9,99 €
Der zweite Teil der erfolgreichen ›Gut Aubenhausen‹-Reihe! Die vierzehnjährige Emilia hat das große Glück, von der erfolgreichen Dressurreiterin Jessica von Bredow-Werndl trainiert zu werden. Und diese hat es geschafft, dass Emilia nach einem dramatischen Reitunfall das Vertrauen in sich und ihren fünfjährigen Ponywallach Valentin wiedererlangt hat. Jessica und Emilia verbindet ihre große Liebe zu den Pferden, der Wunsch, sanft und behutsam mit diesen umzugehen und sich den herkömmlichen Trainingsmethoden zu widersetzen. Gemeinsam schaffen sie, was Emilia nicht mehr für möglich gehalten hätte: Sie wird bei ihrem ersten Turnier mit Valentin starten. Ihr großer Traum wird endlich wahr!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 168
Veröffentlichungsjahr: 2023
Der zweite Teil der erfolgreichen ›Gut Aubenhausen‹-Reihe!
Die vierzehnjährige Emilia hat das große Glück, von der erfolgreichen Dressurreiterin Jessica von Bredow-Werndl trainiert zu werden. Und diese hat es geschafft, dass Emilia nach einem dramatischen Reitunfall das Vertrauen in sich und ihren fünfjährigen Ponywallach Valentin wiedererlangt hat. Jessica und Emilia verbindet ihre große Liebe zu den Pferden, der Wunsch, sanft und behutsam mit diesen umzugehen und sich den herkömmlichen Trainingsmethoden zu widersetzen. Gemeinsam schaffen sie, was Emilia nicht mehr für möglich gehalten hätte: Sie wird bei ihrem ersten Turnier mit Valentin starten. Ihr großer Traum wird endlich wahr!
Von Jessica von Bredow-Werndl und Antje Szillat ist bei dtv außerdem lieferbar:
Gut Aubenhausen – Emilia und das Glück der Pferde
Jessica von Bredow-Werndl Antje Szillat
GUT AUBENHAUSEN
Emilias Herz für Pferde
»Der muss da durch!«, beginnt immer da, wo Wissen endet!Dina Hodde (Dressurreiterin und Ausbilderin)
Aus Liebe zum Pferd.
Begeisterung für den Reitsport.
Dieser Slogan begleitet uns schon seit vielen Jahren in Aubenhausen. Und ja, es ist möglich, die Liebe zu den Pferden und dem Reitsport in Einklang zu bringen. Die Liebe bedingt unseren Erfolg und steht an erster Stelle.
Ich liebe es, mich mit den Pferden, die meine Lehrer und ehrlichsten Spiegel sind, weiterzuentwickeln.
Die gemeinsame Arbeit und auch das »Sich-Zeigen« auf Turnieren sind eine wundervolle Möglichkeit, als Partner zu wachsen. Ja, auch Pferde mögen es, sich zu präsentieren, und sie lieben die großen Bühnen, wenn wir ihnen genug Zeit geben, sie zu verstehen. Sie genießen die Abwechslung und die Aufmerksamkeit, wenn wir es schaffen, jeden Ausflug mit ihnen zu etwas Schönem zu machen. Ganz egal, ob es mit dem Transporter zum Training geht oder zum Turnier. Die Zeit, die wir mit unseren Freunden verbringen, gestalten wir so positiv und abwechslungsreich wie möglich, damit die Pferde neugierig bleiben und lernen, diese Ausflüge zu genießen.
Wie wir das machen? Mit einem liebevollen Umgang, vielen Spaziergängen, grasen gehen, Massagen, Streichel- und Kuscheleinheiten, Anerkennung, Lob, Lob und noch mehr Lob.
Dass es auch eine ganze Portion mentaler Stärke von uns Reitern braucht, um den Pferden die Sicherheit in einer fremden Umgebung vermitteln zu können, steht außer Frage.
Über die Jahre habe ich viele Erfahrungen gesammelt und auch Rituale entwickelt, die nicht nur mir, sondern auch meinen Pferden Sicherheit und Entspannung geben. Mittlerweile habe ich mir einen kleinen Werkzeugkoffer erarbeitet. Ich weiß, dass ich darauf zurückgreifen kann, wenn ich mal Nervenflattern bekomme, angespannt bin oder mich irgendetwas belastet.
Emilia hat lange mit sich gehadert, ob sie sich und ihrem Valentin das Turnierreiten zutrauen soll. Ich ermutige Emilia, es auszuprobieren, und möchte meine Erfahrungen mit ihr teilen, denn Turniere sind eine wundervolle Möglichkeit, noch besser als Team zusammenzuwachsen.
Eure
Jessica von Bredow-Werndl
Die besten Entscheidungen treffe ich, wenn ich ganz ruhig bin, bei mir im Hier und Jetzt.
Es war einer von diesen Tagen, an denen es nicht schöner hätte sein können. Auf den Weiden hing um diese Zeit noch immer der Frühnebel und das Sonnenlicht malte glitzernde Regenbogen in die Blumenwiesen. Die feuchte Luft hatte sich mit den Düften des nicht allzu weit entfernten Forsts aufgeladen. Es roch nach Waldmeister, leicht modernden Blättern und Beeren. Bis auf das beruhigende Schnauben der Pferde und ab und an ein Wiehern lag eine tiefe Stille über Gut Aubenhausen.
Jessica zog die Steigbügel hoch und hielt Ferdinand sein wohlverdientes Leckerli hin. Der Wallach kaute zufrieden und nickte dabei mit dem Kopf.
Jessica klopfte ihm liebevoll seinen Hals. Ihr gelbes, langärmeliges Reitshirt war trotz der frischen Morgenluft schon etwas verschwitzt und ihre Stiefel rieben an der feuchten blauen Reithose.
»Der wärmste April aller Zeiten, zumindest kommt es mir so vor, und deshalb bestimmt kein Tag für warme Reitklamotten«, sagte Jessica zu Emilia, die ihr beim Training mit dem dunkelbraunen Hannoveraner-Wallach Ferdinand BB zugesehen hatte.
Gemeinsam liefen sie zum Hof zurück, während Emilia Jessica tausend Fragen stellte. Emilia liebte es, Jessica beim Reiten zuzusehen, weil sie dadurch ähnlich viel lernte, als würde sie selbst im Sattel sitzen, und sich anschließend mit Jessica darüber austauschen zu können war gleich noch viel realer und lehrreicher für die Vierzehnjährige.
Als sie die Hälfte der Strecke hinter sich hatten, vernahm Emilia auf einmal ein komisches Geräusch. Sie meinte jemanden knurren zu hören. Keinen Hund, es war ein menschliches Knurren. Ein bitter ausgestoßener Fluch folgte und nun war sich Emilia vollkommen sicher, dass auf der anderen Seite des Gebüsches jemand hockte und leise vor sich hin schimpfte.
Jessica schien es auch gehört zu haben und blieb mit Ferdinand, den sie am Zügel hielt, stehen. Erstaunt sahen die beiden sich an.
»Wer ist das?«, raunte Emilia Jessica leise zu.
Ahnungslos zuckte Jessica mit den Schultern, meinte dann aber: »Die Stimme kommt mir irgendwie bekannt vor …«
Während die beiden noch rätselten, wer auf der anderen Seite des Busches so ärgerlich und irgendwie auch eine Spur verzweifelt vor sich hin schimpfte, tauchte auf einmal Mats vor ihnen auf.
»Hallo, Mats«, begrüßte Jessica ihren Pferdepfleger, der sich die Betreuung der Pferde mit Franzi teilte, und sah ihn dabei ziemlich verwundert an.
Emilia kannte den zweiundzwanzigjährigen Mats eigentlich nur fröhlich und gut gelaunt. Nun aber zog er ein Gesicht, als hätte er in etwas extrem Bitteres gebissen.
»Alles okay bei dir?«, erkundigte sich Jessica und sprach damit aus, was Emilia auch gerade fragen wollte.
Mats’ Mundwinkel verzogen sich weit nach unten. »Ich fürchte, nein.« Er deutete auf seinen linken Fuß, den er anscheinend nicht belasten konnte. »Ich bin gerade total doof umgeknickt und habe mich wohl verletzt.«
»Im Gebüsch?«, wunderte sich Jessica. »Aber, Mats, was hast du denn in aller Welt bloß dort gemacht?«
Mats schnaufte wie ein altes Dampfross. »Fritz’ Frisbeescheibe versucht rauszuangeln. Sie ist mir gestern Abend beim Gassigehen mit Fritz dort hineingesegelt. Aber es war schon zu dunkel und ich habe sie nicht finden können. Er hat deshalb ein Riesentheater veranstaltet. Der verrückte Kerl ist unentwegt im Zimmer auf und ab gerannt und hat nach seiner geliebten Scheibe gesucht.«
»O weh«, sagte Jessica mitleidig. Dann wandte sie sich Emilia zu. »Kannst du bitte Ferdi zum Stall bringen und ihn dort in Franzis Obhut übergeben? Ich kümmere mich jetzt wohl besser erst einmal um Mats.«
»Ja, klar doch«, erwiderte Emilia. »Soll ich vielleicht auch Bescheid sagen, dass jemand mit dem Auto zu euch kommen soll?«
Jessica nickte. »Ja, das ist bestimmt sinnvoll.«
»Nein, Quatsch, bloß keine Umstände. Ich habe mich nur vertreten, so schlimm ist es wirklich nicht. Ich kann schon wieder auf… Aua, verdammt«, jammerte Mats, der zur Unterstreichung seiner Worte den Fuß wieder belastet hatte.
»Beeil dich bitte«, wandte sich Jessica erneut an Emilia.
Emilia hörte Mats fluchen, während sie bereits auf dem Weg zum Stall war.
»Boah, ich bin so blöd. Hätte ich die doofe Scheibe doch einfach im Gebüsch gelassen. Aber Fritz hat so genervt …« Am liebsten wäre Emilia gerannt. Mats schien wirklich schlimme Schmerzen zu haben, auch wenn er es nicht zugeben wollte. Doch sie wagte nicht, mit Ferdinand an der Hand an Tempo zuzulegen. Der dunkelbraune Wallach war schon sehr, sehr imposant. Wenn er richtig Gas gab, würde sie ihn womöglich nicht mehr halten können.
Als Emilia schließlich Jessicas Stalltrakt erreicht hatte, kam Franzi auf sie zu, mit einer dicken Sorgenfalte auf der Stirn. »Wo ist Jessica? Ist ihr etwas passiert?«
»Nein, also zumindest nicht Jessica. Mats ist doof umgeknickt und kann nicht mehr auftreten«, schilderte Emilia.
»Mats?« Franzi guckte verdattert. »Aber … aber er wollte doch gerade Dalera auf die Koppel bringen.«
Bevor Franzi sich auch noch Sorgen um Dalera machen konnte, beruhigte Emilia sie. »Ja, das hat er auch getan. Dalera geht es gut. Aber anschließend wollte er Fritz’ Frisbeescheibe aus irgendeinem Busch angeln und dabei ist er dann total doof umgeknickt. Jessica ist bei ihm geblieben. Es soll bitte ganz schnell jemand mit dem Auto rüber zum großen Dressurviereck fahren, weil Mats nicht mehr auftreten kann.«
»Herrje, das fehlt gerade noch, dass Mats sich ernsthaft verletzt hat«, murmelte Franzi und war auch schon auf dem Weg Richtung Parkplatz, wo sich ihr Auto befand. Im Weggehen wurde ihr dann aber bewusst, dass Emilia ja Ferdinand bei sich hatte, und sie blieb abrupt stehen. »Kannst du Ferdi vielleicht absatteln und dann in seine Box stellen? Ich kümmere mich dann später um ihn.«
»Klar doch, das mache ich gern. Und alles andere kann ich auch gleich miterledigen«, bot Emilia an. Immerhin hatte sie schon oft genug mit angesehen, wie die Pflege und die Versorgung der Pferde nach dem Reiten abliefen.
Franzi zögerte einen kurzen Augenblick. Wahrscheinlich überlegte sie, ob sie Emilia den imposanten Wallach wirklich anvertrauen könnte. Dann aber nickte sie. »Wenn du Ferdi absattelst, putzt und die Hufe machst, wäre das schon super. Das Waschen und die anschließende Massage erledige ich dann später.«
»Okay«, erwiderte Emilia und führte Ferdinand in die Stallgasse. Ihr Puls ging ziemlich rasant, was nicht allein daran lag, dass Mats sich verletzt hatte. Für eines von Jessicas Pferden verantwortlich zu sein, und wenn auch nur für einen kurzen Augenblick, war spannend, aber auch aufregend. Emilia wollte auf keinen Fall irgendetwas falsch machen.
Sie hatte Ferdi abgesattelt und abgetrenst, ihm die Gamaschen und Glocken abgenommen und war auch bereits mit dem intensiven Hufpflegeprogramm fertig, sodass sie den Dunkelbraunen gerade in seine Box bringen wollte, als Jessica in der Stallgasse auftauchte.
»Wie geht es Mats?«, erkundigte Emilia sich sofort.
»Franzi fährt ihn zum Arzt. Der Knöchel muss geröntgt werden, auch wenn Mats das vollkommen anders sieht.« Jessica verdrehte die Augen. »Ich musste ihn richtig dazu zwingen, er war nämlich der Meinung, ein bisschen kühlen reiche und ruckzuck wäre alles wieder in Ordnung.«
»Der spinnt ja«, entfuhr es Emilia.
Jessica nickte. »Leider sieht sein Knöchel echt nicht gut aus. Ich gehe davon aus, dass er sich ernsthaft verletzt hat.« In Jessicas bekümmerter Miene erschien ein kleines Lächeln, als sie in Ferdis Box schaute.
»Oh, du hast dich ja ganz wunderbar um Ferdi gekümmert. Vielen Dank, Emilia, das ist wirklich nett von dir.«
Am liebsten hätte Emilia gesagt, dass es ihr eine unfassbar große Ehre war, sich um eines von Jessicas Pferden kümmern zu dürfen und sie sich deshalb eigentlich bei ihr bedanken müsste, doch sie verkniff es sich im letzten Moment. Sie wollte sich nicht ständig wie Jessicas allergrößter Fan aufführen, auch wenn sie das bestimmt war. Sie befürchtete, dass Jessica das auf Dauer ziemlich nerven würde. Außerdem machten die anderen das auch nicht.
»Kann ich dir sonst noch bei irgendetwas helfen? Ich meine, weil ja nun Franzi und Mats weg sind und du somit keine Pfleger mehr hast … also jetzt gerade …«, stammelte Emilia und kam sich von Wort zu Wort alberner vor.
Jessica lachte. »Schon gut, Emilia, ich bin ja eh mit meinem Vormittagsprogramm durch. Ich schaue noch schnell nach Ferdi und dann ist es eh schon an der Zeit, Moritz vom Kindergarten abzuholen.«
»Ach so, ja, okay, dann läuft ja alles …«
Jessica verpasste ihr einen freundschaftlichen Knuff gegen die Schulter. »Wenn du dich aber unbedingt noch nützlich machen möchtest, Emilia, dann kannst du später Dalera von der Koppel holen.«
»Echt?« Emilia glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. Hatte Jessica das tatsächlich gerade zu ihr gesagt? Wow! Das war so … so … verantwortungsvoll. Immerhin handelte es sich bei Dalera um Jessicas absolutes Erfolgspferd. Gerade erst hatten Dalera und sie in Omaha ihren Weltcup-Titel erfolgreich verteidigt.
Und dieses wunderbare und ganz besondere Pferd vertraute sie ihr an! Wahnsinn!
Jetzt komm mal wieder runter, schimpfte Emilia im nächsten Moment mit sich selbst. Du sollst Dalera später lediglich von der Koppel zum Stall führen und nicht mit ihr an der nächsten Weltmeisterschaft teilnehmen.
»Ja klar mache ich das«, erklärte Emilia so entspannt und normal, wie es ihr nur möglich war, und lief los.
»Sie hat aber noch eine Weile lang Koppelzeit«, rief Jessica ihr nach. »Mats hatte sie ja gerade erst rausgestellt.«
Emilia blieb stehen, nickte und kam dann zu Jessica zurück. »Stimmt. Okay, dann eben später. Ähm … wann genau?«
»Das steht auf dem Plan im Stall.«
»Ach so, ja, dann schaue ich mal nach …«
Eine ganze Weile später betrat Emilia die Koppel, auf der Dalera graste. Behutsam befestigte sie den Führstrick an ihrem Halfter. Vorsichtig, aber auch nicht zu vorsichtig, damit Dalera nicht stutzig und dann womöglich nervös werden würde, weil sie spürte, wie nervös Emilia war, führte sie die braune Stute von der Koppel zum Stall. Dort traf sie auf Jessica, die wieder zurück war. Sie nahm Emilia Dalera ab, um ihr die Hufe auszukratzen und die Koppelgamaschen zu entfernen, bevor sie ihre Stute in die Box ließ.
»Vielen Dank für deine Hilfe. Wir sehen uns dann spätestens am Montag zum Unterricht.« Jessica war bereits im Begriff, den Stall zu verlassen.
»Schreibst du mir, was mit Mats ist?«, bat Emilia.
»Ja, das mache ich. Versprochen.« Dann war Jessica fort und Emilia fiel ein, dass sie sich noch gar nicht vernünftig um ihren Valentin gekümmert hatte. Ein letzter Blick in Jessicas Stallgasse, und Emilia beeilte sich, zum Nachbarhof zu laufen, wo ihr Pony Valentin mit vier anderen Wallachen zusammen in einer Offenstallanlage lebte.
Verantwortung für meine Entscheidungen und auch Fehler zu übernehmen hilft mir, das Positive in fast jeder Situation zu erkennen.
Emilia hatte gerade die Haustür hinter sich zugemacht, als ein leises Pling den Eingang einer WhatsApp-Nachricht auf ihrem Handy ankündigte. Doch sie konnte nicht direkt nachsehen, weil sie die Hände mit zwei Abschwitzdecken und einem ganzen Haufen Bandagen voll hatte, die unbedingt gewaschen werden mussten.
Nachdem sie die Waschmaschine gestartet hatte, brauchte sie selbst erst einmal dringend eine Dusche und frische Kleidung. Anschließend nahm sie sich ein großes Glas von der Zitronenlimonade, die ihre Mutter zubereitet hatte, und verzog sich damit auf die Terrasse. Den Rest des Nachmittags wollte sie auf der Liege in der Sonne verbringen. Ein bisschen lesen und ansonsten einfach nur das schöne Wetter genießen. Sie wollte es sich gerade bequem machen, da fiel ihr die WhatsApp-Nachricht von vorhin wieder ein. Also richtete Emilia sich wieder auf und griff nach ihrem Handy, das sie auf den Terrassentisch gelegt hatte. Doch bevor sie die Nachricht aufrufen konnte, gesellte sich sich Jannis zu ihr auf die Terasse. Ihr älterer Bruder hatte mal wieder nur Blödsinn im Kopf und zückte eine kleine gelbe Kinderwasserpistole, mit der er sie nass spritzte.
»Ihhhh, spinnst du?«, quiekte Emilia, warf ihr Handy zurück auf den Tisch und rannte hinter ihrem lachenden Bruder her, um ihm das Plastikteil abzunehmen. Daraus entwickelte sich ein wildes Gerangel, das in dem blauen Rundpool endete, den ihr Vater, sobald es warm genug war, direkt neben der Terrasse aufstellte. In diesem Jahr war das schon seit Anfang April der Fall. Jannis meinte zwar immer, dass sie dafür doch längst zu alt wären, war dann aber immer derjenige, der die meiste Zeit im heimischen Gartenpool verbrachte.
Nach der Wasserschlacht musste sich Emilia erst einmal ausruhen und dann spürte sie auch schon ihren Magen knurren. Geschwisterkämpfe machten auf jeden Fall hungrig.
So kam es, dass es schon fast Abend war, als sie endlich auf ihr Handy sah und entdeckte, dass Jessica ihr bereits vor Stunden geschrieben hatte.
»O nein«, rief Emilia erschrocken aus.
»Was ist passiert?«, fragte Jannis.
»Mats hat sich den Knöchel gebrochen.«
»Mats?«
»Jessicas Pfleger … also ihr Pferdepfleger.«
Es war so was von klar, dass Jannis einen blöden Spruch ablassen würde. »Ich habe mich auch schon gewundert. So alt ist sie doch noch gar nicht, dass sie gepflegt werden muss …« Er grinste doof, woraufhin Emilia ihn ärgerlich anranzte: »Boah, Jannis, das ist echt nicht lustig. Jessica schreibt, dass er vielleicht operiert werden muss.«
Ungerührt zuckte Jannis mit den Schultern. »Er wird’s schon überleben.«
»Wer überlebt was?« Katja Behrends war zu ihnen auf die Terrasse getreten und sah ihren ältesten Sohn Jannis fragend an.
Bevor der antworten konnte, kam ihm Emilia zuvor. »Was richtig Schlimmes. Mats hat sich den Knöchel gebrochen.«
Im Gegensatz zu Emilias Bruder wusste ihre Mutter sofort, von welchem Mats die Rede war. Aber sie interessierte sich ja auch wesentlich mehr für Emilias Pferdeleben und begleitete sie auch oft aufs Gut, wenn sie bei Valentin waren.
Dass Emilia und Valentin inzwischen so gut miteinander klarkamen, war nicht immer so gewesen. Im vorherigen Stall, der dem bekannten Reiter und Ausbilder Florian Hogrefe gehörte, war es Valentin alles andere als gut ergangen. Emilia hatte immer wieder zu ihren Eltern gesagt, dass Florians Methoden nicht richtig wären, nicht richtig sein könnten, doch es hatte eine geraume Weile gedauert, bis sie ihr endlich geglaubt und angefangen hatten, vieles zu hinterfragen. Emilia war damals so geknickt und verzweifelt gewesen, dass sie das Reiten aufgeben und Valentin verkaufen wollte, weil ihr die brutale Vorgehensweise des ehemaligen Trainers die Freude am Reiten komplett genommen hatte. Doch dann war sie Jessica begegnet und mit ihrer Hilfe hatten Emilia und ihr Valentin noch mal ganz von vorne angefangen. Seitdem waren sie glücklich. Nicht perfekt, auf gar keinen Fall, aber auf einem echt guten Weg. Einem achtsamen Weg, der keinesfalls zu Valentins Lasten ging, so wie es bei den Hogrefes gewesen war.
»Ach herrje, wie ist das denn passiert? Ist er vom Pferd gefallen?«, fragte Emilias Mutter mit sorgenvollem Gesicht.
In kurzen Sätzen schilderte Emilia ihrer Mutter, was geschehen war.
»Der Arme. Und das alles nur wegen einer Frisbeescheibe.«
»Ich geh dann mal«, erklärte Jannis, den das ganze Pferdethema herzlich wenig interessierte. »Bin noch mit Tom und Mehmet zum Zocken verabredet.«
»Komm aber nicht erst wieder mitten in der Nacht heim, Jannis!«, bat Katja Behrends ihren Sohn.
Genervt verzog Jannis das Gesicht. »Mama, morgen ist Sonntag und ich kann ausschlafen. Außerdem bin ich kein Kleinkind mehr, falls dir das entgangen sein sollte.«
Emilia hatte nur mit halbem Ohr zugehört. Ihre Gedanken waren bei Mats, der ihr wirklich leidtat. Und sie dachte an Jessica, die nun womöglich wochenlang auf ihren zweiten Pferdepfleger verzichten musste.
Vielleicht sollte sie ihre Unterstützung anbieten. Zumindest nach der Schule und an den Wochenenden, sobald sie sich um Valentin gekümmert hatte.
Emilia dachte nicht mehr lange darüber nach, sondern schrieb Jessica, dass ihr das mit Mats wirklich sehr leidtat, und bot ihr an zu helfen, wo und wann auch immer sie in der Lage wäre.
Jessicas Antwort folgte direkt:
Das ist sehr nett von dir, Emilia, aber wir haben das hier schon alles intern geklärt.
Ein kleines bisschen enttäuscht war Emilia schon, obwohl das natürlich Blödsinn war. Jessica konnte niemanden gebrauchen, der den halben Tag in der Schule war und nur am Nachmittag zwei, drei Stunden Zeit hatte und höchstens an den Wochenenden etwas mehr.
»Wie war es denn sonst heute im Stall?«, fragte Katja Behrends und entriss Emilia damit ihren Pferdepflegerinnenvisionen.
»Eigentlich gut, bis auf Mats’ Unfall natürlich«, antwortete Emilia. »Valentin war etwas schlapp, aber das ist bei dieser Hitze ja auch kein Wunder. Wir haben dann auch nur einen entspannten Schrittausritt gemacht.«
Katja Behrends wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn, wollte damit wohl demonstrieren, dass auch sie mit den für Anfang April ungewöhnlich warmen Temperaturen ganz schön zu kämpfen hatte.
In diesem Moment ging eine weitere Nachricht von Jessica auf Emilias Handy ein, und so kurz und knapp sie auch war, sie sorgte dafür, dass sich Emilias Herzschlag auf der Stelle beschleunigte.
»Jessica fragt mich, ob ich kommenden Samstag Zeit habe, sie zum Turnier zu begleiten.«
»Wie begleiten?«
Emilia zuckte mit den Schultern. »Das schreibt sie nicht.«
»Dann frag sie doch.«
Doch das musste Emilia nicht, denn ihr Telefon klingelte. Jessica rief an.
»Ich dachte gerade, so geht’s schneller, als ewig hin- und herzuschreiben«, begann sie und lachte leise auf.
»Ja, das stimmt«, sagte Emilia.
»Du hast mir ja gerade deine Hilfe angeboten, was wirklich nett von dir ist«, fuhr Jessica fort. »Aber Lara, die sonst für die Pferde meines Bruders zuständig ist, kann so lange einspringen, bis Mats wieder auf den Beinen ist. Im wahrsten Sinne des Wortes. Allerdings bräuchte ich jemanden, der mich am Samstag zum Turnier begleitet, wie ich dir schon geschrieben habe. Lara ist an diesem Wochenende schon verplant und Franzi wird in Aubenhausen gebraucht. Natürlich könnten wir das mit einem der anderen Mitarbeiter irgendwie organisieren. Aber da du so nett warst, mir deine Hilfe anzubieten, dachte ich, es ist vielleicht auch ein bisschen spannend für dich, mich zu begleiten.«
»Und wie!«, rief Emilia in den Hörer. »Absolut spannend!«