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Werde die Reiterin, die sich dein Pferd wünscht! Die zehnjährige Emilia reitet bereits seit einigen Jahren und hat einen tollen Draht zu den Ponys ihrer Reitschule. Leider wird sie von ihrem Reitlehrer immer wieder angehalten, härter durchzugreifen. Ihr widerstrebt das zutiefst, doch sie möchte auch Erfolg haben. Geht es auch anders, wenn man von einer großen Karriere in der Dressur träumt? Nach einem Reitunfall stellt Emilia die Methoden ihres Trainers immer mehr infrage – aber auch, ob sie überhaupt jemals eine »gute Reiterin« werden kann. Eine Begegnung mit ihrem großen Vorbild Jessica von Bredow-Werndl verändert alles. Wird sie gemeinsam mit der erfolgreichen Reiterin das Vertrauen in sich und ihr Pony wiedererlangen können oder ist ihr großer Traum für immer geplatzt?
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Seitenzahl: 196
Veröffentlichungsjahr: 2022
Spannende Pferdegeschichte mit Profi-Tipps der Doppel-Olympiasiegerin
Die dreizehnjährige Emilia reitet bereits seit einigen Jahren und ist überglücklich, als ihre Eltern den Ponywallach Valentin kaufen. Doch ihre Begeisterung erhält bald einen Dämpfer, denn ihr Trainer geht alles andere als sanft mit ihr und Valentin um. Als es zu einem dramatischen Reitunfall kommt, steht für Emilia fest: So kann und will sie nicht länger mit ihrem Pony umgehen! Bei einem Besuch auf Gut Aubenhausen trifft sie auf die weltbekannte Dressurreiterin Jessica von Bredow-Werndl, die ihr anbietet, sie und Valentin zu trainieren. Schafft sie es, mithilfe der erfolgreichen Reiterin das Vertrauen in sich und ihr Pony wiederzuerlangen?
Die neue Pferdereihe mit Jessica von Bredow-Werndl
Jessica von Bredow-WerndlAntje Szillat
GUT AUBENHAUSEN
Emilia
und das Glück der Pferde
Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich das erste Mal bei meiner Tante zu Besuch war und dabei ihren Schulponys begegnet bin. Ich fühlte mich direkt in ihren Bann gezogen, war vollkommen fasziniert von diesen wunderschönen Geschöpfen, die so echt und ehrlich sind. Ja, damals war ich auf der Stelle verliebt und bin es bis heute geblieben.
Im Alter von sieben Jahren bin ich mit meiner Familie nach Aubenhausen gezogen und seitdem waren Pferde aus meinem Leben nicht mehr wegzudenken. Mit Puppen zu spielen war out, weil ich lieber jede freie Minute im Stall bei meiner Lewitzerponystute Little Girl verbringen wollte. Es gab nichts Schöneres für mich, als mit ihr zusammen zu sein, und dass ich die Möglichkeit dafür bekam, dafür bin ich bis heute dankbar.
Dankbar bin ich auch dafür, dass ich das große Glück hatte, von Anfang an ganz wunderbare und wertvolle Pferdemenschen an meiner Seite gehabt zu haben, die mich begleitet und bis heute nachhaltig geprägt haben.
So wie mein erster Reitlehrer, Paul Elzenbaumer, der übrigens noch immer täglich am Hof hilft, und das mit über achtzig Jahren. Er war (und ist) die Ruhe und Liebe in Person. Ich kann mich an keine Situation erinnern, in der er mir zu forsch oder gar ungerecht den Ponys gegenüber erschien. Durch seinen feinen Umgang mit den Pferden hat er mich darin bestärkt, diesen wunderbaren Geschöpfen stets mit Liebe und großem Respekt zu begegnen. Leider ist das nicht immer so, leider ist die Realität manchmal so wie im vorliegenden Buch, in dem Emilia instinktiv spürt, dass der Weg, auf den sie andere schicken wollen, unmöglich ihrer sein kann. In der »Emilia-Reihe« haben wir versucht, sehr ehrlich mit diesen Schattenseiten, wie ich sie gerne nenne, umzugehen. Unser Inneres spiegelt sich früher oder später im Außen wider, und wenn wir unzufrieden oder gar aggressiv sind, passiert häufig, dass unsere Mitmenschen und Tiere, das zu spüren bekommen. Doch im Gegensatz zu uns Menschen können sich Tiere nur schwerlich dagegen verwehren. Das ist bei Weitem kein Phänomen, das es nur im Reitsport gibt. Die Art, wie wir Menschen meinen mit Tieren umgehen zu können, zeigt sich in den unterschiedlichsten Facetten bis hin zur industriellen Ausbeutung von Tieren.
Es geht nicht um gut oder schlecht, schwarz oder weiß. Es geht auch nicht darum, keine Fehler zu machen. Das tun wir alle, niemand ist perfekt und das ist im Grunde auch gut so.
Es geht darum, dass wir lernen, Verantwortung zu tragen. Verantwortung für das, was wir tun.
Emilia ist bereit, Verantwortung zu übernehmen, auch wenn sie zunächst nicht weiß, wie sie das anstellen soll, denn ihr »Aufschrei« wird nicht gern gehört.
Ist sie am Ende stark genug dafür? Reicht ihr Selbstbewusstsein, oder nein, ihr Unrechtsempfinden dafür aus?
Meine Co-Autorin Antje Szillat und ich haben unsere Emilia diesen Weg gehen lassen, auf dem »ich« sie in der fiktiven Geschichte begleite. Wir haben alles »durchgespielt« und genau darüber nachgedacht, was ich ihr raten würde, wie ich sie unterstützen könnte – und mich dabei manchmal selbst in Emilia wiedererkannt.
Herzlichst Eure
Jessica von Bredow-Werndl
Liebe und Achtsamkeit im Umgang mit meinen Pferden, lernen, ihnen zuzuhören und ihnen das bestmögliche Leben zu ermöglichen – das ist für mich der Nährboden einer gemeinsamen Partnerschaft.
Die Luft im Stall war warm und schwer vom süßen Geruch nach Heu und Pferdemist. Als Emilia hereinkam und die Tür hinter sich schloss, streckten zwanzig Pferde ihre Köpfe aus den Boxen. Mit gespitzten Ohren beobachteten sie, wie das Mädchen die Stallgasse hinunterging. Ihr langer rotblonder Pferdeschwanz wippte bei jedem ihrer Schritte fröhlich auf und ab. Im Vorbeigehen redete Emilia mit den Pferden, nannte sie bei ihren Namen und wünschte ihnen einen guten Morgen. Sie konnte das Fuchspony mit der hellen Mähne am Ende der Stallgasse schon sehen, das seinen schönen Kopf weit über die Boxentür geschoben hatte und jeden ihrer Schritte ganz genau verfolgte. Als sie schließlich direkt vor der Box stehen blieb und ihm liebevoll den rot schimmernden Hals tätschelte, scharrte es erwartungsvoll mit dem linken Vorderhuf.
»Ja, ja, mein Schöner. Du bekommst doch schon deine Begrüßungsleckerlis.«
Emilia kramte zwei Leckerlis aus ihrer Hosentasche hervor und hielt sie ihrem fünfjährigen Ponywallach Valentin hin. Trotz seiner Ungeduld klaubte er sie sanft mit der Oberlippe von ihrer flachen Hand und kaute dann genüsslich.
Seit sechs Monaten gehörte Valentin nun ihr und noch immer konnte die dreizehnjährige Emilia ihr Glück kaum fassen, dass ihre Eltern ihn tatsächlich gekauft hatten. Immerhin war Valentin wahrlich nicht das Pony gewesen, das sie sich für ihre Tochter vorgestellt hatten. Viel zu jung, viel zu unerfahren und viel zu temperamentvoll, hatten sie gemeint. Für Emilia hingegen war es Liebe auf den ersten Blick gewesen, als sie ihn am Gatter stehen gesehen hatte.
Die gut zweihundert Kilometer von Rosenheim, wo Emilia mit ihrem großen Bruder Jannis und ihren Eltern wohnte, bis nach Weißenburg in Bayern waren sie eigentlich wegen des zehnjährigen dunkelbraunen Ponys neben ihm gefahren. Doch Valentin hatte es Emilia sofort angetan, als er beim Freilaufen hochmütig den Kopf in den Nacken warf und dann mit aufgestelltem Schweif davontrabte. Und wie er trabte. Als würde er auf Wolken laufen.
»Ihre Tochter kennt sich aus«, hatte Herr Hansen, der Züchter von Valentin, zu Emilias Eltern gesagt und dabei breit gegrinst. »Der junge Mann hier ist etwas ganz Besonderes. Ein zukünftiger Champion. Das garantiere ich Ihnen.«
Auch wenn die aktive Reitzeit von Emilias Mutter schon etliche Jahre zurücklag, erkannte sie sofort, dass Herr Hansen nicht übertrieb.
Trotzdem hatte sie abgewunken. »Ein tolles Pony. Doch unsere Tochter ist viel zu jung und unerfahren, um ihn alleine auszubilden. Sie reitet zwar schon, seitdem sie acht Jahre alt ist, doch in erster Linie auf Schulponys und das auch nur ein- bis zweimal in der Woche. Darum suchen wir auch ein älteres, erfahrenes Pony für sie, von dem Emilia noch etwas lernen kann und nicht umgekehrt.«
Auch dafür hatte Valentins Züchter bereits eine Lösung parat gehabt. »Sagten Sie am Telefon nicht, dass Sie in Rosenheim wohnen? Dort befindet sich doch auch der Pensions- und Ausbildungsstall der Familie Hogrefe. Wenn Sie da eine Box bekommen könnten, kann Ihre Tochter doch bei Florian Hogrefe reiten. Er ist ein wirklich sehr erfahrener Trainer und Jungpferdeausbilder und wird die beiden unter Garantie gut begleiten und unterstützen können. Zumal er recht vielseitig an die Ausbildung herangeht, mal wird gesprungen, mal Dressur geritten.«
»Ich weiß nicht …«, hatte Emilias Mutter noch immer gezögert, bis sie ihre Tochter schließlich auf Valentins Rücken sah und es so wirkte, als wäre es nie anders gewesen. Die Entscheidung war gefallen. Der nächste Schritt hatte Emilia und ihre Eltern dann tatsächlich auf den Hof der Hogrefes geführt. Dieser befand sich so nahe an ihrem Zuhause, dass Emilia mit dem Rad zum Stall fahren konnte, und passenderweise war auch gerade eine Box frei gewesen. Hinzu kam, dass Florian Hogrefe einen wirklich sympathischen und kompetenten Eindruck auf Emilias Eltern gemacht hatte und ihnen zusagte, Emilia bei der Ausbildung ihres jungen Ponys zur Seite zu stehen.
Seitdem war nun ein halbes Jahr vergangen, in dem Emilia zwischen Glücksgefühlen, dass Valentin tatsächlich ihr Pony war, und immer größer werdenden Zweifeln daran, wie sich die Ausbildung Valentins unter Florian Hogrefes Anleitung gestaltete, hin- und herschwankte.
Behutsam betrat Emilia die Box und legte Valentin das Halfter an. Am Strick führte sie ihn auf die Stallgasse hinaus. Nachdem sie ihn sorgfältig geputzt und die Hufe ausgekratzt hatte, legte sie dem Pony den Sattel auf und zog den Gurt locker an, was bei ihm immer Unmut hervorrief, sodass er den Kopf hochwarf … und dabei manchmal sogar in die Luft biss. Da Emilia und Valentin von Florian Hogrefe sowohl in der Dressur wie auch im Springen ausgebildet wurden, ritt Emilia ihr Pony mit einem Vielseitigkeitssattel, den ihnen Florian Hogrefe gebraucht verkauft hatte. Emilia kam es jedoch zunehmend so vor, als würde Valentin sich mit dem Sattel nicht wohlfühlen, und hatte ihren Trainer auch bereits einige Male darauf angesprochen.
Erst gestern hatte sie zu ihm gesagt: »Ich habe das Gefühl, dass der Sattel nicht gut sitzt, Valentin irgendwie drückt.«
Ihr Trainer hatte daraufhin nur das Gesicht verzogen und gebrummelt: »Wenn ich so einen Blödsinn schon höre, kriege ich gleich wieder schlechte Laune. Der Sattel passt! Was nicht passt, das ist das schlechte Benehmen deines Ponys, Emilia. Das ist einfach nur unerzogen. So ist das nämlich! «
Damit war das Thema für ihn erledigt und Emilia hatte sich mal wieder nicht getraut, ihm zu widersprechen.
Sie hätte mit ihren Eltern darüber reden können. Ihre Mutter kannte sich aus. Doch nachdem sie schon mehr Geld als ursprünglich geplant für Valentin ausgegeben hatten, wollte sie ihnen nicht jetzt auch noch mit einem neuen Sattel in den Ohren liegen.
Gerade als Emilia ihren Fuchswallach auftrensen wollte, wurde die Stalltür schwungvoll aufgerissen und Leonie kam hereingewirbelt. Die Mädchen kannten sich erst, seit Valentin hier bei den Hogrefes stand, doch sie waren längst zu allerbesten Freundinnen geworden. Die ein Jahr ältere Leonie, die die zierliche Emilia um fast einen Kopf überragte, war supernett, aber auch superchaotisch.
»O mein Gott, o mein Gott, ich bin mal wieder viel zu spät dran«, japste sie hektisch, lief in die Sattelkammer und kam sofort wieder mit Sattel und Trense ihres Ponys Silver herausgesprintet. Fürs Putzen war keine Zeit mehr, also beließ sie es beim schnellen Hufeauskratzen und beeilte sich mit dem Satteln und Trensen.
»Voilà, ich bin fertig.«
Emilia musste schmunzeln. »Na ja, und was ist mit dem Gurt? Könnte ganz schön rutschig werden beim Aufsteigen.«
»Schande aber auch!«, rief Leonie und schlug sich klatschend die Hand vor die Stirn. »Wenn Florian das gesehen hätte. Boah, hätte der mich wieder angeblafft!« Sie äffte den Trainer nach: »Leonie, das kann ja wohl nicht dein Ernst sein?! Bist du nicht mal in der Lage, dich wenigstens für zwei Sekunden zu konzentrieren?«
»Hat er ja zum Glück nicht«, erwiderte Emilia und zwinkerte ihrer Freundin verschwörerisch zu.
Leonie versuchte, ihre dunklen Haare zu einem Zopf zusammenzufassen. Doch dafür waren sie einfach zu kurz, Marke: Chaotischer-Leonie-Eigenschnitt, und rutschten deshalb immer wieder aus dem Gummiband.
»Dann eben nicht«, brummte Leonie und setzte sich ihre schwarze Reitkappe auf.
Heute stand Springunterricht auf dem Plan. Eigentlich stiegen sie immer direkt am Stall in die Sättel ihrer Ponys. Doch Silver veranstaltete seit Kurzem ein ziemliches Theater, wenn es Richtung Springplatz ging, weshalb Leonie ihn führte – hinter Emilia und Valentin als »Zugpferd« her. So funktionierte es. Eigentlich. Manchmal musste sie ihn jedoch zusätzlich mit der Gerte überzeugen, sie auf den Springplatz zu begleiten. So wie auch heute!
»Florian sagt, Silver ist einfach nur albern … unerzogen und so«, meinte Leonie und verzog das Gesicht. »Du kennst seine Sprüche ja.«
»Hm«, machte Emilia. »Ich habe ja eher das Gefühl, Silver hat Angst, weil er nichts Gutes mit dem Platz verbindet.«
»Blödsinn. Bestimmt nicht!« Vehement schüttelte Leonie den Kopf. »Silver springt supergern und ist total talentiert, meint Florian. Er ist nur einfach ein Sturkopf, so ein richtig freches Pony.«
Weil Leonie gleich so gereizt reagierte, verbiss sich Emilia einen weiteren Kommentar dazu. Sie wollte sich weder mit Leonie streiten noch wie eine Besserwisserin erscheinen. Dennoch glaubte sie nicht an Silvers Ponysturheit.
Nein, das allein war gewiss nicht der Grund für sein Verhalten.
Jedes Pferd war und ist ein Teil meines Lebens und ein großes (Lern-)Geschenk.
Auf dem Springplatz wurden die Mädchen mit ihren Ponys bereits ungeduldig von Florian Hogrefe erwartet.
»Ich dachte, eine von euch hilft mir mal beim Aufbauen«, ranzte er sie statt einer Begrüßung von der Mitte des Platzes aus an. »Aber die Damen haben sich ja mal wieder Zeit gelassen …«
»Halt mal bitte Silver«, sagte Leonie und drückte Emilia auch schon die Zügel ihres Ponys in die Hand. »Bevor der noch schlechtere Laune bekommt, schlepp ich mal lieber ein paar Ständer und Stangen.«
»Ich kann aber auch …«, begann Emilia, doch da war Leonie schon längst dabei, den Anweisungen des Trainers folgend drei Cavalettis mit passendem Abstand hintereinander aufzustellen.
Zehn Minuten später war der kleine Trainingsparcours fertig aufgebaut. Emilia und Leonie saßen auf ihren Ponys und ritten im Schritt über den Platz.
»Nehmt jetzt mal langsam die Zügel kürzer und fangt zu traben an«, forderte der Trainer die beiden Mädchen auf. »Und von Anfang an immer schön durchstellen, biegen, stellen, biegen, stellen … Auf geht’s!«
Leonie trieb Silver direkt in den Trab, Emilia blieb noch eine halbe Runde im Schritt, bevor sie das Zügelmaß etwas verkürzte und ebenfalls antrabte.
»Denkt immer wieder daran, die Hand und Richtung zu wechseln, und wenn ihr dann so weit seid, könnt ihr den Galopp dazunehmen«, sagte er nach wenigen Augenblicken.
Das Handy des Trainers klingelte in seiner Jackentasche, kaum dass er seinen Satz zu Ende gebracht hatte. Anscheinend handelte es sich bei dem Anrufer um jemanden, der sich für eine Pensionsbox auf dem Hof der Hogrefes interessierte. Florians Stimme wurde nämlich überaus freundlich, während er seine Anlage in den höchsten Tönen anpries und schließlich einen Besichtigungstermin mit dem Interessenten vereinbarte. Obwohl die Mädchen bereits galoppierten, hatten sie jedes Wort mitbekommen, das ihr Trainer von sich gegeben hatte.
Als er ihnen nun zurief: »Jetzt geht mal wieder in den Trab und dann reitet ihr hintereinander über die Cavalettis!«, tat er das wieder im gewohnt harschen Tonfall.
Silver machte einen großen Satz über das erste Cavaletti und kam dadurch zu dicht an das zweite, sodass er es krachend umwarf. Vor dem dritten blieb er erst abrupt stehen, um dann hektisch nach links aus der Reihe herauszuspringen. Das geschah so plötzlich, dass Leonie fast runtergeflogen wäre. Im letzten Moment krallte sie sich in Silvers hellgrauer Mähne fest.
»Leonie, wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du sitzen bleiben und dich nicht in die Bügel stellen sollst!«, motzte Florian Hogrefe sie an.
»Sorry«, rief Leonie und grinste verlegen. Die schroffe Art des Trainers prallte wie immer an ihr ab. Reine Gewohnheit, sagte sie dazu. Sie kannte es schließlich nicht anders, weil sie schon immer bei ihm ritt.
Bei Emilia war das jedoch anders, sie ließ sich von der schroffen Art des Trainers verunsichern, wurde hektisch und dann auch schnell mal Valentin gegenüber ungeduldig.
Deshalb übersprangen nun auch Emilia und Valentin viel zu schwungvoll das erste Cavaletti und blieben dann vor dem zweiten stehen. Florian regte sich auf und schickte die beiden erneut über die Hindernisse. Dieses Mal gelang es ihnen besser, auch wenn Emilia vor lauter Anspannung mal wieder das Atmen vergessen hatte und Valentin schon nach kurzer Zeit unentwegt versuchte, ihr die Zügel aus der Hand zu reißen.
»Der benimmt sich so unmöglich, weil du ihn einfach nicht im Griff hast, Emilia«, regte sich Florian prompt auf. »Beim Springen nicht und bei der Dressurarbeit ebenso wenig.«
Zum Glück gelang auch Leonies und Silvers zweiter Versuch wesentlich besser, sodass Florian sich vorerst nicht noch mehr über seine unkonzentrierten Schülerinnen samt ihren unerzogenen Ponys aufregen musste.
Den anschließenden Parcours, der laut Florian lächerlich leicht war, räumten Leonie und Silver beim ersten Durchgang fast vollständig ab, wofür sie heftige Kritik vom Trainer ernteten. Emilia und Valentin hingegen glückte gleich die erste Runde, was Emilia kaum fassen konnte, denn ihre Anspannung hatte sich längst so schlimm auf Valentin übertragen, dass sie ihn kaum noch unter Kontrolle halten konnte.
»Gut so, Emilia, so langsam scheinst du es ja doch zu kapieren. Aber nimm endlich mal die Zügel kurz und halt gefälligst dagegen, wenn der da vorne so rumzappelt. Lass dem das doch nicht immer durchgehen.«
An Leonie gewandt wurde sein Tonfall dann noch einen Deut schärfer. »Verdammt noch mal, so wird das nie was! Reite jetzt mal zu und ’ne Gerte ist nicht zum Streicheln da, falls dir das bisher entgangen sein sollte!«, schnauzte er sie an.
Erneut galoppierte Leonie ihren Schimmel an. Doch Silver hatte anscheinend keine Lust mehr und blieb aus vollem Galopp direkt vor dem Hochweitsprung stehen. Leonie war darauf nicht vorbereitet und rutschte über seinen Hals mitten in den Oxer hinein.
»Hast du dir etwas getan?«, wollte Florian von ihr wissen, während Emilia vor Schreck das Herz in die Hose plumpste.
Mit schiefem Grinsen verneinte Leonie. »Nö. Nix passiert. Im Fallen bin ich ja Profi …«
»Okay, das war deine Schuld, Leonie, weil du einfach nicht bei der Sache bist. Also, schnell wieder rauf aufs Pony!«, verlangte er wenig sensibel von ihr. »Und jetzt erwarte ich, dass du endlich mal zureitest und nicht nur Beifahrerin bist! Hau dem mal die Sporen in die Seite und setz dich richtig hinten rein!«
Ohne zu zögern oder sich gar zu beschweren, schwang sich Leonie wieder in den Sattel ihres Ponys, das sichtbar nervös und eindeutig überfordert war. Als die beiden direkt an ihr vorbeiritten, hätte Emilia Leonie am liebsten zugerufen, dass sie es doch bitte für heute gut sein lassen sollte. So aufgedreht und zittrig, wie Pferd und Reiterin waren, sollten sie besser auf eine weitere Runde im Parcours verzichten. Doch wenn Florian davon etwas mitbekam, würde er stinkwütend werden. In seinen Unterricht mischte man sich nicht ein. Immerhin war er ein bekannter und erfolgreicher Züchter, Ausbilder und Trainer, dem dazu noch der Reiterhof gehörte, auf dem Valentin stand. Nein, einem Florian Hogrefe widersprach man hier auf dem Hof nicht!
Hektisch trabte Leonie ihren Silver an, und trieb ihn, wie der Trainer von ihr verlangte, erneut auf den Oxer zu, vor dem das Pony zuvor mehrfach stehen geblieben war, weil ihm dieser wohl nicht ganz geheuer vorkam oder einfach zu breit. Florian Hogrefe hatte sich links neben den Sprung positioniert und begrenzte mit einer langen Longierpeitsche die Seite. So konnte das Pony nicht ausbrechen, denn rechts befand sich schräg zu dem Oxer ein Steilsprung.
Leonie galoppierte an, machte alles so, wie Florian Hogrefe es ihr zurief, und … Erneut bremste Silver aus vollem Galopp wenige Zentimeter vor dem Oxer. Da holte der Reitlehrer aus und pfefferte dem Pony die lange Peitsche mehrmals mit voller Wucht gegen die Schweifrübe. So lange, bis das völlig in Panik geratene Tier schließlich aus dem Stand in einem riesengroßen Satz über den Oxer sprang. Leonie war darauf nicht vorbereitet und knallte Silver bei der Landung mit voller Wucht in den Rücken. Nun war es endgültig um Silvers Nerven geschehen. Mit hocherhobenem Kopf und weggedrücktem Rücken galoppierte er über den Springplatz. Leonie brauchte eine ganze Weile, bis sie ihn wieder unter Kontrolle gebracht und ihn so weit beruhigt hatte, dass sie ihn durchparieren konnte.
»Auf ein Neues!«, brüllte Florian Hogrefe.
Emilia hätte sich am liebsten die Augen zugehalten, als Leonie der Aufforderung des Trainers nachkam. Nein, schön war das für die Dreizehnjährige bestimmt nicht mit anzusehen. Aber … was konnte sie schon tun?
Am Ende der Springstunde schäumte Silver vor Nässe am Hals und vor der Brust, seine Nüstern waren weit aufgebläht. Trotz oder vielleicht gerade wegen der Anstrengung trippelte er nervös auf der Stelle herum und versuchte immer wieder, Leonie die Zügel zu entreißen, so wie Valentin es auch immer tat. Leonies Gesicht glich einer Tomate, doch sie reagierte gelassen auf das überdrehte Verhalten ihres Ponys.
»Immerhin haben wir den Parcours beim letzten Mal fast stehen gelassen«, sagte sie zu Emilia und grinste.
Emilia konnte das Grinsen ihrer Freundin nicht nachvollziehen und erst recht nicht erwidern. Dazu war sie viel zu geschockt von dem, was sie gerade miterlebt hatte.
»Wollen wir noch einmal außenrum reiten?«, schlug sie Leonie deshalb bemüht gefasst vor.
Eine Schrittrunde im Grünen, einmal um die weitläufige Anlage der Hogrefes herum, war nach dem Training immer eine schöne Abwechslung für Pferd und Reiter. Aber das war nicht der Grund für Emilias Vorschlag. Sie wollte mit Leonie über die Trainingsstunde reden und wie schlimm sie Florians Gebrüll und seine brutale Art den Pferden gegenüber fand. Sie wollte das schon seit einer geraumen Weile tun, hatte sich das aber letztendlich immer wieder verkniffen, weil Leonie offensichtlich kein Problem mit Florian Hogrefes Art hatte.
Niemand von den anderen Einstellern oder Reitschülern schien das zu haben und darum nahm Emilia immer mehr an, dass sie selbst das Problem war. Nur sie störte sich daran, fand es einfach nicht richtig. Ach was, richtig schrecklich fand sie Florians Unterricht und seinen Umgang mit den Pferden, egal ob er sie in der Dressur oder im Springen am Wickel hatte.
Leonie zögerte. »Hm, eigentlich möchte ich lieber hier auf dem Platz Schritt reiten. Silver ist noch ziemlich wild und …« Mitten im Satz winkte sie jedoch schnell ab. »Ach was, du hast schon recht, ’ne Runde im Gelände wird meinem verrückten Pony guttun und mir sowieso. Also lass uns ruhig rausreiten.«
»Prima«, erwiderte Emilia, dabei war das eine glatte Lüge von ihr, denn sie fand einfach nichts prima.
Tue, was du tust, mit ganzem Herzen!
Als Emilia und Leonie mit ihren Ponys vom Hof ritten, schien die Aprilsonne am wolkenlosen Himmel wie auf einer Urlaubskarte. Es duftete nach Frühling, irgendwo in der Ferne war fröhliches Vogelgezwitscher zu hören. Der eben noch so aufgedrehte Silver entspannte sich von Schritt zu Schritt, den sie sich vom Springplatz entfernten, sodass Leonie ihm die Zügel immer mehr hingeben konnte und sich auch selbst mehr und mehr entkrampfte. Auch Valentin hatte mit dem Kopfschlagen aufgehört. Aber heute hatte es wirklich eine Weile gedauert. »Boah, Florian war ja mal wieder ganz schön auf Krawall aus«, stöhnte Leonie und äffte den Trainer dann kichernd nach.
»Ich finde das nicht lustig«, erklärte Emilia. »Wenn ich ganz ehrlich bin, dann macht mir der Unterricht bei ihm überhaupt kein bisschen Spaß, ob nun Dressur oder Springen. Und wie er gerade mit dir und dem armen Silver umgegangen ist, das war einfach nur ganz schrecklich … schrecklich brutal.«
»Hm … aber wenn Silver immer wieder vor diesem blöden Oxer stoppt, dann hilft am Ende doch nur noch ein Klaps auf seinen dicken Ponyhintern«, meinte Leonie leichthin. »Immerhin ist er danach nicht noch einmal davor stehen geblieben.«
»Aber macht es dir denn gar nichts aus, wenn er auf Silver einschlagen muss, damit der springt? Ein Klaps war das sicher nicht.« Emilia konnte nicht verstehen, warum Leonie den Trainer mal wieder verteidigte. Es war ihr ein Rätsel, wie Leonies Liebe zu Silver mit den harten Methoden des Trainers zusammenpasste.
»Puh …«, machte Leonie zunächst, verzog dabei genervt das Gesicht, bevor sie erklärte: »Einschlagen hört sich ziemlich brutal an und ist auch definitiv übertrieben, denn das hat er nun wirklich nicht getan. Aber okay, stimmt schon, so toll finde ich das auch nicht. Doch Florian ist nun mal ein echt erfahrener Reiter und Trainer und wird schon wissen, was richtig ist und was nicht. Der hat schon wahnsinnig viele Pferde ausgebildet und außerdem einen megaguten Ruf, sodass ich …« Leonie beendete ihren Satz nicht. Stattdessen hob sie die Hand und deutete auf etwas, das wenige Meter vor ihnen mitten auf dem Feldweg lag. »Guck mal, Emilia, was ist das … ein Hase oder Kaninchen?«