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Es ist Nacht in der Stadt. Eine Gästeschar, die hochrangiger kaum sein könnte. Der Congress in Gold glänzend, von tropfenförmigen Lichtelementen erhellt, bildet den Rahmen einer rauschenden Ballnacht. Landesräte, Politiker, Künstler, Granden der Wirtschaft und des Militärs in Anzügen und bodenlangen Roben auf den teppichgesäumten Stufen, die Atmosphäre genießend. Und nicht nur die, auch das Dunkle hat seinen Platz in dieser Stadt. Als am Morgen nach der Ballnacht ein Opfer gefunden wird, ist man in Graz entsetzt.
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Seitenzahl: 68
Veröffentlichungsjahr: 2018
Grazer Grün
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
© 2018 Evi Aigner, Graz, Österreich
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand, Norderstedt
ISBN: 9783752849868
Durch den Prunk der auf überaus geschmackvolle Weise präsentiert wurde, drangen die Klänge der Grazer Philharmonie, die mit ihren Melodien Tanz und Gespräche begleitete. Stadträte und ihre Mitarbeiter verharrten mit ihren Gästen in Logen oder bewegten sich sanft übers Parkett, wo sie große und kleine Themen des politischen und wirtschaftlichen Lebens besprachen, Karrieren schmiedeten oder vernichteten – je nachdem. Selbst kirchliche Würdenträger schienen sich an diesem Abend zu amüsieren.
In den Logen prostete man sich mit teurem Sekt zu und bekundete Interesse an der einen oder anderen Thema, an dem man für gewöhnlich kaum welches fand. Auf den Gängen fanden vertrauliche Gespräche statt und an der Bar wurden heiter Häme und Lob verteilt. Nur ganz abseits waren die Gespräche ernst, obwohl man es nicht vermutete, wenn man die Sprechenden sah. Die Stimmung war angespannt und glich einer Dunkelkammer, in der unter hohem Einsatz Bilder von größter Dramatik entwickelt wurden.
“Sag, hast du beraten über den Projektantrag?”“Nein, ich hab noch keine Zeit gehabt. Es waren immer so viele Tagesordnungspunkte“
”Du hast mir doch schon vor zwei Wochen versprochen, dass du mit den Unterlagen in die Sitzung gehst. Wir haben doch Handouts vorbereitet und alle Daten nochmal geprüft.”“Ja, aber der Zeitpunkt war noch nicht da. Erstens müssen wir die ganze Chemielobby ruhigstellen und zweitens die Medien auf unsere Seite holen.”“Die Medien sind auf unserer Seite!”“Pst! Nicht so laut.”Er warf ihr einen strengen Blick zu. Dann blickte er wieder auf das Parkett und lächelte dem einem Politiker zu, den er kannte. Er grüßte Kollegen und Kolleginnen aus der Beamtenschaft. Lächelte.“Und den einen oder anderen Kollegen sollten wir noch umstimmen.”Er sah sie an.Sie wusste, was dieser Blick zu bedeuten hatte. Sie hatte ihn schon oft gesehen und wurde sauer. Als sie sich von ihm abgewendet hatte und ebenfalls auf das Parkett blickte, sah sie einen hochrangigen Regierungsbeamten vorbeitanzen. Er grüßte. Der Mann neben ihr nickte ihm zu.“Denk an die Zukunft! Wir haben jetzt die Möglichkeit, dass wir das durchboxen.”Er sah sie eindringlich von der Seite an.Sie sah an sich hinunter. Streifte ihr Kleid glatt. Der Seidenbrokat glänzte in diesem Licht auffallend. Sie wusste, dass sie eine attraktive Erscheinung war. Manchmal verfluchte sie diese Abende, an denen sie es so zur Schau stellen musste, denn sie war auch in Jeans und Sweatern attraktiv genug, fand sie. Man musste doch ernst genommen werden. Sie hatte den Eindruck, das gelang ihr in Alltagskleidung besser.
Es war früher Morgen und die Apothekerin der Adler Apotheke am Hauptplatz entschloss sich, nachdem sie ihr Fahrrad abgestellt hatte, sich am Kiosk eine Zeitung zu holen. Es war in ihrem Beruf mitunter der Fall, dass die Leute sich mit ihr über Tagesthemen unterhalten wollten. Oft ist es von Vorteil, sich zu den wesentlichen Nachrichten äußern zu können. Gerade ältere Damen plaudern gern über Politik.
Sie ging die paar Schritte und bediente sich selbst. Sie warf einen Blick auf das Cover der aktuellen Ausgabe des kleinen Lokalblattes, das sie erworben hatte. Der gestrige Ball im Congress war der große Aufmacher. Der stets zuversichtliche Bürgermeister, ein Bild von einem Mann, im Anzug, nebst Gattin im bodenlangen spitzenbesetzten Ballkleid.“Etwas zu tief decoltiert”, sagte die Kundin hinter ihr und schlängelte sich, ehe sie noch antworten konnte, an ihr vorbei zum Vekaufsstand. Ein Blick auf die Rathausuhr machte ihr klar, dass sie ausreichend Zeit haben würde, sich mit Hilfe der Lektüre auf den Arbeitstag vorzubereiten. So drehte sie auf dem breiten Stöckel des halbhohen Lederpumps um und marschierte in Richtung Luegg-Haus, in dem sich eine Bäckerei eingerichtet hatte. Während sie überlegte, dass es früher eher Konditoreien waren, die süsse Waren mit Kaffee anboten, wurde ihr Coffee to go von einer sehr schlanken jungen Aushilfskellnerin, die eigentlich ein Studium absolvierte und nur an den Samstagen Dienste übernahm, in einen Pappbecher gefüllt. Sie dankte ihr, als diese ihren Stempel auf ihren Kaffeesammelpass platzierte und lächelte freundlich, als sie ihr einen guten Tag wünschte. Mit dem Kaffee in der einen und der Zeitung in der anderen Hand, trat sie auf die gepflasterte Strasse, auf deren eingelegten Schienenkörper in diesem Moment eine Straßenbahn herannahte. Sie stoppte und setzte ihren Fuss zurück. Seit vielen Jahren wissen alle Grazer, dass die Tramwayfahrer keinerlei Pardon kennen, wenn sich jemand selbst noch in dreißig Metern Entfernung in den Weg stellte. So hielt sie einen Augenblick inne und nahm die Herrengasse in ihren morgendlichen Farben wahr. Die Pflastersteine waren noch nass vom Waschfahrzeug und der Kaffeeduft stieg ihr in die Nase.
‚Die Stadt ist wirklich in diesen frischen Morgenstunden wirklich am schönsten‘, dachte sie. Die Tramway fuhr los und gab den Blick auf den Hauptplatz frei. Über allem thronte der Erzherzog auf einem Podest, das von vier Frauenfiguren umgeben war, das die vier Flüsse der Steiermark symbolisierten, wie sie zu seinen Zeiten gegeben waren. Und da sah sie ihn, wie er so an den Beinen des Erzherzogs befestigt war. Leblos und fahl. Zusammengesackt.Fassungslos starrte sie auf das Ensemble. Während sie sich wunderte, warum sie die Einzige war, die das sah, klappte der Marktstandler in ihrer Nähe die Bordwand seines Standes nach oben. Er sah sie, folgte ihrem Blick und sah ihn. Ein Moment des Schreckens.
Auch er sagte nichts.
Während sie so standen und überlegten, ob sie den Herrn als Kunden gekannt hatten, blieben Passanten stehen und begannen ebenfalls zu schauen. Dann zu murmeln. Und schließlich rief einer: “Der war doch gestern auf dem Ball! Da schau, er ist sogar in der Zeitung!”Da zückten einige ihre Handys und fotografierten dieses unglaubliche Bild. Der Marktstandler griff zu seinem Mobilteleton und rief die Polizei.
Der Hauptplatz ist einer der Verkehrsknotenpunkte der Stadt. Die Schüler stiegen hier um ihn ihre Linien, die sie in die Schulen brachten. Wie jeden Morgen füllte sich der Hauptplatz innerhalb weniger Minuten mit Menschen. Manche sahen, andere sahen vorbei, manche wandten sich ab. Einige nahmen gar keine Notiz und gingen weiter.Der Marktstandler kam zur Apothekerin herüber, die noch immer wie angewurzelt dastand ihren Kaffee und die Zeitung in der Hand. Sie fing sich, als er auf sie zukam und sie ansprach.“Die Polizei wird gleich da sein. Ich hab schon vor ein paar Minuten angerufen. Ich hoffe nur, dass niemand auf die Idee kommt, hier etwas anzufassen oder wegzubringen”, sagte er leise. “Bitte, kommen Sie doch mit zu meinem Stand. Wir wollen gemeinsam das Eintreffen der Polizei erwarten.”Sie nickte und war erleichtert, als er ihr seinen Arm bot. Sie fühlte sich schwach. Sie setzte sich auf den schmalen Sitz in seinem Stand. Langsam bekam ihr Gesicht wieder Farbe.
Günther Knauss, der zum Hauptplatz schlenderte und sich einen morgendlichen Kaffee gönnen wollte, strich über seinen zwei-Tage-Bart. Er sah das Opfer und konnte kaum glauben, was sich hier abspielte. Er blieb stehen.
Er beobachtete das Geschehen mit einem gewissen inneren Zweifel. ‚Dass soetwas ausgerechnet dann passiert, wenn ich einmal über die Strenge schlage? Eigenartig‘, dachte er und schüttelte den Kopf in dem es noch ein wenig hämmerte.
Er hatte sich am Vorabend mit einigen seiner früheren Freunde getroffen. Es wurde spät oder besser gesagt früh.
Er trat an den Standler heran.“Ja. Was kann ich …”, begann der Standler, doch seine Menschenkenntnis lies ihn innehalten. Er vermutete einen Exekutivbeamten in Zivil hinter dem noch leicht zerknitterten Gesicht und damit lag er gar nicht so falsch. Die Polizei war eingetroffen und uniformierte Polizisten begannen, hinter ihnen den Fundort abzusperren.
Der Standler begann das Gespräch: “Guten Morgen! Mein Name ist Pock. Gut, dass sie so schnell hier sein konnten! Wir, also Frau Vogelberger und ich, haben vor wenigen Minuten diesen Toten gesehen und haben Sie alarmiert.
“Darf ich vorstellen, das ist Frau Vogelberger!”, der Standler wies auf die blonde Dame, die neben ihm Platz genommen hatte und einen Kaffee in der Hand hielt, als wäre es eine Trophäe.“Ist das nicht grauenvoll?”, seufzte diese im Hintergrund. Sie wendete dabei ihren Blick nicht von den Beamten ab, die gerade dabei waren, Fotografien anzufertigen und den Erzherzogs Beine freizulegen. “Gottseidank war Herr Pock so geistesgegenwärtig und verständigte die Exekutive!”Ein Mann trat an den Stand heran. “Sagen Sie, ist das nicht Gottfried Stremits, der Chef der Grazer Abwasserentsorgung?”, fragte er und deutete mit dem Kopf in Richtung Brunnen, wo der Leichnam gerade in einen metallenen Sarg gelegt wurde. Anscheinend einer seiner Stammkunden, dachte Knauss, als der Standler die Semmel in eine Tüte packte, die der Mann gar nicht bestellt hatte. Der Marktstandler wollte ihm antworten, doch er wurde von einem Schauer, der ihm über den Körper lief daran gehindert. Stattdessen hob er die Schultern.