Grenzen, Nähe, Respekt - Jesper Juul - E-Book
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Grenzen, Nähe, Respekt E-Book

Jesper Juul

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Beschreibung

In diesem Buch geht es um die heißen Quellen aller Familiendynamik: um Konflikte und ihre besondere Bedeutung für Familie und Erziehung. In Konflikten zeigt sich, wie Grenzen gesetzt und respektiert werden und dass Konfrontation tatsächlich auch Nähe bedeutet. Jesper Juul zeigt, dass «Nein» eine liebevolle Antwort sein kann und wie aus destruktiven Auseinandersetzungen fruchtbare Konflikte werden, damit Eltern und Kinder sich finden. «Konflikte zwischen Kindern und Eltern sind keine Anzeichen dafür, dass die Eltern ihrer Aufgabe nicht gewachsen sind, sondern dienen dazu, dass beide Seiten etwas lernen. Die Verantwortung für die Konflikte aber übernehmen in einer gesunden Familie die Eltern. Den Kindern die Schuld zu geben ist verantwortungslos und führt nur zu neuen, noch destruktiveren Konflikten.»

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Seitenzahl: 104

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Jesper Juul

Grenzen, Nähe, Respekt

Auf dem Weg zur kompetenten Eltern-Kind-Beziehung

Aus dem Dänischen von Alken Bruns

Über dieses Buch

In diesem Buch geht es um die heißen Quellen aller Familiendynamik: um Konflikte und ihre besondere Bedeutung für Familie und Erziehung.

In Konflikten zeigt sich, wie Grenzen gesetzt und respektiert werden und dass Konfrontation tatsächlich auch Nähe bedeutet. Jesper Juul zeigt, dass «Nein» eine liebevolle Antwort sein kann und wie aus destruktiven Auseinandersetzungen fruchtbare Konflikte werden, damit Eltern und Kinder sich finden. «Konflikte zwischen Kindern und Eltern sind keine Anzeichen dafür, dass die Eltern ihrer Aufgabe nicht gewachsen sind, sondern dienen dazu, dass beide Seiten etwas lernen. Die Verantwortung für die Konflikte aber übernehmen in einer gesunden Familie die Eltern. Den Kindern die Schuld zu geben ist verantwortungslos und führt nur zu neuen, noch destruktiveren Konflikten.»

Vita

Jesper Juul, 1948 in Dänemark geboren, war Lehrer, Gruppen- und Familientherapeut, Konfliktberater und Buchautor. Er war «gelernter Vater» eines Sohnes und lebte in Kopenhagen und Zagreb. Nach dem Studium der Geschichte, Religionspädagogik und europäischen Geistesgeschichte arbeitete er als Heimerzieher und später als Sozialarbeiter; in Kroatien und Bosnien leistete er therapeutische Arbeit in Flüchtlingslagern. Er entwickelte eine eigenständige Therapie- und Beratungsform, handlungsorientiert und praxisnah, und leitete bis 2004 das von ihm gegründete «Kempler Institute of Scandinavia». Am 25. Juli 2019 starb Juul im Alter von 71 Jahren in Odder nahe Aarhus.

Inhaltsübersicht

EinleitungWer bestimmt?MachtMacht und VerantwortungWas sind Grenzen?Die generellen GrenzenDie persönlichen GrenzenWo liegen meine Grenzen?Zwei Eltern – zwei Arten von GrenzenWo liegen die Grenzen des Kindes?Dürfen Eltern schelten?Konflikte: Vermeidung oder Konfrontation?Warum kommt es zu Konflikten?Woran glauben wir?Prinzessinnen und PrinzenDer gesunde KonfliktUnglücklich oder nur frustriert?Konfrontation bedeutet NäheGespräch und Verhandlung«Nein» – eine liebevolle AntwortLust und BedürfnisseRegeln und StrukturKonsequenzen und StrafeSchuld und Verantwortung

Einleitung

Dieses Buch handelt von dem, was man mit einem altmodischen Ausdruck «den Kindern Grenzen setzen» nennt. Es beschreibt Möglichkeiten, sich gegen andere Menschen, auch gegen kleine und große Kinder, so abzugrenzen, dass zwischen beiden Seiten ein möglichst guter Kontakt besteht und ohne dass eine von beiden Schaden leidet.

Unsere Liebe zu unseren Kindern und zu nahestehenden Erwachsenen wird von uns selbst anders erlebt als von ihnen und von ihnen anders als von uns. Ihr Erleben ist abhängig davon, wie wir unsere liebevollen Gefühle in liebevolle Handlungen umsetzen.

Kinder und Erwachsene erleben auf ihre eigene individuelle Art, dass sie geliebt werden, gemeinsam aber ist uns allen, dass wir uns immer dann nicht geliebt fühlen, wenn unsere persönlichen Grenzen verletzt oder nicht respektiert werden. Bei schweren und häufigen Verletzungen nimmt unser Selbstwertgefühl ab und damit auch unsere Fähigkeit, konstruktiv zu handeln. Wir sind dann weder zur Sorge für uns selbst noch zum Kontakt mit dem anderen fähig, der uns verletzt. Das gilt für Kinder und Erwachsene gleichermaßen.

Es braucht Zeit, die eigenen Grenzen kennenzulernen. Manche Grenzen spüren wir instinktiv, bei anderen kann es Jahre dauern, bis wir sie erkennen und so zu markieren lernen, dass auch andere sie bemerken.

Es gehört zu den Paradoxa des Lebens, dass wir unsere eigenen Grenzen nur dadurch erkennen können, dass andere sie übertreten. Und ebenso können wir die Grenzen der anderen nur kennenlernen, indem wir, ohne es zu wollen, mit ihnen zusammenstoßen oder sie sogar verletzen.

Im allgemeinen sozialen Leben mit anderen Menschen, zu denen wir kein Liebesverhältnis haben, erlernen wir einige formale Spielregeln, um nicht mehr als unbedingt notwendig auf fremden Äckern herumzutrampeln. Die Spielregeln sind von Kultur zu Kultur und in verschiedenen sozialen Gruppen unterschiedlich, aber es geht immer darum, eine gewisse Distanz einzuhalten, damit wir nicht Gefahr laufen, jemanden zu verletzen.

Beim Zusammenleben in der Familie geht es um das Gegenteil: um Nähe.

Das Bedürfnis kleiner Kinder nach Nähe erscheint manchmal unersättlich, obwohl auch sie Pausen und Distanz brauchen. Sie kennen die Grenzen der Eltern noch nicht und lernen sie nur kennen, indem sie im Laufe der Zeit mit ihnen kollidieren.

Eines der wertvollen Geschenke, die Kinder ihren Eltern machen, ist die Möglichkeit, die eigenen Grenzen kennenzulernen und so zu verändern, dass sie für beide Seiten möglichst konstruktiv werden. Genau das geschieht auch in einem Liebesverhältnis zwischen Erwachsenen. Der einzige Unterschied zwischen einem Kind und einem erwachsenen Partner ist der, dass dem Kind weniger Erfahrungen zur Verfügung stehen. Aber in jedem Fall dauert es ungefähr zehn Jahre, sich seiner Grenzen klar bewusst zu werden.

Je besser wir unsere Grenzen kennen und je persönlicher wir sie zum Ausdruck bringen können, desto befriedigender wird unser Kontakt mit anderen Menschen sein – und umgekehrt.

Im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern ist die Liebe so groß und so leicht zu verletzen, dass in dem wechselseitigen Lernprozess, der das Familienleben immer ist, beide Seiten ständig in Gefahr sind, die Grenzen des anderen zu verletzen. Das Schuldgefühl ist am geringsten und das Selbstgefühl am stärksten, wenn die Erwachsenen vorangehen und den Ton bestimmen.

Unsere Haltung zu Kindern und Kindererziehung ist mehr oder weniger bewusst, mehr oder weniger durchdacht, und nicht selten ist sie in sich widersprüchlich. Manchen Menschen sind ihre Haltungen wichtiger als das Leben selbst, für andere sind sie ein innerer Gesprächspartner, der lediglich dazu dient, den Dialog mit anderen zu unterstützen.

Manche Menschen sagen: «Ich bin meine Haltungen!» Sie haben die Bekanntschaft mit sich selbst erst noch zu machen. Wir alle waren jemand, bevor wir unsere Haltungen annahmen, und wir sind jemand hinter ihnen. Diesen «jemand» brauchen wir, wenn wir selbst Eltern werden.

Dieses Buch ist als Einladung an den Leser gedacht, sich seiner selbst und seiner Einstellungen und Erfahrungen im Lichte derjenigen klar zu werden, die der Autor hat und gemacht hat. Es ist keine Aufforderung, nach Kategorien wie richtig und falsch oder schuldig und unschuldig zu urteilen, sondern eine Einladung, sich, wo möglich, seiner selbst sicherer zu werden und, wo es notwendig ist, seine Zweifel zu erkennen.

Wer bestimmt?

In der Familie bestimmen die Eltern, und in der Kinderkrippe, im Kindergarten und in der Schule bestimmen die Erwachsenen. Kinder besitzen eine Menge Lebensweisheit, aber sie wissen nicht genug vom Leben und von der Welt und haben nicht den nötigen Entwicklungsstand, um die Führung zu übernehmen. Für Kinder ist es ohne jeden Zweifel das Beste, dass die Erwachsenen bestimmen.

Dabei ist natürlich wichtig, was die Eltern bestimmen, und noch wichtiger ist es für Gesundheit und Wohlbefinden der Kinder, wie sie bestimmen: ob diktatorisch oder demokratisch, hart oder flexibel, nach Lust und Laune oder so, dass die Entscheidungen einen Zusammenhang haben.

Kinder fühlen sich ebenso wie Erwachsene dann am wohlsten, wenn die Entscheidungen möglichst viel inneren Zusammenhang haben. Das setzt vor allem voraus, dass die Eltern sich klarmachen, auf welche Werte sie das Familienleben gründen wollen. Unsere Werte sind uns zum Teil bewusst, zum Teil auch nicht. Wir formulieren sie selten, bringen sie aber ständig in Worten und Handlungen zum Ausdruck:

Kinder müssen lernen, ihren Eltern zu gehorchen, denn die Eltern wissen es am besten.

In einer demokratischen Gesellschaft müssen die Kinder selbst mitbestimmen.

Das Wichtigste ist, dass die Kinder lernen, an Gott zu glauben.

Das Wichtigste muss sein, dass Kinder lernen, andere zu respektieren.

Das Wichtigste ist, dass Kinder lernen, an sich selbst zu glauben.

Das Wichtigste ist, dass Kinder lernen, die Natur zu erhalten.

Das Wichtigste ist, dass Kinder in der Schule gut zurechtkommen.

Vor nur einer Generation waren die meisten Werte, an denen sich die Kindererziehung orientierte, moralischer oder religiöser Natur, und die Eltern waren sicher, was richtig und was falsch ist. Seitdem ist unser Wissen viel größer geworden, wir kennen den kindlichen Menschen besser und können präziser angeben, unter welchen Bedingungen er sich am besten entwickelt. Was unsere Eltern und Großeltern in der Kindererziehung für gut und richtig hielten, hat sich zum großen Teil als falsch erwiesen.

Moderne Eltern, die im Namen der Kinder Entscheidungen fällen sollen, stehen vor einer komplizierten Aufgabe. Dass sie bestimmen, ist eine Sache, eine andere ist, dass ihre Entscheidungen den Kindern auch möglichst gute Entwicklungsbedingungen verschaffen sollen. Das bedeutet, dass die Eltern von der Macht, die sie traditionsgemäß haben, einen großen Teil abgeben müssen, ohne zugleich die Führung aus den Händen zu geben. Diese Aufgabe ist unglaublich schwierig, und die wenigsten Eltern können sie ohne weiteres lösen. Man kann es nur zusammen mit den Kindern erlernen, während sie allmählich aufwachsen.

Dieser wechselseitige Lernprozess führt unweigerlich zu Konflikten und Frustrationen. Beide Seiten sind von Zeit zu Zeit ärgerlich, frustriert oder wütend, und das muss so sein. Konflikte zwischen Kindern und Eltern sind keine Anzeichen dafür, dass die Eltern ihrer Aufgabe nicht gewachsen sind, sondern dienen dazu, dass beide Seiten etwas lernen. Die Verantwortung für die Konflikte aber übernehmen in einer gesunden Familie die Eltern. Den Kindern die Schuld zu geben ist verantwortungslos und führt nur zu neuen, noch destruktiveren Konflikten.

Macht

Wenn es um das tägliche Zusammenleben mit Kindern geht, denken die meisten Eltern eher an Liebe, Fürsorge und Verantwortung als an Macht. Tatsache aber ist, dass Eltern Macht über das Leben und Wohlergehen der Kinder haben, während der ersten Lebensjahre der Kinder sogar unbegrenzte Macht. Aber auch später, wenn die Kinder älter werden, ist die Macht der Eltern immer noch sehr groß.

Eltern haben rechtliche, ökonomische, physische und psychische Macht – selbst dann, wenn sie sich machtlos fühlen. In skandinavischen Familien pflegt der Missbrauch der Macht dort am größten zu sein, wo sich die Eltern entweder machtlos fühlen oder sich aus verschiedenen Gründen nicht zu ihrer Macht bekennen wollen. In anderen Kulturen gilt Machtmissbrauch, zum Beispiel in Form physischer Gewalt, als Tugend und die unmittelbare Ausübung der Macht als einzig mögliches verantwortliches Verhalten.

In den skandinavischen Ländern wird körperliche Gewalt seit einer Generation nicht mehr als Bestandteil der Kindererziehung und Pädagogik akzeptiert. Zwar gibt es immer noch Eltern, die ihre Kinder schlagen, aber die meisten von ihnen sind sich mittlerweile darüber im Klaren, dass Gewalt schädlich ist, sowohl für das Opfer als auch für den, der sie ausübt.[1] Wir sind inzwischen zivilisiert genug, um von Gewalt als Mittel der Machtausübung Abstand zu nehmen. Gleichzeitig erkennen wir, dass es wahrscheinlich keinen wirklichen Unterschied zwischen physischer und sogenannter psychischer Gewalt gibt, worunter Lächerlichmachen, Kritik, Sarkasmus, Heruntermachen und üble Nachrede hinter dem Rücken des Kindes zu verstehen sind. Beide Formen von Gewalt sind für den Menschen zerstörerisch.

In der «guten alten Zeit», wie manche Leute sie immer noch nennen, konnte man die Kinder durch Gebrauch und Androhung von Gewalt sehr viel leichter zum Gehorsam und zur Unterwerfung unter die Macht der Erwachsenen bringen als heute. Die Erwachsenen setzten die Grenzen, und wenn sich die Kinder nicht nach ihnen richteten, setzte es Hiebe. «Wer nicht hören will, muss fühlen», sagten die Eltern dann und beruhigten sich selbst damit, dass es ja ihre heilige Aufgabe sei, den Kindern den «Unterschied zwischen richtig und falsch» beizubringen.

Gewalt als Mittel der Erziehung erzeugt keinen Respekt, sondern Angst. Sie bringt den Kindern nicht den Unterschied zwischen richtig und falsch bei, sondern lehrt sie, dass Gewaltanwendung richtig ist, wenn man die Macht hat. Sie lehrt die Kinder nicht, die Grenzen der Erwachsenen zu respektieren, sondern die Konsequenzen zu fürchten.[2]

Die prinzipielle Abschaffung von Gewalt im Verhältnis zwischen Erwachsenen und Kindern hat ein Vakuum hinterlassen, und alle Eltern experimentieren tagtäglich mit verschiedenen Methoden, um es zu füllen. Manche üben sich in demokratischen Prinzipien – und sind die endlosen Diskussionen manchmal leid. Andere machen Lust und Unlust der Kinder zur Richtschnur des Familienlebens – und wissen schließlich nicht mehr ein noch aus. Manche überlassen den Kindern die Verantwortung, wenn es nicht so sehr drauf ankommt – und stecken am Ende in kraftraubenden Machtkämpfen fest. Anderen ist es so sehr darum zu tun, den Kindern Raum und Aufmerksamkeit zu verschaffen, dass für sie selbst und ihre eigenen Bedürfnisse schließlich kein Platz mehr ist.

Alle diese Experimente sind notwendig, um die Erwachsenenmacht konstruktiver anwenden zu lernen, als es früheren Generationen möglich war. Und das Experimentieren mit verschiedenen Prinzipien schadet weder Kindern noch Erwachsenen; es schadet noch nicht einmal dann, wenn das Experiment misslingt. Erst wenn sie im Unbefriedigenden stecken bleiben und die Richtung nicht mehr ändern können, beginnen Kinder und Erwachsene sich unwohl zu fühlen.