Gummimann legt los - Tino Keller - E-Book

Gummimann legt los E-Book

Tino Keller

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Beschreibung

Ein Buch, das aus vier Geschichten besteht. Ein eigenartiges Preisausschreiben in Leukerbad, ein gestohlener goldiger Falke, der in Israel auftaucht, verschwundenes Gold in Fort Knox und ein entführter Junge in der Disney World in Orlando. Vier Geschichten, mit viel Humor und Spannung. Man macht eine kleine Weltreise durch Städte und Gebiete, die manchmal nur in der Fantasie vorhanden sind.

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Detektiv Gummimann ist eigentlich nicht meine Erfindung. Als ich im Alter von Zehn Jahren in das Pfingstlager der Wölfli ging, das ist die jüngste Stufe der Pfadfinder, erzählten damals die Leiter am bend vor dem Einschlafen eine Gummimann Geschichte. Sie handelte von Fort Knox und ein bisschen kann man sie in «In geheimer Mission» wiederfinden. Die Geschichte gefiel mir, gerade Gummimann mit seinen Fähigkeiten sich gross und klein, dick und dünn zu machen imponierte mir. Lange vergass ich sie wieder, aber als ich selbst mit Kindern zu tun hatte, begann ich denen Geschichten von ihm zu erzählen. Ich erfand Hunderte, kann mich aber nur noch an wenige erinnern. Viele waren vielleicht nicht so gut, aber die Grundidee machte das Erzählen spannend. Oft in den Ferienlagern gab es einen oder zwei Abende mit Gummimann. Wie die Geschichte ging wusste ich meist am Anfang nicht, ich entwickelte sie beim Erzählen und das war nicht immer einfach. Als ich mit der Jugendarbeit aufhörte, hörte ich auch mit dem Erzählen auf, bis dann 2011 Sandie und Christoph, Bekannte von mir, heirateten. Die Braut wünschte sich von mir eine solche Geschichte in geschriebener Form und machte das zur Bedingung für meine Teilnahme an der Hochzeit. Das Schreiben fiel mir schwer, beim Erzählen konnte ich Wiederholungen in den Sätzen machen, konnte Fehler im Ablauf durch geschicktes Erklären ausbessern und auch unlogische Sachen wurden problemlos akzeptiert. Beim Schreiben ging das nicht mehr, da musste alles stimmen, die Menschen und die Situationen mussten genau beschrieben werden, auch durften keine Fehler im Ablauf auftreten, keine Unstimmigkeiten in der Handlung, Orte mussten immer gleich sein, oder Änderungen müssen logisch erklärt werden. Die Geschichte die ich für die Hochzeit schrieb war «Der Arabische Falke». Liest man diese Geschichte, dann merkt man, schreiben ist nicht einfach, aber es ist spannend. Langsam habe ich mehr Übung, so gut wie grosse Autoren werde ich nie, aber ich glaube, ich habe mich etwas gesteigert. 

Dann gibt es die Sache mit der Rechtschreibung, kompetente Leute haben die Texte mehrfach durchgearbeitet, auch Microsoft und Apple haben sich bemüht – wobei Apple auch einige Schlimmbesserungen vorgenommen hatte – trotzdem findet man beim Durchlesen weitere Fehler. Schlimm sind die Kommas, die Punkte und die Anführung- und Schlusszeichen, die machen einem das Leben schwer, ohne sie ist der Text unverständlich und mit ihnen, ist er schwierig. Da keine professionellen Korrektoren sich den Texten bemächtigten, wird noch einiges zu finden sein. Nun damit kann und muss ich leben. Viel Vergnügen beim Lesen.

 

Tino Therwil, Oktober 2014

 

Detektiv Gummimann

legt los mit vier

Geschichten

 

Das Preisausschreiben

Die erste Gummimann Geschichte,

Ich habe sie etwas angepasst.

Seite 5

 

Der Arabische Falke

Besten Dank an Sandie und Christoph,

für die Einladung zu ihrer Hochzeit!Dem Wunsch der Braut entsprechend, habe ich diese Geschichte geschrieben.

 

Besten Dank an meine Schwester Gabi,

sie versuchte meine Geschichte in vernünftiges

Deutsch zu verwandeln!

Seite 25

 

In geheimer Mission

Besten Dank an meine Schwester Gabi,

sie versuchte meine Geschichte in vernünftiges

Deutsch zu verwandeln und half die Spannung zu erhöhen!

Seite 59

 

Es geschah bei Micky

Besten Dank an Nathalie Studer,

für das Korrigieren.

Sie gab mir oft gute Hinweise!

Seite 129

 

 

Das
Preisausschreiben

 

Der Morgen nach einer anstrengenden Woche

Nach einer erfrischenden Dusche und einem guten Morgenessen kam der kleine Höhepunkt des Tages, das Postholen. Detektiv Gummimann freute sich immer besonders darauf, da oft neue Aufträge dabei waren. Es läutete an der Haustüre und wie er schon gedacht hatte, war es der Briefträger.

»Hallo Herr Gummimann. Ich habe einen Brief für Sie. Sie müssen dafür hier unterschreiben«, Der Briefträger hielt ihm den Block zum Unterschreiben hin.

Gummimann drehte den Brief ein paar Mal um und schüttelte den Kopf »Was das wohl sein mag? Ich erwarte nichts.« Er unterschrieb und nahm auch noch die restliche Post in Empfang.

Firma Sauberwasser? Kenn ich nicht, dachte Gummimann, was wollen die von mir? Vielleicht ein neuer Auftrag, aber eingeschrieben, seltsam, bin ja mal gespannt.

Er öffnete den Umschlag und begann zu lesen:

Sehr geehrter Herr Gummimann, Sie haben den ersten Preis in unserem Preisausschreiben gewonnen!

Detektiv Gummimann schüttelte den Kopf. Er mochte sich nicht daran erinnern, jemals an einem Preisausschreiben der Firma Sauberwasser & Co. teilgenommen zu haben. Aber er vermutete, dass jemand anderes es auf seinen Namen eingereicht hatte. Er las weiter:

Wir gratulieren Ihnen dazu ganz herzlich! Der Preis besteht aus einer Woche Ferien im Viersterne-Hotel Quellenhof in Leukerbad. Unser Vorschlag für Ihren Aufenthalt wäre Samstag, 6. August. Sollte Sie verhindert sein, werden wir natürlich einen anderen Termin für Sie finden. In diesem Preis ist alles inbegriffen; Halbpension, eine Suite der Luxusklasse und natürlich die Gratisbenützung unserer Wellness- und Fitnesseinrichtungen, sowie aller Bergbahnen und Busse. Bitte kontaktieren Sie uns so bald als möglich unter der untenstehenden Nummer, und wir werden alles für Sie arrangieren.

Mit freundlichen Grüssen, Ihre Firma Sauberwasser & Co.

»Das klingt nicht schlecht«, sagte er leise zu sich, und da im Moment keine neuen Aufträge vorhanden waren und er eine Erholung brauchen konnte, kam ihm das gerade recht.

Er wählte die aufgeführte Telefonnummer und der Portier des Hotels nahm den Anruf entgegen. »Hotel Quellenhof, Grüss Gott.«

»Detektiv Gummimann. Ich habe, so wie es scheint, den ersten Preis in einem Preisausschreiben gewonnen, eine Woche Ferien in eurem Hotel, und ich wollte mitteilen, dass ich morgen kommen werde, das ist das vorgeschlagene Datum.«

»Hallo Herr Gummimann. Wir haben Ihren Anruf erwartet. Es wird morgen alles für Sie bereit sein. Wir freuen uns, Sie als unseren Gast begrüssen zu dürfen. Sollen wir Sie vom Busbahnhof abholen oder kommen sie mit ihrem Privatauto?«

»Ich komme mit meinem Privatauto. Es ist also wirklich wahr, kaum zu glauben!«

»Aber sicher. Bitte kommen Sie am Morgen, es herrscht sonst allgemeines Fahrverbot in Leukerbad. Vielen Dank und wir freuen uns auf ihren Besuch.«

Gummimann musste zuerst einmal tief durchatmen. Dann verschwand er in seinem Schlafzimmer, suchte Kleider und was man sonst noch für Ferien brauchte zusammen und freute sich über diese unerwartete Überraschung.

 

Der Quellenhof in Leukerbad

Der Quellenhof war ein sehr modernes erstklasse Hotel mit einem grossen Wellnessbereich, das am Rande von Leukerbad und trotzdem in der Nähe des Zentrums lag. Das Wetter spielte mit. Es war wolkenlos, nicht zu heiss, geradezu perfekt für schöne Wandertouren. Noch immer war Gummimann etwas misstrauisch, ihm ging die Sache zu schnell, zu perfekt, aber wenn etwas faul sein würde, konnte er jederzeit die Heimreise antreten. Er stellte sein Auto vor dem Hotel ab und wurde schon an der Eingangstüre von einem Portier empfangen.

»Detektiv Gummimann? Es freut uns sehr, dass wir Sie hier begrüssen dürfen«, der Portier nahm ihm sein Gepäck ab und führte ihn an den Empfang.

»Wir freuen uns auf Ihren Besuch«, meinte die junge, blonde Dame am Empfang und Gummimann glaubte ein Augenzwinkern zu erkennen. »Wir haben alles für Sie vorbereitet. Sie müssen noch die Anmeldung ausfüllen, dann wird Sie Fredrik in Ihr Zimmer begleiten. Ach ja, ich habe einen Brief für Sie. Sie scheinen sehr bekannt zu sein.«

»Für mich, einen Brief?« Gummimann stutzte, nur die Leute vom Hotel wussten von seinen Ferien. Irgendetwas war hier faul, irgendetwas stimmte hier nicht. Er füllte die verschiedenen Zettel aus, dann nahm Frederik sein Gepäck und führte ihn in seine Suite. Das Zimmer war überwältigend, gross, hell, mit einem grossen Balkon, einem riesigen Badezimmer mit Badewanne und Duschkabine, doch Gummimann konnte kein Bett finden. Frederik lächelte höflich und zeigte ihm das Schlafzimmer mit einem zweiten Fernseher und einem weiteren Balkon. Gummimann hatte vor lauter Staunen Mühe, den Mund wieder schliessen zu können. Sein letztes Hotelzimmer hatte eine eigene Toilette, die man mit der Duschbrause spülen musste und ein Fenster, das nicht aufgemacht werden konnte, aber einen schönen Anblick auf den Innenhof bot, und hier der Blick ins Tal und Richtung Gemmi. Er war überwältigt, bedankte sich bei Fredrik, der ihm noch nebenbei die Klimaanlage erklärte und warf sich auf das Doppelbett. Er konnte es noch immer nicht fassen, Haken hin oder her, es war super. Der Brief, den erbeinahe vergessen hatte, lag auf dem Tisch im Aufenthaltsraum. Er öffnete ihn vorsichtig - man wusste ja nie - und er begann zu lesen:

 

Lieber Herr Gummimann,

Es würde mich sehr freuen, Sie morgen um 14.00 Uhr beim Adlerfelsen zu treffen. Es ist sehr wichtig, dass Sie den genauen Zeitpunkt einhalten. Ich freue mich auf das Treffen

Freundlichst Ihr …

 

Die Unterschrift konnte er nicht lesen.

Detektiv Gummimann grübelte, wer könnte das sein? Warum gerade bei diesem Adlerfelsen? Warum nicht in einer Beiz irgendwo in Leukerbad? Was kann dieser Typ, dessen Namen ich nicht lesen kann, wohl von mir wollen? Die Sache wird langsam spannend, beinahe unheimlich.

 

Gummimann rappelte sich hoch und ging zurück zum Empfang. Er musste wissen, wie er morgen diesen Adlerfelsen finden konnte. Die hübsche Dame am Empfang lächelte ihn an, konnte ihm aber nicht weiterhelfen, doch sie gab Gummimann die Telefonnummer eines Bergführers, der sich in dieser Gegend perfekt auskannte.

»Herr Gummimann«, sagte dieser am Telefon, als ob er dessen Anruf erwartet hätte, »Ich habe von Ihnen gehört. Sie haben den ersten Preis im Sauberwasser Wettbewerb gewonnen. Nicht schlecht! Warum passiert mir das nie? Wie kann ich ihnen helfen?«

»Ja, Hallo Herr, äh, ich habe Ihren Namen nicht verstanden«,

»Wie ungeschickt von mir, ich habe mich gar nicht vorgestellt, ich heisse Johnny Katzenwedel, aber für sie nur Johnny. Womit kann ich Ihnen behilflich sein? Ein neuer Fall, eine Verfolgungsjagd, wollen Sie in unseren Untergrund? Hier bei uns gibt es aber nur Ratten, ha ha ha«, er lachte und lachte und konnte sich beinahe nicht mehr beruhigen. »Sorry, ich höre«.

»Eigentlich möchte ich morgen einen Ausflug zum Adlerfelsen unternehmen und ich wollte Sie fragen, wie ich dort hinkomme, auch sollte ich wissen wie lange man dazu braucht«.

»Zum Adlerfelsen, ja, das ist eher etwas schwieriger. Das Beste ist, ich führe Sie dorthin. Für Sie mache ich das natürlich gratis. Eine Stunde brauchen wir schon. Wann soll es losgehen?«

»Das ist toll! Vielen Dank, wäre es Ihnen morgen um 13.00 Uhr recht?«

»Gepongt, geht klar. Um 13.00 Uhr hole ich Sie im Quellenhof ab. Ich freue mich, es wird spannend. Gut Schuhe würde ich Ihnen empfehlen, vielleicht einen Regenschutz, damit hat es sich dann auch, den Rest nehme ich mit.«

Das Misstrauen wuchs bei Gummimann. Alle scheinen zu wissen, dass ich hier bin. Alles scheint vorbereitet zu sein. Was ist bloss faul an dieser Sache? Oder spricht sich das einfach sehr schnell rum in diesem kleinen Dorf? Obwohl, so klein war es nun auch wieder nicht.

Er setzte sich auf seinen Balkon und genoss die Aussicht und das schöne Wetter, vielleicht würde er noch das Wellnessbad besuchen, vielleicht noch in die Sauna, mal sehen.

 

Der Adlerfelsen

Katzenwedel oder besser Johnny, wartete pünktlich um 13.00 Uhr am Empfang.

Gummimann wurde von ihm überschwänglich begrüsst. »Herr Gummimann, so habe ich sie mir vorgestellt! Ist das jetzt Ihre richtige Grösse oder sind Sie meistens so klein, dass Sie den Damen unter den… na ja, Sie wissen schon, schauen können?«

»Ja Johnny, es ist meine richtige Grösse«, fuhr ihm Gummimann schon leicht genervt ins Wort, »Wollen wir uns auf den Weg machen?«

»Klar, keine Sache, auf geht’s, ab in die Berge, mit Johnny Katzenwedel«.

Dann ging die Wanderung los. Johnny wurde nicht müde Gummimann zu erzählen, mit wem er welche Wanderung unternommen hatte, welche Damen ihm wie gedankt hatten, welchen Gefahren er schon ausgesetzt war, welche Abenteuer er im Himalaya Gebiet erlebt hatte und wie stolz er wäre mit einem so berühmten Detektiv unterwegs zu sein. Gummimann schwieg die meiste Zeit, er hatte auch kaum die Möglichkeit zu Wort zu kommen. Der Weg begann direkt hinter dem Hotel steil durch den Wald, dann führte er wieder Richtung Tal, wieder hinauf, um den Berg herum, dann wieder herunter, dann an einem Fluss entlang, wieder zurück zum Tal und endete in einem dichten Wald an einem Felsen. Gummimann hätte schwören können, dass sie einige Orte mehrmals passiert hatten, aber sicher war er sich nicht. Er glaubte auch noch den Lärm der Strasse zu hören, aber das war vielleicht nur Einbildung.

»Wir haben es geschafft, Herr Gummimann. Ich hoffe, es war nicht zu anstrengend«, Johnny lachte, »Hier ist also der berühmte Adlerfelsen. Der obere Teil sieht aus wie der Kopf eines Adlers. Ob das allerdings der Grund für den Namen ist, weiss ich nicht mit Sicherheit. Manche meinen auch, dass dort einmal ein besonders grosser Adler seinen Horst hatte. Wie auch immer. Wir sind angekommen.«

Trotz seinem guten körperlichen Zustand - machte er doch viel Sport und liebte das Schwimmen - kam Gummimann ziemlich ins Schwitzen. »Wir sind genau zur richtigen Zeit angekommen, in fünf Minuten ist es 14.00 Uhr. Ich habe dann hier mit jemandem abgemacht. Vielen Dank Johnny für die tolle, unterhaltsame Führung«.

»Keine Ursache. Johnny fragen, nicht verzagen. Soll ich noch warten, können sie den Weg zurück wiederfinden?«

»Ich glaube schon. Ich habe einen guten Orientierungssinn, das wird schon gehen«.

»Ja, dann werde ich mich wohl wieder auf den Heimweg machen. Ich wünsche Ihnen noch viel Spass und Sie wissen ja, um den Heimweg zu finden immer der Nase nachgehen, ha ha ha…« Katzenwedel hatte wieder einen seiner Lachanfälle. Gummimann war froh ihn los zu sein, er konnte sein Lachen noch lange durch den Wald hören.

Da war er nun genau um 14.00 Uhr vor dem Adlerfelsen. Katzenwedel war verstummt und um ihn herum war nur die beruhigende Wirkung des Waldes. Ein paar Spechte hämmerten, ein Vogel, vielleicht sogar ein Adler, kreischte, der Wind liess die Blätter rauschen, ein Bächlein plätscherte leise talabwärts, aber ansonsten war es still. Gummimann betrachtete die etwa fünfzig Meter hohe, sehr steile Felswand, die an einer Stelle entfernt an einen Adlerkopf erinnerte. Er wartete, doch nichts passierte.

Sollte der Brief vielleicht doch ein Scherz gewesen sein?

Er schaute talabwärts, wurde langsam ungeduldig, schon fast etwas ärgerlich, als ihn ein Geräusch hinter sich aufschrecken und sofort umdrehen liess. Im ersten Moment konnte er nichts entdecken, doch das Geräusch wurde lauter. Plötzlich öffnete sich in der praktisch kahlen Felswand ein Spalt, der sich kreischend vergrösserte, bis er zu einem grossen Höhleneingang heranwuchs. Gummimann wartete, ob jemand aus der Öffnung heraustreten würde, aber es bewegte sich nichts.

Er ging vorsichtig auf den Eingang zu, »Hallo, ist da jemand?« Er schaute hinein, da war ein schmaler, leicht beleuchteter Gang, der tiefer in den Berg hineinführte. »Hallo, wer da? Ist da jemand? Hallo!«, Nichts, nur ein kleines Licht brannte. Nach einiger Zeit fasste er den Mut und betrat die Höhle. Vielleicht wurde er ja drinnen erwartet? »Hallo«, rief er nochmals, aber niemand antwortete. Seine Augen mussten sich zuerst an das schwächere Licht gewöhnen, aber schon bald konnte er den Weg besser erkennen. Nachdem er vielleicht zwei oder drei Meter gegangen war, schloss sich der Felsendröhnend hinter ihm, erschrocken wirbelte er herum. Da es jetzt nur noch die schwache Beleuchtung gab, konnte er im ersten Augenblick kaum noch etwas sehen, doch nach ein paar Minuten konnte er wieder Einzelheiten erkennen und er beruhigte sich langsam wieder. Schnell ging er zum Eingang zurück, wo er einen Griff entdeckte, der sich zwar drehen liess, aber nichts bewegte. Er drückte mit aller Kraft gegen das schwere Steintor, doch es rührte sich nichts, er war gefangen.

Er setzte sich auf einen Stein, um einen klaren Gedanken zu fassen und zu überlegen, was zu tun sei. Ist das der Haken an der Sache? Will mich jemand aus dem Verkehr ziehen? Soll ich um Hilfe schreien? Warum wollte man mich in diese Höhle locken? Fragen über Fragen, er schüttelte den Kopf.

Aber Gummimann wäre nicht Gummimann, wenn es ihn nicht gereizt hätte weiter in das Innere des Berges zu gehen, jemand lockte ihn hierher und er wollte ihn nicht enttäuschen. Er sah in die Tiefe, der Gang machte einen weiten Bogen und verschwand dann aus seinem Sichtfeld. Vorsichtig folgte er dem Lauf der Höhle. Zuerst ging es nur wenig bergab, dann steiler, doch bald wurde der Weg wieder eben. Alle paar Meter gab es Licht, aber er konnte nicht genau erkennen von wo das Leuchten kam. Im Moment war das auch egal, Hauptsache es war hell. Nach etwa zehn Minuten bemerkte Gummimann, dass seine Füsse nass wurden. Er wollte wieder zurück, aber da schloss sich eine Türe, die er vorher nicht gesehen hatte und versperrte ihm den Rückweg. Ihm war richtig mulmig zumute, denn überall aus der Wand begann nun Wasser zu fliessen und schnell zu steigen. Es gab kein Weg mehr zurück, also musste er weiter in den Berg hinein in der Hoffnung, dass es dort eine höhere Stelle gab, wo er sich in Sicherheit bringen konnte. Er watete durch das Wasser. Der Weg stieg leicht an und es wurde etwas weniger tief, doch nicht lange und das Wasser reichte ihm bis zur Brust. Immer schneller stieg der Wasserpegel, nun musste er schwimmen und die einzige Fluchtmöglichkeit war nach vorne weiter in den Berg hinein. Doch das Wasser kam aus allen Richtungen und machte das Schwimmen fast unmöglich. Mit Aufgebot seiner ganzen Kräfte erreichte er einen etwas höher gelegenen Hohlraum, aber noch reichte ihm das Wasser bis zum Bauch und es stieg und stieg. Zu seinem Entsetzen hörte er das Geräusch einer sich schliessenden Türe. Dieser Ort war Endstation, es gab keinen Weg der weiter führte. Er tastete die Wände ab. Vielleicht gab es ja eine verborgene Türe oder eine andere Öffnungsmöglichkeit, doch er konnte nichts finden. Detektiv Gummimann begann im Kreis zu schwimmen. Das Wasser stieg höher und höher und bald berührte er mit dem Kopf die Decke. Verzweiflung kam auf, er konnte doch nicht einfach in einer Höhleertrinken! Er machte sich kleiner, presste seinen Mund an die Decke und hatte damit wieder etwas Luft und Zeit. Doch nicht lange, das Wasser stieg erbarmungslos weiter, und er machte sich nun so klein wie möglich, fand einen Spalt in der Decke, wo er noch atmen konnte, aber kurze Zeit später drängte auch hier das Wasser herein. Seine Schreie blieben ihm in der Kehle stecken, doch selbst wenn er geschrien hätte, niemand hätte ihn gehört. Gummimann nahm einen letzten Atemzug und tauchte unter. Das Wasser war nun beinahe überall bündig mit der Höhlendecke. Da entdeckte er in der Decke eine helle Stelle. Es war nicht das Licht der Höhle, es hatte eine andere Farbe. Mit letzter Kraft erreichte er sie und entdeckte eine Öffnung. Ein Gitter versperrte den Ausstieg, doch dieses liess sich problemlos wegschieben und er konnte hindurch klettern und seine Lungen füllen.

 

Starkes Licht von Neonlampen blendete ihn. Er befand sich in einer Halle, vielleicht dreissig Meter lang und zwanzig Meter breit und zehn Meter hoch. Auf der rechten Seite standen grosse Maschinen, deren Zweck er im ersten Moment nicht erkennen konnte. Auf der linken Seite waren blinde Fenster, die von hinten beleuchtet waren. Er kletterte aus dem Wasser auf den Betonboden, atmete tief durch und sah sich um. Alles war sauber, das Licht brannte, vor kurzem musste hier jemand gewesen sein.

»Hallo, ist da jemand?« Keine Antwort, »Hallo?«, er schrie so laut er konnte. Als er sich die erste Maschine genauer ansah, erkannte er, dass es eine grosse Spezialdruckmaschine war, die oft für den Druck von Banknoten benutzt wird. Auch gab es da noch Schneidemaschinen und grosse Papierrollen mit dem offiziellen Wasserzeichen und auf einem Tisch noch einige Druckzylinder für Hunderternoten der Schweiz, die seine Annahme bestätigten. Detektiv Gummimann begann sich die Sache genauer anzusehen. Das war interessant. Langsam durchschritt er die Halle, bis er kurz vor einer kleinen Treppe, die zu einer Türe führte, Halt machte, sich nochmals umsah und nach oben stieg. Er versuchte vergebens die Türe zu öffnen. Wenigstens war er im Moment in Sicherheit. Plötzlich knallte es, neben ihm splitterte die Wand, jemand hatte auf ihn geschossen. Mit ein paar grossen Schritten war er wieder am Boden und versteckte sich voller Panik hinter dem nächsten Maschinenblock. Ein weiterer Schuss schlug direkt neben ihm in den Boden. Er hechtete zur Seite. Dann folgte wieder ein Schuss, diesmal von der anderen Seite. Geduckt rannte er zur nächsten Druckmaschine. Von rechts ein weiterer Schuss, dann einer von oben von den Fensterscheiben und dann wieder einer von links. Alle Schüsse schlugen knapp neben ihm in die Maschinen oder in die Wand. Gummimann begann sich kleiner zu machen und versteckte sich unter einem der Blöcke, was nur bei zweien möglich war. Doch auch wurde es gefährlich und er musste weiter flüchten, sich zu verstecken war unmöglich. Er kletterte auf den nächsten Maschinenblock, aber die Schüsse kamen wieder gezielt in seine Richtung. Wie eine Maus sauste er hin und her, machte sich manchmal etwas grösser, um schneller zu rennen, dann wieder etwas kleiner, um ein schlechteres Ziel abzugeben. Die Schüsse trafen nicht, aber sie kamen ihm nahe, sehr nahe. Sie zischten an seinen Ohren vorbei, schlugen ein paar Zentimeter vor ihm in den Boden oder prallten vom Eisen der Druckmaschinen ab. Er rannte so schnell er konnte, nirgends war er sicher. Die Schüsse knatterten wild durch die Luft. Es blieb nur noch eine Fluchtmöglichkeit offen, zurück in sein Wasserloch. Mit einem Kopfsprung rettete er sich mausklein machend ins Wasser. Kaum war er drinnen, schob sich eine Eisenplatte über seinen Kopf und verschloss den Weg zurück in die Halle.

Da war er nun wieder in seinem Wasserloch. Er war noch immer klein, noch erreichte das Wasser nicht den Eisenverschluss, und Gummimann begann wieder zu schwimmen. Doch zu seiner Überraschung begann das Wasser zu sinken, zuerst langsam, doch dann immer schneller. Er konnte sich etwas entspannen. Als er tropfnass am Boden stand, hörte er ein Geräusch, ein Teil der Wand schob sich auf die Seite und machte ihm den Weg in einen weiteren Gang frei. Dieser war gut beleuchtet, aber nicht sehr hoch. Da er sich wieder grösser gemacht hatte, musste er sich der Öffnung anpassen damit er nicht kriechen musste und schlüpfte hinein. Die Höhle wurde immer enger. Gummimann musste sich andauernd anpassen und sich immer kleiner machen. Der Weg endete bei einem Rohr, das steil nach oben führte. Es war rund und die Wände waren glitschig. Es gab keine Möglichkeit sich festzuhalten. Er versuchte sich etwas grösser zu machen, um sich in der Rohrwand einzuklemmen und so nach oben zu wippen, aber alle seine Versuche schlugen fehl. Am Ende des Rohres war ein Gitter zu sehen und Gummimann machte sich so dünn und so gross wie möglich. Er hasste das, er hatte immer das Gefühl dabei eine schlechte Figur abzugeben, im wahrsten Sinne des Wortes, der Strich im Zimmer. Auch war es anstrengend, lange konnte er sich in dieser Grösse nicht halten, aber es gelang ihm das Gitter zu erreichen. Er hielt sich daran fest, machte sich mausklein und konnte sich so nach oben ziehen und durch das Gitter zwängen. Kaum hatte er es geschafft, schob sich ein engmaschigeres Gitter unter das grobe Gitter. Da er schon in Mausgrösse die Decke berührte, konnte er sich nicht viel grösser machen. Er konnte nicht ganz begreifen was der Sinn dieser Gitter war, das Ganze war wie ein Käfig nur, dass die Gitter nicht seitlich sondern unterhalb angebracht waren. Das schwach beleuchtete Gefängnis hatte die Grösse von ungefähr vier Schuhschachteln seiner Schuhgrösse. Die Wände und die Decke waren grob und unbearbeitet, viele Steine lagen herum, ein unangenehmer Geruch hing in der Luft und rundete das eigenartige Bild ab. Es passte irgendwie nicht zu den sauberen Gängen, die ihn hierher leiteten. Er suchte sofort nach einem Ausgang, doch noch war nichts zu finden. Es gab aber verschlossene Tore, die in den Wänden eingelassen waren, die sich auch mit aller Kraft nicht öffnen liessen.

Doch jetzt sah er, wie die Türen langsam aufgingen und freute sich, dass seine Odyssee weiterging.

Ein Quiz! Hinter welchem Tor ist der Hauptpreis? Welches der vier Tore soll ich wählen? Das rechts scheint das Beste zu sein.

Doch seine Freude trübte sich schlagartig. Aus dem Tor erschien eine grosse Vogelspinne. Sie schien wirklich Lust auf Mäuse zu haben und seine Grösse war nicht gerade das, was die Spinne in die Flucht getrieben hätte. Er schaute sich um und sah mit Entsetzen, dass aus allen Öffnungen Spinnen, Taranteln und Skorpione kamen. Sie freuten sich alle auf ein gutes Abendessen und Gummimann stand zuoberst auf ihrer Speisekarte.

Es waren sicher derer Sieben oder Acht, die auf ihn zukamen, und ihn schauderte, laut sagte er zu ihnen, »Verschwindet! Ich hasse Spinnen, ihr werdet keine Freude an mir haben. Ich stinke nach Mensch, bin nur Knochen, kaum Fleisch!«.

Er drückte sich an eine noch spinnenfreie Wand und schlich dieser entlang. Die erste Tarantel griff ihn an und er machte sich blitzartig dicker, so dass sie für einen Moment irritiert war und sich etwas zurückzog. Wieder klein versuchte er sich davonzustehlen, doch sie griff wieder an. Eine weitere Spinne kam hinzu und wollte der Tarantel die Beute streitig machen, was sich diese aber nicht gefallen liess und ein wilder Kampf begann. Gummimann nutzte diese Gelegenheit und schlich weiter die Wand entlang, wo er eine Spalte fand, in die er sich kurzzeitig in Sicherheit bringen konnte. Darin lagen viele Steine, über die er klettern musste und er konnte sich so etwas besser schützen. Auch die anderen Tiere hatten nun in den Kampf eingegriffen. Doch immer wieder wagte sich eine der Spinnen in die Nähe des Spaltes und Gummimann verkroch sich so weit wie möglich hinein. Die grösseren Tiere hatte keine Chance zu ihm durchzukommen, aber die Kleineren schon. Er bewaffnete sich mit einem grossen Stein, in Mausgrösse ist schon ein kleiner Kieselstein ein grosser Brocken, und wartete ab. Noch immer waren die Tiere mit sich selbst beschäftigt und er war sicher, doch dann fand eine kleinere Vogelspinne den Weg zu ihm. Sie quetschte sich durch den Spalt und Gummimann konnte ihre schauerlichen Augen sehen, böse blickte sie ihn an. Sie hatte ihn entdeckt! Zum Glück war er so klein, dass ihre giftigen Haare ihm nichts anhaben konnten. Er wartete bis sie unmittelbar vor ihm stand, hob den Stein und schlug ihr damit auf den Kopf. Sie fing heftig an zu zappeln und er schlug und schlug auf sie ein, bis sie leblos vor ihm lag, irgendwie aber tat sie ihm leid.

Langsam schob er das tote Tier aus dem Spalt.

Die Spinnen wollen ihr Fressen, dann sollen sie es auch bekommen. Er kicherte leise.

Mit aller Kraft warf er sie ihren Kolleginnen zum Frass vor und tatsächlich stürzten sich sofort alle auf diesen Leckerbissen. Für einen Moment war Gummimann nun uninteressant für sie, er schlich aus dem Spalt heraus und versuchte durch eines der Tore in die Freiheit zu gelangen. Noch immer trug er einen grossen Stein mit sich. Das nächste Tor, welches von den Kämpfern nicht versperrt wurde, lag rechts von ihm, doch ein grosser Skorpion hielt dort in der Nähe Wache. Dieser schien ihn lange nicht zu bemerken, drehte sich aber plötzlich in seine Richtung, kam auf ihn zu und griff ihn an.

Gummimann liess sich aber nicht beirren und ging weiter zum Tor auf den Skorpion zu, »Angriff ist die beste Verteidigung.« sagte er zu sich, »Mal sehen, ob ich ihn austricksen kann.«

Der Skorpion stellte sich ihm mit erhobenem Stachel zum Angriff, zum Töten bereit. Gummimann jedoch blieb ruhig, erhob seinen Stein und warf in knapp neben seinen Gegner, gerade so, dass dieser ihn leicht am Körper berührte. Sofort drehte sich das Tier um, stürzte sich auf seinen angeblichen Angreifer und versuchte ihn zu töten. Der Detektiv nutzte diesen Moment, flitzte sofort an ihm vorbei und verschwand hinter dessen Tor. Der Skorpion hatte wohl das Interesse an ihm verloren und folgte ihm nicht. Der Gang hinter dem Tor war sauber, leer und beleuchtet und ein weiteres Tor öffnete sich wie von Geisterhand am anderen Ende. Er rannte hindurch und sofort schloss sich dieses wieder. Er hatte es geschafft.

 

Er war erschöpft, setzte sich für einen Moment hin, aber immer bereit für eine weitere Falle. Noch war alles ruhig.

Warum diese Hinterhalte? Wer will etwas von mir? Vielleicht hängt es mit einem alten Fall zusammen? Aber man hätte mich einfacher umbringen können. Komischerweise gibt es irgendwie immer eine Möglichkeit diesen Gefahren zu entkommen. Zufall? Ich weiss es nicht, eigentlich habe ich jetzt genug von diesem Spiel. Es scheinen Aufgaben zu sein, die ich zu erfüllen habe, und ich habe, so befürchte ich, noch nicht alle erfüllt.

Er konnte sich wieder grösser machen. Das dauernde Verändern seines Körpers war sehr anstrengend und so konnte er sich etwas entspannen. Doch die Ruhe hielt nicht lange, das Geräusch eines sich öffnenden Tores brachte ihn wieder in die Wirklichkeit zurück. Ein kleiner Gang führte ihn jetzt zur seiner Linken weiter. Zuerst musste er noch kriechen und sich etwas kleiner machen, doch der Weg wurde immer grösser, bis er ihm in normaler Grösse folgen konnte. Gummimann war vorsichtig geworden, überall konnten Gefahren auf ihn lauern. Es war hell, die Lichter waren nirgends wirklich zu sehen. Manchmal waren es Teile des Gesteins, die leuchteten, dann wieder ein Licht in einem Spalt, jemand hat da einen riesigen Aufwand betrieben. Langsam wurde er ruhiger, er folgte dem Weg, der leicht abfiel, im Moment war alles friedlich. Schon nach ein paar Minuten erreichte er einen kleinen, unterirdischen See. Eine kleine Idylle, vielleicht fünfzehn Meter breit, glasklar, nur die tief von der Decke hängenden, mit Gitter geschützten, flachen LED Lampen störten den Anblick. Das Schliessen des Tores hinter ihm nahm er kaum wahr, zugleich konnte er auf der anderen Seeseite einen Felsen beobachten, der sich auf die Seite schob und ihn zum Weitergehen aufforderte. Der See war so breit, dass er schwimmen musste, um das andere Ufer zu erreichen. Gummimann zog seine Schuhe aus, warf sie über den See ans andere Ufer und stieg mit seinen restlichen Kleidern ins angenehm warme Wasser. Zuerst konnte er noch gehen, dann aber wurde es immer tiefer, und er begann zu schwimmen. Ab und zu berührte er mit seinen Füssen grössere Steine. Nach ein paar Zügen, spürte er plötzlich etwas an seinem Bein. Zuerst dachte er an eine Pflanze, doch als ihn plötzlich ein heftiger Schmerz durchzuckte, änderte er seine Meinung. Es waren Fische, aber nicht irgendwelche, es waren Piranhas. Zuerst nur zwei, drei, dann immer mehr, ein ganzer Schwarm umringte ihn. Er versuchte sie loszuwerden, indem er immer wieder seine Grösse änderte und wild um sich schlug, aber sie bissen trotzdem Löcher in seine Hosen und Socken und zerfetzten seine Jacke. Mit ungeschützten Händen wehrte er sie verzweifelt ab, doch es waren zu viele. Als er an einen Stein stiess, stieg er auf ihn, so dass er nicht mehr schwimmen musste. Trotzdem reichte ihm das Wasser noch bis zum Knie. Die Angriffe wurden heftiger, immer wieder schrie er vor Schmerzen auf und fluchte was das Zeugs hergab. Zwei Meter über ihm waren glücklicherweise diese unschönen Lampen angebracht. Er machte sich so gross wie möglich und konnte so gerade noch deren Schutzgitter, die zum Glück, dank LED, nicht heiss waren, erreichen. Er hielt sich daran fest und machte sich gleichzeitig kleiner und die Piranhas fielen ins Wasser zurück. Obwohl er jetzt einen Meter über dem See hing, versuchten ihn diese Viecher mit gezielten Sprüngen zu erreichen. Da hielt er sich nun zappelnd an einer Lampe fest und wusste nicht weiter, zurück ins Wasser war nicht möglich, zurück zum Eingang brachte nichts und das andere Ufer war noch weit.

Wie war das noch mit Tarzan und Jane? Gummimann musste trotz der unmöglichen Situation lachen. Genau, es gibt hier zwar keine Jane, aber die Lianen hängen ideal.

Er machte sich etwas grösser und begann zu schaukeln, immer mit Blicke zum Wasser, denn die Fische hatten ihn noch nicht abgeschrieben. Er schaukelte und schaukelte, bis er genug Schwung hatte, dann liess er im richtigen Moment los und flog zur nächsten Liane, das heisst zur nächsten Lampe, hielt sich daran fest und das Ganze begann von vorne.

Er stiess bei jedem Flug einen lauten Tarzanschrei aus und schrie, »Ich komme Jane, halte durch, dein Retter naht!«, und klammerte sich dann an die nächste Lampe. Spöttisch grinsend wandte er sich an die Fische: »Es gibt kein Gummimann Mittagessen heute, sucht euch anderes Fischfutter.«

So schwang er sich von einer Lampe zur anderen, bis er das rettende Ufer erreichte. Er musste sich kurz hinlegen. Er war nass, sein Körper zitterte vor Anstrengung und er blutete an den Händen, aber sonst schien es ihm gut zu gehen.

Er blickte zur Decke. »Hallo Jane«, beschwor er, »ich werde mich für den nächsten Tarzan Film bewerben«, er lachte laut.

 

Gummimann wusste, er musste weiter, der Weg war durch die Öffnung im Felsen vorgegeben. Er hatte sich beruhigt und konnte nun seinen weiteren Aufgaben in die Augen blicken. Der Weg war kurz, schon nach einigen Metern endete er in einer dunkeln Höhle. Sie war leer, relativ gross, nur wenig beleuchtet und keine Öffnung war zu sehen. Wieder das Geräusch des sich schliessenden Tors hinter seinem Rücken.

Noch wirkt alles still und friedlich, aber war das nicht bei jeder Aufgabe zuvor schon so? Vielleicht kommt jetzt ein Bär oder ein Wolf? Das wäre doch noch so eine Steigerung, dann hätte ich mich durch den halben Zoo durchgekämpft. Wer nur spielt dieses Spiel mit mir?

Vorsichtig wagte er sich weiter in die Höhle hinein, sorgfältig darauf bedacht nichts zu berühren, was für eine nächste Herausforderung hätte sorgen können. Der Boden war sauber und eben, aber durch das schwache Licht war nicht wirklich viel zu erkennen. Noch ein weiterer Schritt, alles blieb ruhig, kein Geräusch, kein sich öffnendes Tor. Er blickte nach oben.

Vielleicht Schlangen oder Vampire, überlegte er, aber da war nichts. Gummimann wagte einen weiteren Schritt hinein. Ein heftiger Knall liess ihn vor Schreck schreien, eine Feuerwand auf der ganzen Breite entstand vor ihm. Die Hitze war gross, zum Glück waren seine Kleider noch nass. Das Feuer kam immer näher, ein Ausweichen war nicht möglich. Er zog sich etwas zurück, doch bald hinderte ihn das geschlossene Tor am Weitergehen. Die Spitzen seiner Haare fingen an sich zu rollen, seine Haut schmerzte. Er hielt es fast nicht mehr aus, er musste etwas unternehmen, gross und klein zu machen nützte da wenig. Langsam kamen die Flammen näher, noch ein paar Meter und das Feuer würde ihm den Rest geben. Da entschloss er sich zum Angriff. Er rannte auf die Feuerwand zu, in diese hinein. Nach ein paar Schritten war er durch das Feuer hindurch, die Flammen hinter ihm, und er war in Sicherheit. Erstaunt und erleichtert sah er, dass das Feuer erlosch und sich ein nächstes Tor aufmachte, der verrückte Parcours ging weiter.

 

Der Weg führte leicht bergab. Er war breit, sogar einige Stufen waren vorhanden. Gummimann hoffte, dass das Abenteuer damit langsam ein Ende finden würde. Nach einer Kurve endete der Gang am Rande einer schmalen, tiefen Schlucht innerhalb des Berges. Auf beiden Seiten brannten Fackeln, die in groben, schmiedeeisernen Halterungen an den Wänden befestigt waren und dem Ort einen mystischen und unheimlichen Anschein verliehen. Schmale Pfade auf beiden Seiten der Schlucht bildeten die Grenze zum Abgrund. Weit unten in der Tiefe konnte man das Rauschen eines Baches hören, zu sehen war nichts. Das Geräusch des sich schliessenden Tores, erstaunte Gummimann nicht mehr, er hatte es erwartet. Um weiterzukommen, musste er dem schmalen Pfad auf der einen oder anderen Seite der Schlucht folgen. Vielleicht gab es auch eine Brücke oder einen Abstieg in die Tiefe? Oben war die Decke, da war nichts zu machen. Bald stellten sich auch die Pfade als nutzlos heraus. Sie endeten auf beiden Seiten nach wenigen Metern und an einen Abstieg in die Schlucht war nicht zu denken, viel zu steil, viel zu feucht und zu glitschig. Er musste auf die andere Seite, seine letzte und so wie es aussah einzige Möglichkeit weiterzukommen.

Er begann zu überlegen, es könnte gehen, wenn ich mich nicht verschätze und gross genug mache. Das Risiko ist gross, aber was bleibt mir anderes übrig?

Gummimann machte sich ziemlich dünn und gross.

Zum Glück sieht mich niemand, meine Figur, dachte er und stellte sich am Rande der Schlucht auf. Nochmals atmete er tief durch, verglich die Distanz zum gegenüberliegenden Pfad mit seiner Grösse, nahm etwas Anlauf und liess sich mit einem leichten Sprung nach vorne kippen. Er sah den Rand der gegenüberliegenden Seite auf sich zukommen, konnte sich dort festkrallen und machte sich sofort etwas kürzer, damit er mit seinen Knien nicht zu stark am Felsen aufschlug. So hing er nun über dem Abgrund und suchte verzweifelt nach Halt für die Füsse, aber da gab es nichts. Langsam zog er sich nach oben, dazu machte er sich etwas kleiner. Zu klein durfte er nicht werden, sonst hätte er sich nicht mehr festhalten können. Er zog sich hoch, mit letzter Kraft schwang er seine Füsse über die Kante und landete erschöpft auf dem Boden der anderen Seite. Heftig atmend blieb er kurz sitzen, rappelte sich dann auf, wischte den Dreck von seinen Kleidern und wartete auf das nächste sich öffnende Tor.

Lange geschah nichts. Dann hörte er das Öffnen eines Tores und ein weiteres Geräusch, das er noch nicht zuordnen konnte. Da Gummimann durch eine Fackel geblendet wurde, konnte er im Moment noch nichts erkennen. Doch plötzlich löste sich eine grosse Gestalt aus dem Hintergrund. Es war ein Ritter in einer funkelnden Rüstung, der zum Kämpfen bereit ein grosses Schwert in der Hand hielt. Als er langsam auf Gummimann zukam, stiessen die Eisenteile seiner Rüstung aneinander und machten einen lauten, unheimlichen Krach.

»Oh Shit! Nicht das auch noch! Lass mich in Ruhe, ich möchte nicht kämpfen. Hau ab!« Schrie er, doch die wandelnde Rüstung begann mit einem fürchterlichen Gebrüll ihr Schwert zu schwingen. Gummimann zog sich zurück. Er hatte den Vorteil schneller, aber den Nachteil unbewaffnet zu sein. Er versuchte dem Ritter in die Augen zu blicken um ihn zu irritieren, war aber nicht sicher ob es in dieser Rüstung überhaupt welche gab, denn jeder Schlag mit dem Schwert konnte für ihn das Aus bedeuten. Dann folgte der erste Hieb, der knapp über seinen Kopf hinweg sauste. Er versuchte hinter den Ritter zu gelangen, aber dieser drehte sich geschickt um. Sein zweiter Schlag verfehlte Gummimann nur um Haaresbreite und traf die Felswand, er hatte sich gerade noch rechtzeitig ducken können. Das Schwert schlug einen grossen Spalt in den Felsen und die Bruchstücke schleuderten wie Geschosse durch die Luft. Wieder brüllte die Rüstung los. Gummimann rannte nun in die andere Richtung, scheppernd folgte ihm der Ritter.

Zu Gummimanns entsetzen war der Pfad aber bald zu Ende und die Rüstung begann zu lachen, »jetzt hab ich dich, ha ha ha!«.

Gummimann stand da, wartete auf den Hieb und als das Schwert auf ihn zu sauste, machte er sich im letzten Moment so klein wie möglich. Der Schlag verfehlte sein Ziel und der Ritter strauchelte verwirrt. Unser Detektiv rannte noch klein hinter die Rüstung, machte sich dann blitzartig gross. Ein leichter Stoss brachte die Eisengestalt aus dem Gleichgewicht, ein weiterer Stoss und der Ritter stürzte mit einem grässlichen Schrei in die Tiefe der Schlucht.

Gummimann war noch völlig in den letzten Kampf vertieft, als ein lautes Donnern den Boden erzittern liess. Er war so erschrocken, dass er kaum mehr atmen konnte. Als er sich umdrehte, entdeckte er zu seinem Entsetzen hinter sich ein weiteres Monster in einer dicken Lederrüstung. Sein Gesicht war durch eine schwarze Maske verdeckt, in den Händen schwang es eine Eisenkette an dessen Ende ein grosser Morgenstern befestig war, den es nun zum zweiten Mal in den Boden donnern liess. Gummimann machte sich nun von Anfang an klein, rannte wie eine Maus im Zickzack auf dem Pfad herum, während das Monster den Morgenstern wieder und wieder auf den Boden knallen liess. Noch konnte sich unser Detektiv so schützen, doch die grosse, schwarze, mit eisernen Spitzen versehene Eisenkugel schlug immer knapper neben ihm in den Boden ein. Er wurde immer erschöpfter, lange würde er den Schlägen nicht mehr entgehen können. Wieder flüchtete er sich hinter das Ledermonster, doch der nächste Schlag folgte sofort. Er hechtete zur Wand. Der nächste Schlag schlug keine zehn Zentimeter vor ihm in den unteren Teil des Felsens ein.

Gummimann machte sich plötzlich grösser und stand nun genau vor der Stelle, wo das Schwert zuvor die Wand getroffen hatte, es sah aus ob er aufgeben würde und das Lederding begann zu brüllen, »Das war‘s wohl!«

Gummimann sah wie die Eisenkugel auf ihn zu sauste. Im wahrhaft letzten Augenblick machte er sich klein, die Kugel schlug in die Wand und verkeilte sich in dem vom Schwert herausgeschlagenem Felsspalt. Wütend versuchte das Ledermonster den Morgenstern freizubekommen. Verbissen riss und zog es und schrie etwas, das schwer nach fluchen klang, doch es gelang ihm nicht, der Morgenstern sass fest. Von weitem konnte Gummimann das offene Tor, durch welches die Angreifer gekommen waren, sehen. Er packte die nächstbeste Fackel und noch bevor das Ledermonster genau realisierte, was er tat, verschwand er durch die Öffnung. Im nächsten Moment schloss sich der Eingang. Hier gab es kein Licht, aber dank der Fackel konnte er dem Gang folgen.

Zur Erholung setze er sich auf einen Stein. Er war am Ende seiner Kräfte. Er hatte schon vieles erlebt, aber das übertraf alles. Nach ein paar Minuten zwang er sich aber weiterzugehen. Langsam führte ihn der Weg nach unten, alles war ruhig, manchmal glaubte er Menschen zu hören, was aber auch nur Einbildung sein konnte. Nach einigen Minuten bemerkte er, dass das Feuer der Fackel immer kleiner wurde, obwohl noch genug Teer vorhanden war. Sie hätte eigentlich normal weiter brennen müssen. Seine Augen begannen zu brennen, das Licht seiner Fackel war jetzt nur noch ein schwaches Flackern. Wie ein Schock traf es ihn, als er den Grund erkannte. Da war kein Sauerstoff mehr, vielleicht Giftgase! Er begann zu husten, spürte eine enorme Müdigkeit aufkommen und dann endete der Weg.

Langsam ging er in die Knie, die letzten Momente der Fackel und vielleicht auch von ihm waren gekommen. Er liess sich erschöpft auf den Boden sinken in der Hoffnung, dass die Gase nur langsam absanken. Da entdeckte er links von ihm ein kleines Loch, das nach unten führte.

Entweder kommt von dort das Gas und es ist aus, oder ich habe Glück und überlebe. Ich habe keine Alternative.

Mit letzter Kraft machte er sich klein, schleifte sich zum Loch und rutschte hinein. Zu seinem Erstaunen gab es plötzlich wieder Licht. Die Wände waren glatt, der Weg war steil, und er rutschte Kopf voran, unaufhaltsam immer schneller und schneller. Entsetzt entdeckte er das geschlossene Ende seiner Rutschbahn. Durch Grösser machen versuchte er die rasante Fahrt zu bremsen, aber es half wenig bis nichts. Das Ende kam näher. Er machte die Augen zu und wartete auf den Aufprall, plötzlich schien er zu fliegen, dann kam er ganz weich, wie in Watte gepackt zum Stillstand und blieb liegen.

Ich bin gestorben, dachte er, das war‘s wohl.

Plötzlich begannen Leute zu applaudieren. Erstaunt öffnete er die Augen und machte sich vorsichtig grösser. Es war hell. Er lag in einer mit Schaumgummi gefüllten Kiste, die seinen Sturz aufgefangen hatte, überall um ihn herum waren klatschende und johlende Menschen.

Ein Mann kam ihm entgegen, und er hörte seinen Namen rufen, »Gratuliere, Herr Gummimann! Sie haben soeben die Prüfung zur Detektivklasse A bestanden! Sie sind im Moment der beste Detektiv der Welt!«

Gummimann war völlig verwirrt, zittrig stieg aus der Schaumgummikiste, und da waren alle wieder: Der nette Portier, die hübsche Dame vom Empfang, Johnny Katzenwedel, der grosse Ritter mit seiner Rüstung, der Ledermann, einige Leute die er nicht kannte und Sir Anthony Clearwater, der Veranstalter dieser Prüfung. Gummimann wurde auf den Schultern zu einem Sessel getragen, wo er völlig erschöpft, mit einem Lächeln einschlief.

 

 

 

 

 

 

 

Der
Arabische Falke

 

Bei Gummimann Zuhause

Gibt es etwas Gemütlicheres als nach der Arbeit nach Hause zu kommen, ein kleines Bierchen zu trinken und sich gemütlich vor den Fernseher zu setzen? Detektiv Gummimann genoss den Augenblick. Eigentlich hatte er einen anderen Namen, aber dank seiner Fähigkeit sich je nach Notwendigkeit gross oder klein, dick oder dünn zu machen, war das sein Spitzname, den Richtigen hatte er schon fast vergessen. Der Fingerring an seiner rechten Hand war daran schuld, mit diesem konnte er sich in alle Grössen verwandeln. Er war Detektiv durch und durch. Viele Fälle hatte er gelöst, sich oft in gefährlichen Situationen befunden und es machte Spass. Doch jetzt war Feierabend, ein paar gute Krimis im Fernsehen und dann schlafen, wie hatte er sich darauf gefreut. Er suchte die Fernbedienung des Fernsehers, wählte den gewünschten Sender und liess sich in seinen TV Sessel sinken. Noch fünf Minuten, dann CSI New York! Das Telefon klingelte, eigentlich spielte es die Melodie von Axel F.

»Oh nein, muss das sein? Ich will nur meine Ruhe!« Gummimann rappelte sich aus seinem Sessel.

»Ja, Hallo? Detektiv Gummimann am Apparat«.

»Sie müssen sofort kommen! Es ist was Schlimmes geschehen, ich…«

»Hallo, wer ist am Telefon?«, unterbrach Gummimann den Anrufer.

»Entschuldigung Herr Gummimann, ich bin ausser mir. Ich bin es, Dr. David Donken, Direktor des Völkermuseums. Sie müssen sofort kommen! Ich weiss es ist spät, aber ich weiss nicht was ich machen soll.«

Gummimann merkte, dass Direktor Donken ziemlich durcheinander war und versuchte ihn zu beruhigen: »Alles mit der Ruhe Dr. Donken. Was ist geschehen? Alles der Reihe nach.«

Er hörte den Direktor tief Luft holen. »Der Arabische Falke ist gestohlen worden, Wert 500‘000.- Franken. Bitte kommen Sie. Ich zeige ihn Ihnen. Er ist auch sehr gefährlich und ich möchte keine Polizei.«

Gmmimann das grosse, hell beleuchtete Gebäude des Völkerkundemuseums sehen. Eine grosse Treppe führte zum Eingang. Durch die Glastür konnte er eine Person ausmachen. Gummimann parkte seinen Kleinwagen direkt vor dem Eingang. Er hatte Glück, abends hatte es keine Besucher. Als er ausgestiegen war, sah er den Direktor schon oben auf der Treppe stehen. Er schien sehr aufgeregt zu sein und winkte Gummimann zu, um ihn zur Eile zu bewegen.

Der kleine etwas dickliche Mann, fand am Anfang kaum Worte: »Es ist schrecklich, ich bin… Ich weiss nicht, oh es ist schrecklich!«

»Beruhigen Sie sich zuerst mal Herr Donken! Guten Abend, übrigens. Ich bin ja schon da.«

Gummimann hetzte die Treppe hinauf, und der Direktor zog ihn förmlich in das Entree des Museums.

»Vielen Dank, dass Sie gekommen sind, Herr Gummimann, es ist eine Katastrophe. Der Arabische Falke wurde gestohlen, in meinem Museum. Keine Ahnung, wie das möglichwar, einfach weg, 500‘000 Franken, echt Gold, unersetzlich und gefährlich. Kommen Sie mit!«

Gummimann kam nicht zum Antworten. Der Direktor spurtete durch die Gänge, er hatte beinahe Mühe, ihm folgen zu können. Vor einem grossen Lift, der mit einem Zahlencode gesichert war, mussten sie einen Moment warten.

»Gefährlich, wieso gefährlich? Der lebt nicht, ist keine Bombe! Sie übertreiben etwas Dr. Donken.«

»Sie haben ja keine Ahnung.« Und der Direktor zappelte wieder mit den Händen.

Mit dem Lift fuhren sie etliche Stockwerke nach unten.

»Ich werde es Ihnen zeigen und erklären.«

»Da bin ich ja mal gespannt.«

Durch eine grosse, sicher fünfzig Zentimeter dicke Tresortüre betraten die beiden einen Hochsicherheitsraum, gefüllt mit wertvollen Museumsstücken, die wegen ihres Wertes nicht wirklich ausgestellt werden konnten. Der Direktor ging zielstrebig auf einen Metallschrank zu und öffnete ihn mit zwei verschiedenen Schlüsseln. Dann nahm er eine kleine, circa dreissig Zentimeter grosse Statue eines Falken heraus.

»Das ist der Arabische Falke. Im Original aus echtem Gold und mit einem echten Diamanten bestückt.«

Der Direktor zeigte auf den Diamanten, der an der Vorderseite des Kopfes, zwischen den Augen, in das Gold eingelassen war.

»Und der soll gefährlich sein?«, bemerkte Gummimann.

»Das ist es ja. Dieser hier ist nicht gefährlich, darum ist er nicht der Echte. Er ist zwar mit Gold überzogen, aber schauen Sie in den Diamanten, spüren Sie etwas?«

Gummimann schüttelte den Kopf: »Sollte ich etwa?«

Der Direktor setzte sich auf einen Stuhl der neben dem Metallschrank stand, stellte den falschen Falken auf einen kleinen Tisch, wischte sich den Schweiss aus dem Gesicht, holte nochmals tief Luft und erklärte: »Der richtige Falke ist durch einen Fluch geschützt oder gefährlich, wie man es auch nennen will. Wenn jemand in das mittlere Auge, den Diamanten, blickt, dann spürt man zuerst ein Zerren oder Surren im Kopf. Nach kurzer Zeit wird das Denken immer schwieriger. Man wird immer verwirrter und am Schluss stürzt man sich in einen Fluss oder von einer Brücke oder erschiesst sich, was immer man sich aussucht. Darum ist der Originalfalke so gefährlich.«

Gummimann betrachtete den Falken etwas genauer.

»Aber wie war es Ihnen möglich festzustellen, dass dieser hier eine Fälschung ist? Sie hätten ja direkt in den Diamanten schauen müssen!«

Der Direktor nickte: »So war es auch. Ich habe oft Besucher, die sich diese Stücke in diesem Raum ansehen wollen, und so war das auch heute. Ein Archäologe aus Indien wollte den Falken unbedingt sehen. Ich stellte ihn hier auf diesen Tisch. Das Auge war mit einem Klebeband verdeckt, doch der Inder war davon so begeistert, dass er den Schutz entfernte, bevor ich ihn zurückhalten konnte. Er sah in das mittlere Auge und nichts geschah. Mir wurde beinahe schlecht. Ich führte die Besucher sofort wieder hinaus und habe dann auch festgestellt, dass dieses Ding hier nur vergoldet ist. Ja, den Rest kennen Sie.«

Gummimann sah sich um, keine Fenster, keine Lüftungsschächte, fünfzig Zentimeter dicke Betontüre.

Er schüttelte den Kopf. »Wie ist das möglich? Hat noch jemand Zugang zu diesem Raum?«

»Ja schon, aber Dr. Ballmer ist seit zwei Wochen in den Ferien.«

»Dann müsste es einer der Besucher gewesen sein, aber das hätten Sie eigentlich merken müssen.«

Dem Direktor konnte man die Verzweiflung ansehen.

»Hätte schon, eigentlich richtig, aber vielleicht habe ich es trotzdem nicht.«

»Wer waren denn die letzten Besucher, die den Falken ansehen konnten?«

Dr. Donken studierte kurz: »Eigentlich waren da nur die Israelis. Sie kamen zu zweit. Sie sagten sie seien Archäologen vom Völkerkundemuseum in Jerusalem. Sie wollten den Falken unbedingt sehen. Aber ich war etwas verwirrt. Einer sah nicht wie ein Israeli aus, obwohl sein Pass das bestätigte, aber es gibt natürlich auch Juden, die aus Osteuropa kommen und in Israel wohnen.«

»Denen haben Sie den Falken gezeigt, richtig?«

»Richtig, der Ältere mit Schnauz, dieser Papadopulus oder wie er hiess, drehte ihn sogar um und meinte, es würde »Made in China« draufstehen. Diese Beleidigung, in unserem Museum! Doch dieser hier ist vermutlich tatsächlich »Made in China«. Vielleicht war es da schon der Falsche, was ich aber nicht glaube.«

Gummimann betrachtete den Falken etwas genauer.

»Sieht tatsächlich etwas billig aus, die Kanten nicht abgeschliffen, zerkratzt hier am linken Flügel. Sogar ich kann sehen, dass der nicht echt ist.«

»Sehen Sie? Schande über Schande! In unserem Museum! Sie müssen den Richtigen finden, die Kosten sind egal, Hauptsache ich bekomme ihn wieder und niemand erfährt etwas von dieser Blamage.«

Gummimann schmunzelte: »Jetzt brauche ich alle Infos über die Besucher, über den Falken und ein Flugticket nach Jerusalem. Haben Sie die Namen der Israeli?«

»Nicht nur die Namen, auf unserer Überwachungskamera sollten sie sogar zu sehen sein.«

In einem kleinen Raum nahe beim Eingang sahen sie sich die Aufzeichnungen an. Der eine der beiden Männer war deutlich zu sehen, der andere nur von hinten.

»Hier die Namen, aber ob die wirklich stimmen ist fraglich. Der eine mit dem Schnauz nannte sich Papadopulus, der andere, den man nur von hinten sieht, Kaiser, Shlomo Kaiser, er sagte, er sei der Direktor des Völkerkundemuseums von Jerusalem.«

Auf dem Video war beide zu sehen, Shlomo Kaiser nur von hinten, er trug eine typische jüdische Kippa, wie man die Kopfbedeckung bei den Juden nennt, und hatte wenige sichtbare, graue Haare. Papadopulus mit seinem grossen, schwarzen Schnauz war ein typischer Grieche, kräftig gebaut und elegant gekleidet.

Gummimann notierte sich alles was nötig war und meinte dann: »Jetzt geht es nach Israel. Ich werde mich mit Herr Kaiser in Verbindung setzen.«

 

Israel

Eigentlich sollte er vom Direktor des Museums hier in Tel Aviv abgeholt werden. Er wartete schon eine Stunde, doch niemand kam. Sicher, am Telefon war dieser Shlomo Kaiser etwas seltsam gewesen, er schien sehr verunsichert zu sein, aber er versprach ihn abzuholen.

---ENDE DER LESEPROBE---