Gotteslehre - Matthias Haudel - E-Book

Gotteslehre E-Book

Matthias Haudel

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Beschreibung

Die christliche Gotteslehre (Trinität) im Kontext von Philosophie und Religion. Die Gottesfrage berührt die Grundfragen des Menschen, wie etwa die Fragen nach tragfähiger Gotteserkenntnis sowie nach Ursprung, Ziel und Sinn des Lebens. Matthias Haudel erörtert den christlichen Gottesbegriff im Kontext von Religion, Philosophie und Naturwissenschaft. Dabei entfaltet er das Verständnis der Trinität in seiner Bedeutung für alle Bereiche der Theologie und führt gleichzeitig in die Grundlagen von Theologie und Dogmatik sowie in deren zentrale Gegenstände ein. Dies erfolgt in theologiegeschichtlicher und ökumenischer Weite, wobei aktuelle Konzeptionen der Gotteslehre ebenso berücksichtigt werden wie die Herausforderungen der Moderne. Weder kirchliche Verkündigung noch religionspädagogische Vermittlung können auf die Verankerung in der Gotteslehre verzichten, wenn sie die theologischen Gegenstände angemessen vermitteln wollen und den Dialog mit anderen Religionen und Weltanschauungen suchen. Matthias Haudel trägt zur Befähigung für diese Aufgaben bei, indem er die Bedeutung der Trinitätslehre für Theologie, Kirche und Welt erschließt und in interdisziplinärer Orientierung die Übereinstimmung von Glaubens- und Wirklichkeitserfahrung zeigt, so dass zugleich Hilfestellung für die lebensweltlichen Herausforderungen in der Praxis geboten wird. Deshalb ist sein Buch nicht nur für Studierende und Lehrende hilfreich, sondern auch für die in der pfarramtlichen und religionspädagogischen Praxis Tätigen sowie für alle an den Grundfragen des Glaubens Interessierten. Denn der Autor hat eine Gotteslehre - nicht nur - für Studierende verfasst, die auch ohne Sprachkenntnisse verständlich ist. Sie eignet sich für die Prüfungsvorbereitung ebenso wie für die Begleitlektüre in einem systematisch-theologischen Proseminar - und sie gibt grundsätzlich für alle Interessierten verständlich einen tiefgehenden Einblick in die wichtigsten Grundlagen und Fragen des Glaubens. Die zweite Auflage wurde um einige Hinweise auf theologische Ansätze und aktuelle Entwicklungen ergänzt.

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Seitenzahl: 701

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Matthias Haudel

Gotteslehre

Die Bedeutung der Trinitätslehre für Theologie, Kirche und Welt

2., veränderte und ergänzte Auflage

Dr. theol. Matthias Haudel lehrt als Professor für Systematische Theologie an der ᆳauftrag für Systematische Theologie an der Universität Bielefeld. Ferner arbeitet er für die Evangelische Kirche von Westfalen im Bereich Ökumene. Für sein Werk „Die Selbsterschließung des dreieinigen Gottes“ erhielt er als erster Theologe zum zweiten Mal den ᆳkultät der Universität Regensburg. Der Preis für hervorragende wissenschaftliche Arbeit auf dem Gebiet der Ökumenischen Theologie wurde ihm 1993 bereits für seine Dissertation „Die Bibel und die Einheit der Kirchen“ verliehen.

Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Darstellung der Dreieinigkeit auf einem Hostienteller aus der belgischen Provinz Namur.

© 2018, 2015, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

www.v-r.de

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.

Umschlaggestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart

EPUB-Erstellung: Lumina Datametics, Griesheim

Druck und Bindung: Friedrich Pustet GmbH & Co. KG, Gutenbergstraße 8, 93051 Regensburg

UTB-Band-Nr. 4292

ISBN: 978-3-8252-4970-0 (UTB)

Inhalt

Vorwort

I.Einführung

1.Gotteslehre und die Grundfragen des Lebens

2.Gotteslehre als Grundlage christlicher Theologie

3.Aufbau

II.Religionsgeschichtliche, philosophische und theologische Dimensionen der Gotteslehre

1.Horizonte des Gottesbegriffs

2.Die Transzendenz von Welt und Kosmos

3.Die Transzendenz des Menschen

4.Implikationen des Gottesbegriffs

5.Hermeneutische Bedingungen für die Erkenntnis Gottes

6.Glaube und Vernunft

III.Die Grundlagen christlicher Gotteslehre in ihrem philosophischen und religiösen Kontext

1.Das biblische Zeugnis von Vater, Sohn und Heiligem Geist

1.1Altes Testament

1.2Neues Testament

2.Die Entfaltung der christlichen Gotteslehre im Kontext von Philosophie und Religion

3.Das Bekenntnis zum dreieinigen Gott als Grundlage des christlichen Glaubens

3.1Die zur neunizänischen Theologie führenden ost- und westkirchlichen Entwicklungen

3.1.1Irenäus und Tertullian

3.1.2Origenes

3.1.3Der arianische Streit und das Erste Ökumenische Konzil (Nizäa 325)

3.1.4Athanasius

3.2Der Glaube an den dreieinigen Gott als philosophische und religiöse Revolution

3.2.1Die drei großen Kappadozier

3.2.2Augustin

3.3Das Ökumenische Bekenntnis von Nizäa-Konstantinopel (381) als Grundlage des christlichen Gottesbegriffs

4.Jesus Christus: Wahrer Gott und wahrer Mensch (Chalcedon 451)

IV.Spätere trinitätstheologische Engführungen in West- und Ostkirche

1.Westkirchliche Engführungen (Das Filioque-Problem)

2.Ostkirchliche Engführungen (Aspekte der Energienlehre)

3.Die Lösung des Filioque-Problems

V.Die Bedeutung der Trinitätslehre für die Reformation

1.Luthers Trinitätslehre und der reformatorische Durchbruch

2.Trinitätslehre bei Zwingli und Calvin

VI.Gotteslehre im Kontext der Aufklärung

1.Bedeutende Konzeptionen der Aufklärung (Descartes, Kant, Hegel)

2.Gotteslehre im Horizont der Religionskritik

3.Gottesbeweise

VII.Die Besinnung auf die altkirchliche Trinitätslehre im 19. und 20. Jahrhundert

1.Protestantische Konzeptionen

1.1Entwicklungen im 19. Jahrhundert

1.2Karl Barth

1.3Eberhard Jüngel

1.4Jürgen Moltmann

1.5Weitere Entwürfe (W. Pannenberg u.a.)

2.Römisch-katholische Konzeptionen

2.1Entwicklungen im 19. Jahrhundert

2.2Zweites Vatikanisches Konzil

2.3Karl Rahner

2.4Weitere Entwürfe (H.U. von Balthasar u.a.)

3.Orthodoxe Konzeptionen

3.1Entwicklungen im 19. Jahrhundert

3.2Dumitru Staniloae u.a.

VIII.Der dreieinige Gott als die vollkommene Gemeinschaft der Liebe

1.Gottes dreieiniges Wesen und sein diesem Wesen entsprechendes Handeln

2.Gottes Eigenschaften

IX.Der dreieinige Gott als Lebenshorizont

1.Gott als offenbares Geheimnis: seine verborgene und offenbare Anwesenheit

2.Der Mensch als Ebenbild Gottes und der Sinn des Lebens

X.Die drei Artikel des Glaubensbekenntnisses: Schöpfer, Erlöser, Vollender

1.Gott, der Schöpfer

1.1Gottes Wirken: Schöpfung und Weltregierung

1.2Theologie und Naturwissenschaft

1.2.1Die Notwendigkeit des Dialogs

1.2.2Ursachen der Trennung

1.2.3Grundlegende naturwissenschaftliche Umbrüche als neue Öffnung

1.2.4Aktuelle naturwissenschaftliche Spekulationen

1.2.5Zum Wesen von Theologie und Naturwissenschaft

1.2.6Schöpfungstheologie im Licht aktueller Naturwissenschaft

1.2.7Der Zusammenhang von Theologie und Naturwissenschaft

2.Gott, der Erlöser

2.1Wahre Gottes- und Menschenerkenntnis in Jesus Christus (Heil des Menschen)

2.2Kreuzestheologie, Auferstehung und Theodizee-Frage: Allmacht und Leidensfähigkeit Gottes

2.2.1Kreuzestheologie und Gottes Allmacht und Leidensfähigkeit

2.2.2Zum Verständnis von Opfer, Sühne und Stellvertretung

2.2.3Zur Bedeutung und zum Verständnis der Auferstehung

2.2.4Die Theodizee-Frage

2.3Sünde und Freiheit, Rechtfertigung des Sünders, Glaube und Prädestination

2.4Ethik und Weltverantwortung (Gesetz und Evangelium, trinitarischer Kontext)

3.Gott, der Vollender

3.1Die Gemeinschaft der Glaubenden (Kirche) und ihre Maßstäbe

3.2Mensch und Kosmos in eschatologischer Perspektive

3.3Tod und ewiges Leben

3.3.1Zum Verständnis des Todes, des ewigen Lebens und des Verhältnisses von persönlichem Tod und allgemeiner Auferstehung

3.3.2Leibliche Auferstehung und Jüngstes Gericht

XI.Die Bedeutung der Trinitätslehre für das Kirchenverständnis – in ökumenischer Perspektive

1.Der wesensmäßige Zusammenhang von Trinitäts- und Kirchenverständnis

2.Der Zusammenhang von Einseitigkeiten im Trinitäts- und Kirchenverständnis

2.1Römisch-katholisches Beispiel: Joseph Ratzinger

2.2Protestantisches Beispiel: Miroslav Volf

2.3Orthodoxes Beispiel: Ioannis D. Zizioulas

3.Zur Überwindung der jeweiligen Einseitigkeiten

XII.Die Trinitätslehre im Dialog mit anderen Religionen

1.Christlich-jüdischer Dialog

2.Interreligiöser Dialog mit weiteren Weltreligionen

Literaturverzeichnis

Bibelstellenregister

Personenregister

Sachregister

Vorwort zur 1. Auflage

Mit der „Gotteslehre“ verbinden sich unmittelbar alle Aspekte der Theologie und damit die Grundfragen des menschlichen Lebens nach Ursprung, Sinn und Ziel von Mensch und Kosmos. Denn Theo-Logie ist die Lehre bzw. Rede (griech. logos) von Gott (griech. theos), die sich mit den vielfältigen Dimensionen des Wesens und Handelns Gottes und mit der gesamten – von ihm bestimmten – Wirklichkeit befasst. Da sich die Gotteslehre so als grundlegend für alle Bereiche der Theologie erweist, beinhaltet sie unweigerlich die Einführung in die Grundlagen von Theologie und Dogmatik sowie in deren zentrale Gegenstände. Entsprechend kann die Gotteslehre einem Anliegen dienen, das nicht nur von Theologiestudierenden immer wieder vorgebracht wird, sondern auch von allen, die sich mit den existentiellen Grundfragen auseinandersetzen: Es handelt sich um die Frage nach dem Zusammenhang der verschiedenen Dimensionen des Lebens bzw. des Glaubens, was in der Theologie mit der Frage nach der gemeinsamen Orientierungsgrundlage der unterschiedlichen theologischen Disziplinen einhergeht.

Im Kontext der verschiedenen religiösen und weltanschaulichen Gottesvorstellungen erweist sich der dreieinige Gott durch seine in Wort und Tat erfolgte Selbsterschließung als alles umfassende und bestimmende Wirklichkeit: Der dreieinige Gott erschließt sich im Vater, im Sohn und im Heiligen Geist als die vollkommene Gemeinschaft der Liebe. Als Schöpfer, Erlöser und Vollender möchte er den Menschen und der gesamten Schöpfung dauerhaft Anteil an seiner Liebe gewähren. Vor diesem Hintergrund eröffnet die Erkenntnis des Wesens und Handelns des dreieinigen Gottes die Erkenntnis der Bestimmung des Menschen und des universalen Sinnes der Geschichte. Als Summe des christlichen Heilsmysteriums erschließt die trinitarische Gotteslehre nicht nur die übrigen Traktate der Dogmatik, sondern auch alle anderen theologischen Disziplinen. Die somit vorgegebene Bedeutung der Trinitätslehre für alle theologischen Bemühungen und für alle Lebensbereiche spiegelt sich in der Kirche unter anderem darin wider, dass sich gut die Hälfte der Sonntage des Kirchenjahres auf den Sonntag Trinitatis bezieht. (Dieses Vorwort entstand am 20. Sonntag nach Trinitatis.) Doch in der Kirche und im Glaubensleben findet das oft keine angemessene Resonanz, was die häufig zu beobachtende geringe Sprach- und Erklärungsfähigkeit in Bezug auf den dreieinigen Gott zeigt – auch in Theologie und Verkündigung. Aufgrund der konstitutiven Bedeutung der Trinitätslehre können aber weder kirchliche Verkündigung noch religionspädagogische Vermittlung in der Schule auf die Verankerung in der trinitarischen Gotteslehre verzichten, wenn sie die Gegenstände der Theologie in ihrer Bedeutung für die Herausforderungen des Lebens verstehen und vermitteln wollen. Gleiches gilt für die Ermöglichung eines angemessenen Dialogs mit anderen Religionen und Weltanschauungen. Die vorgelegte Gotteslehre soll dazu befähigen, diesen Aufgaben gerecht zu werden sowie Antworten auf die existentiellen Grundfragen zu finden, indem sie die Bedeutung der Trinitätslehre für Theologie, Kirche und Welt erschließt.

Dafür bedarf es zunächst des Aufweises der unverzichtbaren Relevanz der trinitarischen Gotteslehre für Theologie, Kirche und Glauben. Ferner sind sowohl die verschiedenen religionsgeschichtlichen und philosophischen Zugänge zum Gottesbegriff als auch die kosmologischen und anthropologischen Bedingungsmöglichkeiten der Erkenntnis Gottes zu beachten, bevor fundamentaltheologisch die Voraussetzungen tragfähiger Gotteserkenntnis dargelegt werden können, was auch die Zuordnung von Glaube und Vernunft betrifft. Ein dogmen- und theologiegeschichtlicher Überblick von den biblischen Grundlagen bis zu den Konzeptionen der Gegenwart stellt anschließend die Basis für ein fundiertes Verständnis der vielfältigen Zusammenhänge und für eine eigene Urteilsbildung bereit. Der Überblick erfolgt im Dialog mit anderen Religionen, der Philosophie und der Naturwissenschaft sowie in ökumenischer Weite und kann sich so den Herausforderungen der Moderne stellen. Auf dieser Grundlage ist die materiale dogmatische Entfaltung des christlichen bzw. trinitarischen Gottesbegriffs in seiner Bedeutung für die zentralen theologischen Lehrstücke und die Grundfragen des Lebens möglich, was besonders in Orientierung an den drei Artikeln des Glaubensbekenntnisses vollzogen wird und die Relevanz des christlichen Glaubens für die heutige Lebenswelt transparent werden lässt. So stellt die Gotteslehre unwillkürlich auch ein Kompendium der Dogmatik dar. (Siehe zum Aufbau der Gotteslehre Kap. I,3.)

Insgesamt bietet die Gotteslehre also neben dogmen-, theologie- und philosophiegeschichtlichem sowie systematisch-theologischem Examenswissen die Basis für eigene theologische Urteilsbildung angesichts der Grundfragen des Lebens und aktueller theologischer Herausforderungen. Sie ist deshalb für Theologiestudierende der Pfarramts- und Lehramtsstudiengänge aller Konfessionen ebenso gedacht wie für Lehrende der Theologie, Pfarrer und Pfarrerinnen, Lehrer und Lehrerinnen sowie alle an der Gottesfrage und den Grundfragen des Lebens Interessierte.

Zur Förderung des beabsichtigten Zweckes sollen die Register beitragen: Bibelstellenregister, Personenregister, Sachregister. Ferner wurden die grau unterlegten Texte als Hilfestellung eingefügt: Sie sind jedem Hauptabschnitt arabischer Zählung vorgeordnet und führen zusammenfassend in die jeweilige Themenstellung ein. Nach jedem Kapitel (römische Zählung) folgen einige Literaturempfehlungen zur weiteren Vertiefung.

Zur visuellen Unterstützung dient das Bild auf der vorderen Umschlagseite des Bandes. Es zeigt die Darstellung der Dreieinigkeit auf einem Hostienteller aus der belgischen Provinz Namur: Die Taube als Symbol des Heiligen Geistes berührt mit ihren Flügeln den Mund des Vaters und des Sohnes am Kreuz. Somit bezeugt der vom Vater gehauchte Geist den eingeborenen Sohn als das Wort (griech. logos) Gottes, das Fleisch wurde und sich als der menschgewordene Logos bzw. Sohn Gottes für die Menschen am Kreuz hingibt.

Münster, 20. Sonntag nach Trinitatis 2014

Matthias Haudel

Vorwort zur 2. Auflage

Aufgrund der großen Nachfrage und der überkonfessionellen positiven Resonanz von Studierenden und Lehrenden sowie von vielen, die an den Grundfragen des Glaubens in ihrer umfassenden Bedeutung interessiert sind, bedurfte es nun der 2. Auflage, welche leicht verändert und ergänzt wurde. Für eine Neuauflage spricht ferner sowohl das Interesse, das auch Philosophen und Naturwissenschaftler an der Gotteslehre zeigen, als auch das positive Echo in den zahlreichen Buchbesprechungen.

Münster, 20. Sonntag nach Trinitatis 2017

Matthias Haudel

I. Einführung

1.Gotteslehre und die Grundfragen des Lebens

Die Gotteslehre beinhaltet nicht nur die Grundlage der Theologie, sondern sie umfasst auch alle Grundfragen des menschlichen Lebens. Erst die Einsicht in das liebende Wesen des dreieinigen Gottes offenbart die Bestimmung des Menschen und den universalen Sinn der Geschichte von Mensch und Kosmos. Deshalb bedarf jegliche theologische Vermittlung der Verankerung in der trinitarischen Gotteslehre.

Mit der Frage nach Gott – ob in Annahme oder Bestreitung Gottes – verbinden sich die umfassenden Perspektiven des Lebens, die Ursprung, Ziel und Sinn des eigenen Lebens sowie des gesamten Kosmos betreffen. „Antworten auf die Frage nach Gott haben weitreichende Konsequenzen bis in das Weltverständnis und in die Lebensführung von Menschen hinein, denn eine Welt ohne Gott ist eine andere Welt als eine Welt mit Gott.“1 Hinzu kommen die Fragen, wer Gott gegebenenfalls ist und wie er sich zum Kosmos, der Welt und den Menschen verhält – und was das wiederum für das Verständnis unserer eigenen Existenz und der uns umgebenden Wirklichkeit bedeutet. Die „Gottesfrage“ ist „eine alles Seiende umgreifende Frage […] und eine Frage, die die Bedingung der Möglichkeit aller anderen Fragen und Antworten betrifft“2. Deshalb wird mit der Gotteslehre nicht nur das grundlegende Thema der Theologie berührt, das für alle Bereiche der Theologie maßgeblich ist, sondern es geht auch insgesamt um die Grundfragen des menschlichen Lebens in ihrem universalen Kontext.

Das gilt zunächst für die Dimension der Endlichkeit des menschlichen Lebens und für die damit aufkommenden Fragen nach dem Ursprung des Lebens und nach einer möglichen Perspektive über die wahrnehmbare Endlichkeit hinaus. Denn sobald der Mensch über sein Leben nachdenkt und nach einem letzten Sinn und einer letzten Geborgenheit fragt, spürt er unweigerlich, dass er über sich selbst hinausgewiesen ist, weil er weder seine Herkunft noch seine Zukunft über den Tod hinaus selbst in der Hand hat. Ebenso wenig kann er den Verlauf seines zukünftigen Lebensweges und der gesamten Geschichte übersehen. Mit alledem verbinden sich die Fragen nach dem Grund des Daseins sowie nach einem bleibenden Sinn und Ziel des Lebens, und damit die Fragen nach dem Sinn und Ziel der Weltgeschichte bzw. des Kosmos. Mit diesen Fragestellungen ging in der Menschheitsgeschichte von Anfang an die Gottesidee einher. (Siehe Kap. II,2 u. 3.)

Von der fundamentaltheologisch zu erörternden Möglichkeit tragfähiger Gotteserkenntnis hängt das Spektrum der Antworten auf diese Fragen ab, ebenso wie vom dogmatisch zu erörternden Inhalt der Gotteserkenntnis, also dem Wesen des zu erkennenden Gottes und seiner Beziehung zum Menschen. Die Erkenntnis Gottes vollzieht sich im existentiellen Akt des Glaubens und kann im erfahrbaren Zusammenspiel von Glaubensakt und Glaubensinhalt zur Glaubensgewissheit der Wahrheit führen, wenn sich Gott selbst als vertrauenswürdiger Grund des Lebens erschließt und dem Menschen ermöglicht, sich auf diesen tragfähigen Grund einzulassen und ihn als vertrauenswürdig zu erfahren.3 Im Horizont solcher Gotteserkenntnis eröffnet sich dann auch das Verständnis von Mensch, Natur und Geschichte sowie von der Gemeinschaft der Glaubenden und ihrer Weltverantwortung. Wird Gott nämlich als „das Geheimnis der Welt“ (E. Jüngel) bzw. als „die Alles bestimmende Wirklichkeit“ (R. Bultmann) erkannt und wahr-genommen, eröffnen sich in seinem Licht die Antworten auf die Grundfragen des Lebens. Von daher ist die Gotteslehre für alle Lebensbereiche von grundlegender Bedeutung.

Wie umfassend und tiefgreifend dieser Bedeutungszusammenhang ist, erweist sich im Kontext der verschiedenen religiösen und weltanschaulichen Gottesvorstellungen erst angesichts der Selbsterschließung Gottes in seiner biblisch bezeugten Heilsgeschichte mit den Menschen. Hier hat sich Gott nicht nur als Vater, Sohn und Heiliger Geist bzw. als vollkommene Gemeinschaft der Liebe offenbart, sondern auch als Schöpfer, Erlöser und Vollender, der den Menschen und dem Kosmos dauerhaft Anteil an seiner Liebe gewähren möchte. Weil so die aus der Heilsgeschichte Gottes erwachsene Trinitätslehre „die unüberbietbare Lösung der Gottes- und Wahrheitsfrage“4 beinhaltet, eröffnet erst die Einsicht in das liebende Wesen des dreieinigen Gottes die Einsicht in das Wesen und die Bestimmung des Menschen sowie in den universalen Sinn der Geschichte. Deshalb ist die leider oft zu beobachtende geringe Sprach- und Erklärungsfähigkeit in Bezug auf den dreieinigen Gott verhängnisvoll für Theologie, Kirche und Verkündigung, welche ihrem Auftrag dann nicht angemessen gerecht werden können. Die Kirche „verlöre […] ihr Sein als Kirche Jesu Christi, wenn sie die in dem Dogma formulierte Sache, die spezifisch christliche Gotteslehre, nicht mehr akzeptierte und überzeugend zur Darstellung brächte. Dafür ist die gelebte kirchliche Praxis mindestens genauso entscheidend wie die formale Rezeption der Symbola“5. Denn christlicher Glaube „ist ganzheitliche Bestimmtheit durch die Sanctissima Trinitatis“6. „Wir wissen daher für den Rest der Theologie nicht, worüber wir reden, bis das trinitarische Denken die ihm zukommende Stelle einnimmt.“7

Daraus folgt, dass weder kirchliche Verkündigung noch religionspädagogische Vermittlung in der Schule auf die Verankerung in der trinitarischen Gotteslehre verzichten können, wenn sie die theologischen Themenstellungen in ihrer Bedeutung für die Herausforderungen des Lebens verstehen und vermitteln wollen sowie zum Dialog mit anderen Religionen und Weltanschauungen befähigen wollen. Dieser Band soll dazu beitragen, das zu ermöglichen.

2.Gotteslehre als Grundlage christlicher Theologie

Weil sich THEO-LOGIE als Lehre von Gott mit dem Wesen und Handeln Gottes und der von ihm bestimmten Wirklichkeit befasst, ist die Gotteslehre für alle Gegenstände der Theologie grundlegend. Die Fundamentaltheologie klärt die Möglichkeiten angemessener und tragfähiger Gotteserkenntnis, während die Dogmatik das trinitarische Wesen Gottes mit seinen Implikationen für die Menschen, den Glauben, die Kirche und die Welt darlegt. Als Summe des christlichen Heilsmysteriums erschließt die trinitarische Gotteslehre so nicht nur die übrigen Traktate der Dogmatik, sondern auch alle anderen theologischen Disziplinen.

Eine Darlegung der Gotteslehre wird unweigerlich zur grundsätzlichen Einführung in die gesamte Theologie. Denn ihrem Wortsinn entsprechend ist Theo-Logie die Lehre bzw. Rede (griech. logos) von Gott (griech. theos), die sich mit den vielfältigen Dimensionen des Wesens und Handelns Gottes und mit der gesamten – von ihm bestimmten – Wirklichkeit befasst. Das vollzieht sich im Zusammenspiel von Glaubensakt und Glaubensinhalt sowie im Kontext universal relevanter Erkenntnis. Weil „Gott […] das eine und das einende Thema der Theologie“8 ist, bleiben alle theologischen Bemühungen vom Verständnis Gottes und seines Verhältnisses zu den Menschen bzw. zur Welt abhängig, seien es etwa die Lehren von der Schöpfung, vom Glauben, vom Heil, von der Kirche und von der Weltverantwortung der Glaubenden, oder sei es der Dialog mit anderen Religionen und Weltanschauungen. Die Gotteslehre ist für alle Bereiche der Theologie grundlegend. Deshalb ist sie in besonderer Weise mit der Fundamentaltheologie und der Dogmatik verbunden.

Die Fundamentaltheologie hat zu klären, ob und wie tragfähige Erkenntnis Gottes möglich ist, und auf welche Weise sich die im Glauben vorfindlichen Phänomene angemessen mit der Erkenntnis Gottes verbinden lassen. Dabei geht es sowohl um die im Menschen angelegten Möglichkeiten der Gotteserkenntnis und der Gemeinschaft mit Gott (Anthropologie, Glaube und Vernunft) als auch um die Frage, ob und wie sich Gott in der Welt und der Geschichte selbst erschließt – und zwar in seiner Bedeutung für diese Welt. Erst vor diesem Hintergrund kann der Zusammenhang von Glaubensakt und -inhalt in seiner universalen Relevanz transparent werden.

Angesichts der Einsicht, dass der Mensch aus sich selbst heraus Gott letztlich nicht erfassen kann, wenn Gott nicht ein Konstrukt der menschlichen Vernunft sein soll (L. Feuerbach: Projektion der eigenen Wünsche), bildet das biblische Zeugnis der Selbsterschließung Gottes die Grundlage der christlichen Gotteslehre. Das bedeutet nicht, dass die gegenwärtig in der Theologie vielfach gestellte Frage nach dem Wesen des Glaubens und dem Glaubensakt als Phänomen des menschlichen Subjekts (oft im Anschluss an F.D.E. Schleiermacher) mit seinen konstruktivistischen und erschließenden Aspekten unbedeutend wäre. Denn hier kann im Kontext der Rede von Gott etwa das Bewusstsein des Menschen um sein Bedingtsein und seine Abhängigkeit zur Sprache gebracht werden – und damit die existentielle Verankerung des Glaubensaktes.9 Doch weil der Mensch weder sein Woher noch sein Wohin letztgültig in der Hand hat, stoßen menschliches Bewusstsein und menschliche Vernunft bei den Fragen nach einem letzten Sinn und Ziel und so auch bei der Frage nach Gott an ihre Grenzen. Deshalb kann sich begründete und tragfähige Gotteserkenntnis nur einstellen, wenn sich Gott den Menschen selbst erschließt (siehe Kap. II). Mit den alt- und neutestamentlichen Büchern existiert diesbezüglich ein einmaliges Zeugnis der Menschheitsgeschichte, das mit der mündlichen Tradition einen Zeitraum von Jahrtausenden umspannt, in dem sich Gott zu unterschiedlichsten Zeiten verschiedensten Menschen erfahrbar macht – und dennoch erweist es sich als die eine Selbsterschließung des dreieinigen Gottes. Von daher gilt: „Der ‚dreieinige Gott‘ ist der christliche Gottesbegriff.“10 Im Kontext anderer religiöser und philosophischer Gottesvorstellungen oder Existenzbegründungen mit ihren jeweiligen erkenntnistheoretischen Ansätzen hat die Fundamentaltheologie den christlichen Gottesbegriff mit seinen spezifischen Erkenntnisbedingungen zu erörtern, damit die hermeneutischen Kriterien christlicher Gotteslehre und christlichen Glaubens in ihrer universalen Relevanz hervortreten. Diese fundamentaltheologische Aufgabe soll der vorliegende Band ebenso erfüllen wie die dogmatische Aufgabe der materialen Darlegung des trinitarischen Wesens Gottes und seiner Implikationen für den Menschen, den Glauben, die Kirche und die Welt.

Die Dogmatik erschließt durch die Lehre vom Wesen und Handeln des dreieinigen Gottes auch die anderen dogmatischen Traktate, die unmittelbar von dieser Lehre bestimmt sind, weil die Trinitätslehre als „Summe des ganzen christlichen Heilsmysteriums […] zugleich dessen Grammatik“11 ist und somit „das Urgeschehen“ bezeichnet, „auf das hin erst die Welt christlich zur Erfahrung kommen kann“12. Anhand der Zusammenfassung der biblischen Gotteslehre und Heilsgeschichte in den altkirchlichen Bekenntnissen wird ersichtlich, wie der Glaube an den dreieinigen Gott das Handeln Gottes als Schöpfer, Erlöser und Vollender differenziert zusammenführt, weshalb die Trinitätslehre „als Integral des Wirklichkeitsverständnisses des christlichen Glaubens“13 bezeichnet werden kann und so „der Schlüssel zum Verstehen der ganzen Wirklichkeit wird“14. Das gilt nicht nur für das mit dem ersten Glaubensartikel gegebene Verständnis von Gott als Schöpfer, welches im Zusammenspiel mit den anderen beiden Glaubensartikeln zum Dialog mit den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen herausfordert (Kosmologie, Anthropologie). Es gilt im Horizont des Zweiten Artikels auch für das nur trinitarisch zu verstehende Heilswerk Gottes in Jesus Christus mit dessen Bedeutung für die Erlösung und das Heil der Menschen bzw. der gesamten Kreatur (Soteriologie). Nicht zuletzt ist auch im Dritten Artikel die vom Heiligen Geist begleitete Zeit der Kirche (Ekklesiologie) mit ihrer Perspektive auf die Vollendung des Heilswerkes (Eschatologie) nur im Zusammenspiel der drei Glaubensartikel über das Handeln des dreieinigen Gottes zu verstehen. So bleibt beispielsweise hinsichtlich des Kirchenverständnisses bzw. der Ekklesiologie (Lehre von der Kirche) zu beachten, dass die Gemeinschaft der Glaubenden (Kirche) durch die Struktur ihrer vielfältigen Beziehungen zu Vater, Sohn und Heiligem Geist konstituiert ist. Das lässt durch die entsprechend differenzierte Einheit in Vielfalt mannigfaltige ökumenische Implikationen transparent werden (siehe Kap. XI, zu den drei Artikeln des Glaubensbekenntnisses siehe Kap. X).15

Insgesamt erweist sich die trinitarische Gotteslehre also nicht nur als ein einzelner Traktat der Dogmatik, sondern sie führt zugleich grundsätzlich in die übrigen Traktateund Topoi der Dogmatik ein: „Dogmatik will als ganze als Entfaltung und Darstellung der Trinitätslehre angesehen werden“16. „Von Gott handelt die Dogmatik in allen ihren Teilen. Es gibt kein dogmatisches Problem, das unabhängig von der Gotteslehre zu erörtern wäre und dessen Klärung nicht auch zur Gotteserkenntnis beitrüge.“ „Die Wahrheit des Glaubens hängt an der Wahrheit Gottes. […] Dann ist also der eigentliche Gegenstand der Dogmatik, gerade weil es in ihr um den Gehalt des Glaubens geht, Gott selbst in seiner Zusage.“17 Denn „das eine Geheimnis des Glaubens in den vielen Glaubensgeheimnissen“18 besteht in der heilsgeschichtlichen Mitteilung des dreieinigen Gottes: Gott, der als Vater, Sohn und Heiliger Geist das lebendige Leben der Liebe verkörpert, erschuf den Menschen als geliebtes Gegenüber, um ihm an seiner Liebe Anteil zu geben. Die Abwendung des Menschen beantwortete Gott durch seine bis in den Tod führende Selbsthingabe im Sohn, um seine Geschöpfe im Heiligen Geist erneut in die Gemeinschaft seiner Liebe zu führen. Diese Glaubensgrundlage, die alle dogmatischen Traktate durchwaltet, legt es nahe, die Trinitätslehre als präludierenden Traktat bzw. als Formalobjekt an den Anfang der Dogmatik zu stellen. Dadurch ist der Zusammenhang der materialen Aussagen der übrigen dogmatischen Traktate gegeben, die dann als Ausführung der Trinitätslehre zu gelten haben.19 So entfaltete etwa Karl Barth die Trinitätslehre am Anfang seiner Kirchlichen Dogmatik, und zwar im Kontext der Offenbarungslehre, weil sich der dreieinige Gott in der Heilsgeschichte als solcher offenbart hat. Damit wollte Barth auch zur Überwindung der seit Thomas von Aquin vielfach vollzogenen Unterscheidung der Traktate „De Deo uno“ und „De Deo trino“ beitragen.20 Denn diese unangemessene Trennung hatte zur Vorordnung der – als natürlich erkennbar behaupteten – Einheit Gottes geführt, welcher dann das – zu offenbarende – trinitarische Gottesverständnis nachgeordnet wurde. Wie Barth und viele andere theologische Entwürfe aus den verschiedenen Konfessionen verankerte auch Wolfhart Pannenberg die Trinitätslehre in der Offenbarungslehre, um die Bestimmung der gesamten Dogmatik durch die trinitarische Gotteslehre umsetzen zu können.21

Darüber hinaus ist die trinitarische Gotteslehre insgesamt als „‚Summe und Inbegriff‘ der christlichen Theologie“22 zu bezeichnen, da sie auch alle anderen theologischen Disziplinen bestimmt. Das gilt für die Ethik ebenso wie für die Praktische Theologie oder den Dialog mit anderen Religionen. Hinsichtlich der Ethik ergeben sich für den Menschen als Ebenbild Gottes (lat. imago Dei) aus dem gemeinschaftlichen, relationalen und partizipatorischen Wesen Gottes sowohl individualethische als auch sozialethische Implikationen. Ferner verweist das Zusammenspiel der drei Glaubensartikel auf eine angemessene Zuordnung schöpfungsethischer und versöhnungsethischer Perspektiven, was besonders die Verhältnisbestimmung von natürlichen Voraussetzungen und soteriologischen Kriterien betrifft und damit das Verhältnis von Kirche und Welt. In der Praktischen Theologie sind die Implikationen der trinitarischen Gotteslehre für die Homiletik, Katechetik, Sakramentslehre (Taufe, Abendmahl) oder Liturgik ebenfalls offensichtlich. Denn Gott wird in allen Konfessionen in Gebet und Lobpreis trinitarisch angeredet sowie im Bekenntnis entsprechend bekannt,weil sich Gemeinschaft mit dem Vater im Gottesdienst durch den Heiligen Geist im Sohn vollzieht, und zwar in Antwort auf die heilsgeschichtliche Zusage von Vater, Sohn und Heiligem Geist. „Die Offenbarung […] ,trägt das trinitarische Siegel in ihrer Bewegung hin zum Menschen und in der Antwort der Menschheit an Gott‘.“23 Aus der trinitarischen Doxologie im Gottesdienst erwächst eine entsprechende Orthopraxie im Glaubensleben.24 Im Blick auf den interreligiösen Dialog bieten die verschiedenen Dimensionen des Wesens des dreieinigen Gottes vielfältige Aspekte von Anknüpfung und Differenz, nicht zuletzt in Bezug auf das Wirken des Heiligen Geistes (siehe Kap. XII).

Die hier nur angedeutete umfassende Relevanz der christlichen bzw. trinitarischen Gotteslehre für alle Bereiche von Theologie, Kirche, Mensch und Welt soll in dem vorliegenden Band erschlossen werden.

3.Aufbau

Vor dem Hintergrund der ersten beiden Abschnitte empfiehlt sich der gewählte Aufbau der Gotteslehre. Nachdem in der Einführung (I. Kap.) die konstitutive Bedeutung der trinitarischen Gotteslehre für sämtliche Grundfragen des Lebens sowie für die gesamte Theologie aufgezeigt wurde (Gotteslehre als Einführung in die gesamte Theologie) und damit ihre unverzichtbare Relevanz für die Weitergabe des christlichen Glaubens in „Gemeinde“ und „Schule“ hervortrat, soll anschließend das Spektrum der religionsgeschichtlichen, philosophischen und theologischen Dimensionen der Gotteslehre erörtert werden (II. Kap.). Es geht darum, zunächst allgemein die verschiedenen religionsgeschichtlichen und philosophischen „Zugänge zum Gottesbegriff“ darzulegen, um daran anknüpfend die „Transzendenz von Welt und Mensch“ aufzuzeigen, welche jeweils über sich selbst hinausweisen. So lassen sich die kosmologischen und anthropologischen Bedingungsmöglichkeiten von Gottesahnung und Gotteserkenntnis verdeutlichen. Dann sollen die dem Gottesbegriff „angemessenen Erkenntnisvoraussetzungen“ dargelegt werden, die den christlichen Gottesbegriff im Kontext anderer hermeneutischer Zugänge als trinitarische Selbsterschließung Gottes erkennen lassen, welche sich in der Geschichte durch Wort und Tat vollzieht. Aufgrund dieser Voraussetzungen ist anschließend das Verhältnis von „Glaube und Vernunft“ angemessen zu analysieren.

Die gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen es, die Grundlagen christlicher bzw. trinitarischer Gotteslehre in ihrem philosophischen und religiösen Kontext (III. Kap.) transparent werden zu lassen. Hierbei tritt auf „biblischer Basis“ hervor, wie die christliche Gotteslehre im Kontext von Philosophie und Religion durch die Kirchenväter in West und Ost entfaltet wurde. So lässt sich zeigen, auf welche Weise die altkirchliche neunizänische Theologie als Vorlage für das Ökumenische Bekenntnis von Konstantinopel (381) eine „philosophische und religiöse Revolution“ vollzog – sowohl im Blick auf den Gottesbegriff als auch im Blick auf den anthropologischen Personbegriff. Dadurch wurde allgemein nachvollziehbar, was die Dreieinigkeit Gottes bedeutet und dass durch den „trinitarischen Gottesbegriff“ ein Verhältnis freier Gemeinschaft der Liebe zwischen Gott und Mensch möglich ist, wie es vorher in der Weise in anderen Religionen und philosophischen Konzeptionen nicht gegeben war. Zugleich kommen die Implikationen der aufgezeigten Entwicklung für die „Christologie“ zum Tragen: Jesus Christus als wahrer Gott und wahrer Mensch.

Auf dieser für alle christlichen Kirchen bis heute gültigen Grundlage des 4. und 5. Jahrhunderts werden dann die – auch ökumenisch relevanten – trinitätstheologischen Entwicklungen in Ost- und Westkirche mit ihren ekklesiologischen Implikationen untersucht (IV. Kap.). Die von den unterschiedlichen hermeneutischen Mentalitäten bzw. Denkvoraussetzungen im Abend- und Morgenland geprägten Weiterentwicklungen führten zu offenbarungs- und trinitätstheologischen „Einseitigkeiten in Ost- und Westkirche“, welche wiederum Einseitigkeiten im Kirchenverständnis nach sich zogen. Diese Entwicklungen wirken sich bis heute aus, wofür die Filioque-Kontroverse als Beispiel genannt werden kann: Die westlichen Kirchen haben später einseitig in das Ökumenische Bekenntnis von 381 eingefügt, dass der Heilige Geist von Vater „und Sohn“ (lat. filioque) ausgeht. Bis in die Gegenwart besteht hierin ein zentraler Streitpunkt zwischen Ost- und Westkirchen, der auch immer wieder für Unterschiede im Kirchenverständnis verantwortlich gemacht wird. Deshalb wird ein „Lösungsvorschlag für das Filioque-Problem“ entfaltet.25

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen lässt sich die Bedeutung der Trinitätslehre für die Reformation differenziert analysieren (V. Kap.). Dabei tritt hervor, welches zentrale Gewicht „Luthers Rückgriff auf die gemeinsame altkirchliche Trinitätslehre“ für seinen reformatorischen Durchbruch und das reformatorische Kirchenverständnis hatte, was von Teilen der bisherigen Lutherforschung vernachlässigt wurde. Ferner soll die „trinitätstheologische Verankerung von Zwingli und Calvin“ in ihrer Bedeutung für die reformatorische Entwicklung zum Tragen kommen.

Anschließend wird die Gotteslehre im Kontext der Aufklärung dargelegt (VI. Kap.). Nach der Erörterung „bedeutender Konzeptionen der Aufklärung“ findet eine Auseinandersetzung mit der Gotteslehre im Horizont der „Religionskritik“ statt sowie eine kritische Betrachtung der „Gottesbeweise“, um sich besser den von der Aufklärung geprägten aktuellen weltanschaulichen Denkvoraussetzungen stellen zu können – auch im Blick auf die jüngsten Formen des Atheismus.

Im Gefolge der Aufklärung kam es neben den jeweiligen konfessionellen trinitätstheologischen Einseitigkeiten vielfach zur Vernachlässigung der Trinitätslehre, woraufhin aber im 19. und 20. Jahrhundert in allen großen konfessionellen Strömungen eine Besinnung auf die altkirchliche Trinitätslehre erfolgte, die anhand „protestantischer, römisch-katholischer und orthodoxer Konzeptionen“ aufgezeigt wird – bis hin zu den aktuellen theologischen Entwürfen (VII. Kap.) Auch dieses Kapitel soll dazu beitragen, einen inhaltlich konsistenten Überblick über die Theologiegeschichte zu gewährleisten und so eine eigenständige Auseinandersetzung und Einordnung zu ermöglichen.

Auf dieser Grundlage lässt sich eine nachvollziehbare materiale Darlegung des trinitarischen „Wesens Gottes“ und seiner „Eigenschaften“ ausführen, die darauf beruht, dass der dreieinige Gott in der Heilsgeschichte seinem innertrinitarischen Wesen gemäß „handelt“ bzw. „wirkt“26 und sich so in seinem Wesen erschließt. Es wird ersichtlich, wie der dreieinige Gott als die vollkommene Gemeinschaft der Liebe zu verstehen ist und welche Implikationen sich daraus für die Beziehung zwischen Gott, Welt und Mensch ergeben (VIII. Kap.).

Diese Einsichten lassen den dreieinigen Gott als Lebenshorizont des Menschen und der Welt transparent werden (IX. Kap.). Im Zusammenspiel von „verborgener und offenbarer Anwesenheit“ erweist sich der dreieinige Gott als offenbares Geheimnis, das die Antwort auf das Geheimnis von Mensch und Welt verkörpert und als das Heilsmysterium in Erscheinung tritt. Es kommt zum Vorschein, wie der „Mensch als Ebenbild des dreieinigen Gottes“ zu verstehen ist und was das für den „Sinn des Lebens und der Geschichte“ bedeutet.

Damit erschließt sich auch die Bedeutung der drei Artikel des Glaubensbekenntnisses, die das Zusammenwirken von Vater, Sohn und Heiligem Geist als Schöpfer, Erlöser und Vollender aufzeigen und damit den Inhalt christlicher Dogmatik und Theologie vorgeben (X. Kap.). So werden in diesem Kapitel automatisch die zentralen Traktate der Dogmatik im Kontext der Gotteslehre verhandelt und in ihrer aktuellen Bedeutung erörtert. Das betrifft im Blick auf „Gottes erschaffendes, erhaltendes und lenkendes Wirken“ zum Beispiel das „Verhältnis von Theologie und Naturwissenschaft“, wobei die im Ersten Artikel gegebene Zuordnung des schöpferischen Wirkens zum Vater dessen Zusammenwirken mit Sohn und Geist impliziert. Hinsichtlich des Zweiten Artikels wird deutlich, auf welche Weise sich die Christologie erst im trinitarischen Zusammenhang erschließt. Es tritt hervor, wie in Jesus Christus „wahre Gottes- und Menschenerkenntnis sowie Heilserkenntnis“ gegeben sind und was die „Kreuzestheologie im Licht der Auferstehung“ in ihrer Tiefe bedeutet – auch für die immer wieder gestellte „Theodizee-Frage“ nach der Vereinbarkeit von Leid und Bösem mit der Liebe des allmächtigen Gottes. In Verbindung mit diesen Ausführungen lassen sich auch die „Rechtfertigung des Sünders“ und das Verhältnis von „Sünde und Freiheit“ sowie von „Glaube und Prädestination“ aufzeigen. Danach kommen vor dem Hintergrund des Verhältnisses von trinitarischem Gott und Mensch die Grundlagen der „Ethik bzw. der christlichen Weltverantwortung“ zur Sprache. Durch die Verankerung der Kirche im Dritten Artikel wird anschließend das unmittelbare Verhältnis von „Gottes- und Kirchenverständnis“ thematisiert. Denn im Dritten Artikel gehen die Erlösung durch Jesus Christus und ihre Vergegenwärtigung durch den Heiligen Geist im Kontext des Schöpfungswerkes des Vaters ineinander über und bilden so die Grundlage der Gemeinschaft der Glaubenden. Dabei geht es auch um die Vollendung des Heilswerkes und somit um den „eschatologischen Horizont von Mensch und Kosmos“, was unter anderem das Spannungsverhältnis von „Tod und ewigem Leben“ betrifft.

Im Anschluss an den Dritten Artikel wird die Bedeutung der Trinitätslehre für das Kirchenverständnis im Blick auf alle großen konfessionellen Strömungen erörtert, also in ökumenischer Perspektive (XI. Kap.).Anhand „zeitgenössischer theologischer Entwürfe aus den verschiedenen Konfessionen“ wird gezeigt, wie sich aus offenbarungs- und trinitätstheologischen Einseitigkeiten entsprechende Einseitigkeiten im Kirchenverständnis ergeben, weil die Struktur der Gemeinschaft der Glaubenden von der Art ihrer Bezugnahme auf die trinitarische Gemeinschaft Gottes abhängt. Es folgt die Darlegung eines Ansatzes zur Überwindung der trinitätstheologischen Einseitigkeiten und ihrer Folgen für das Kirchenverständnis, so dass die „Lösung der nach wie vor bestehenden ökumenischen Grunddifferenzen“ als möglich erscheint.

Schließlich kommt neben der ökumenischen Perspektive auch der interreligiöse Dialog zur Sprache, indem analysiert wird, welche Anknüpfungspunkte und Differenzen sich für die Trinitätslehre im Dialog mit anderen Religionen ergeben (XII. Kap.). Dabei erweisen sich die durch Vater, Sohn und Heiligen Geist verkörperten Dimensionen des Wesens Gottes als Grundlage für das Gespräch über die Dimensionen des Gottesverständnisses anderer Religionen. Ein besonderer Fall dieses Dialogs liegt durch die heilsgeschichtliche Verbundenheit im „christlichjüdischen Dialog“ vor.

Angesichts der Vielfalt der zu behandelnden Aspekte erschließt sich aus dem dargelegten Aufbau der Gotteslehre von selbst, dass eine Gotteslehre zugleich ein Kompendium der Dogmatik darstellt.

Literatur

Breuning, Wilhelm: Gotteslehre. Bearbeitet von Wolfgang Beinert, in: Beinert, Wolfgang (Hg.): Glaubenszugänge. Lehrbuch der Katholischen Dogmatik, Bd. 1, Paderborn [u.a.] 1995, S. 199–362.

Härle, Wilfried: Dogmatik, Berlin/Boston 42012.

Haudel, Matthias: Die Selbsterschließung des dreieinigen Gottes. Grundlage eines ökumenischen Offenbarungs-, Gottes- und Kirchenverständnisses (= FSÖTh 110), doppelte Aufl., Göttingen 2006.

Joest, Wilfried/Lüpke, Johannes von: Dogmatik I: Die Wirklichkeit Gottes, Göttingen 52010.

Kasper, Walter: Der Gott Jesu Christi (= Das Glaubensbekenntnis der Kirche 1), Mainz 1982.

Schwöbel, Christoph: Trinitätslehre als Rahmentheorie des christlichen Glaubens. Vier Thesen zur Bedeutung der Trinität in der christlichen Dogmatik, in: Härle, Wilfried/Preul, Reiner (Hg.): Marburger Jahrbuch Theologie, Bd. X: Trinität (= MThSt 49), Marburg 1998, S. 129–154.

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1H. Rommel: Mensch, S. 13f.

2W. Kasper: Gott, S. 16.

3Vgl. W. Härle: Dogmatik, S. 234f.

4W.-D. Hauschild: Dogma, S. 39.

5Ebd., S. 48.

6G.R. Schmidt: Bedeutung, S. 86.

7R.W. Jenson: Grundlegung, S. 11. Diese Einsicht hat nach G.R. Schmidt: Bedeutung, S. 97, Konsequenzen für die Predigtlehre: „Wir haben nicht einzelne Texte zu predigen, sondern die Botschaft vom Wirken des Dreieinigen Gottes im Spiegel und aus dem besonderen Blickwinkel einzelner Texte.“ – Vgl. dazu auch M. Haudel: Gott/Lebenshorizont.

8W. Kasper: Gott, S. 13, wo er Bezug auf Thomas von Aquin nimmt (Summa theologiae), der auf bedeutende Kirchenväter wie Origenes, Gregor von Nyssa oder Augustin zurückgreift.

9Zum Beispiel hebt Philipp Stoellger den Aspekt der Passivität für das Verständnis des religiösen Aktes bzw. des Glaubensaktes hervor (vgl. P. Stoellger: Passivität). – Matthias Petzoldt betont bezüglich der Bedeutung des Subjekts für die Gotteserkenntnis im Rückgriff auf Ingolf U. Dalferth, dass es sich beim Subjekt bzw. Selbstbewusstsein – auch im Blick auf subjektive konstruktivistische Prozesse – nicht um eine fundamentaltheologische Letztbegründungskategorie handelt, sondern um eine Aneignungskategorie hermeneutischer Art (vgl. M. Petzoldt: Sinn, S. 136f.). Vgl. dazu auch U.H.J. Körtner: Gott, S. 144, und ders.: Einleitung.

10J.M. Lochman: Lebensbezug, S. 240.

11W. Kasper: Gott, S. 378.

12H. Fritzsche: Gott, Sp. 7. Vgl. I.U. Dalferth: Roots, S. 167: „Therefore the doctrine of the Trinity is not merely the summary grammar of Christian talk and thought about God. It is the regulative framework of the whole Christian life.“

13C. Schwöbel: Trinitätslehre, S. 152.

14G. Greshake: Gott, S. 24. Vgl. ebd., S. 15: „Im Herzen des christlichen Glaubens steht das Bekenntnis zum dreieinen Gott und dessen dreifaltigem Heilswirken.“

15Zur historischen, philosophischen und systematisch-theologischen Analyse dieses Zusammenhangs vgl. M. Haudel: Selbsterschließung (hier auch weitere Literatur). Auf der gemeinsamen biblischen und altkirchlichen Grundlage werden dort Lösungsansätze für ein ökumenisches Verständnis von Offenbarung, Trinität, Mensch und Kirche aufgezeigt, bevor die Implikationen dieser Ansätze für Fragen der Kircheneinheit, Mission, Weltverantwortung und des interreligiösen Dialogs hervortreten. Dabei wird der Zusammenhang von Trinitätslehre und Kirchenverständnis anhand der Kirchengeschichte und aktueller Entwürfe im Blick auf alle großen Konfessionen nachgewiesen. Es kommt zum Vorschein, inwiefern Unterschiede im Trinitätsverständnis für Unterschiede im Kirchenverständnis verantwortlich sind und wie diese Unterschiede überwunden werden können.

16E. Schlink: Dogmatik, S. 70.

17W. Joest/J. von Lüpke: Dogmatik I, S. 16 u. 106 (erstes Zitat). Vgl. W. Breuning: Gotteslehre, S. 201, 203.

18W. Kasper: Gott, S. 378.

19Vgl. ebd., S. 380.

20Vgl. K. Barth: Kirchliche Dogmatik I/1, S. 311ff.

21Vgl. W. Pannenberg: Systematische Theologie 1, S. 325f.

22J. Werbick: Trinitätslehre, S. 484.

23G.R. Schmidt: Bedeutung, S. 88.

24Vgl. ebd., S. 81ff.

25Vgl. zu dem historischen Problem und den aktuellen Lösungsmöglichkeiten M. Haudel: Grundlagen.

26Die Anwendung des Begriffs „Handlung“ auf Gott wurde immer wieder problematisiert, weil diese Terminologie anthropologische Bedingungen wie das Vorgegebensein von Handlungsmöglichkeiten auf Gott übertragen könne. Deshalb zieht W. Härle: Dogmatik, S. 287ff., den Begriff des „Wirkens“ Gottes vor, da dieser den Zusammenhang von Wirken und Wirkung impliziert. Werden die anthropologischen Engführungen des Handlungs-Begriffs im Blick auf Gott ausgeschlossen, ist er durchaus auch zu verwenden, was hier in Kapitel VIII geschieht, um bei aller Entsprechung zwischen innertrinitarischem Wesen Gottes und seiner heilsgeschichtlichen Aktivität auch den Unterschied beider Ebenen hervorzuheben (heilsgeschichtliches Handeln erfolgt auch als Reaktion auf menschliches Handeln). Im Blick auf Gottes schöpferische Aktivität wird in Kapitel X,1.1 von Gottes Wirken gesprochen, um die Voraussetzungslosigkeit der schöpferischen Macht und Aktivität Gottes zu betonen.

II. Religionsgeschichtliche, philosophische und theologische Dimensionen der Gotteslehre

1.Horizonte des Gottesbegriffs

Im Allgemeinen verweist der Gottesbegriff auf eine letztgültige Wahrheit und Seinsgrundlage sowie auf ein allumfassendes Geheimnis und eine unverfügbare Eigenwirklichkeit. In der Vielfalt der religiösen und philosophischen Gottesvorstellungen zeigt sich dem personalen Wesen des Menschen gemäß immer wieder das Verlangen nach einem personalen Gott. Als solcher hat sich Gott laut biblischem Zeugnis offenbart. Durch sein dreieiniges Wesen besteht ein Verhältnis von „Gegenüber und Nähe“ zu den Menschen, das die Voraussetzung für ein persönliches Gottesverhältnis in freier und liebender Gemeinschaft bildet.

Das Wort „Gott“ enthält zwar für sich genommen noch keine bestimmte Gottesvorstellung oder eine spezifische Verständlichkeit, aber das menschliche Reden von Gott weist einen gewissen Resonanzboden auf, der das Moment des Letztgültigen und des existentiellen Angegangenseins anklingen lässt, also die Dimension einer unbedingten Bedeutung für das menschliche Leben. Dabei führt der Begriff „Gott“ als „Grenzwort“ an den Horizont der Realitäten von Mensch und Welt.1 In allen bekannten Sprachen gibt es einen Begriff für das Bedeutungsspektrum, das mit dem deutschen Wort „Gott“ verbunden ist. Der ursprüngliche semantische Gehalt des deutschen Begriffs „Gott“ lässt sich nicht mehr eindeutig klären, als wahrscheinlich erscheint es aber, dass der Begriff aus dem substantivierten zweiten Partizip des indogermanischen „ghuto-m“ der Verbalwurzel „gheu“ entstanden ist, wonach Gott als „das angerufene Wesen“ zu verstehen wäre.

Im Blick auf das religionsgeschichtliche Spektrum der Vorstellungen, die sich mit dem Gottesbegriff verbinden, können hier nur einige Hinweise gegeben werden. Insgesamt ist der Entwicklungsgang der verschiedenen Formen von Gottesvorstellungen nicht exakt zu greifen. Nach evolutionistisch geprägten Theorien werden Höherentwicklungen aus primitiv-religiösen Vorstellungen angenommen (N. Söderblom), während sogenannte Dekadenz- oder Depravationstheorien von einem Urmonotheismus ausgehen, der zu niederen – etwa polytheistischen – Formen abgesunken ist (P. W. Schmidt). Im Monotheismus, durch den besonders das Judentum, das Christentum und der Islam gekennzeichnet sind, wird ein Gott verehrt, dessen Allmacht und Ewigkeit Universalität beansprucht. Der in etlichen Kulturen des Altertums oder etwa auch im Hinduismus vorfindliche Polytheismus verteilt die göttlichen Eigenschaften auf mehrere Götter, wobei im Polytheismus häufig Rangordnungen zwischen den Göttern bestehen, die dann wieder zum jeweils subjektiven Eingottglauben führen können, was als Henotheismus oder Monolatrie bezeichnet wird. Der als personalistischer Glaube existierende Theismus geht im Monotheismus von einem transzendenten Gott als Gegenüber zur Welt aus. Dieses Gottesverhältnis kann sowohl dualistisch durch Trennung von Gott und Welt als auch identifizierend durch Gleichsetzung von Gott und Welt beeinträchtigt oder aufgelöst werden. Der nach der Aufklärung aufkommende dualistische Deismus sah Gott nur noch als den Initiator der Welt, der diese dem naturgesetzlichen Ablauf überlässt. Demgegenüber versteht der identifizierende Pantheismus, wie er etwa in der antiken Stoa oder bei dem Aufklärer Baruch Spinoza zu finden ist, die Welt als identisch mit dem Göttlichen, da alles als göttlich bezeichnet wird. So stuft sich das Göttliche zum Beispiel nach der neuplatonischen Emanationstheorie vom Absoluten über das Geistige bis in die Materie ab. Verwandtschaft mit dem Pantheismus weist der bei Naturvölkern verbreitete Animismus auf (lat. anima: die Seele), für den die Materie vom göttlichen Geist beseelt ist. Zu nennen wären ferner Naturgottheiten (z.B. Sonnen- und Mondgötter) und Gottheiten von sozialer Funktion (z.B. Dorfgötter, Kriegsgötter, Götter der Heilung) sowie mythologische Gottesvorstellungen.2

Die Ursprünge des philosophischen Gottesbegriffs lagen in der Abwendung von den zuletzt genannten Gottesvorstellungen, so bei den Griechen durch die großen attischen Philosophen wie Platon (427–347) und Aristoteles (384–322). Nachdem bereits die Vorsokratiker durch die Überwindung mythischer und polytheistischer Gottesbilder der Vorstellung von der Einheit der Gottheit Raum gegeben hatten, kam die Ahnung der Einzigkeit und Einheit des Göttlichen als Urgrund des Seins bei Platon und Aristoteles vollends zur Geltung. In Analogie zum menschlichen Denken ließ sich Gott als sich selbst denkendes Sein verstehen. Der Mensch hat nach Platon durch seine immaterielle und unsterbliche Seele, die vom Leib lediglich eingeengt wird, aufgrund der eingeborenen apriorischen Ideen seines Geistes die Fähigkeit, am höchsten Urgrund zu partizipieren. Entsprechend wird der Mensch als vom Leib-Seele-Dualismus bestimmtes Geistwesen Teil des kosmischen göttlichen Geistes. In gleicher natürlich-theologischer Ausrichtung beschreibt Aristoteles den ewigen Geist als sich selbst denkende Selbstbeziehung, wobei sich der menschliche Geist zum göttlichen Geist aufschwingen kann, so dass das Göttliche in uns das Göttliche an sich berührt (eth. Nic. 1177 b 28). Die Vernunft gilt als das Ewige und Unsterbliche im Menschen. So werden in der Antike bereits religionsphilosophische Vorstellungen abgebildet, die sich in aktualisierter Form in der Aufklärung mit ihren Konzeptionen idealistischer Überschneidung von göttlichem und menschlichem Geist wiederfinden.3

Dennoch hat sich stets aufs Neue das Verlangen nach einem Gott gezeigt, der als persönliches Wesen verstanden werden kann, weil das der personalen Konstitution des Menschen entspricht. Nach dem biblischen Zeugnis hat sich Gott selbst als personales Gegenüber des Menschen erschlossen, das den Menschen als Ebenbild Gottes (lat. imago Dei) transparent werden lässt und ihm ganz nahe ist. Dieses durch das dreieinige Wesen Gottes ermöglichte Verhältnis von „Gegenüber und Nähe“ eröffnet im Unterschied zu dualistischen und identifizierenden Gottesvorstellungen eine freie personale Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch. So kann Gott als Vater das Gegenüber der Menschen bleiben, während er ihnen als Sohn und Heiliger Geist ganz nahe ist – ja sogar im Sohn selbst Mensch werden kann.4 Gegenüber der abstrakten Jenseitigkeit Gottes in einem unitarischen Monotheismus und gegenüber polytheistischen sowie emanatorischen Gottesvorstellungen erschließt das biblische Zeugnis also einen konkreten Monotheismus5, der die lebendige dreieinige Liebe in Gott als Voraussetzung einer persönlichen Gottesbeziehung in freier Gemeinschaft und Liebe offenbart.

Im Blick auf seine allgemeine Verwendung haftet dem Gottesbegriff immer wieder der Horizont der letztgültigen Wahrheit und Seinsgrundlage an – und damit die Dimension des Geheimnisses, das sich aus den weltlichen Zusammenhängen nicht greifen lässt. Dahinter vermag sich eine unverfügbare Eigenwirklichkeit (Aseität) zu verbergen, die auf eine selbstursächliche Einzigartigkeit verweist. So scheint der Gottesbegriff verbreitet ein grundloses Sein zu enthalten, das aus sich selbst existiert – und sich deshalb eigentlich auch nur selbst erschließen kann. Der Gottesbegriff transportiert also ein Geheimnis, das sich dem Menschen zum einen als entzogen erweist, das ihn aber zum anderen als definitives „Woraufhin“ seines Lebens unbedingt angeht. Denn dieses Geheimnis verbindet sich mit der Ahnung einer ersten, aus sich existierenden und alles Sein umfassenden Ursache. Deshalb ist „die Rede von Gott [letztlich] nur dann sinnvoll […], wenn sie ‚Gott‘ als ein auf das Ganze gehendes Wort zu verstehen gibt, dessen besonderer Anspruch universale Geltung einschließt“: Was „im sachgemäßen Gebrauch des Wortes ‚Gott‘ zur Sprache kommt, geht jeden Menschen unbedingt an“6.

2.Die Transzendenz von Welt und Kosmos

In ihrer Endlichkeit weisen Welt und Kosmos zwischen ihrem „Woher“ und „Wohin“ über sich selbst hinaus. Diese Transzendenz erlaubt lediglich die Ahnung eines letzten Grundes und Ziels, so dass Gott nicht aus natürlichen Gegebenheiten zu rekonstruieren ist. Zwar finden sich in der Schöpfung Spuren des Schöpfers, doch aufgrund der von menschlicher Selbstbehauptung geprägten Erkenntnis bleiben sie ambivalent, weshalb angemessene Gotteserkenntnis auf die Selbsterschließung Gottes angewiesen ist. Diese bedarf allerdings um der universellen Nachvollziehbarkeit willen der natürlichen Anknüpfungspunkte. Erst die trinitarisch-heilsgeschichtliche Dynamik von Schöpfung, Erlösung und Vollendung erlaubt die sachgemäße Zuordnung von natürlichen Erkenntnisvoraussetzungen und göttlicher Selbsterschließung. Dabei behalten die drei Glaubensartikel die gesamte Schöpfungswirklichkeit von Welt und Kosmos im Blick, die mit der Glaubenswirklichkeit übereinstimmen muss, wenn der Glaube nicht in innere Widersprüche führen soll.

Den aufgezeigten Horizonten des Gottesbegriffs korrespondiert die Transzendenz von Welt und Kosmos, welche über sich selbst hinausweisen (lat. transcendo). Denn sowohl der Wirklichkeit von Welt und Kosmos als auch der Universalhistorie und dem Menschen haften eine Selbsttranszendenz an, die sich zwischen den Dimensionen des „Woher“ und des „Wohin“ bewegt, wobei niemand diese Dimensionen letztgültig kennt oder in der Hand hat. Aufgrund der Kontingenz (Möglichkeit statt Notwendigkeit) und Endlichkeit ist die gesamte Wirklichkeit einer radikalen Fraglichkeit unterworfen, die im Staunen über das Wunder des Seins Frag-Würdigkeit enthält und die die Ahnung eines letzten Grundes beinhaltet. Damit verbunden ist die Frage nach einem letzten Sinn oder Ziel sowie das Phänomen der Gottesidee – alles Dimensionen, die „die Form eines unthematischen Gewahrseins haben“, weil „der Mensch von allem Anfang an in ein ihn übersteigendes ‚Geheimnis‘ hineingestellt ist, und zwar in der Weise, daß sich ihm ‚die unverfügbare […] Unendlichkeit der Wirklichkeit als Geheimnis dauernd zuschickt‘“7.

Weil die Selbsttranszendenz lediglich die Ahnung eines letzten Grundes bzw. eines Gottes ermöglicht, erlaubt sie keine spekulative Rekonstruktion Gottes aus natürlichen Gegebenheiten, seien sie kosmologischer oder anthropologischer Natur. Zwar ist laut alt- und neutestamentlichem Zeugnis die Erkennbarkeit Gottes aus seiner vom Schöpfergeist durchdrungenen Schöpfung gegeben (z.B. Ps 8; 19; 29; 104; 148; Act 14,16f.; 17,22ff.; Röm 1,19f.), weshalb es sich als unentschuldbar erweist, wenn der Mensch Gott die Ehre verweigert (Röm 1,20). Das bezeugt auch das menschliche Gewissen, insofern als das Gesetz Gottes dem Menschen ins Herz geschrieben ist (Röm 2,14f.). Der Mensch, dem sich auf diesen Wegen die Ahnung eröffnet, dass Gott ist, aber noch nicht, wer Gott ist (Luther), neigt jedoch nach Röm 1,18ff. zur Identifikation Gottes mit Geschöpflichem oder mit sich selbst – statt zu einer sich öffnenden Anerkennung Gottes. Denn die in Gen 3 erkennbare Versuchung des Menschen, sein eigener Gott sein zu wollen, zieht notwendig eine Selbstbehauptung und Selbstbegründung (Selbstvergöttlichung) nach sich, die auch das Gottesbild betrifft, weil der Mensch dann auch versucht ist, Gott selbst zu konstruieren bzw. zu rekonstruieren. Deshalb bedarf es zunächst der hermeneutischen Umkehr von selbstbehauptendem und spekulativem Denken zu empfangender Anerkennung der Kreatürlichkeit des Seins, was mit der Einsicht verbunden ist, dass Gott sich nur selbst erschließen kann.

Aufgrund der gezeigten Ambivalenz „natürlicher“ Gotteserkenntnis müssen „Natur und Gnade“ sowie „Vernunft und Glaube“ aufeinander bezogen bleiben, da sich die Gnade die Natur voraussetzt und der Glaube die Vernunft in Dienst nimmt. „Deshalb ist die Natur kein eigenständiger, in sich abgeschlossener und aus sich vollendbarer Wirklichkeitsbereich. Sie ist dynamisch über sich hinaus auf eine Erfüllung ausgerichtet, die sie sich selbst nicht geben kann, die sie vielmehr allein durch die Gnade erhält. Erst durch die Gnade erlangt die Natur ihre eigentliche Bestimmung. Wo sie sich dagegen sündhaft gegen die Gnade versperrt, da gerät sie in Widerspruch mit sich selbst, da wird sie zutiefst verkehrt.“8 Somit ist der Zusammenhang zwischen Schöpfungs- und Heilsordnung bzw. zwischen allen drei Artikeln des Glaubensbekenntnisses gegeben. Entgegen der linear trennenden Stufenordnung von natürlicher (De Deo uno) und übernatürlicher Gotteserkenntnis (De Deo trino) besteht eine trinitarisch-heilsgeschichtliche Dynamik von Schöpfung, Erlösung und Vollendung. In ihr kommt sowohl das jeweils spezifische Handeln von Vater, Sohn und Heiligem Geist in den drei heilsgeschichtlichen Phasen zum Ausdruck als auch deren gemeinsames Handeln in jeder dieser Phasen. Die Trinitätslehre lässt so im Kontext von Gesetz und Evangelium den hermeneutisch relevanten Zusammenhang von Schöpfungs- und Heilsordnung erkennen. In der dynamischen Zuordnung von natürlichen Erkenntnisvoraussetzungen und göttlicher Selbsterschließung ist neben den natürlichen Anknüpfungspunkten der Selbsterschließung auch die mit der Kreuzestheologie hervortretende Krisis zu beachten, welche die sündhafte Verkehrung und Ambivalenz der natürlichen Grundlagen offenlegt. „Die Schöpfung muß daher so interpretiert werden, daß sie von Anfang an auf die Verwirklichung der vollendeten Gemeinschaft des trinitarischen Gottes mit seiner Schöpfung abzielt, die angesichts des Widerspruchs der Sünde nur durch die von Gott gewirkte Versöhnung verwirklicht werden kann. Die Versöhnung muß in dieser Weise als Ausdruck der Treue Gottes zu seiner Schöpfung und in dieser Weise als erneute Einbeziehung des Gott widersprechenden Menschen in die ursprüngliche Zielsetzung der Schöpfung verstanden werden. Die Vollendung der Welt darf darum nicht nach apokalyptischer Manier als radikale Neuschöpfung verstanden werden, sondern muß als Vollendung der versöhnten Schöpfung interpretiert werden, also als neuschöpferisches Handeln Gottes an der ursprünglichen Schöpfung.“9

Als Schöpfung des dreieinigen Gottes enthält die Schöpfung naturgemäß Spuren der Trinität (lat. vestigia trinitatis). Denn das „Geschaffene ist auf Grund seines Ursprungs und seiner Entfaltung vom dreieinen Gott durchwirkt und deshalb dessen Abbild“10. Die vielen Spuren analoger Einheit in Vielfalt im Kosmos und im Menschen haben zwar unter anderem in der Gottebenbildlichkeit des Menschen (imago Dei, Gen 1,26f.) ihre Berechtigung, aber es bleiben aufgrund des Unterschieds zwischen Gott und seiner Schöpfung analoge Spuren. So ist Gott zum Beispiel die Gleichzeitigkeit von inner- und zwischenpersonaler Struktur (ein Gott und zugleich die Gemeinschaft dreier Personen), während der Mensch beide Aspekte auch hat, aber nur in Gemeinschaft mit anderen Menschen oder mit Gott (siehe Kap. IX,2). Durch die Analogie zwischen geschöpflicher und göttlicher Wirklichkeit ist es allerdings überhaupt erst möglich, die Offenbarung Gottes verstehen zu können und die Universalität der speziellen Offenbarung wahrzunehmen, was durch den Zusammenhang der drei Artikel des Glaubensbekenntnisses gewährleistet wird. Der integrale Zusammenhang von „Schöpfungs- und Heilswirklichkeit“ sowie von „Vernunft und Geist“ besteht, weil die Inkarnation (Zweiter Artikel) sowohl auf die mit der Schöpfungswirklichkeit gegebenen Voraussetzungen (Erster Artikel) verweist als auch auf die eschatologische Vollendung durch den Heiligen Geist (Dritter Artikel). Dieser ist wiederum nicht nur an der Schöpfung beteiligt, sondern vollzieht neben der Vollendung auch die Erhaltung der Schöpfung und die Erlösung in Christus.11

Vor dem gezeigten Hintergrund verbietet sich eine oft zu beobachtende anthropozentrische oder existentialistische Reduktion der Glaubenswirklichkeit, was der Erste Artikel mit seiner Bezugnahme auf den gesamten Kosmos (Glaube an Gott den Schöpfer) ebenso belegt wie der Dritte Artikel mit seiner kosmischen Perspektive der eschatologischen Vollendung. Der neuzeitliche Anthropozentrismus, der sich etwa in rein sittlicher Religiosität neukantianischer Prägung oder in existentialistischer Ausblendung der kosmologischen Dimension äußert, wird der ganzheitlichen Selbsttranszendenz des Menschen und seiner Einbindung in Welt und Geschichte nicht gerecht. Deshalb „würde ein völlig akosmisches Gottesbild, Wirklichkeits- und Selbstverständnis des Menschen […] eine bedenkliche Ausfallerscheinung darstellen“12. Davor bewahrt das trinitarische Bekenntnis, indem es Schöpfung und Erlösung umschließt und sich „für den umfassenden Horizont des Wirklichen“13 öffnet. Es bedarf also der Wahrnehmung der Dimension natürlich-metaphysischer Transzendenz in ihrer ganzheitlichen Perspektive, weil man Gott die Wirklichkeit von Welt und Kosmos nicht entziehen kann und der universale Wahrheitsanspruch der Offenbarung im Erfahrungskontext der Menschen gewährleistet bleiben muss, um zu verhindern, „daß der Glaube auf den Standpunkt eines ‚credo,quia absurdum‘ verwiesen wird“14. Denn der Glaube wird absurd, wenn die Wirklichkeit des Glaubens und die Wirklichkeit der Welt nicht in Übereinstimmung kommen. (Siehe dazu Kap. X,1.2: „Theologie und Naturwissenschaft“.)

Insgesamt behält die natürlich-metaphysische Dimension den Charakter der Ahnung von Gott und des natürlichen Anknüpfungspunktes seiner Selbsterschließung, auf welche die Ahnung wiederum angewiesen bleibt. So verweist die Transzendenz von Welt und Kosmos nicht nur auf die Ahnung von Gott, sondern auch auf die Notwendigkeit seiner Selbsterschließung – und damit zugleich auf die anthropologischen Voraussetzungen der Gotteserkenntnis im Kontext dieser Welt.

3.Die Transzendenz des Menschen

Da der Mensch letztlich weder seine Herkunft noch seine Zukunft selbst in der Hand hat, erfährt er sich als Frage und Geheimnis und weist so über sich selbst hinaus. Diese Transzendenz verbindet sich mit der personalen und sprachlichen Konstitution des Menschen, durch die sich der Mensch als personales Geheimnis selbst mitteilen kann und durch die er auf Anrede angewiesen ist. Indem sich der dreieinige Gott ebenfalls als personal und sprachlich konstituiertes Wesen erschlossen hat, wird der Mensch als Ebenbild Gottes transparent. Lässt sich der Mensch glaubend auf die Anrede Gottes ein, entspricht er also sowohl dem Wesen Gottes als auch seinem eigenen Wesen.

Wie es bereits aus der Transzendenz von Welt und Kosmos hervorging, spürt der Mensch, der die Begrenztheit seines Lebens ernst nimmt, dass er zum einen von Voraussetzungen lebt, die er nicht selbst geschaffen hat. So ist er nicht aufgrund eigener Entscheidung in dieser Welt, sondern er wurde sozusagen „in das Leben hineingeworfen“. Der Mensch hat also keine Verfügungs- und Begründungsmacht im Blick auf seine Herkunft. Zum anderen kann er zwar seine Zukunft im Leben planen und beeinflussen, doch sie bleibt letztlich nicht vorhersehbar. Erst recht steht die Zukunft über das Lebensende hinaus nicht in der Verfügbarkeit des Menschen. Dadurch erfährt sich der Mensch als Frage und als Geheimnis, es existiert eine Unruhe der Unabschließbarkeit und somit das Gefühl, aus sich herausgerufen zu sein. Die sich in solcher „Frag-Würdigkeit des Geheimnisses“15 und im existentiellen Verwiesensein dokumentierende Selbsttranszendenz des Menschen erwartet eine „Antwort auf die mit dem Menschen als Person gegebene Frage nach dem Ganzen der Wirklichkeit“16 und nach deren universalem Sinn. In diesem „Gefordertsein der menschlichen Existenz“17 existiert sowohl das mit menschlicher Personalität und Liebeserfahrung gegebene Grundvertrauen als auch eine unauslotbare Verborgenheit: „Insofern die Erfahrung des Geheimnisses ein unerreichbarer Horizont aller unserer Erfahrung ist, begegnet es uns als das ganz Andere […]. Insofern es uns in allen Dingen nahe ist, erscheint es uns als bergender Grund“18. Durch die Erfahrung beider Dimensionen des Geheimnisses, welche die Frage nach dem universalen Sinn beinhalten, wird das Denken über sich selbst hinausgewiesen. Bereits im antiken griechischen Begriff „Anthropos“ (Mensch) ist das über sich hinausweisende Wesen des Menschen angedeutet, insofern als der Begriff etymologisch mit dem griechischen Wortstamm anatrein (nach oben blicken) in Verbindung steht.

Die gezeigte Transzendenz des Menschen beinhaltet den anthropologischen Aspekt des Herausgerufenseins bzw. des Angewiesenseins auf Anrede, was bereits in der personalen und sprachlichen Konstitution des Menschen angelegt ist. Beide Konstitutionsmerkmale, Personalität und Sprachlichkeit, bedingen sich gegenseitig. Denn die mit selbstreflexiver Subjektivität verbundene Personalität des Menschen verkörpert Selbstsein im Gegenüber- und Mitsein, so dass menschliche Personalität einerseits die Dimension des von außen nicht zugänglichen personalen Geheimnisses beinhaltet, während sie andererseits durch die Dimension der Gemeinschaft und des Angegangenseins von außen geprägt ist. Weil sich der Mensch als personales Geheimnis nur selbst mitteilen kann und zugleich auf personale Gemeinschaft und damit auf Anrede angewiesen ist, bedarf er ontologisch der sprachlichen Konstitution. Die Sprachlichkeit ermöglicht nämlich nicht nur die Handhabung des Aspekts des personalen Geheimnisses, indem sich der Mensch anderen erschließen oder verschließen kann, sondern auch die freie Ansprechbarkeit des Menschen und die freie intersubjektive Gemeinschaft der Menschen untereinander.19

Angesichts dieser Zusammenhänge geben Sprachlichkeit und Personalität die Selbsttranszendenz des Menschen zu erkennen. Denn so wie die Sprachlichkeit des Menschen bewusste Beziehungen in personaler Gemeinschaft voraussetzt und so wie die im personalen Geheimnis gegebene Sinnfrage auf ein personales Gegenüber verweist, das allein die Antwort auf diese Frage erschließen kann, so kann das menschliche Wesen „seine Erfüllung als Person nur in der Gemeinschaft mit einem höheren persönlichen Wesen finden“20. Dabei beinhaltet die Sprache selbst schon eine transzendierende Dimension: „Die Sprache lebt vom Vorgriff auf einen Gesamtsinn der Wirklichkeit und bringt diesen in Metaphern und Gleichnissen zum Ausdruck. So ist die Sprache zugleich Erinnerung an eine unabgegoltene Hoffnung der Menschheit und zugleich Antizipation dieser Hoffnung. Noch bevor die Sprache zur expliziten religiösen Sprache wird, impliziert sie je schon eine religiöse Dimension. Erst die religiöse Sprache bringt die Sprache zu sich selbst. Nicht das Wort Gott ist ein sinnloses Wort, vielmehr ist dort, wo Gott totgeschwiegen wird, das Sprechen selbst gefährdet.“21 Entsprechend meint das Wort „Gott“ laut Gerhard Ebeling „die Tatsache, daß der Mensch in der Ganzheit seines Lebens und damit im Hinblick auf die Wirklichkeit im ganzen in einer letztgültigen Weise sprachlich angegangen ist“22.

Vor dem Hintergrund dieser anthropologischen Voraussetzungen ist es aufschlussreich, dass sich Gott in der trinitarischen Heilsgeschichte als personale Gemeinschaft der Liebe erschlossen hat und die Menschen immer wieder durch sein Wort anredet. Aufgrund des Umstandes, dass sich der Sohn Gottes wesensmäßig als Wort (griech. Logos) Gottes erschließt („Das Wort ward Fleisch“ – Joh 1,14), wird vollends offenbar, dass neben der Personalität auch die Sprachlichkeit zum innersten Wesen Gottes gehört. So wird der Mensch auch diesbezüglich als imago Dei (Ebenbild Gottes) transparent. Von daher kann das Wort Gottes die als Wortsituation bestehende Grundsituation des Menschen treffen, weshalb gilt: Wenn sich der sprachlich konstituierte Mensch glaubend auf die Anrede Gottes einlässt, handelt es sich um „dasjenige Verhalten, in dem der Mensch gleichursprünglich sowohl Gott als auch sich selbst entspricht“23, da er Gott als den von sich aus Redenden gelten lässt und sich das wahre Menschsein zusprechen lässt. „Letztlich geht es um das einzige Wort, ‚das den Menschen menschlich macht, indem es ihn zum Glaubenden macht‘“24. Dabei gewährt die im Sohn Gottes bestehende einmalige Identität von Wort und Sein den Menschen wahre Gotteserkenntnis und Heilsgewissheit, weil sich Gott in seinem Wort selbst entspricht.

So verweist die Transzendenz des Menschen auf das Geheimnis, in das der Mensch gestellt ist und das er selbst nicht erschließen kann, weshalb das Denken über sich hinausgewiesen ist, bis hin zum Grenzbegriff „Gott“, der zu der Einsicht führt: „Vor ihm muß unser Denken verstummen. Soll uns das Unendliche zugänglich werden, dann muß es sich uns selbst erschließen.“25 In dieser empfangenden Hermeneutik kann der Mensch die biblisch bezeugte Selbsterschließung des dreieinigen Gottes in der Heilsgeschichte wahrnehmen, die erkennen lässt, dass der personal und sprachlich geprägte Gott den personal und sprachlich konstituierten Menschen als Adressaten seiner Liebe geschaffen hat. Gott, der die innertrinitarische Beziehung der Liebe verkörpert, nimmt „die Menschen als seine von ihm selbst geschaffenen Kommunikationspartner in diese Beziehung auf […], so daß diese – von der grenzenlosen Beziehungswilligkeit Gottes ergriffen und sich ihr öffnend – den Mitmenschen wie auch ihrem Gott entsprechen und zu ihrem menschlichen Wesen kommen können“26.

4.Implikationen des Gottesbegriffs

Die Implikationen des Gottesbegriffs, die auf Gott als unverfügbare Eigenwirklichkeit hinweisen, korrespondieren mit dem personalen Wesen des dreieinigen Gottes, weil sich Gott als personales Geheimnis nur selbst erschließen kann. Soll Gott nicht depotenziert oder vereinnahmt werden, ist er als sich selbst erschließendes Geheimnis ernst zu nehmen. Der verborgene Gott verweigert sich menschlicher Vereinnahmung und ermöglicht so wahre Gotteserkenntnis durch den offenbaren Gott.

Die beiden Abschnitte über die Transzendenz des Menschen und die Transzendenz von Welt und Kosmos lassen erkennen, dass der Mensch im Kontext des Kosmos über sich selbst hinausgewiesen ist – auf einen letzten Grund und ein letztes Ziel. Diese Dimensionen sind wiederum verbreitet mit dem Gottesbegriff verbunden, wie es im Abschnitt über die Horizonte des Gottesbegriffs deutlich wurde (siehe Kap. II,1). So trat ein gewisser Resonanzboden des Gottesbegriffs hervor, da Gott weitgehend als Ursache aller Wirklichkeit verstanden wird und somit als selbstursächliche und unverfügbare Eigenwirklichkeit, die hinter dem Geheimnis menschlicher Transzendenz steht. Nimmt man diese Implikationen des Gottesbegriffs ernst, kann es keine aus den weltlichen Bedingungen rekonstruierbare Notwendigkeit Gottes geben, wie es falsch verstandene Gottesbeweise scheinbar vorgeben (siehe zu den Gottesbeweisen Kap. VI,3). Denn bei dem göttlichen Horizont der unverfügbaren Eigenwirklichkeit geht es um den grundlosen Grund, der erst über Sein und Nicht-Sein entscheidet. Deshalb kann weder vom Sein noch vom Nicht-Sein die metaphysisch-theistische „Notwendigkeit“ oder die atheistische „Nicht-Notwendigkeit“ Gottes abgeleitet werden („Gott ist mehr als notwendig“ – E. Jüngel).27 Vielmehr lässt die aus menschlicher Selbsttranszendenz resultierende Ahnung von der Existenz Gottes erkennen, dass der diesem Anschein nach aus sich selbst existierende Gott um seiner selbst willen ernst zu nehmen ist: Er muss sich selbst verifizieren,wenn er erkannt werden soll. „Letztlich kann Gott nicht von einer äußeren Instanz her bewiesen werden. Er muß sich selbst erweisen. Man kann den Gottesgedanken nur daran bewähren, daß man ihn an seinen eigenen Implikationen mißt.“28

Das gilt auch für die Implikationen des Gottesbegriffs, die sich aus der personalen Konstitution des Menschen ergeben (siehe Kap. II,3