Grundwissen Inflation - Thieß Petersen - E-Book

Grundwissen Inflation E-Book

Thieß Petersen

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  • Herausgeber: UTB
  • Kategorie: Fachliteratur
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Das ökonomische Phänomen verstehen! Vom Benzin an der Tankstelle bis hin zur Butter im Supermarkt – Preise steigen. Doch was steckt hinter diesem Phänomen? Thieß Petersen beleuchtet die Inflation: Er zeigt auf, in welchem Ausmaß und unter welchen Bedingungen sie für eine Ökonomie sinnvoll ist und ab wann sie problematisch wird. Auf die Ursachen und die genaue Messung geht er ein. Auch die Folgen beleuchtet er, etwa auf die Wachstums- und Beschäftigungseffekte. Wirtschaftspolitische Handlungsoptionen stellt er vor. Das Buch ist aufschlussreich für Studierende der Wirtschafts-, Sozial- und Politikwissenschaft. Auch für wirtschaftspolitisch Interessierte bietet es viele Aha-Erlebnisse. Zahlreiche Abbildungen und ein Glossar erleichtern das Verständnis

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Seitenzahl: 374

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Thieß Petersen

Grundwissen Inflation

Ökonomie, Gesellschaft, Klimawandel

Dr. Thieß Petersen arbeitet bei der Bertelsmann Stiftung in Gütersloh und lehrt an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder).

Umschlagabbildung: © Brothers91 · iStockphoto

Autorenfoto: © privat

 

DOI: https://doi.org/10.36198/9783838560120

 

© UVK Verlag 2023— ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetztes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich.

 

Internet: www.narr.deeMail: [email protected]

 

Einbandgestaltung: siegel konzeption | gestaltung

 

utb-Nr. 6012

ISBN 978-3-8252-6012-5 (Print)

ISBN 978-3-8364-6012-5 (ePub)

Inhalt

Was Sie vorher wissen solltenAbkürzungsverzeichnis1 Begriffliche Klärungen2 Messung der Inflation2.1 Theoretische Grundlagen der Inflationsmessung2.2 Inflationsmessung in der Praxis2.3 Empirie zur Inflation3 Ursachen einer Inflation3.1 Nachfragegetriebene Inflation3.2 Angebotsgetriebene Inflation3.3 Reale und monetäre Inflationsursachen3.4 Inflationserwartungen3.5 Staatliche Preiseingriffe3.6 Zweitrundeneffekte3.7 Die Bedeutung der Kapazitätsauslastung3.8 Fazit zu den Ursachen einer Inflation4 Folgen einer Inflation4.1 Verteilungswirkungen4.2 Kurzfristige Wachstums- und Beschäftigungswirkungen4.3 Mittel- und langfristige Wachstums- und Beschäftigungswirkungen4.4 Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen4.5 Fazit zu den ökonomischen Folgen der Inflation5 Globalisierung und Inflation5.1 Inflationsdämpfung durch statische Globalisierungseffekte5.2 Inflationsdämpfung durch dynamische Globalisierungseffekte5.3 Optimale ökonomische Globalisierung5.4 Inflationserhöhende Effekte der Globalisierung5.5 Fazit und Ausblick6 Demografischer Wandel und Inflation6.1 Begriffliche Klärung6.2 Inflationsentwicklung in einer alternden Gesellschaft6.3 Inflationsentwicklungen in einer alten Gesellschaft6.4 Fazit und Ausblick7 Digitalisierung und Inflation7.1 Inflationsdämpfende Effekte der Digitalisierung7.2 Inflationserhöhende Effekte der Digitalisierung7.3 Digitalisierung als Herausforderung für die offiziellen Statistiken7.4 Fazit und Ausblick8 Klimawandel und Inflation8.1 Inflationsdämpfung durch negative externe Effekte8.2 Inflationserhöhende Effekte des Klimawandels8.3 Inflationserhöhende Effekte der ökologischen Transformation8.4 Inflationsdämpfende Effekte der ökologischen Transformation8.5 Fazit und Ausblick9 Geldpolitik und Inflationsbekämpfung9.1 Nachfragedämpfung durch restriktive Geldpolitik9.2 Grenzen der Inflationsbekämpfung durch die Geldpolitik9.3 Stabilisierung der Inflationserwartungen9.4 Die Bedeutung des Realzinssatzes9.5 Fiskalische Dominanz9.6 Geldpolitik bei einer gemeinsamen Währung9.7 Inflationsbekämpfung durch Devisenmarktinterventionen9.8 Fazit zur restriktiven Geldpolitik10 Weitere wirtschaftspolitische Handlungsoptionen10.1 Ineffektivität von Preiseingriffen10.2 Maßnahmen zur Ausweitung des Güterangebots10.3 Maßnahmen zur Reduzierung der Güternachfrage10.4 Intensivierung des Wettbewerbs10.5 Sozialpolitische Flankierung der Inflation10.6 Fazit zu den wirtschaftspolitischen Handlungsoptionen11 Fazit und AusblickAnhang 1: Preisbildung auf einem MonopolmarktAnhang 2: Lohn- und Zinssatz bei einer neoklassischen ProduktionsfunktionAnhang 3: Der RealzinsGlossarLiteraturverzeichnisRegister

Was Sie vorher wissen sollten

Preise sind ein zentrales Element einer funktionierenden Marktwirtschaft. Sie führen zu einem Ausgleich von angebotener und nachgefragter Menge eines Gutes und sorgen so für ein Marktgleichgewicht. Sie informieren Unternehmen über Knappheiten und steuern dadurch die Produktionsentscheidungen. Zudem leiten sie die Produktionsfaktoren in die Bereiche und Unternehmen, in denen diese Faktoren den größten gesellschaftlichen Nutzen stiften.

Damit sie diese Ziele erreichen können, sollten Preise nicht zu stark schwanken, zumindest nicht kurzfristig. Das gilt in noch stärkerem Maße für das gesamtwirtschaftliche Preisniveau. Ein geringer Anstieg des Preisniveaus hat zwar eine wachstumssteigernde Wirkung, gleichzeitig aber bedeutet ein höheres gesamtwirtschaftliches Preisniveau auch einen Kaufkraftverlust. Zudem drohen bei zu hohen Preisniveausteigerungen eine Kapitalflucht, ausbleibende Ersparnisse und damit fehlende Finanzierungsmöglichkeiten für Investitionen. Bei extrem hohen Inflationsraten kann es zu Wirtschaftseinbrüchen mit Massenarbeitslosigkeit und sozialen Spannungen bis hin zu politischen Unruhen kommen.

Ein zentrales wirtschaftspolitisches Ziel einer Marktwirtschaft ist daher die Preisniveaustabilität. Inflation, also ein Anstieg des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus, verstößt gegen dieses Ziel.

Ziel dieses einführenden Textes ist es, die grundlegenden Ursachen und Konsequenzen einer Inflation zu erklären. Im ersten Kapitel werden zentrale Begriffe und Konzepte erläutert, die im Kontext der ökonomischen Analyse inflationärer Entwicklungen relevant sind. Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit der Frage, wie die Inflation einer Volkswirtschaft gemessen wird und welche Indikatoren sich dafür anbieten. Das dritte Kapitel widmet sich den Ursachen eines Anstiegs des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus. Dabei ist vor allem zwischen einer nachfragegetriebenen und einer angebotsgetriebenen Inflation zu unterscheiden. Die wichtigsten ökonomischen Folgen einer Inflation behandelt das vierte Kapitel. Dort geht es um die VerteilungswirkungenVerteilungswirkungen steigender Preise – sowohl mit Blick auf die Einkommensverteilung als auch auf die Vermögensverteilung – sowie um die kurz-, mittel- und langfristigen Wachstums- und Beschäftigungseffekte.

In den anschließenden vier Kapiteln wird diskutiert, welchen Einfluss globale Entwicklungstrends wie die Globalisierung, der demografische Wandel, die Digitalisierung und der Klimawandel bzw. die zwingend erforderliche ökologische Transformation auf die Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus haben.

Das fünfte Kapitel beschreibt inflationsdämpfende Effekte der Globalisierung wie die Ausnutzung von Kostenvorteilen, Massenproduktionsvorteile und die Forcierung des technologischen Fortschritts infolge eines höheren Wettbewerbsdrucks. Gleichzeitig aber können grenzüberschreitende wirtschaftliche Beziehungen zu einer importierten Inflation, einer abwertungsbedingten Inflation und einer exportgetriebenen Inflation führen.

Im sechsten Kapitel werden die Auswirkungen des demografischen Wandels auf das gesamtwirtschaftliche Preisniveau diskutiert. Sowohl bei einer jungen, schnell wachsenden Bevölkerung mit vielen Kindern und Jugendlichen als auch in einer alten Gesellschaft mit einem hohen Anteil von Menschen im Rentenalter überwiegen preisniveauerhöhende Effekte. In einer Volkswirtschaft mit einem hohen Anteil von Menschen im erwerbsfähigen Alter an der Gesamtbevölkerung sind hingegen die inflationsdämpfenden Effekte stärker.

Das siebte Kapitel zeigt, dass auch die Digitalisierung inflationsdämpfende und inflationserhöhende Wirkungen hat. Zu den ersten gehören unter anderem Produktivitätssteigerungen durch digitale Technologien, Angebotsausweitungen durch die Angebote von privaten Anbietern, die Sharing Economy und der Abbau von Marktmacht durch eine höhere Markttransparenz. Inflationserhöhend wirken hingegen digitale Monopole, Kartellbildungen durch algorithmische Preisbildung und Preisdifferenzierung bzw. personalisierte Preise.

Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Inflation werden im achten Kapitel beschrieben. Die Zerstörung von Produktionsanlagen und Transportinfrastrukturanlagen sowie die durch den Klimawandel und den Wassermangel reduzierten Ernteerträge wirken inflationserhöhend. Gleiches gilt für die Einpreisung der negativen externen Effekte des Verbrauchs fossiler Energien durch CO2-Preise und die Bindung produktiver Ressourcen, die für die erforderlichen Investitionen zur ökologischen Transformation notwendig sind. Langfristig hat der ressourcensparende technologische Fortschritt eine preisniveausenkende Wirkung.

Im neunten und zehnten Kapitel werden verschiedene wirtschaftspolitische Maßnahmen zum Umgang mit zu hohen Inflationsraten skizziert. Zunächst beschreibt das neunte Kapitel die Möglichkeiten und Grenzen geldpolitischer Instrumente, mit denen die Zentralbank eines Landes die Inflation bekämpfen kann. Im zehnten Kapitel werden zusätzliche wirtschaftspolitische Handlungsoptionen behandelt. Diskutiert werden Maßnahmen zur Ausweitung des gesamtwirtschaftlichen Güterangebots (z. B. die Förderung des technologischen Fortschritts, Produktivitätssteigerungen, eine Steigerung der Arbeitsmarktpartizipation und der Abbau von Importzöllen) und Maßnahmen zur Reduzierung der Güternachfrage (z. B. eine restriktive Fiskalpolitik, der Ausbau der Sharing Economy und eine Forcierung des Präferenz- bzw. Wertewandels hin zu einem geänderten Konsumverhalten). Erforderlich ist zudem eine Flankierung steigender Konsumgüterpreise durch sozialpolitische Maßnahmen.

Den Abschluss bilden ein Fazit mit einem Ausblick auf die Inflationsaussichten für die kommenden Jahre im elften Kapitel sowie ein Glossar.

Abkürzungsverzeichnis

BIP

Bruttoinlandsprodukt

C

private Konsumausgaben

EX

Exporte

EZB

Europäische Zentralbank

G

staatliche Ausgaben (G für government)

GE

Grenzerlös

GK

Grenzkosten

GN

Grenznutzen

I

gesamtwirtschaftliche Investitionen

i

Zinssatz (i für interest rate)

IM

Importe

IMF

Internationaler Währungsfonds (International Monetary Fund)

L

Arbeitsmenge (L für labour)

Ld

Arbeitsnachfrage (d für demand)

Ls

Arbeitsangebot (s für supply)

M

gesamtwirtschaftliche Geldmenge (M für money)

p

Preis eines einzelnen Produkts

pH

Höchstpreis

pW

Weltmarktpreis eines einzelnen Produkts

P

gesamtwirtschaftliches Preisniveau

π

Inflationsrate

r

realer Zinssatz

S

gesamtwirtschaftliche Ersparnisse

U

Umlaufgeschwindigkeit des Geldes

W

Nominallohn (W für wage)

W/P

Reallohn

X

Menge eines einzelnen Produkts

Y

reales Inlandsprodukt

Yd

gesamtwirtschaftliche Güternachfrage (d für demand)

Ys

gesamtwirtschaftliches Güterangebot (s für supply)

1Begriffliche Klärungen

Die Volkswirtschaftslehre beschäftigt sich mit der grundlegenden Frage, wie Gesellschaften damit umgehen, dass Menschen über unbegrenzte Bedürfnisse verfügen, für deren Befriedigung es jedoch nur eine begrenzte Menge von Gütern, d. h. Waren und Dienstleistungen, gibt. Die Tatsache, dass die Mittel zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse – also GüterGüter – knapp sind, macht es erforderlich, mit der Knappheit so umzugehen, dass das Spannungsverhältnis zwischen unbegrenzten Bedürfnissen und begrenzten Mitteln so weit wie möglich reduziert wird.

Die Erreichung dieses Ziels stellt eine Gesellschaft vor zahlreiche Fragen: Welche Produkte sollen hergestellt werden? Wer stellt diese Produkte mit welchen Produktionsverfahren her? Und für wen werden die Produkte hergestellt, d. h. wie werden die knappen Güter unter den Mitgliedern der Gesellschaft verteilt? Die Beantwortung dieser Fragen kann entweder zentral über Pläne und Zuweisungen erfolgen oder dezentral über Märkte und Preise. Sowohl theoretische Überlegungen als auch praktische Erfahrungen sprechen dafür, dass Märkte und PreisePreise diese Fragen besser beantworten können als zentrale Pläne.

Preise sind in der Regel als GeldpreiseGeldpreise ausgedrückt, d. h. der Preis eines Gutes wird in Geldeinheiten – z. B. Euro – angegeben. Preise haben eine Reihe von Funktionen. Die wichtigsten PreisfunktionenPreisfunktionen sind die Allokationsfunktion, die Anreiz- bzw. Sanktionsfunktion, die Innovationsfunktion, die Informationsfunktion, die Koordinierungsfunktion und die Markträumungsfunktion (vgl. zu den nachfolgenden Ausführungen Petersen 2016).

Die AllokationsfunktionAllokationsfunktion des Preises beschreibt den Umstand, dass der Preis die endgültige Verteilung der Güter und der Produktionsfaktoren regelt. Die in einer Volkswirtschaft vorhandenen Produktionsfaktoren und die mit ihnen produzierten Güter werden so verteilt, dass sie den Konsumenten den größtmöglichen Nutzen stiften. So sind beispielsweise Anbieter von Gütern, die von den Konsumenten hochgeschätzt werden und für die die Konsumenten einen hohen Preis zahlen, in der Lage, höhere Faktorpreise – also z. B. höhere Löhne – zu zahlen. Dadurch werden die Produktionsfaktoren in die Branchen gelenkt, die diese Güter herstellen. So werden schließlich die Güter, die von den Konsumenten hochgeschätzt werden, in größerem Umfang hergestellt.

Der Preis stellt für die Anbieter oder Eigentümer von Gütern einen Anreiz dar, Mengeneinheiten dieses Gutes auf dem Markt anzubieten. Bei Preisänderungen passen die Hersteller von Waren und Dienstleistungen ihr Angebot an den neuen Preis an. Wenn beispielsweise der Preis eines Gutes infolge einer größeren Nachfrage steigt, erhöht dies den Anreiz der Anbieter, mehr Einheiten dieses Gutes zu produzieren und auf dem Markt anzubieten. Zudem erhöht der steigende Preis bei den Eigentümern dieses Gutes den Anreiz, sich von ihren Gütern zu trennen und diese zu verkaufen. Im Ergebnis führt die AnreizfunktionAnreizfunktion des Preises also dazu, dass im Fall einer größeren Nachfrage diese auch durch ein steigendes Angebot befriedigt werden kann. Negativ formuliert nimmt der Preis eine SanktionsfunktionSanktionsfunktion wahr: Produkte, die von den Konsumenten nicht mehr gewollt werden, erleiden einen Preisrückgang. Damit sinken die Gewinne, sodass die Kapitaleigentümer Einkommenseinbußen erleiden. Falls der Preis so weit sinkt, dass er die Produktionskosten nicht mehr deckt, kommt es zu Verlusten. Langfristig müssen diese Anbieter den Markt verlassen, weil sie nicht mehr kostendeckend produzieren können. Der Preis sorgt also dafür, dass Unternehmen, die nicht das anbieten, was die Konsumenten wollen, vom Markt verschwinden.

Eng verbunden mit der Anreiz- bzw. der Sanktionsfunktion ist die InnovationsfunktionInnovationsfunktion. Wenn in einem wettbewerblich organisierten Markt ein einzelnes Unternehmen befürchten muss, dass es von Konkurrenten vom Markt verdrängt werden kann, weil die Konkurrenten günstigere Güter anbieten, hat das einzelne Unternehmen einen Anreiz, durch technologischen FortschrittFortschritt, technologischer die eigenen Produktionskosten zu reduzieren. Sinkende Preise bei den Gütern der Konkurrenz zwingen somit andere Unternehmen, Innovationsanstrengungen durchzuführen, um entweder die Qualität ihres Produkts zu verbessern oder die Kosten – und damit auch den Preis – des eigenen Produkts zu senken. Für die Konsumenten bedeutet dies, dass sie im Fall eines technologischen Fortschritts eine größere Menge von Gütern konsumieren können und dabei gleichzeitig nur noch einen geringeren Preis zahlen müssen. Dies erhöht den materiellen Wohlstand der Bürger.

Die InformationsfunktionInformationsfunktion des Preises beschreibt den Umstand, dass der Preis alle Marktteilnehmer mit den Informationen versorgt, die diese für ihre Entscheidungen benötigen. Hierzu gehört vor allem der Umstand, dass der Preis ein Knappheitsindikator ist. Ein steigender Preis ist ein Indikator dafür, dass es einen Nachfrageüberhang gibt. Dies bedeutet, dass nicht alle Konsumenten, die das Gut zu dem am Markt herrschenden Preis kaufen wollen, dieses Gut in der gewünschten Menge erwerben können. Das Angebot reicht nicht aus, um die Nachfragewünsche zu befriedigen. Der steigende Preis gibt den Anbietern die Information, dass eine Ausweitung des Angebots ökonomisch lohnend ist. Ein sinkender Preis ist hingegen ein Signal dafür, dass das Angebot zu groß ist und eine Reduzierung des Angebots ökonomisch sinnvoll ist. Hohe bzw. steigende Preise signalisieren somit Knappheit, geringe bzw. sinkende Preise sind hingegen ein Signal für einen Überfluss.

Die KoordinierungsfunktionKoordinierungsfunktion des Preises beschreibt den Umstand, dass der Preis das Angebot und die Nachfrage so koordiniert, dass die Produktionspläne der Unternehmen den Konsumplänen der Verbraucher entsprechen. Wenn die Anbieter z. B. ein Produkt herstellen, das nicht den Wünschen der Konsumenten entspricht, resultiert daraus ein Angebotsüberschuss. Der damit einhergehende Preisrückgang signalisiert den Anbietern, dass sie die Produktion dieses Gutes einschränken müssen. Damit werden die Produktions- und die Konsumpläne aufeinander abgestimmt.

Die MarkträumungsfunktionMarkträumungsfunktion des Preises beschreibt schließlich den Umstand, dass der Preis das Angebot und die Nachfrage so koordiniert, dass der Markt geräumt wird. Es kommt zum Ausgleich der angebotenen und der nachgefragten Menge, d. h. es wird ein Marktgleichgewicht erreicht. Solange das Marktgleichgewicht noch nicht erreicht ist, finden Preisvariationen statt. Im Falle eines Angebotsüberschusses kommt es – wie weiter oben beschrieben – zu einem Preisrückgang, der zu einem Rückgang der angebotenen Gütermenge und zu einem Anstieg der nachgefragten GütermengeGütermenge führt. Die Preisänderungen finden so lange statt, bis der Angebotsüberschuss abgebaut ist und die angebotene Gütermenge mit der nachgefragten übereinstimmt. Dieses Prinzip gilt sowohl für Gütermärkte als auch für Faktormärkte, also z. B. den Arbeitsmarkt, und für Vermögensmärkte wie den Aktienmarkt.

Werden nicht nur die Preise für einzelne Produkte betrachtet, sondern alle Preise für Waren und Dienstleistungen in einer Volkswirtschaft, handelt es sich um das gesamtwirtschaftliche Preisniveau. Das PreisniveauPreisniveau gibt den gewichteten Durchschnitt aller Waren- und Dienstleistungspreise einer Volkswirtschaft an.

Von einer InflationInflation wird gesprochen, wenn die Preise für Konsumgüter auf breiter Front steigen und das gesamtwirtschaftliche Preisniveau zunimmt. Es geht dabei nicht nur um Preisanstiege für einzelne Produkte, sondern um einen generellen Anstieg der Preise für alle Waren, also materielle Produkte, und Dienstleistungen, d. h. immaterielle Produkte. Waren und Dienstleistungen werden im Folgenden als GüterGüter bezeichnet. Die Rate, mit der sich das gesamtwirtschaftliche Preisniveau innerhalb eines bestimmten Zeitraums verändert, ist die InflationsrateInflationsrate. Wird das Preisniveau zweier aufeinander folgender Jahre verglichen (z. B. 2022 mit 2021), handelt es sich um die jährlicheInflationsrateInflationsratejährliche. Daneben gibt es auch monatlicheInflationsratemonatliche Inflationsraten. Sie können sich auf den vorherigen Monat beziehen (also z. B. März 2022 im Vergleich zum Februar 2022) oder auf den Vorjahresmonat (also März 2022 im Vergleich zum März 2021).

Zu einem Anstieg des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus kommt es, wenn es einen gesamtwirtschaftlichen NachfrageüberhangNachfrageüberhang gibt. Dieser stellt sich ein, wenn die gesamtwirtschaftliche Güternachfrage größer ist als das Güterangebot.

Das Gegenteil einer Inflation ist eine DeflationDeflation. Sie liegt vor, wenn das Preisniveau im Zeitablauf sinkt bzw. wenn die Inflationsrate negativ wird. Die Rate, mit der das gesamtwirtschaftliche Preisniveau im Zeitablauf sinkt, heißt DeflationsrateDeflationsrate. Wenn die Inflationsraten im Zeitablauf geringer werden, aber immer noch positiv sind, liegt eine DisinflationDisinflation vor.

Der Anstieg des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus kann unterschiedliche Geschwindigkeiten haben. Je nachdem, wie rasch der Preisniveauanstieg erfolgt, wird zwischen einer schleichendenInflationschleichende, einer trabendenInflationtrabende und einer galoppierendenInflationgaloppierende Inflation unterschieden. Konkrete Grenzwerte, ab denen aus einer schleichenden eine trabende und aus einer trabenden eine galoppierende Inflation wird, gibt es jedoch nicht (vgl. Issing 1990, S. 171). Das Ergebnis einer galoppierenden Inflation ist häufig eine HyperinflationHyperinflation. In der Literatur wird von einer Hyperinflation gesprochen, wenn die monatliche Inflationsrate 50 Prozent und mehr beträgt (vgl. Illing 2016, S. 3).

Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal von verschiedenen Inflationsarten ist neben dem Tempo der Inflation auch deren Dauerhaftigkeit. Hier kann vereinfachend zwischen einer vorübergehenden und einer chronischen Inflation gesprochen werden.

Wenn ein gesamtwirtschaftlicher Preisniveauanstieg auf ein temporäres Ereignis zurückgeführt werden kann, welches nach mehr oder weniger kurzer Zeit wieder verschwindet, können die Preise auf ihr ursprüngliches Niveau sinken. Beispiel für die daraus resultierende vorübergehendeInflationvorübergehende oder temporäre Inflation ist eine Missernte, die die Preise für alle landwirtschaftlichen Produkte steigen lässt. Wenn es im Folgejahr wieder ein ausreichend hohes Angebot an Agrarprodukten gibt, wird der gesamtwirtschaftliche Nachfrageüberhang abgebaut und die Preise sinken auf ihr Ausgangsniveau zurück. Ein wochenlanger Ausfall von Lieferungen essenzieller Rohstoffe, Vorleistungen und Endprodukte aus dem Ausland wegen der Blockade eines wichtigen Handelsweges – so wie z. B. dem Suezkanal im Frühjahr 2021 – ist ebenfalls eine nur vorübergehende Inflationsursache.

Denkbar sind auch Situationen, in denen es zu einer einmaligenPreisniveauerhöhungPreisniveauerhöhungeinmalige kommt, die nicht wieder zurückgeht. Das gesamtwirtschaftliche Preisniveau wird dadurch auf ein höheres Niveau gehoben, auf dem es anschließend verbleibt. Ein Beispiel dafür ist die einmalige Einführung von Energiesteuern oder einem Preis für den Ausstoß von Treibhausgasen zum Beginn eines Jahres. Da Energie für nahezu alle Produktionsprozesse benötigt wird, kommt es zu höheren Produktionskosten, die dann auch die Güterpreise steigen lassen und somit das gesamtwirtschaftliche Preisniveau. Wenn also beispielsweise am 1. Januar 2021 ein entsprechender Anstieg der Energiepreise erfolgt, bedeutet das für alle zwölf Monate des Jahres 2021 höhere Inflationsraten (verglichen mit den jeweiligen Monaten des Jahres 2020). Wenn es zum 1. Januar 2022 keine weiteren Energiepreissteigerungen gibt, verharren die durchschnittlichen Preise der Volkswirtschaft auf dem erreichten Niveau. Anders als im Beispiel einer Missernte sinkt das gesamtwirtschaftliche Preisniveau nicht wieder auf das Ausgangsniveau. Es steigt aber auch nicht mehr weiter an. Es kommt also zu einem einmaligen NiveaueffektNiveaueffekt, einmaliger, der das Preisniveau auf ein höheres Niveau hebt.

Bei einer chronischenInflationInflationchronische ist die Inflationsursache dauerhaft. Dies wäre z. B. der Fall, wenn die Regierung eines Landes die Energiepreise jedes Jahr durch höhere Energiesteuern steigen lässt. Ein anderes Beispiel wäre eine von Jahr zu Jahr sinkende Zahl von Arbeitskräften, was zu permanenten Lohnsteigerungen führt, die über höhere Produktionskosten die Güterpreise steigen lassen.

Bei der Inflation ist zwischen der durch offizielle Statistiken gemessenen Inflation und der gefühlten InflationInflationgefühlte zu unterscheiden. Während die offizielle Inflationsrate das Ergebnis objektiver Berechnungen ist, die im zweiten Kapitel detaillierter dargestellt werden, betrifft die gefühlte Inflation die Preisniveauänderungen, die die Menschen einer Volkswirtschaft aufgrund ihrer täglichen Kaufentscheidungen wahrnehmen. Sie kann von der offiziell gemessenen Inflation abweichen, wenn die Menschen nur auf die Preisänderungen achten, die sie bei ihren Einkäufen erleben (vgl. Weichenrieder und Gürer 2020, S. 837). Wenn die Verbraucher beispielsweise beim Kauf einiger Lebensmittel Preissteigerungen feststellen, sehen sie darin eine inflationäre Tendenz. Dabei ist es durchaus möglich, dass sie viele weitere Konsumausgaben tätigen, bei denen es keine Preiserhöhungen gibt. Diese werden jedoch nicht wahrgenommen, weil die Bezahlung durch Daueraufträge oder Abbuchungen erfolgt. Beispiele sind die Rechnungen für Strom, Telefon und Zeitungen, Rundfunkgebühren sowie Mieten. In diesem Fall überschätzt die gefühlte Inflation die tatsächlichen Preisniveausteigerungen.

Ein weiterer inflationsrelevanter Begriff ist die StagflationStagflation. Dieser Terminus setzt sich zusammen aus den Begriffen Stagnation und Inflation. StagnationStagnation ist ein Begriff aus der Konjunkturtheorie. Er beschreibt eine Situation, in der die Wirtschaft kaum oder gar nicht mehr wächst – die wirtschaftliche Leistungskraft des Landes stagniert, die Wachstumsrate des realen Bruttoinlandsprodukts (→ Box 1) geht zurück und tendiert gegen null. Gleichzeitig kommt es zu einem Anstieg des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus. Die Stagnation trifft also auf eine Inflation, das Ergebnis ist eine Stagflation.

Box 1 | Bruttoinlandsprodukt

Das BruttoinlandsproduktBruttoinlandsprodukt ist der traditionelle Indikator zur Messung der wirtschaftlichen Leistungskraft eines Landes (vgl. Petersen 2018). Es entspricht dem Wert aller Waren und Dienstleistungen, die innerhalb eines Jahres in einem Land hergestellt werden abzüglich der Vorleistungen. Die Vorleistungen werden abgezogen, um Doppelzählungen zu vermeiden. Die Messung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Landes mit Hilfe des Bruttoinlandsprodukts hat eine Reihe von Mängeln. Es erfasst nur wirtschaftliche Aktivitäten, die über Märkte gegen Bezahlung des Preises getauscht werden, nicht aber wirtschaftliche Aktivitäten, die innerhalb eines Haushalts erfolgen oder die ohne eine monetäre Gegenleistung erbracht werden. Ein anderes Defizit betrifft den Umstand, dass bestimmte Aktivitäten den Wert des Bruttoinlandsprodukts auch dann erhöhen, wenn die Versorgung der Bevölkerung mit Gütern unverändert bleibt. Wenn beispielsweise ein Haus brennt und zahlreiche Schäden anschließend beseitig werden, fließen die für die Reparaturarbeiten zu zahlenden Geldbeträge in das Bruttoinlandsprodukt ein, weil sie eine wirtschaftliche Leistung darstellen. Für die Bewohner wird damit jedoch nur der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt, d. h. die Menge des nutzbaren Wohnraums hat sich im Vergleich zur Situation ohne den Brand nicht vergrößert. Dies verdeutlicht, dass das Bruttoinlandsprodukt kein Wohlfahrtsmaß ist, sondern lediglich die wirtschaftliche Leistungskraft einer Volkswirtschaft misst. Eine weitere Schwäche besteht darin, dass weder positive noch negative externe Effekte bei der Berechnung des Bruttoinlandsprodukts berücksichtigt werden. Dennoch ist das Bruttoinlandsprodukt nach wie vor die am meisten angewendete Messgröße in der wirtschaftswissenschaftlichen und wirtschaftspolitischen Diskussion, wenn es um die Quantifizierung der Wirtschaftskraft eines Landes geht.

Eng mit Preisen verbunden ist in einer Marktwirtschaft das Geld. GeldGeld wird in einer Volkswirtschaft vor allem für den Kauf von Gütern sowie Vermögensgegenständen (Aktien, Wertpapieren etc.) und Produktionsfaktoren verwendet. Geld erfüllt in einer Gesellschaft drei grundlegende Funktionen. Erstens ist Geld ein allgemein akzeptiertes Tauschmittel,Tauschmittel das den Austausch von Gütern und Vermögensgegenständen erheblich erleichtert. Zweitens ist Geld eine RecheneinheitRecheneinheit, die eine einheitliche Bewertung aller Güter und Vermögensgegenstände ermöglicht. Drittens hat Geld eine WertaufbewahrungsfunktionWertaufbewahrungsfunktion, die es erlaubt, zwischen dem Einkommenserwerb und der Verausgabung dieses Einkommens einen gewissen Zeitraum verstreichen zu lassen und so z. B. Vermögen aufzubauen. Jedes Objekt, das diese drei Funktionen erfüllt, ist im ökonomischen Sinne Geld.

Für eine funktionsfähige Marktwirtschaft ist die PreisniveaustabilitätPreisniveaustabilität ein wichtiges Ziel. In einer marktwirtschaftlich organisierten Volkswirtschaft verfolgen unabhängige Zentralbanken das Ziel der Preisniveaustabilität. Dies bedeutet vor allem, dass der Anstieg der Verbraucherpreise einen bestimmten Schwellenwert nicht dauerhaft überschreiten sollte. Die Europäische Zentralbank (EZB) sieht diesen Wert bei einer jährlichen InflationsrateInflationsrate von zwei Prozent. Lange Zeit war das Ziel der EZB eine Inflationsrate, die unter, aber nahe zwei Prozent liegen sollte. Im Sommer 2021 verabschiedete der EZB-Rat eine neue geldpolitische Strategie. Danach wird mittelfristig eine Inflationsrate in Höhe von zwei Prozent angestrebt. Dieser Wert wird als ein symmetrisches InflationszielInflationsziel angesehen. Das bedeutet, dass eine Überschreitung dieses Zielwertes als ebenso unerwünscht angesehen wird wie eine Unterschreitung der Zweiprozentmarke (vgl. EZB 2021). Auch in den USA, in Japan, im Vereinigten Königreich und in Schweden betragen die Inflationsziele zwei Prozent (vgl. KfW 2020, S. 2). Die ZentralbankenZentralbank zielen dabei auf das gesamtwirtschaftliche Preisniveau ab. Gemessen wird dieses in der Regel durch die Verbraucherpreise bzw. einen VerbraucherpreisindexVerbraucherpreisindex (vgl. dazu Kapitel zwei). Es geht also nicht darum, dass die Preise aller einzelnen Waren und Dienstleistungen konstant bleiben sollen bzw. jährlich um zwei Prozent steigen sollen.

Für das wirtschaftspolitische Ziel der Preisniveaustabilität gibt es verschiedene Gründe. Preise können die weiter oben genannten Funktionen nicht oder nur schlecht erfüllen, wenn das gesamtwirtschaftliche Preisniveau stark steigt. Wenn beispielsweise alle Preise im Durchschnitt um zehn Prozent steigen, ist es für die Marktteilnehmer schwer zu erkennen, ob die Knappheit einzelner Güter zugenommen hat oder ob der Preisanstieg nur das Ergebnis eines generellen inflationären Prozesses ist. Die WertaufbewahrungsfunktionWertaufbewahrungsfunktion des Geldes ist gefährdet, wenn hohe Inflationsraten die Kaufkraft des Geldes reduzieren. Private Haushalte bilden dann weniger Ersparnisse. Das hat zur Folge, dass den Unternehmen weniger Kredite zur Verfügung stehen, mit denen sie Investitionen finanzieren können. Wenn die Kaufkraft der Einkommen der privaten Haushalte inflationsbedingt sinkt, wird es für einkommensschwache Haushalte schwierig, die für sie notwendigen Konsumgüter zu erwerben. Kaufkraftverluste können daher zu sozialen SpannungenSpannungen, soziale führen. Schließlich drohen bei zu hohen Inflationsraten Arbeitsplatzverluste, Kapitalflucht und damit ein Wirtschaftseinbruch. Diese Fragen werden im vierten Kapitel erörtert.

Wichtig ist in diesem Kontext der Hinweis, dass eine Preisniveaustabilität nicht bedeutet, dass alle Preise in einer Volkswirtschaft konstant bleiben sollen. Damit Preise in einer Marktwirtschaft ihre Funktionen erfüllen können, müssen die Preise der einzelnen Güter nach oben und unten flexibel sein. Bei den Gütern, die von den Verbrauchern nicht mehr gewünscht werden, müssen die Preise sinken. Nur dann schränken die Unternehmen ihre Produktion ein und reagieren auf die Konsumentenwünsche. Bei Gütern, die von den Konsumenten verstärkt gewünscht werden, soll es zu kräftigen Preissteigerungen kommen, damit die Unternehmen ihr Angebot ausweiten. Einzelne Preise dürfen bzw. müssen sogar in einer funktionierenden Marktwirtschaft schwanken. Nur in der Summe sollen sie – und damit das gesamtwirtschaftliche Preisniveau – nicht zu stark steigen oder sinken.

2Messung der Inflation

Die Inflationsmessung erfolgt mit Hilfe des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus, das wiederum mit Hilfe eines Warenkorbs berechnet wird. Nach einigen theoretischen Überlegungen werden die Grundzüge der Inflationsberechnung in der Praxis skizziert.

2.1Theoretische Grundlagen der InflationsmessungInflationsmessung

Ausgangspunkt der Inflationsmessung ist die Berechnung des gesamtwirtschaftlichen PreisniveausPreisniveau. Dafür werden Informationen über die Preise sämtlicher Waren und Dienstleistungen, die in einer Volkswirtschaft nachgefragt werden, benötigt sowie Informationen über die nachgefragten Mengen. Mit Hilfe eines einfachen Zahlenbeispiels lässt sich das grundlegende Konzept der Preisniveaumessung verdeutlichen (→ Tabelle 2.1).

 

Preis in Euro

Menge

Wert in Euro

Anteil an Gesamtmenge

Rotwein

10,-

800

8.000

26,67 %

Schuhe

100,-

400

40.000

13,33 %

Kühlschrank

350,-

100

35.000

3,33 %

Smartphone

500,-

200

100.000

6,67 %

Haarschnitt

25,-

1.200

30.000

40,00 %

Urlaubsreise

850,-

300

255.000

10,00 %

Summe

 

3.000

468.000

100 %

Tabelle 2.1:

Zahlenbeispiel zur Berechnung des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus

Der Wert aller in diesem Beispiel nachgefragten Güter beträgt 468.000,- Euro. Die Anzahl der in der Volkswirtschaft nachgefragten Produkte beträgt 3.000. Daraus ergibt sich ein durchschnittlicher Güterpreis von 156,- Euro. Anders formuliert: die 3.000 Produkteinheiten bilden einen WarenkorbWarenkorb, bei dem jede Einheit im Durchschnitt 156,- Euro kostet.

Alternativ lässt sich das gesamtwirtschaftliche Preisniveau berechnen, indem die sechs einzelnen Preise jeweils mit ihrem Mengenanteil an allen 3.000 Gütereinheiten gewichtet werden und dann die Summe dieser Einzelbeträge berechnet wird:

Nun wird angenommen, dass sich die Preise aller sechs Produkte verändern. Bei fünf Produkten kommt es zu Preissteigerungen im Ausmaß von zwei bis zehn Prozent. Lediglich beim Smartphone sinkt der Preis um zehn Prozent von 500,- auf 450,- Euro (→ Tabelle 2.2). Grund dafür sind technologische Fortschritte, die die Herstellungskosten verringern und damit auch den Preis, den die Endverbraucher zahlen. Alle nachgefragten Mengen bleiben dabei annahmegemäß unverändert, d. h. die Verbraucher reagieren kurzfristig nicht auf die Preisänderungen.

 

Preisänderung

Preis in Euro

Menge

Wert in Euro

Anteil an Gesamtmenge

Rotwein

+ 10 %

11,-

800

8.800

26,67 %

Schuhe

+ 2 %

102,-

400

40.800

13,33 %

Kühlschrank

+ 3 %

360,5

100

36.050

3,33 %

Smartphone

- 10 %

450,-

200

90.000

6,67 %

Haarschnitt

+ 8 %

27,-

1.200

32.400

40,00 %

Urlaubsreise

+ 5 %

892,5

300

267.750

10,00 %

Summe

 

 

3.000

475.800

100 %

Tabelle 2.2:

Berechnung des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus bei veränderten Preisen

Der Wert aller nachgefragten Güter ist in der Summe gestiegen, während die einzelnen Produktmengen annahmegemäß konstant geblieben sind. Die Folge ist ein Anstieg des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus von 156,- auf 158,60 Euro.

Zur Berechnung der Inflationsrate bieten sich unterschiedliche Wege an. Zum einen kann die Differenz zwischen dem neuen und dem ursprünglichen Preisniveau in Relation zum ursprünglichen Preisniveau gesetzt werden. Diese Differenz beträgt 2,60 Euro. Das sind 1,667 Prozent von 156,- Euro. Das gesamtwirtschaftliche Preisniveau ist also um 1,667 Prozent gestiegen, sodass die InflationsrateInflationsrate bei 1,667 Prozent liegt.

Ein zweiter Berechnungsweg besteht darin, mit dem Wert des Warenkorbs zu rechnen, der aus den 3.000 Produkteinheiten besteht. Die Differenz zwischen dem Wert des ursprünglichen und des neuen Warenkorbs beträgt 475.800,- Euro anzüglich 468.000,- Euro, also 7.800,- Euro. Das sind wiederum 1,667 Prozent von 468.000,- Euro.

Die Abweichung lässt sich wie folgt erklären: Entscheidend für den Gesamtwert des hier verwendeten Warenkorbs – und damit auch für den durchschnittlichen Preis einer Einheit dieses Korbs – ist neben den mengenmäßigen Anteilen der einzelnen sechs Produkte auch ihr jeweiliger Preis. Die Preisänderungsrate eines einzelnen Produkts muss daher mit dem Anteil des Produkts am Gesamtwert des Warenkorbs gewichtet werden. Dies zeigt sich exemplarisch am Vergleich der Produkte Rotwein und Urlaubsreise (→ Tabelle 2.3):

Die im Warenkorb enthaltenen 800 Flaschen Rotwein machen 26,667 Prozent aller 3.000 Produkte aus. Ihr wertmäßiger Anteil liegt wegen des relativ geringen Preises jedoch nur bei 1,71 Prozent.

Der Anteil der getätigten Urlaubsreisen entspricht nur zehn Prozent aller nachgefragten Güter. Der wertmäßige Anteil beträgt hingegen knapp 54,5 Prozent.

Die fünfprozentige Preiserhöhung bei Urlaubsreisen hat daher für die Berechnung der Inflationsrate eine wesentlich größere Bedeutung als die zehnprozentige Preissteigerung beim Rotwein.

 

Preis in Euro

Preisänderung

Anteil an Gesamtmenge

Anteil an Gesamtwert

Preisänderung mal Anteil am Gesamtwert

Rotwein

10,-

+ 10 %

26,67 %

1,71 %

0,171

Schuhe

100,-

+ 2 %

13,33 %

8,55 %

0,171

Kühlschrank

350,-

+ 3 %

3,33 %

7,48 %

0,224

Smartphone

500,-

- 10 %

6,67 %

21,37 %

- 2,137

Haarschnitt

25,-

+ 8 %

40,00 %

6,41 %

0,513

Urlaubsreise

850,-

+ 5 %

10,00 %

54,49 %

2,724

Summe

 

 

100 %

100 %

1,667

Tabelle 2.3:

Berechnung der Inflationsrate mit Hilfe der einzelnen Preisveränderungen

Um die Höhe der Inflationsrate zu berechnen, werden die prozentualen Preisänderungen der einzelnen Produkte mit ihren wertmäßigen Anteilen am Wert des Warenkorbs gewichtet und anschließend addiert. Das Ergebnis ist eine Inflationsrate von 1,667 Prozent (→ Tabelle 2.3, Summe der rechten Spalte).

Zu beachten ist auch, dass sich das gesamtwirtschaftliche Preisniveau selbst dann verändert, wenn alle Güterpreise konstant bleiben, die Zusammensetzung des Warenkorbs jedoch eine andere ist (→ Tabelle 2.4).

 

Preis in Euro

Menge

Wert in Euro

Anteil an Gesamtmenge

Rotwein

10,-

650

6.500

1,39 %

Schuhe

100,-

600

60.000

12,82 %

Kühlschrank

350,-

80

28.000

5,98 %

Smartphone

500,-

250

125.000

26,71 %

Haarschnitt

25,-

1.440

36.000

7,69 %

Urlaubsreise

850,-

250

212.500

45,41 %

Summe

 

3.270

468.000

100 %

Tabelle 2.4:

Berechnung des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus bei einem veränderten Warenkorb mit konstanten Preisen

Der Gesamtwert des in → Tabelle 2.4 dargestellten Warenkorbs ist mit 468.000 Euro genauso hoch wie in dem ersten Zahlenbeispiel (→ Tabelle 2.1). Nun werden jedoch verstärkt Güter mit unterdurchschnittlich niedrigen Preisen (Rotwein, Schuhe und Haarschnitte) nachgefragt. Die Menge an Kühlschränken und Urlaubsreisen geht hingegen zurück. Das hat zur Folge, dass der Warenkorb nun mehr Gütereinheiten enthält als im ersten Beispiel (3.270 statt 3.000). Damit sinkt der durchschnittliche Preis eines Produkts aus dem Warenkorb von 156,- Euro auf 143,12 Euro. Das gesamtwirtschaftliche Preisniveau ist also gesunken, obwohl die Preise der sechs Güter und der Gesamtwert des Warenkorbs unverändert geblieben sind.

Der veränderte Warenkorb hat auch zur Folge, dass sich die Höhe der Inflationsrate ändert, selbst wenn die Preisänderungen der sechs einzelnen Produkte so sind wie in dem ursprünglichen Beispiel. Die Differenz zwischen dem Wert des neuen und dem des ursprünglichen Warenkorbs beträgt nun nur noch 471.695,- Euro abzüglich 468.000,- Euro, also 3.695,- Euro (→ Tabelle 2.5). Das sind 0,79 Prozent von 468.000,- Euro. Die Inflationsrate ist also nur noch halb so hoch wie im Fall mit dem ersten Warenkorb und das, obwohl die Preisänderungsraten der einzelnen Güter in beiden Fällen identisch sind.

 

Preisänderung

Preis in Euro

Menge

Wert in Euro

Rotwein

+10 %

11,-

650

7.150

Schuhe

+2 %

102,-

600

61.200

Kühlschrank

+3 %

360,5

80

28.840

Smartphone

–10 %

450,-

250

112.500

Haarschnitt

+8 %

27,-

1.440

38.880

Urlaubsreise

+5 %

892,5

250

223.125

Summe

 

 

3.270

471.695

Tabelle 2.5:

Berechnung des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus bei veränderten Preisen und verändertem Warenkorb

Um derartige Effekte bei der Berechnung der Inflationsrate zu berücksichtigen, werden MengenänderungenMengenänderungen ausgeschlossen. Dies geschieht dadurch, dass bei der Inflationsberechnung mit einem konstanten, unveränderlichen Warenkorb gerechnet wird – selbst wenn die Verbraucher auf Preisänderungen reagieren und ihre nachgefragten Konsumgütermengen an die neuen Preise anpassen.

Eine weitere implizite Annahme bei den hier durchgeführten Berechnungen zur Inflationsrate betrifft die Qualität der sechs Güter. QualitätsänderungenQualitätsveränderungen werden ausgeschlossen. Eine Preiserhöhung ist also nicht auf eine verbesserte Produktqualität zurückzuführen. In der Realität kann es jedoch zu Qualitätsänderungen kommen. Bei der fünfprozentigen Preissteigerung einer Urlaubsreise ist z. B. denkbar, dass der Reiseanbieter zusätzliche Leistungen erbringt. Wenn die Preiserhöhung von 850,- um 42,50 auf 892,50 Euro nun eine Taxifahrt vom Flughafen zum Hotel und zurück im Wert von 50,- Euro enthält, ist die ursprüngliche Urlaubsreise gar nicht teurer, sondern billiger geworden. Eine QualitätsverbesserungQualitätsverbesserung wirkt also für sich inflationsdämpfend.

Gleiches gilt im Fall einer QualitätsverschlechterungQualitätsverschlechterung (vgl. Schnabl 2022, S. 30). Dazu ein einfaches Beispiel: Angenommen, zu einem bestimmten Zeitpunkt werden in einer Volkswirtschaft Kleiderschränke aus massivem Eichenholz von den meisten privaten Haushalten genutzt. Ihr Preis beträgt 1.000,- Euro, ihre Nutzungsdauer 50 Jahre. Dann ändert sich der Geschmack. Nun werden qualitativ weniger gute Kleiderschränke nachgefragt. Sie bestehen weitgehend aus Sperrholz und Plastik, kosten 250,- Euro und haben eine Lebensdauer von zehn Jahren. Auf den ersten Blick erscheint diese Entwicklung einen preisniveausenkenden Effekt zu haben, weil der Preis für einen Kleiderschrank von 1.000,- auf 250,- Euro gesunken ist. Dies entspricht einer 75-prozentigen Preisreduzierung. Allerdings ist auch die niedrigere Nutzungsdauer des Schranks zu berücksichtigen. Wird ein Zeitraum von 50 Jahren betrachtet, müssen die Konsumenten nun fünf Schränke erwerben und dafür 1.250,- Euro bezahlen. Das bedeutet eine 25-prozentige Preissteigerung. Eine Qualitätsverschlechterung wirkt so gesehen inflationserhöhend.

Bei der praktischen Inflationsberechnung müssen derartige Qualitätsänderungen also angemessen berücksichtigt werden. Gelingt dies nicht, so überschätzt die offizielle Inflationsrate den tatsächlichen Preisniveauanstieg im Fall einer Qualitätsverbesserung, während sie den Preisniveauanstieg im Fall einer Qualitätsverschlechterung unterschätzt.

2.2InflationsmessungInflationsmessung in der Praxis

Zentrales Element der Inflationsmessung in einer Volkswirtschaft ist der nationaleVerbraucherpreisindexVerbraucherpreisindexnationaler (vgl. zu den Ausführungen dieses Abschnitts Statistisches Bundesamt 2022a, S. 3 und Statistisches Bundesamt 2021, S. 5–8). Dabei handelt es sich um einen Index, der grundsätzlich alle Waren und Dienstleistungen umfasst, die die privaten Haushalte einer Volkswirtschaft erwerben. Der Verbraucherpreisindex wird nach dem sogenannten Inlandprinzip erstellt. Das bedeutet, es werden die in einem Land erworbenen Güter betrachtet – unabhängig davon, ob sie von im Inland lebenden Personen gekauft werden oder von Touristen aus dem Ausland. Die Preise umfassen auch die Verbrauchsteuern, die in den Güterpreisen enthalten sind, also beispielsweise die Mehrwert- bzw. Umsatzsteuer.

Berechnet wird der Index mit einem WarenkorbWarenkorb. In Deutschland enthält dieser Konsumgüterwarenkorb rund 650 Güterarten. Diese werden weiter aufgefächert, sodass gegenwärtig mehr als 300.000 Einzelpreise erfasst werden. Für die Preiserfassung wird mit repräsentativen Städten und Gemeinden sowie repräsentativen Geschäften gearbeitet. Die Anteile der einzelnen Waren an dem Korb entsprechen dem repräsentativen Kaufverhalten der privaten Haushalte.

In Deutschland weist das Statistische Bundesamt nicht nur einen Verbraucherpreisindex für die gesamte Volkswirtschaft aus, sondern auch eine Reihe von zusätzlichen Preisindizes. Zu den wichtigsten zählen die folgenden (vgl. Statistisches Bundesamt 2022d):

Es werden zahlreiche Indizes für einzelne KonsumgütergruppenKonsumgütergruppen ausgewiesen, z. B. für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke, Bekleidung und Schuhe, Gesundheit, Verkehr, Post und Telekommunikation, Bildungswesen und so weiter.

Für jede dieser Konsumgütergruppen gibt es weitere Untergruppen. Bei der Gütergruppe „Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke“ sind das z. B. Nahrungsmittel, Brot und Getreideerzeugnisse, Fleisch und Fleischwaren, Molkereiprodukte und Eier und so weiter.

Ausgewiesen werden zudem Verbraucherpreisindizes für die sechzehn BundesländerBundesländer.

Bis 1999 wurden auch Preisindizes für verschiedene HaushaltstypenHaushaltstypen berechnet, z. B. für 4-Personen-Haushalte von Beamten und Angestellten mit höherem Einkommen, 4-Personen-Haushalte von Beamten und Angestellten mit mittlerem Einkommen und 2-Personen-Rentner-Haushalte mit geringem Einkommen. Diese Indizes werden nun nicht mehr veröffentlicht, weil die ursprünglich ausgewählten Haushaltstypen nicht mehr den tatsächlichen Bevölkerungsstrukturen entsprachen. Außerdem gab es bei langfristigen Vergleichen kaum noch Unterschiede.

Ziel des gesamtwirtschaftlichen nationalen Verbraucherpreisindexes ist es, die Veränderungen von Güterpreisen im Zeitablauf zu messen. Um dies zu erreichen, werden die GütermengenGütermenge bzw. die Anteile der Waren und Dienstleistungen an dem Warenkorb konstant gehalten. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Zusammensetzung des Warenkorbs dauerhaft unverändert bleibt. Da der Verbraucherpreisindex das tatsächliche Kaufverhalten der privaten Haushalte abbilden soll, sind Anpassungen an ein verändertes Konsumverhalten und an neue Produkte erforderlich. In Deutschland kommt es alle fünf Jahre zu einer Anpassung des Warenkorbs.

Neben dem nationalen VerbraucherpreisindexVerbraucherpreisindexnationaler gibt es in der Europäischen Union (EU) auch noch einen „Harmonisierten VerbraucherpreisindexVerbraucherpreisindexHarmonisierter“ (HVPI). Er wird erstellt, um die Gesamtinflationsrate für die Eurozone sowie für die EU zu berechnen. Die so berechnete Inflationsrate ist der Indikator, den die Europäische ZentralbankZentralbank für ihre Geldpolitik und ihr Inflationsziel von zwei Prozent Inflation verwendet (vgl. Statistisches Bundesamt 2021, S. 3).

Bei dem für europäische Zwecke berechneten Verbraucherpreisindex gibt es eine jährliche Anpassung der Gütergewichte (vgl. Statistisches Bundesamt 2022c, S. 1). Die Gewichtung ausgewählter Güterbereiche für die Jahre 2020 bis 2022 ist → Tabelle 2.6 zu entnehmen. Die relativ großen Veränderungen sind der CoronapandemieCoronapandemie geschuldet: Wegen der zum Teil sehr starken Einschränkungen des öffentlichen Lebens hat sich das Konsumverhalten der Bürger ebenfalls spürbar verändert. Das erfordert eine Anpassung der verschiedenen Gütergewichtungen.

 

Gewicht 2020

Gewicht 2021

Gewicht 2022

Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke

113,42

127,92

126,57

alkoholische Getränke und Tabakwaren

42,06

46,12

44,96

Bekleidung und Schuhe

51,39

43,83

43,16

Wohnung, Wasser, Strom, Gas u. a. Brennstoffe

233,06

253,00

252,20

Hausrat und laufende Instandhaltung des Hauses

56,93

63,21

60,90

Verkehr

152,19

141,39

149,44

Freizeit, Unterhaltung und Kultur

114,19

96,82

97,20

Gaststätten- und Beherbergungsdienstleistungen

57,67

40,70

39,42

Tabelle 2.6:

Harmonisierter Verbraucherpreisindex für Deutschland, Gewichte für ausgewählte Güterbereiche, Angaben in Promille, Quelle: Statistisches Bundesamt 2022c, S. 3

Da bei der Entwicklung der Verbraucherpreise im Zeitablauf stets mit den gleichen Gütern gerechnet werden soll, müssen auch QualitätsveränderungenQualitätsveränderungen herausgerechnet werden. Wenn sich also beispielsweise bei einem elektronischen Gerät im Laufe der Zeit wegen technologischer Neuerungen die Qualität dieses Geräts verbessert, werden die Preisänderungen, die einer höheren Qualität geschuldet sind, bei der Berechnung der Gesamtpreisänderung herausgerechnet. Dafür gibt es verschiedenen Verfahren (vgl. Statistisches Bundesamt 2021, S. 8 sowie Hagenkort und Sewald 2021, S. 21–23). Ziel der Qualitätsbereinigungsverfahren ist es, „dass trotz Produktänderungen bei der Preismessung »Gleiches mit Gleichem« verglichen wird und somit Preisänderungen als »reine« Preisentwicklung interpretiert werden können“ (Hagenkort und Sewald 2021, S. 22). Dieser Aspekt spielt vor allem bei digitalen Produkten, die immer noch spürbare qualitative Änderungen in relativ kurzer Zeit aufweisen, eine Rolle (vgl. dazu die Ausführungen im siebten Kapitel).

Auf Basis einer monatlichen Erhebung wird ein entsprechender Verbraucherpreisindex berechnet. Die monatliche Veränderungsrate dieses Indexes gibt die monatliche InflationsrateInflationsrate an. Entsprechend wird die jährliche Inflationsrate berechnet.

Neben der mit Hilfe des nationalen oder des Harmonisierten Verbraucherpreisindexes berechneten Inflationsrate gibt es auch noch die KerninflationsrateKerninflationsrate. Dabei handelt es sich um eine Inflationsrate, bei der kurzfristige Schwankungen der Inflationsrate herausgerechnet werden. Güter, deren Preise innerhalb eines Jahres erfahrungsgemäß stark schwanken, bleiben deshalb bei der Berechnung der Kerninflationsrate unberücksichtigt. Produkte, die sich durch kurzfristige Schwankungen ihrer Preise auszeichnen, sind Energieträger (hier ist vor allem an die häufigen Ölpreisänderungen zu denken) und unverarbeitete Nahrungsmittel wie Obst, Gemüse etc. Hinzu kommen weitere Produkte mit spürbaren saisonalen Preisschwankungen, also Dienstleistungen im Reiseverkehr (Flüge, Pauschalreisen, Hotelübernachtungen und ähnliches) und saisonal bedingte Preisschwankungen bei Schuhen und Bekleidungsgegenständen. Schließlich können auch alkoholische Getränke und Tabakwaren herausgenommen werden, weil die Preise dieser Produkte sehr stark von den Steuern beeinflusst werden (vgl. OeNB 2019, S. 1 f.).

Für die Entscheidung, welche Güterarten bei der Berechnung der Kerninflationsrate herausgenommen werden, gibt es keine einheitlichen Regeln. Das Statistische Amt der Europäischen Union (kurz: Eurostat) weist beispielsweise drei Kerninflationsraten aus: den harmonisierten Verbraucherpreisindex ohne Energie, zweitens ohne Energie und unverarbeitete Lebensmittel und drittens ohne Energie, unverarbeitete Lebensmittel und alkoholische Getränke sowie Tabakwaren (vgl. Eurostat 2022a, S. 1). In den meisten Fällen wird als Kerninflationsrate die Inflationsrate ohne Energie und ohne unverarbeitete Lebensmittel gewählt (vgl. Weichenrieder und Gürer 2020, S. 837 sowie Hüther und Obst 2022, S. 2).

Die Entwicklung von VermögenspreisenVermögenspreise spielt bei der Inflationsmessung keine Rolle, d. h. Preisanstiege bei Aktien, Immobilien, Edelmetallen und anderen Vermögensgegenständen werden nicht bei der Inflationsmessung berücksichtigt. Grund ist, dass es bei den skizzierten Verbraucherpreisindizes darum geht, die Kaufkraft des Geldes aus Sicht der Konsumenten zu messen.

Die so begründete Nichtbetrachtung von VermögenspreisenVermögenspreise bei der Berechnung der Inflationsrate ist jedoch nicht unproblematisch: Weil die Zentralbank die konsumbasierte Inflationsrate auch für ihre geldpolitischen Entscheidungen nutzt, kann die Nichtberücksichtigung der Vermögenspreise zu einer Fehleinschätzung der tatsächlichen Inflationsgefahren führen (vgl. Herborn und Schnabl 2022). Grundsätzlich wäre zu erwarten, dass eine spürbare Ausweitung der Geldmenge durch eine Zentralbank zu einer höheren Inflationsrate führt. Wenn beispielweise die Geldmenge einer Volkswirtschaft in kurzer Zeit verdoppelt wird, sollte dieses Überangebot an Geld zu steigenden Güterpreisen führen. Ein entsprechender Anstieg der Inflationsrate signalisiert der Zentralbank, dass sie zu viel Geld in die Wirtschaft pumpt und ihre Geldmengenausweitung stoppen sollte. Wenn das zusätzliche Geld jedoch nicht für den Kauf von Waren und Dienstleistungen verwendet wird, sondern zum Erwerb von Aktien und Staatsanleihen, steigen deren Preise wegen der erhöhten Nachfrage. Da die ZentralbankZentralbank die Entwicklung der Aktien- und Wertpapierkurse ebenso wenig in die für die Geldpolitik relevante Inflationsrate einfließen lässt wie die Immobilienpreise, kann es an den Märkten für diese Vermögenswerte zu einer SpekulationsblaseSpekulationsblase kommen. Sie könnte ein Indiz dafür sein, dass die von der Zentralbank in Umlauf gebrachte Geldmenge zu groß ist. Trotz dieser Gefahr halten die Zentralbanken daran fest, bei ihrer Geldpolitik nach wie vor das Ziel der Preisniveaustabilität im Sinne einer konsumbasierten InflationsrateInflationsratekonsumbasierte – also der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes im Zeitablauf – zu verfolgen.

Bei der Berechnung der Inflationsrate werden also lediglich Konsumgüter berücksichtigt. Nicht erfasst werden folglich Investitionsgüter und die Güter, die der Staat erwirbt bzw. selber herstellt und anschließend seinen Bürgern kostenlos zur Verfügung stellt. Beispiele sind die staatlichen Bildungsangebote, die Dienstleistungen von Polizei und Verwaltung, um nur einige zu nennen. Da die Bürger für diese Leistungen nicht direkt bezahlen müssen, gibt es auch keine Marktpreise. Falls nun die Personalkosten in diesem Bereich überdurchschnittlich stark steigen, hat das für sich genommen einen preisniveauerhöhenden Effekt. Dieser wird jedoch in der Inflationsrate nicht berücksichtigt.

Das bedeutet jedoch nicht, dass derartige Preisänderungen in den offiziellen Statistiken vollkommen ignoriert werden. Wenn nicht nur die Preisentwicklung der Konsumgüter berechnet werden soll, sondern auch die Veränderungen der Preise für staatlich angebotene Güter und für Investitionsgüter, können dafür angepasste DeflatorenDeflatoren verwendet werden. Entsprechende Deflatoren können für das gesamte Bruttoinlandsprodukt berechnet werden oder für einzelne Komponenten des Bruttoinlandsprodukts, also neben den privaten Konsumausgaben auch für die Investitionen und die staatlichen Konsumausgaben sowie für die Exporte und die Importe eines Landes. Ziel dieser Deflatoren ist es, die nominalen Werte für das Bruttoinlandsprodukt und dessen Komponenten in reale Werte umzurechnen. Der Deflator rechnet also inflationsbedingte Steigerungen des Bruttoinlandsprodukts, der Investitionen, der Exporte etc. heraus.

Der grundsätzliche Unterschied der beiden skizzierten Indikatoren zur Messung der Veränderungen von Preisen im Zeitablauf besteht also darin, dass die durch die Verbraucherpreise gemessene Inflation ein konsumbasiertesMessinstrumentMessinstrument, konsumbasiertes ist, während der Deflator des Bruttoinlandsprodukts ein produktionsbasierter