesen den Primat im Sprechen mit und über Gott. Hinzu kamen mehr und mehr spirituelle Texte. Und schließlich gibt es die wissenschaftlichen Theologien mit ihren je eigenen, oft schwierigen Sprachspielen. Zur Umgangssprache der Menschen aber entstand ein immer tieferer Graben. Erst recht betraf dies in der Vergangenheit Lehrschreiben der vatikanischen Zentrale. Sie zu lesen blieb meist den Fachtheolog/-innen überlassen und, in seltenen Fällen, den Prediger/-innen. Nicht besser ergeht es bis heute den Briefen der „Hirten“ – mit wenigen Ausnahmen. Selten gelangt ein Bischofswort in die Kommentare der allgemeinen Medien, es sei denn, es nimmt (kontrovers) Stellung zu sozial-politischen oder allgemein ethischen und medizinischen Problemen.

Die folgenden Überlegungen gehen der Frage nach, wie heute von Gott zu reden ist, wenn er denn in der Kollektiverinnerung bleiben soll und nicht aus der Sprache verschwindet. Ist Gott sprachlich noch zu retten? Eine Überforderung für alle, die sich dafür verantwortlich fühlen? Muss die Frage nicht vielmehr lauten: Wie redet Gott heute den Menschen an, um in seiner Schöpfung und auch Kirche von Menschen wahrgenommen zu werden? Welche Sprache muss der Mensch lernen, wenn er Gott hören und verstehen will? Bedient sich Gott ausschließlich einer exklusiven Theolog/-innen- oder spirituellen Sondersprache? Oder ist seine Ansprache an uns nicht gerade voll menschlicher Freude, aber auch voll Schweiß und Angst und hat tatsächlich den „Geschmack allen Glücks und aller Bitterkeit der Welt“ (Peter Hundertmark), weil sie eine Sprache ist, die sich nach Erde anfühlt? – Diesen Fragen geht der Text nach und ermutigt, den eigenen Erfahrungen bei der Suche nach der Gottsprache in unserer Welt zu trauen.

1. Biblische Gotteserfahrung und ihre Bildsprache

Die Karmelerfahrung und ihr Bild: Warum die Suche nach dem richtigen Gott ins „Kinderzimmer der Religion“ gehört und nicht weiterführt

„harmlos von gott zu reden ist gefährlich“

Die Szene ist krass. Aber sie ist genial gestaltet. Kein Filmregisseur hätte ein besseres Drehbuch schreiben können. Ein kleiner Prophet. Ein kleines Volk. Und ein in der Welt der Götter unbekannter Gott. Sie treten an gegen die große kanaanäische Baal-Gottheit. Baal, der Wetter- und Sturmgott, der Schöpfergott des kanaanäischen Zeitalters im Vorderen Orient. Die Hauptgottheit der Zivilreligion; ihr gehört man selbstverständlich an. Hat da der Gott des im Chor der Großvölker kleinen Israels überhaupt eine Chance? Hinzu kommt: Das Volk Israel hat sich gespalten. Nach dem Tod König Salomos, des Davidssohnes, gibt es ein Nordreich und ein Südreich. Der Aufstand galt dem Sohn und Nachfolger Salomos, Rehabeam. Er war, so erzählt das 1. Buch der Könige 12f., nicht dem Rat der Ältesten und Weisen gefolgt. Er hatte das Volk nicht entlastet. Er steigerte vielmehr die Lasten, machte das Joch schwerer, wie es auch die Notiz in 1 Kön 12,11 verrät: „Hat mein Vater euch ein schweres Joch aufgebürdet, so werde ich es noch schwerer machen …“ Erst 900 Jahre später wird ein Mann, ebenfalls aus dem Haus Davids, sagen: „… Mein Joch drückt nicht, und meine Last ist leicht“ (Mt 11,30). Ihn bekennt der Evangelist Matthäus als den wahren Davidssohn und rechtmäßigen Nachfolger.

Der vorherrschende Baalskult hatte im 8. Jahrhundert v. Chr. in Israel, vor allem im Norden, eine große Fürsprecherin: Isebel, die Frau des israelischen Königs Ahab. Politisch war es ein geschickter Schachzug von Ahab, diese kanaanäische Königstochter zu heiraten. Wahrscheinlich kennen wir sogar ihr Brautlied, das Eingang in das Psalmenbuch gefunden hat: „Höre, Tochter, sieh her und neige dein Ohr, / vergiss dein Volk und dein Vaterhaus / … Die Töchter von Tyrus kommen mit Gaben, / deine Gunst begehren die Edlen des Volkes. / Die Königstochter ist herrlich geschmückt, / ihr Gewand ist durchwirkt mit Gold und Perlen …“ Ps 45,11.13–14).

Denn durch Isebel, die Syrophönizierin, sicherte sich Ahab, König im Nordreich Israels, den Frieden an der Nordwestgrenze und zum Meer hin. Die reichen und mächtigen Küstenstädte Tyrus und Sidon wurden ihm durch diese Heirat nicht mehr gefährlich. Sein Thronsitz war in Samaria. Aber Isebel, stolz auf ihre machtvolle Herkunft, bringt natürlich ihren mächtigen „Hausgott“ Baal mit und will das kleine Israel „baalabhängig“ machen. Auch Israel soll sich der Staats- und Zivilreligion des Baal anschließen.

Was ist da schon der Gott Israels, JHWH? Zunächst ist diese Gottheit klein und unbedeutend – wie das Volk Israel selbst. Doch Ahab und vor allem Isebel haben ihre Rechnung ohne den Propheten Elija gemacht. Der Prophet Elija tritt an gegen die mit Isebel eingewanderte Priesterschaft des Baal. Der kam aber nicht allein: Ihn begleitete die weibliche Gottheit Aschera. Zusammen bildeten sie ein allmächtiges Götterpaar. Dagegen steht der „kleine“ Gott Israels. Der Religionsstreit kann starten: Welche Gottheit ist stärker? Welche Gottheit setzt sich durch?

Es sind Fragen religiöser Macht und Identität. Fragen des religiösen „Kinderzimmers“: Welche Gottheit hat Recht? Wer verehrt den richtigen Gott? Welcher Gott ist in der Lage, seine Verehrerinnen und Verehrer zu schützen? Wer kann Wunder tun? Wer kann retten? Wer ist der Gott über allen Göttern? Wer ist der „Allmächtige“? Und wie sieht die Verehrung des Staatsgottes aus? Mit welchem „Event“ kann die Gottheit beeindruckend vermittelt werden?

Ein Kampf auf Leben und Tod beginnt. Der Prophet Elija fordert seine Gegner heraus (vgl. 1 Kön 18). Auf dem Karmelgebirge kommt es in Anwesenheit des Volkes, das zwischen Baal und Jahwe schwankt, durch den Propheten zur Entscheidung.

Elija veranlasst den König, Boten auszuschicken: „ … versammle mir ganz Israel auf dem Karmel, auch die vierhundertfünfzig Propheten des Baal und die vierhundert Propheten der Aschera, die vom Tisch Isebels essen. Ahab schickte in ganz Israel umher und ließ die Propheten auf dem Karmel zusammenkommen. Und Elija trat vor das ganze Volk und rief: Wie lange noch schwankt ihr nach zwei Seiten? Wenn Jahwe der wahre Gott ist, dann folgt ihm! Wenn aber Baal es ist, dann folgt diesem! Doch das Volk gab ihm keine Antwort. Da sagte Elija zum Volk: Ich allein bin als Prophet des Herrn übrig geblieben; die Propheten des Baal aber sind vierhundertfünfzig. Man gebe uns zwei Stiere. Sie sollen sich einen auswählen, ihn zerteilen und auf das Holz legen, aber kein Feuer anzünden. Ich werde den andern zubereiten, auf das Holz legen und kein Feuer anzünden. Dann sollt ihr den Namen eures Gottes anrufen, und ich werde den Namen des Herrn anrufen. Der Gott, der mit Feuer antwortet, ist der wahre Gott. Da rief das ganze Volk: Der Vorschlag ist gut“ (1 Kön 18,19–24).

Religion bekommt, wenn sie auf dem Niveau kindischer Religionskämpfe stattfindet (oder wieder angekommen ist), einen enormen Unterhaltungswert, in dem auch heute vor allem amerikanisch-religiöse Großveranstaltungen ihr Heil suchen. Das Volk, religiös wenig gebildet und aufgeklärt, ist völlig von den religiösen und theologischen Meinungsmachern und Religions-Führern sowie ihren Interpretationen abhängig. An religiöser Unterhaltung und Folklore besteht immer Bedarf, auch wenn die Meinung der herrschenden Klasse über das unaufgeklärte (!) Volk – vor allem in der Religion – mehr Verachtung als Respekt zeigt.

Die Frage nach Gott und der Wahrheit verliert durch solche Showveranstaltungen und Events ihren Ernst und verschwindet am Ende ganz. Antworten geben solche Machtdemonstrationen nicht; sie unterhalten bestenfalls. Wenn aber tiefe Lebenskrisen kommen, versagen sie völlig, weil ihnen dazu keine Antwort einfällt. Sie stützen zugleich die These kritischer Hirne, dass jedwede Religion, ihre liturgischen Riten und Inszenierungen das „Opium des Volkes“ (Karl Marx) sind.

„Nun sagte Elija zu den Propheten des Baal: Wählt ihr zuerst den einen Stier aus und bereitet ihn zu; denn ihr seid die Mehrheit. Ruft dann den Namen eures Gottes an, entzündet aber kein Feuer! Sie nahmen den Stier, den er ihnen überließ, und bereiteten ihn zu. Dann riefen sie vom Morgen bis zum Mittag den Namen des Baal an und schrien: Baal, erhöre uns! Doch es kam kein Laut und niemand gab Antwort. Sie tanzten hüpfend um den Altar, den sie gebaut hatten.

Um die Mittagszeit verspottete sie Elija und sagte: Ruft lauter! Er ist doch Gott. Er könnte beschäftigt sein, könnte beiseite gegangen oder verreist sein. Vielleicht schläft er und wacht dann auf. Sie schrien nun mit lauter Stimme. Nach ihrem Brauch ritzten sie sich mit Schwertern und Lanzen wund, bis das Blut an ihnen herabfloss. Als der Mittag vorüber war, verfielen sie in Raserei und das dauerte bis zu der Zeit, da man das Speiseopfer darzubringen pflegt. Doch es kam kein Laut, keine Antwort, keine Erhörung“ (1 Kön 18,27–29).

Friedrich Nietzsche muss diese Szene im Blick gehabt haben, als er die Geschichte vom „tollen Menschen“ und seiner vergeblichen Gottsuche aufschreibt. Ein Bild für die Not oder Leere, wenn Gott für viele aus dem Blick geraten ist – oder erst gar nicht in den Blick kommen kann, weil sie mit der Frage nach Gott nie „belästigt“ worden sind.