Guards of Folsom: Gefunden - SJD Peterson - E-Book

Guards of Folsom: Gefunden E-Book

SJD Peterson

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Beschreibung

Für Mason gibt es nichts mehr, für das es sich zu leben lohnt. Seine Doms Charles und Gregory, die einzigen Menschen, die mit seiner Sozialphobie und seinen Panikattacken umzugehen wussten, sind erst vor wenigen Wochen verstorben und haben ihn allein und verloren zurückgelassen. Als Mason an einem Tiefpunkt ankommt, treten ausgerechnet Rig und Bobby in sein Leben, die ihren gemeinsamen Sub vor vielen Jahren bei einem tragischen Unfall verloren haben. Können die beiden Doms Mason helfen, seinen Verlust und seine Verzweiflung zu überwinden und nach vorne zu schauen? Und ist Mason vielleicht das fehlende Puzzlestück ihrer Beziehung, nach dem sie so lange gesucht haben? Buch 2 der "Guards of Folsom"-Reihe. In sich abgeschlossen.

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Seitenzahl: 377

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Deutsche Erstausgabe (ePub) Februar 2016

Für die Originalausgabe:

© 2013 by SJD Peterson

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»Tag Team«

Originalverlag:

Published by Arrangement with Dreamspinner Press LLC, 5032

Capital Circle SW, Ste 2, PMB# 279, Tallahassee, FL 32305-7886

USA

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2016 by Cursed Verlag

Inh. Julia Schwenk

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

Bildrechte Umschlagillustration

vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock

Satz & Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: Casandra Krammer Design

Lektorat: Susanne Scholze

ISBN ePub: 978-3-95823-572-4

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de

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Klappentext:

Für Mason gibt es nichts mehr, für das es sich zu leben lohnt. Seine Doms Charles und Gregory, die einzigen Menschen, die mit seiner Sozialphobie und seinen Panikattacken umzugehen wussten, sind erst vor wenigen Wochen verstorben und haben ihn allein und verloren zurückgelassen. Als Mason an einem Tiefpunkt ankommt, treten ausgerechnet Rig und Bobby in sein Leben, die ihren gemeinsamen Sub vor vielen Jahren bei einem tragischen Unfall verloren haben. Können die beiden Doms Mason helfen, seinen Verlust und seine Verzweiflung zu überwinden und nach vorne zu schauen? Und ist Mason vielleicht das fehlende Puzzlestück ihrer Beziehung, nach dem sie so lange gesucht haben?

SJD Peterson

Aus dem Englischen von Gabby Jacobs

Für meine große Schwester.

Ich wünschte, ich hätte für dich da sein können,

um dir helfend zur Seite zu stehen.

Du fehlst mir jeden Tag.

Prolog

»Gott, hab Erbarmen mit seiner Seele.«

Gott? Es gab keinen Gott und Charles Robert Jones würde todsicher keine Gnade erfahren. Wütend wischte sich Mason mit seinem Ärmel die Tränen von den Wangen und starrte den Priester an, der gekommen war, um ein letztes Gebet für den lieben Verstorbenen zu sprechen.

Weder der Priester noch das Gebet waren Masons Idee gewesen, noch hätte Charles das gewollt. Es schien niemanden zu kümmern, was er oder Charles wollten. Für die wenigen Familienmitglieder, die anwesend waren – zwei Schwestern, eine Tante und ein paar Cousinen und Cousins –, existierte Mason Howard nicht. Es war ihm nicht erlaubt, zwischen ihnen zu sitzen, stattdessen war er nach hinten und weg vom Sarg verwiesen worden – man wollte die Familie ja nicht mit seiner Anwesenheit verärgern. Charles' ältere Schwester Maria war sogar so weit gegangen, dass sie Mason angerufen und gesagt hatte: »Wir denken, es wäre das Beste, wenn du nicht teilnimmst.«

Mason hatte sie nicht einmal einer Antwort gewürdigt, sondern einfach aufgelegt und das Telefon quer durch den Raum geworfen. Er reagierte auf ihre Aufforderung, indem er nicht nur jeden Tag bei dem Beerdigungsinstitut auftauchte – er war auch der Erste gewesen, der beim Friedhof angekommen war, ein weiterer Umstand, den Charles nicht gewollt hätte. Mason sollte nicht hier sein; keiner von ihnen sollte es. Charles hatte in aller Deutlichkeit gesagt, dass er verbrannt werden wollte und dass seine Asche über dem Land, auf dem er mit Mason und Gregory gelebt und das er geliebt hatte, verstreut werden sollte. Wieder hatte Mason kein Mitspracherecht gehabt, Charles offensichtlich ebenfalls nicht; der schwarze Sarg, der gerade in die Erde hinabgelassen wurde, war der Beweis.

Charles' Familie hatte es letztendlich geschafft, ihn in einer glänzenden Kiste einzusperren – etwas, das sie verstehen konnten. Der Sarg, der Schauplatz, die Worte, nichts davon entsprach Charles Robert Jones. Jetzt versuchte irgendein Mann – ein Bote eines Gottes, der für Mason schon lange tot war –, eine verdammte, von Sünde besessene Seele zu erlösen.

Mason hatte versucht, sowohl Maria als auch Charles' anderer Schwester Carol zu erklären, was Charles' letzte Wünsche gewesen waren, aber sie hatten sich geweigert ihm zuzuhören. Er hatte so sehr er konnte für Charles gekämpft, aber er hatte versagt. Er hatte keinen Rechtsanspruch. Er hatte kein Mitspracherecht bei der Entscheidung, was mit dem Mann passierte, den er besser kannte als sie alle. Es tat nichts zur Sache, dass er die einzige Person unter allen Anwesenden war, die das Leben dieses Mannes an jedem Tag der letzten zwölf Jahre geteilt hatte.

Das entsprach nicht der Wahrheit. Es hatte eine andere Person gegeben.

Mason legte den Kopf in den Nacken und sah mit Tränen in den Augen hinauf in den sich verändernden Himmel. Seine Brust zog sich so schmerzhaft zusammen, dass es ihm den Atem raubte. Oh Gott, Gregory, schrie er stumm. Sieh dir an, was sie ihm antun.

In der Ferne löste sich ein Blitz und teilte den Horizont. Die Wolken wirbelten auf, graue, wirbelnde Wogen verdeckten das strahlende Blau des ansonsten friedlichen Sommerhimmels. Als würde sogar der Himmel Masons Wut kundtun, Gregorys Niederlage bezeugen und das Leid von Charles' Seele, die in einem schlichten Sarg gefangen war, widerspiegeln.

Wenigstens war Gregory verbrannt worden, wie es sein letzter Wunsch gewesen war. Seine Asche wartete in einer Urne auf dem Küchentisch in ihrem Zuhause an der Küste darauf, verstreut zu werden.

Mason verschluckte sich an einem Schluchzer, als ihn die Erkenntnis tief in seinem Inneren traf. Er brachte den einen Geliebten allein in die kalte, harte Erde, während er den anderen den Winden überließ, wenn ihre sterblichen Überreste doch in alle Ewigkeit vereint sein sollten.

Das Knacken einer Winde riss Mason gerade rechtzeitig aus seinen Gedanken, um den Priester sagen zu hören: »Führe uns wieder zu einer Familie zusammen, um deine Lobpreisungen immer und ewiglich zu singen. Amen.«

Die abgewürgten Laute der Schluchzer von Charles' Familie erzürnten Mason genauso sehr wie die hohlen Worte des Priesters. Diese Leute mit ihrem Bullshit von wieder zusammen in einer Familie zu sein und die gekünstelten Tränen riefen Zorn in Masons Brust hervor, ließen Galle in seiner Kehle aufsteigen, und er zitterte unter der Kraft dieser Gefühle. Er wollte aufbrüllen wegen dieser Ungerechtigkeit, wollte schreien: Ich! Ich bin seine Familie. Ich, der ihn bedingungslos um seiner selbst willen geliebt hat. Er gehört mir. Er gehört zu mir und Gregory. Wir sind seine Familie.

Klick. Klick. Klick.

Mason hielt sich die Ohren zu, denn der gequälte Schrei in seinem Kopf war nicht laut genug, um die unerträglichen Geräusche der sich drehenden Zahnräder zu übertönen. Jedes Klicken entfernte Charles weiter und weiter von ihm. Bald wäre er außer Reichweite, für immer gegangen.

Klick. Klick. Klick.

Halt sie auf. Du verdammter Feigling, halt sie auf. Tu es. Tu es JETZT!

Masons Finger rissen an seinen Haaren, verursachten stechende Schmerzen auf seiner Kopfhaut und er kniff die Augen zusammen. Sein Herz hämmerte in seiner Brust, Adrenalin flutete seinen Körper und er konnte nicht atmen.

Als ihn die vertrauten Anzeichen einer Panikattacke durchströmten, sank Mason gegen seinen Willen zu Boden, seine Knie versagten, während er nach Atem rang. Sein schmerzender Kopf, der Schrei, der darin widerhallte, der glänzende, schwarze Sarg, das Klick, Klick, Klick der Winde, Gregory, Charles – all das drückte ihn nieder und etwas in seiner Brust zog sich zusammen, seine Kehle verengte sich, er konnte verdammt noch mal nicht atmen.

Fokussier dich. Atme.

Irgendwo in seinem vernebelten Hirn wusste er, was er zu tun hatte. Er musste sich entspannen, atmen und sich fokussieren. Es würde vorübergehen und wenn nicht, wenn er sich nicht genug entspannen konnte, um Luft in seine Lungen zu bekommen, würde sich sein Körper abschalten und sich über seinen abgefuckten Kopf hinwegsetzen.

Aus einem Schlaf aufzuwachen, der von einer Panikattacke bedingt war, war schlimm; die bohrenden Kopfschmerzen würden ihn für Stunden benommen machen. Im Laufe seines Lebens hatte er Hunderte, Tausende dieser Attacken durchlebt; er musste sich einfach fokussieren, auf den beruhigenden Klang von Gregorys Stimme hören, auf die besänftigende Berührung von Charles' Händen achten, denn ohne sie, die ihn von der Kante zurückzogen…

Tot.

Mason versuchte, seine Augen zu öffnen, um die Bilder zu verscheuchen, die ihn verfolgten und in seinem Kopf aufblitzten, aufleuchteten wie ein Stroboskop. Verbogene Trümmer – zerfetzte Körper – Blut.

NEIN!

Sie würden für ihn hierherkommen. Gregory würde ihn beruhigen. Charles würde ihn berühren und ihn trösten und hinterher würden sie alle zusammen kuscheln. Ohne sie konnte es Mason nicht schaffen.

Sie würden ihn nicht verlassen.

Niemals.

Sie hatten es ihm versprochen, als sie das Halsband um seinen Hals gelegt hatten. Er würde für immer ihnen gehören und Gregory und Charles hatten geschworen, ihn niemals zu verlassen.

Mach die Augen auf, Junge. Konzentriere dich. Mach deine Augen auf und sieh mich an.

Beim Klang von Gregorys autoritärer Stimme flogen Masons Augen auf, die Ränder seiner Sicht waren dunkel. Mason blinzelte, während er zu tun versuchte, was man von ihm verlangte, aber alles war verschwommen und seine Augen schlossen sich von selbst wieder. »Sir«, brachte er keuchend hervor. »Helfen –«

Masons ganzer Körper zitterte und der fehlende Sauerstoff in seinen Lungen verursachte ein quälendes Brennen, das sich in ihm ausbreitete, doch er würde seinen Master nicht enttäuschen. Mason schob den Schmerz hinab in die Tiefen seines aufgewühlten Bauches und erhob sich über die Qual. Es gab nichts, das er nicht für Gregory tun würde.

Flatternd öffneten sich Masons Augen und vor ihm stand eine Gestalt, die vollkommen in Schwarz gekleidet und deren blasse Finger zur Faust geschlossen waren. Blitzartig stürzte alles auf ihn ein, jedes quälende Detail – sein Schmerz, sein Verlust, seine neue Realität. Marias dunkle Augen bohrten sich anklagend in ihn, als sie ihre Hand öffnete und die Erde in das Grab fallen ließ.

Dunkelheit umhüllte ihn wie riesige Arme, hieß ihn in ihrer Umarmung willkommen und Mason gab sich ihr hin. Er fühlte, wie er davontrieb, und auch der Schmerz verblasste. Sein letzter bewusster Gedanke war: Bitte, lass mich dieses Mal nicht wieder aufwachen.

Kapitel 1

Rig Beckworth hatte sich in seinem Liegesessel ausgestreckt, eine dunkle Sonnenbrille bedeckte seine Augen und seine Haut glänzte von Kokosnussöl. Er war das Sinnbild eines glücklichen Touristen. »Erholung und Entspannung«, hatte er gesagt. »Knapp bekleidete Jungen«, hatte er gesagt. »Wir werden Spaß haben«, hatte er gesagt. Bobby starrte ihn an. »Sieht es aus, als hätte ich Spaß?«, grummelte Bobby vor sich hin.

»Was hast du gesagt?«, fragte Rig schläfrig.

Bobby schmollte nach wie vor und fluchte leise, als er in dem schwachen Versuch, seinen Körper vor der Hitze Floridas zu schützen, den Sonnenschirm neu ausrichtete. »Mein Popper hat gepoppt«, klagte Bobby und zuckte dann zusammen, als Schweiß in sein Auge lief. »Gottverdammt!« Mit einem klammen Handtuch wischte er sich über das brennende Auge und das feuchte Gesicht.

»Dein was hat gepoppt?«, gluckste Rig und rollte sich auf die Seite, um ihn anzusehen.

»Mein Pop-up-Timer.«

Rig neigte den Kopf und hob seine Sonnenbrille an. Er sah verwirrt aus.

»Du weißt schon, das kleine Plastikteil, das man in einen Truthahn steckt?« Rig runzelte die Stirn, woraufhin Bobby abwinkte und schwer seufzte. »Lass gut sein. Ich hab vergessen, dass ich mit dem König der Pizzen und Fertiggerichte spreche.«

»Dann ist es ja gut, dass ich dich habe, hm?«, sagte Rig mit einem Schmunzeln und schob die Sonnenbrille zurück an ihren Platz.

»Wenn ich hier draußen in dieser Hitze sitzen muss, wirst du mich nicht mehr lange haben. Mir ist heiß«, jammerte Bobby. »Es hat seinen Grund, warum es in Florida keine Bären gibt, Rig. Es ist zu heiß und wir haben zu viel Fell.«

»Oooh, komm schon, Baby, so schlimm ist es nicht«, hätschelte Rig ihn. Er machte es sich wieder auf seinem Liegestuhl bequem und streckte das Kinn der Sonne entgegen. Ein breites Grinsen erschien auf seinem Gesicht und Bobby verspürte das plötzliche Verlangen, es ihm von dort wegzuschlagen.

Bobbys Augen verengten sich und er biss die Zähne zusammen. In den vierundzwanzig Jahren, die sie jetzt zusammen waren, hatte Rig ihn nur dann Baby genannt, wenn er dabei war, a) ihn zu ficken oder b) … Nein, nur wenn er dabei war, ihn zu ficken. Rig war nie übermäßig romantisch oder zärtlich gewesen.

»Ich bin hier, also bist du nicht der einzige Bär, der vor sich hin schwitzt«, fügte Rig hinzu. »Und dieser Bär liebt es.«

»Nein. Du bist ein Bärenjunges«, korrigierte Bobby.

Rig war weit davon entfernt, haarlos zu sein. Auf dem Kopf trug er dicke, dunkle Locken zur Schau, die ihm bis in den Nacken hingen, und sein dünner Kinnbart und der Unterlippenbart waren mit Silber durchzogen. Als Bobby Rig vor all diesen Jahren zum ersten Mal getroffen hatte, war dieser groß und schlank gewesen, mit gut definierten Muskeln. Rigs Brust, Bauch, Arme und Beine waren leicht mit dunklem Haar bedeckt gewesen. Er hatte sich kaum verändert, obwohl sein schlanker Körper nun weicher war. Seine achtundvierzig Jahre zeichneten sein Gesicht.

Erneut rollte sich Rig herum und drehte den Kopf zu Bobby. »Du könntest dich rasieren –«

»Denk nicht mal dran«, unterbrach Bobby ihn.

»Ich sag ja nicht, dass du dich komplett rasieren sollst. Anstatt zu versuchen, wie einer der Frontmänner von ZZ Top auszusehen, könntest du den Bart… ein bisschen trimmen.« Er schnipste mit den Fingern. »Oh, ich weiß, so wie ihr Drummer.« Rigs Augenbrauen zogen sich zusammen und er betrachtete Bobby für einen Augenblick. »Ich wette, das ist nicht sein richtiger Name.«

Bobby fuhr sich mit einer Hand übers Kinn und zog an den fünf Zentimeter langen Haaren. »Meiner ist nicht mal ansatzweise so lang«, sagte er gereizt. »Und was meinst du damit, nicht sein richtiger Name? Wessen Name?«

»Der von ihrem Drummer«, sagte Rig mit einem Anflug von Verzweiflung. So als ob Bobby doch wissen müsste, von wem er sprach. »Ich meine, ernsthaft, die zwei Frontmänner haben Bärte, die ihnen fast bis zum Gürtel gehen, und der Nachname des einzigen Bandmitglieds, der keinen hat, ist Beard? Das kauf ich denen nicht ab. Erinner mich dran, den Kram zu googeln, wenn wir wieder zurück im Haus sind.«

Eine Schweißperle rann über Bobbys Stirn, doch er wischte sie dieses Mal weg, bevor sie in seinen Augen brennen konnte. Jetzt reicht's. Er warf das Handtuch zur Seite und setzte sich auf, wodurch der Sonnenschirm in den Sand fiel. »Wie wär's, wenn wir es jetzt googeln? Weil, ernsthaft, dieses Wetter ist einfach scheiße.«

»Komm schon, Bobby, wir sind gerade erst rausgegangen und die Einheimischen kommen bald von der Arbeit. Du willst doch nicht die Show der Schönlinge verpassen, oder?«

Wakitta war eine kleine Stadt im Süden Floridas am Golf von Mexiko. Sie beherbergte ein paar tolle Restaurants, eine überschaubare Anzahl von Geschäften und eine Bäckerei, war jedoch frei von kommerzialisierten Touristenfallen, die man in vielen Städten am Golf fand. Die Anziehungskraft, die die Stadt auf ihn und Rig ausübte, lag unter anderem darin begründet, dass die großen Bauunternehmen die Stadt noch nicht vereinnahmt hatten – zumindest im Herbst oder Winter wäre sie für Bobby reizvoll, doch der Sommer in Südflorida war einfach ätzend.

Es ist nicht allein der Charme der Stadt, der für uns reizvoll ist, dachte Bobby mit einem ironischen Grinsen, sondern auch die Tatsache, dass der unbekannte Strand von den einheimischen schwulen Männern favorisiert wurde. Dennoch. Er zog seine widerspenstigen Locken in einen kleinen Pferdeschwanz und band sie zusammen.

»Ich sitze hier und werde gebraten«, sagte Bobby. Er schnappte sich sein Handtuch und legte es sich um den Hals, ehe er sich aus dem Liegestuhl hievte und sogleich zusammenzuckte, als der heiße Sand seine Fußsohlen verbrannte. »Gott, ich hasse diesen Scheiß«, knurrte er und stieg in seine Flip-Flops. »Warum hab ich mich noch mal zu diesem bescheuerten Urlaub überreden lassen?«

»Weil du mich liebst und wusstest, dass ich herkommen wollte.« Rig grinste, hob schwungvoll eine Flasche mit Sonnenöl hoch und gab eine großzügige Menge davon auf seine Brust und seinen Bauch.

Bobby starrte ihn an, doch Rig ignorierte den gereizten Blick, während er seinen Oberkörper einrieb und fröhlich summte. Einmal mehr fühlte sich Bobby dazu genötigt, diesen verdammten, lächelnden Mann zu schlagen, aber er ballte die Hände nur zu Fäusten und stapfte ohne ein weiteres Wort davon.

»Du verpasst die Show«, erinnerte ihn Rig erneut.

»Und du verwandelst dich in einen dieser perversen, dreckigen alten Männer, Rig«, meinte er spitz.

»Ich war schon immer ein perverser alter Mann. Worauf willst du also hinaus?«

Bobby fluchte und schüttelte über Rigs lautes Gelächter den Kopf, als er sich mit dem weichen Sand abmühte, der unter seinen Schritten nachgab. »Ich werd die Gegend erkunden.« Im Schatten. »Bis später«, warf er Rig über die Schulter zu und steuerte eine Baumreihe an.

Die Gegend direkt am Strand bestand aus zu vielen Büschen und Gestrüpp, als dass man es einen Wald nennen konnte, doch gab es auch ein paar Pinien, Palmen und eine Art Weiden, von denen lange Stränge aus Moos herabhingen. Zwischen den Büschen war durch den festgetretenen Sand und Dreck ein deutlich definierter Trampelpfad entstanden, der ihm das Gehen erleichterte. Es war noch immer unmenschlich heiß, doch der Schatten bot durchaus ein gewisses Maß an Erleichterung.

Je weiter er auf dem Pfad vorankam, desto irritierter wurde er. Weggeworfene Kondomverpackungen, leere Bierdosen und anderer Müll übersäten den Boden – ein Beweis dafür, dass die Gegend ein beliebter Treffpunkt war. Er hatte nichts gegen einen Gelegenheitsfick, aber Gott, mussten sie solche Schweine sein? Schwerfällig ließ er sich auf einem umgestürzten Baum nieder, stieß ein frustriertes Seufzen aus und wischte sich über das Gesicht. Wütend kickte er eine leere Bierflasche beiseite und sah sie finster an, so als wäre sie der Grund für seine schlechte Stimmung. Sie zersprang an einem Stein. Zurzeit schien ihn einfach alles zu ärgern.

Bobby, geboren als Robert Alcott, war ein eigensinniges Kind gewesen, ein Anführer. Verdammt, er hatte sogar die Führung seiner Kindergartengruppe übernommen. In seinem ganzen Leben hatte er immer die Kontrolle gehabt. Er ging darin auf, die Verantwortung und das Sagen zu haben, war gut darin, über andere zu bestimmen, zu wissen, was sie brauchten, und darin, ihren Bedürfnissen nachzukommen. Ein Dom zu sein, war so tief in seinen Genen verwurzelt, dass er ohne eine Lebensaufgabe, ohne jemanden, den er kontrollieren, umsorgen und lieben konnte, den Verstand verlieren würde.

Jetzt war das Folsom weg. Der Club, den er vor Jahrzehnten eröffnet hatte, war an jüngere, innovativere Köpfe und in die wirklich zuverlässigen Hände von Blake und Ty übergeben worden. Bobbys ganzes Leben hatte sich um diesen Ort gedreht. Dort hatte er Rig kennengelernt, und er liebte den Mann ohne Frage. Doch Rig, der selbst ein aggressiver Dom war, brauchte Bobby nicht auf die Weise, auf die ihn ein Sub brauchte. Bobby brauchte eine neue Aufgabe, verdammt! Dieses Leben aus Urlauben, Ruhestand und langweiligen Tagen… Er war erst fünfzig, zum Teufel noch mal, keine achtzig!

Bobby schloss die Augen und atmete mehrmals tief durch. Er lauschte dem einschläfernden Geräusch der Wellen des Golfs in der Ferne, dem Schrei einer Möwe, doch sein Magen war noch immer aufgewühlt und sein Puls ging ein wenig zu schnell, da seine unruhigen Gedanken nicht aufhörten zu kreisen. Er hätte keine Zeit mehr im Folsom verbringen können, zumindest nicht in dem Zustand, in dem er gewesen war. Was er brauchte, was er und Rig brauchten, war ein Sub. Nicht nur ein Junge, mit dem sie für eine Nacht spielen konnten, einer, der sie kurzweilig unterhielt – denn diese gab es wie Sand am Meer. Nein, er musste sich darauf konzentrieren, das Drittel zu finden, das ihn und Rig vollständig machen würde.

Als ihm die Wahrheit darin bewusst wurde, öffnete Bobby die Augen und starrte das Blattwerk über seinem Kopf an, das leicht hin und her wog, während das satte Grün vom blassblauen Himmel hervorgehoben wurde. In der Ferne konnte er das dunklere Blau des Wassers erkennen. Ruhe überkam ihn, als er die wunderschöne Landschaft betrachtete. Er wusste, was er zu tun hatte. Sobald sie nach New York zurückgekehrt waren, würden er und Rig ihre Suche nach dem perfekten Mann verstärken, um sie zu vervollständigen.

Nachdem er die Glassplitter vorsichtig aufgesammelt und in sein Handtuch gewickelt hatte, folgte Bobby weiter dem Pfad. Als er durch eine hohe Wand aus Büschen trat, öffnete sich die Landschaft vor ihm und zu seiner Linken führte eine Treppe aus weißen Holzstufen einen Hügel hinauf zu einem kleinen, weißen Bungalow mit hellblauen Fensterläden. Jeder, der aus dem großen Panoramafenster sehen würde, hätte einen atemberaubenden Blick auf den Golf.

Eine Bewegung neben einem kleinen Orangenbaum erregte Bobbys Aufmerksamkeit. Ein kniender Mann, der ein weißes Tanktop und blaue Shorts trug, prüfte kurz die Orange, die er in der Hand hielt, bevor er sie in einen Korb legte und die Hand nach der nächsten ausstreckte.

Als Bobby den Schatten der Bäume widerwillig verließ, blendete ihn die strahlende Sonne und er musste blinzeln. Er erklomm die Stufen, da er ebenso gut auf nachbarschaftlich machen und Hallo sagen konnte.

Als er näher kam, hatte Bobby einen besseren Blick auf den jungen Mann. Trotz der knienden Position konnte Bobby sagen, dass er zwar schlank, die Muskeln seiner Oberschenkel und Arme dennoch wohl definiert waren. Er schien Anfang zwanzig zu sein. Sein dunkles, kastanienbraunes Haar war kurz geschnitten, seine Wangen ordentlich rasiert und seine Haut hatte einen tiefen olivfarbenen Ton. Die Farbe seiner Augen konnte Bobby nicht richtig erkennen, doch sie waren dunkel, möglicherweise braun, obwohl es durch die dunklen Ringe unter ihnen schwer zu sagen war. Im Profil hatte er eine lange, schmale Nase und seine Lippen waren voll und luden zum Küssen ein. Er war absolut umwerfend.

Ein warmer Funke der Anziehung und des Verlangens entzündete sich in Bobbys Unterleib. Er schob seine Begierde beiseite und gab sein Möglichstes, sie unter Kontrolle zu halten – trotz des leisen Neidgefühls, das sich in seinem Inneren ausbreitete, als er die letzten paar Stufen zu dem Mann hinaufstieg. Irgendein glücklicher Mistkerl hatte diesen wunderschönen Jungen bereits für sich beansprucht, wie das dünne Lederhalsband, das er trug, bewies.

»Hi«, sagte Bobby heiter und winkte. »Ich wohne –«

»Oh«, schrie der Mann auf, sobald er Bobby bemerkte. Seine braunen Augen – er hatte recht gehabt, genau genommen waren sie braun wie geschmolzene Schokolade – weiteten sich erschrocken, als er zurück auf seine Hände fiel und davonkrabbelte, dabei den Korb umstieß und die Orangen verstreute.

In diesen braunen Augen stand mehr als nur Furcht. »Tut mir leid. Ich wollte dich nicht erschrecken«, sagte er bedauernd und streckte eine Hand aus, um dem Mann auf die Beine zu helfen.

Der Fremde ignorierte Bobbys dargebotene Hand, kam auf die Füße und rannte wie ein Wahnsinniger ins Haus, bevor er die Tür hinter sich zuschlug.

Verdutzt stand Bobby noch immer an Ort und Stelle, lange nachdem der Mann im Inneren verschwunden war. »Was zum Teufel?«, murmelte er. Instinktiv wollte er dem Mann folgen, gegen die Tür schlagen und verlangen zu wissen, was zur Hölle hier vor sich ging. Da war etwas an der Situation, das ihm zusetzte. Für einen so jungen Mann trug er viel zu viel Traurigkeit mit sich herum – und diese irrationale Furcht. Bobby fragte sich, ob der Dom des Mannes ihn eventuell missbrauchte. Jedoch hatte er keinen einzigen Bluterguss gesehen und Bobby war der Eindringling.

Während er überlegte, was er tun sollte, starrte er weiterhin das Haus an. Nach einer kleinen Ewigkeit seufzte Bobby resigniert. Er sammelte die Orangen ein, legte sie zurück in den Korb und stellte diesen neben die Eingangstür. Er hatte den leisen Verdacht, dass er beobachtet wurde, doch als er zum Fenster blickte, war niemand zu sehen.

Rig und er würden eine weitere Woche in der Stadt sein. Er nahm sich vor, wieder vorbeizukommen und die Augen offen zu halten, um dann zu entscheiden, ob und, wenn ja, was er wegen des traurigen Mannes mit den braunen Augen unternehmen sollte.

Kapitel 2

»So ist es richtig. Konzentrier dich einfach auf meine Stimme und meine Atmung«, murmelte Gregory.

Mason holte zittrig Luft, hielt den Atem kurz an, bevor er ihn langsam ausstieß und dann erneut einatmete.

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