Guten Feinden bäckt man ein Törtchen - Marit Bernson - E-Book
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Guten Feinden bäckt man ein Törtchen E-Book

Marit Bernson

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Beschreibung

Liebe schmeckt süß Claire Martin hat die Bäckerei ihrer Mutter übernommen und träumt davon, ihre Leidenschaft für besondere Torten und Feingebäck ausleben zu können. Doch die Konkurrenz ist hart, Damian Becker ihr erbittertster Gegner. Diese Fehde haben beide schon von ihren Eltern übernommen. Auf einer Messe erfährt Claire jedoch, dass eine Großbäckerei eine Filiale in ihrem Ort eröffnen will. Auf der Suche nach mehr Informationen über die Pläne der neuen Konkurrenz verschafft sie sich Zugang zu einem der Lieferwagen – und sitzt dort plötzlich ausgerechnet mit Damian fest. Für ihn ist die Sache schnell klar: Sie müssen sich zusammentun. Sein unverschämtes Grinsen und das Herzklopfen, das er bei ihr verursacht, sollten Claire nicht davon abhalten, auf seinen Vorschlag einzugehen. Oder? Mit drei leckeren Rezepten zum Nachbacken.

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Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
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Buchtipp

Kapitel 1

Feinde und Eclairs

 

Das gleichförmige Brummen des Motors hätte einschläfernd wirken können. Tatsächlich war ich vollkommen erschöpft. Es lagen schließlich zwei anstrengende Tage hinter mir. Doch mein Herz schlug heftig gegen meine Rippen. Das Rauschen in meinen Ohren war so laut, dass es jeden klaren Gedanken übertönte. Wie sollte ich auch klar denken können?

Ich musste dringend hier raus. Zum hundertsten Mal schaute ich mich um. Da waren die seitliche Schiebetür und die zwei hinteren Türen. Selbst wenn ich sie unbemerkt hätte öffnen können, musste ich dann immer noch einen Hechtsprung aus einem fahrenden Auto hinlegen. Unmöglich! Ich saß hier fest, im hinteren Teil eines Lieferwagens, zusammengekauert hinter ein paar Kisten, und wartete, dass er endlich anhielt.

Wie verflixt noch mal konnte es so weit kommen?

Ich kam mir vor wie in einem schlechten Film.

Wäre es ein Krimi, wäre allerdings ich die Verbrecherin. Denn in den Lieferwagen einzusteigen, war meine eigene blöde Idee gewesen. Eine absolute Notwendigkeit. Wirklich! Leider hatte ich nicht darauf geachtet, wann der Fahrer zurückkam. Ich war abgelenkt gewesen.

Schuld an allem war der Mann, der mir gegenüber saß, Rücken und Kopf gegen die Außenwand des Lieferwagens gelehnt, die Augen zusammengekniffen, als dächte er sich ein neues Milchbrötchenrezept aus. Wenn er mir nicht hinterhergekommen wäre, säßen wir jetzt nicht beide hier fest.

Nun trafen sich unsere Blicke. Er schien genauso schockiert zu sein wie ich. Wir sprachen selten miteinander, mochten uns nicht einmal. Doch der Schlamassel, in dem wir steckten, betraf uns beide. Zweimal, wenn man so wollte.

Ich wandte meinen Blick ab und versuchte, so abweisend wie möglich auszusehen. Was wir eben erfahren hatten, mochte uns verbinden, auf eine gewisse und sehr abstruse Weise, aber wir waren nun mal, wer wir waren. Konkurrenten!

 

Wenige Stunden zuvor

 

»Das schmeckt wirklich ausgesprochen köstlich.« Ein geziertes Kichern, ein Augenaufschlag, und ich wollte mich am liebsten übergeben. »Verraten Sie mir Ihr Geheimnis?« Die junge Frau mit den langen blondierten Haaren kicherte wieder.

Ich hasste sie. Wie sie sich anbiederte! Damian Becker war groß, muskulös, ja, vielleicht auch gutaussehend. Aber vor allem war er ein Ekel. Das schien diese Scheinblondine nicht zu merken. Er lächelte erhaben, als hörte er solche Komplimente jeden Tag, und zeigte ansonsten nicht das geringste Interesse an ihr.

Es wäre besser gewesen, wegzuhören, nein, eigentlich hätte ich sogar weggehen sollen. Aber das war nicht möglich. Ein unglücklicher Zufall hatte dafür gesorgt, dass wir Standnachbarn waren, sodass ich seit zwei Tagen jedes einzelne Wort mithören musste, das nebenan bei Damian gesprochen wurde. Vermutlich hatte der Veranstalter der Messe geglaubt, es wäre praktisch, wenn Läden aus demselben Ort eng beieinander waren, damit man sie gut finden konnte.

Dabei musste doch jedem klar sein, dass wir härteste Konkurrenten waren. Das kleine Dorf Krümmen, in dem wir wohnten, hatte wegen der hindurchführenden Bundesstraße einen großen Einzugsbereich, sodass die Läden, die unsere Eltern gegründet hatten, über die Jahrzehnte koexistieren konnten, aber das hatte Jahre und einige Rechtsstreits gedauert. Seit dem Tod meiner Mutter war es ruhiger geworden. Damian und ich waren die zweite Generation und pflegten die alte Feindschaft zumindest mit giftigen Blicken und ansonsten völliger Ignoranz. Ich hatte tatsächlich bisher noch nie ein normales Wort mit ihm gewechselt. Wir hatten uns bisher immer darauf beschränkt, lediglich kurze Spitzen gegeneinander auszuteilen. Ob andere Leute dabei waren oder nicht, war uns eigentlich egal.

Aber hier standen mir doch zu viele Fremde herum. Sie gehörten zur »Kulinarischen Führung«, die zweimal am Tag angeboten wurde und nur an den herausragendsten Ständen hielt. Etwa zehn Leute übertrafen sich seit einer halben Ewigkeit damit, Damians Gebäck zu loben. Dabei konnte ich nicht einmal erkennen, was diese Törtchenhügel darstellen sollten. Etwa Eclairs? Der mit Schokolade überzogene Teigdeckel deutete darauf hin, aber die Cremefüllung hatte die falsche Farbe. Sie war zu dunkel. Von der Form wollte ich gar nicht anfangen. So, wie die Leute sich mit Lob überschlugen, musste es geschmacklich überragend sein, wenn sie dafür das Aussehen missachteten, das ich als einem Hundehaufen nicht unähnlich beschrieben hätte.

Doch Damian war dafür bekannt, dass seine Machwerke optisch vielleicht nicht die schönsten waren, geschmacklich allerdings sollten es die besten weit und breit sein. Wenn man von meinen absah.

Natürlich hätte ich zu gern auch einmal etwas probiert, was er gebacken hatte. Glaubte man den Leuten, schmeckten seine Backwaren noch besser als die seines Vaters, der die Bäckerei damals gegründet hatte. Aber ich hatte es nie über mich gebracht, mich auf diese Weise mit meiner Konkurrenz auseinanderzusetzen. Nicht einmal heimlich, obwohl meine beste Freundin und Mitarbeiterin Jana mir schon oft angeboten hatte, eins seiner berühmt-berüchtigten Teilchen zu besorgen. Der Stolz hatte es mir verboten.

Umso mehr ärgerte ich mich jetzt natürlich darüber, dass all die Leute, die seinen Stand umringten und so den Zugang zu meinem versperrten, genau wussten, wovon sie sprachen. Nur ich stand dumm da und versuchte, Damian mit der Kraft meines giftigen Blickes dazu zu bringen, mich anzusehen.

»Das sind weit und breit die besten Eclairs«, erklärte nun die blonde Schnepfe.

Langsam war es ja mal genug. Jetzt beugte sie sich auch noch vor, vermutlich, um ihm einen besseren Blick auf ihr ausladendes Dekolletee zu gewähren, das aber angesichts der drei offenen Knöpfe oben an ihrer weißen Bluse ohnehin nicht zu übersehen war. Immer noch zeigte er keine Reaktion darauf. Typisch! Vermutlich war er es gewohnt, ständig von hübschen Frauen umgeben zu sein. Dabei konnte ich nicht nachvollziehen, was die an ihm fanden. Okay, das stimmte nicht. Wenn er nicht wäre, wer er war, hätte ich ihn vielleicht sogar auch recht attraktiv finden können. Diesen Floh hatte mir Jana gestern erst wieder ins Ohr gesetzt. Als ob es irgendeine Rolle spielte, ob mein Konkurrent gut aussah oder nicht.

Ob er extra Eclairs gemacht hatte, um mich zu ärgern?

Von wegen! Das waren keine Eclairs. Eclair-Haufen allenfalls. Noch dazu sah keins aus wie das andere von der Form her.

Dass er mir auf dieser Messe für einheimische Lebensmittel in die Quere kam, kannte ich schon aus den Vorjahren. Aber mit diesen Häufchen hatte er einen Nerv getroffen. Eclairs waren schließlich meine Spezialität. Immerhin hatten meine Eltern mich nach ihnen benannt: Claire. In mir wuchs der Wunsch, ihm eins meiner Törtchen an den Kopf zu werfen. Irgendeinen Vorteil musste es doch haben, so nah beieinander zu stehen.

Die blonde Schnepfe gab es endlich auf, Damian anzuschmachten. Kein Wunder, die Leute in ihrer Gruppe waren unruhig geworden. Damians Häufchen waren aufgegessen, und sie wollten weiter. Mein Stand war der nächste in der Führung.

Im Gegensatz zu Damian war mir das Aussehen meine Backkunstwerke sehr wichtig. Trotzdem hatte diese Schnepfe bereits Damians Eclairs als die besten weit und breit deklariert. Nun stand sie vor mir und betrachtete die kleinen perfekten Liebesknochen, die ich fein säuberlich auf einem Tablett angeordnet hatte.

»Oh, schon wieder Eclairs.« Sie zog die Augenbrauen hoch, während ich einen Giftpfeil mit meinen Augen in Richtung Damian abschoss und die Platte hochhielt, damit die Leute zugreifen konnten.

Unsere Blicke trafen sich. Er grinste mich tatsächlich schelmisch an, hob sogar eins der Häufchen hoch und tat, als würde er es mir anbieten. Wusste ich es doch! Er hatte absichtlich etwas Ähnliches zubereitet, um sich direkt mit mir zu messen. Jetzt musste ich einfach hoffen, dass meine besser schmeckten als seine – für was auch immer diese Schnepfe und die Leute sie hielten.

Ich verzog abfällig meinen Mund, was sein Grinsen nur noch verbreiterte. Besser war es, ihn zu ignorieren.

Die Schnepfe betrachtete das Eclair in ihrer Hand und nickte wenigstens anerkennend.

»Die Eclairs von Claire Martin sind auf jeden Fall die schönsten«, sagte sie und warf Damian einen koketten Blick zu, den er mit einem Zwinkern erwiderte.

Ich überhörte die falsche Aussprache meines Nachnamens. Der Vorname Claire verführte oft dazu, Martin französisch auszusprechen. Aber mein Vater war ein geborener Martin und hatte keine französischen Wurzeln, von denen er wusste. Bäckerei Martin sprach jeder auf Anhieb richtig aus. In französischer Aussprache hätte es auch etwas merkwürdig geklungen. Damian hatte es da einfacher. Sein Geschäft hieß schon immer einfach derBecker, was deshalb nervig war, weil er suggerierte, es wäre der Bäcker, also der einzige, auf den es ankäme.

»Aber der Geschmack ist das Entscheidende«, setzte die Schnepfe hinzu.

Bei diesen Worten sah Damian wieder zu mir. Es hätte nur noch gefehlt, dass er mir die Zunge rausstreckte. So gern hätte ich in diesem Moment die Gewissheit gehabt, dass seine Eclair-Häufchen wirklich nicht besser waren als meine.

»Perfektes Aussehen, perfekter Geschmack«, pokerte ich.

»Die sind wirklich ausgezeichnet«, sagte ein älterer Herr. »Sie schmecken so, wie ich sie aus meiner Kindheit kenne.«

So sollte es auch sein.

Ich warf Damian einen triumphierenden Blick zu, doch er winkte nur ab.

»Dafür hatten die von Herrn Becker eine ganz spezielle Geschmacksnote«, sagte die blonde Schnepfe, während sie noch an meinem Eclair kaute.

Hinter ihr breitete sich ein triumphierendes Grinsen auf Damians Gesicht aus.

Armleuchter!

»Meine Eclairs sind nach einem alten Familienrezept zubereitet«, erklärte ich. Dass Damians Kreation etwas anderes darstellte, ersparte ich mir zu erklären.

»Halten wir auch noch an dem Stand von Bake & Cake?«, fragte eine ältere Dame. »Die sollen exzellente Plunderteilchen haben.«

»Davon habe ich auch schon gehört«, stimmte ein Herr mittleren Alters zu, dem man seine Schwäche für leckere Törtchen ansah. »Die wollen demnächst in dieser Gegend eine Filiale eröffnen.«

Ich erstarrte in der Bewegung. Ein Bake & Cake hier in der Gegend? Hoffentlich nicht ausgerechnet in unserem Dorf. Dann hätte ich neben Damian noch einen weiteren Konkurrenten an der Backe, einen besonders großen auch noch. Dann würde ich meinen Laden wohl bald schließen können.

Die Gruppe ging weiter, ohne dass jemand meinen Schrecken bemerkte. Ich widmete mich dem leeren Tablett und drapierte Mini-Schoko-Bananen darauf.

Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, dass Damian immer noch reglos da stand. Ich hob meinen Blick. Er starrte auf irgendeinen Punkt vor sich. Als er bemerkte, dass ich ihn beobachtete, runzelte er die Stirn und wandte sich ab.

Hatte er einen Schlaganfall oder war ihm gerade dasselbe durch den Kopf gegangen wie mir?

 

***

 

»Dort steht ein Lieferwagen von denen«, sagte Jana, als wir nach diesem zweiten und letzten Messetag, den Stand abgebaut hatten und nun alles in meinem Lieferwagen verstauten. Wir hatten natürlich schon ausführlich darüber spekuliert, wo diese Filiale von Bake & Cake wohl eröffnen würde.

»Ja, und? Dass die auch hier sind, weiß ich doch.« Es war dunkel und kalt. Aber der Frühling lag bereits in der Luft. Hoffentlich! Zuhause würde ich erst einmal ein heißes Bad nehmen. Ich bedeutete Jana, sich zu beeilen.

»Vielleicht haben sie irgendwelche geheimen Informationen dort drinnen herumliegen.« Sie kicherte, was sie einige Jahre jünger wirken ließ, als sie war. Mit ihren rotbraunen Haaren und den Sommersprossen sah sie ohnehin wie ein junges Mädchen aus, obwohl sie jetzt eine schwere Kiste hob und auf die Ladefläche hievte. Drei Jahre Altersunterschied trennten uns. Ihren fünfundzwanzigsten Geburtstag hatten wir erst vor zwei Wochen gefeiert. Genau diese drei Jahre arbeitete sie jetzt für mich und war so zu meiner besten Freundin geworden, auch wenn ich quasi ihre Chefin war. Ich sah sie allerdings als Partnerin. Während ich mich lieber neuen Törtchenkreationen widmete, hatte sie ein Händchen für Buchhaltung und andere Dinge, die das Drumherum eines Bäckereibetriebes betrafen. Die Zukunft meines Ladens ging uns beide gleichermaßen an. Kein Wunder, dass sie sich jetzt Gedanken machte. Aber den Lieferwagen ausspionieren?

Ich schnaubte. »Als ob sie solche Geheiminfos offen auf den Fahrersitz legen würden, sodass jeder sie sehen kann.«

»Mach dir einfach keine Sorgen! In unserem Ort gibt es bereits zwei Bäckereien. Welchen Grund hätten sie, ausgerechnet dort eine dritte zu eröffnen?«

Genau mit diesem Gedanken tröstete ich mich auch bereits seit einigen Stunden. Aber ob es etwas half?

Jana stieg hinter das Lenkrad. Ich würde mit meinem eigenen Auto fahren. Als sie weggefahren war, blieb ich unschlüssig stehen. Vielleicht hatte sie recht. Sollte ich mal rübergehen? Vielleicht traf ich jemanden, den ich ausfragen konnte.

Doch der Lieferwagen war verlassen.

Sollte ich einen Blick durch das Fenster riskieren?

Ich schaute mich um. Niemand achtete auf mich. Die Leute schoben Sachen aus der kleinen Halle, in der die Messe stattgefunden hatte, und beluden ihre Autos – bis auf dieses. Niemandem würde auffallen, was ich tat.

Wie zufällig ging ich am Wagen entlang und warf einen Blick durch das Fenster auf der Beifahrerseite. Natürlich lagen keine Geheimpläne auf den Sitzen. Seufzend wollte ich mich damit abfinden, als mir auffiel, dass die Seitentür nicht ganz geschlossen war. Noch einmal schaute ich mich um. Immer noch achtete niemand auf mich. Vorsichtig fasste ich an die Tür, und sie ließ sich erstaunlich leicht ein Stück zur Seite schieben. Bevor ich darüber nachdenken konnte, schlüpfte ich durch den kleinen Spalt hinein ins Innere und schloss die Tür wieder ein Stück hinter mir.

Im Halbdunkel war nicht viel zu erkennen. Lediglich aus dem vorderen Teil fiel Licht von einer Straßenlaterne durch die Front- und Seitenscheiben ins Innere des Wagens.

Hektisch schaute ich mich nach etwas um. Doch ich entdeckte nichts, was mir weiter half. Keine Ahnung, wonach ich überhaupt suchte. Überall standen Kisten, auf deren Inhalt ich nicht schließen konnte.

Die Tür ging wieder auf, und mein Herz zuckte schmerzhaft zusammen. Ich drückte mich ganz nach hinten in die Ecke und suchte Schutz hinter einer Kiste.

Wie albern! Man würde mich leicht entdecken.

Die Tür wurde weiter aufgeschoben, und ich lugte zwischen zwei Kisten hervor. Ein Mann stieg langsam ein, das Gesicht nach außen gerichtet, als würde ihn etwas verfolgen. Jetzt war er drinnen und schob die Tür hinter sich wieder zu, bevor er sich umblickte – und mich entdeckte.

Es war Damian!

 

Kapitel 2

Im Fond mit dem Feind

 

Einige Sekunden starrten wir uns an. In meinem Kopf ratterte es. Hatte er dieselbe Idee gehabt wie ich?

Damians Stirn runzelte sich. Die Frage in seinem Gesicht war deutlich zu erkennen.

»Wenn du nicht gerade für die arbeitest, hast du genauso wenig hier drinnen zu suchen wie ich«, verteidigte ich mich sofort.

Zu meiner Überraschung lachte er. »So viel Mut hätte ich dir gar nicht zugetraut.«

Mehr hatte er nicht zu sagen?

»Und?«, fragte er und blickte halb interessiert auf die Kisten, in denen sich vermutlich keine Geheiminformationen befanden. Wahrscheinlich waren sie leer. Meine Backwaren hatte ich ebenfalls restlos verkauft. »Schon etwas entdeckt? Wo machen sie ihre neue Filiale auf?«

Ich seufzte. »Keine Ahnung, ich bin auch eben erst hier eingestiegen.«

Ein Geräusch ließ uns zusammenzucken. Die Türen vorne hatten geklickt. Jeden Moment würde der Fahrer kommen. Hektisch wandte ich mich zur Tür. Aber es war zu spät. Niemals würde ich ungesehen hier herauskommen.

Ich ließ mich wieder hinter der Kiste nieder und bedeutete Damian, sich mir gegenüber auf der anderen Seite hinter den Kisten zu verstecken. Erstaunlich geschickt und ohne ein Geräusch zu machen, drückte er sich an kleineren Kartons vorbei, hockte sich in die hintere Ecke und schaffte es sogar noch, ein paar Kisten zu verschieben, sodass er noch besser verborgen war.

Wenn der Fahrer sofort losfuhr, ohne sich allzu gründlich umzusehen, hatten wir eine Chance.

Tatsächlich stieg der Fahrer direkt vorne ein – und neben ihm auch noch ein Beifahrer. Sie waren zu zweit.

Nicht gut! Nicht gut! Nicht gut!

Meine Gedanken rasten, mein Herz pochte schneller. Was sollte ich jetzt tun? Ich war in einen fremden Lieferwagen eingebrochen und wurde gleich von zwei Wildfremden im Angesicht meines Todfeindes durch die Gegend kutschiert. Wie war ich nur auf die blöde Idee gekommen, hier herumzuspionieren?

»Fahr los!«, forderte eine männliche Stimme. »Ich will nach Hause.«

Der Motor wurde angelassen, und der Lieferwagen setzte sich tatsächlich in Bewegung. So ein Mist! Hoffentlich war dieses Zuhause nicht allzu weit entfernt.

Ich warf Damian einen Blick zu, der genauso wenig begeistert schien wie ich.

»Haben dich heute auch alle möglichen Leute gefragt, wo die neue Filiale aufmacht?«, fragte die Stimme jetzt, die offenbar dem Beifahrer gehörte.

»Ja, aber ich habe immer geantwortet, dass es noch geheim ist.« Diese Stimme stammte von einer Frau, der Fahrerin.

»Mir kann es zwar egal sein, aber warum machen die so ein Geheimnis daraus?«, fragte der Mann.

»In dem Ort gibt es bereits zwei Bäckereien. Wahrscheinlich haben sie Angst vor Protesten oder so was. Es ist doch immer dasselbe.«

Beinahe hätte ich laut aufgestöhnt. Ein Blick zu Damian verriet mir, dass es ihm genauso ging. Es gab weit und breit keinen anderen Ort mit zwei Bäckereien. Natürlich eröffnete Bake & Cake eine Filiale bei uns in Krümmen. Immerhin hatte unser Dorf bereits bewiesen, dass der Bedarf an Backwaren groß war.

Tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf. Was bedeutete das für die Zukunft meiner Bäckerei? Wie kam ich unbemerkt aus diesem Auto? Warum saß ich hier überhaupt fest? Musste das Schicksal mir auch noch ausgerechnet Damian vor die Nase setzen an diesem schlimmen Tag?

Mein Herz schlug heftig gegen meine Rippen. Das Rauschen in meinen Ohren war so laut, dass es jeden klaren Gedanken übertönte. Wie sollte ich auch klar denken können, während ich zusammengekauert mit Ausblick auf Damian im hinteren Teil eines Lieferwagens saß und wer weiß wohin fuhr?

 

***

 

Nach einer gefühlten Ewigkeit und quälenden Gedanken angesichts fehlender Fluchtmöglichkeiten kam der Wagen endlich zum Stehen. Fahrerin und Beifahrer stiegen aus, und ich wagte es, meinen Kopf hinter der Kiste hervor zu strecken, um nachzusehen, wo wir waren.

Ich erkannte, dass wir an einer Tankstelle standen. Im nächsten Augenblick hörte ich ein Rauschen, als der Lieferwagen aufgetankt wurde.

Dies war vielleicht unsere beste Gelegenheit, hier rauszukommen.

Ich blickte zu Damian, er wirkte wie eine Raubkatze, bereit, seine Beute zu fassen. Gut, er wollte diese Chance auch nutzen.

Der Tankstutzen befand sich links am Auto. Die Tür war auf der rechten Seite. Ich wagte mich ein Stück aus meinem Versteck und sah durch das vordere Fenster den Beifahrer Richtung Tankstellenhäuschen gehen. Da der Wagen offensichtlich weiterhin getankt wurde, konnte ich also davon ausgehen, dass sich die Fahrerin auf der anderen Seite befand. Eine bessere Gelegenheit würden wir nicht bekommen.

Ich wollte mich Richtung Tür vortasten, stieß aber gegen Damian, der offenbar denselben Gedanken hatte. Wir prallten beide zurück und stießen dabei gegen einige Kisten.

Mist! Das konnte die Fahrerin nicht überhört haben.

Ohne auf Damian zu achten, sprang ich zur Tür, riss sie auf, schlüpfte hinaus und rannte davon.

Hinter mir hörte ich Schritte. Hoffentlich war das nur Damian! Ich duckte mich hinter ein leeres Auto, dessen Fahrer wohl gerade auch in der Tankstelle zum Bezahlen war. Im nächsten Moment hockte sich Damian neben mich.

Gemeinsam schauten wir hinüber zu dem Lieferwagen, wo die verdutzte Fahrerin die offene Tür begutachtete.

»Dieses blöde Mistteil!«, rief sie. »Ist schon wieder aufgesprungen.«

Ich atmete auf. Offensichtlich ahnte sie nicht, dass sie bis eben zwei blinde Passagiere gehabt hatte.

Als sie wieder hinter dem Lieferwagen und aus unserem Blickfeld verschwand, wagte ich es endlich, aufzustehen. Schließlich konnten wir nicht ewig hier hocken. Damian stand neben mir. Kleine Schneeflocken landeten auf meinem Gesicht, und ich fröstelte etwas in meiner viel zu dünnen Jacke. Ich hatte schließlich nicht geplant, heute mehr Zeit draußen zu verbringen, als das Be- und Entladen meines Lieferwagens kostete. Schnee konnte ich jetzt am wenigsten gebrauchen.

»Und jetzt?«, fragte Damian und schlang die Arme um seinen Oberkörper. Er trug nur eine dünne Strickjacke.

Ich schaute ihn erstaunt an. »Wie? Und jetzt?«

»Du hast dasselbe gehört wie ich. Das könnte der Ruin für uns sein. Für beide Geschäfte.«

»Ja, das habe ich verstanden. Möge der Bessere gewinnen.«

Er schnaubte. »Das geht für keinen von uns beiden gut aus, glaub mir.«

»Das werden wir sehen. So leicht gebe ich nicht auf.«

»Das hatte ich gehofft.«

Ich runzelte die Stirn. Wie meinte er das?

»Lust auf einen Kaffee?«, fragte er. »Ich lade dich ein.«

Natürlich musste ich das ablehnen, aber mir war kurz vor unserem Halt ein irrer Gedanke gekommen. Es war das erste Mal in all den Jahren, dass wir gleiche Interessen hatten. Wenn wir uns zusammen taten, konnten wir dann etwas gegen den großen Konkurrenten ausrichten?

 

***

 

»Das ist nicht dein Ernst!« Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück und schüttelte fassungslos den Kopf. Auch wenn ich für einen Sekundenbruchteil ebenfalls daran gedacht hatte, dass wir gemeinsam etwas würden bewirken können – was er laut ausgesprochen hatte, war … völlig abwegig.

»Was spricht denn dagegen?«, fragte Damian.

Ich schnappte nach Luft. »Einfach alles.«

»Als du das eben im Auto gehört hast, hast du tatsächlich nicht mit dem Gedanken gespielt, dass wir beide uns verbünden könnten?« Er blickte mich aus zusammengekniffenen Augen an und wirkte fast ein bisschen enttäuscht.

»Doch«, gab ich zu. »Dabei habe ich aber eher an so etwas gedacht wie eine Petition oder eine Beschwerde beim Gemeinderat, um zu verhindern, dass die überhaupt ihren Laden eröffnen können. Aber das, was du vorschlägst …« Wieder schüttelte ich den Kopf.

Damian schnaubte. »Der Gemeinderat richtet dagegen nichts aus. Der schafft es seit Jahren nicht einmal, den Bau der Umgehungsstraße zu beschließen – wofür ich allerdings sehr dankbar bin, weil dadurch vermutlich unsere Läden auch gefährdet wären, weil dann der Durchgangsverkehr und mit ihm die Kunden fehlen würden.«

Da hatte er recht. Von der Gemeinde war keine Hilfe zu erwarten.

»Wir können das nicht verhindern«, erklärte Damian. »Wir können nur das Beste daraus machen.«

»Das ist total irre. Jahrelang waren wir Konkurrenten, und du verlangst, dass wir einfach so von heute auf morgen …« Mir fehlten die Worte.

»… Partner werden? Warum denn nicht?«

»Was glaubst du, wie unsere Eltern das finden werden?«

Damian kniff den Mund zusammen. Sein Unterkiefer mahlte. Ich hatte wohl den wunden Punkt getroffen. Meine Mutter und sein Vater waren erbitterte Konkurrenten gewesen, fast schon Feinde. Beide lebten leider nicht mehr, aber mein Vater und seine Mutter wären auch nicht begeistert davon, wenn ihre Kinder auf das Andenken ihrer geliebten Ehepartner pfeifen würden.

»Wenn wir beide uns einig sind, müssen sie das akzeptieren«, sagte Damian. Mir fiel in diesem Moment auf, dass seine Augen grün waren. Bisher war ich ihm noch nie lange genug so nahegekommen, dass ich das hätte erkennen können. »Die Bäckerei gehört jetzt mir. So viel ich weiß, bist du auch Alleineigentümerin deines Ladens, oder?«

Ich nickte.

»Wir allein haben die Verantwortung dafür, dass es mit unseren Geschäften weitergeht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es meiner Mutter lieber wäre, das Lebenswerk meines Vaters vor die Hunde gehen zu sehen, als mich mit dir zusammenzutun.«

Zwar nickte ich wieder, aber so sicher war ich mir da bei meinem Vater nicht. Er hatte oft darüber geschimpft, dass die Konkurrenz meiner Mutter derart zugesetzt hätte. Er sagte es zwar nie ausdrücklich, doch ich vermutete, dass er insgeheim der Tatsache, dass meine Mutter so viel Arbeit in ihre Bäckerei gesteckt hatte, die Schuld daran gab, dass sie mit ihren gerade mal achtundfünfzig Jahren an einem Herzinfarkt gestorben war.

Woran Damians Vater gestorben war, wusste ich nicht. Aber er war einiges älter gewesen als meine Mutter.

»Wie genau stellst du dir das Ganze vor?«, fragte ich. Natürlich war ich kein bisschen von der Idee überzeugt, aber gar nichts zu tun, kam auch nicht infrage. Zumindest darüber reden wollte ich.

»Es ist jetzt nicht so, dass ich mir in der letzten Dreiviertelstunde einen kompletten Businessplan zurechtgelegt hätte. Zuerst einmal müssen wir uns darüber einig werden, ob wir es versuchen wollen.«

»Ich weiß nicht.«

»Dann überlege es dir in Ruhe. Lass uns in den nächsten Tagen noch einmal darüber reden.«

Ich stimmte zu, auch wenn ich mir kaum vorstellen konnte, meine Meinung darüber zu ändern. Vielleicht fiel mir ja noch etwas anderes ein.

Kapitel 3

Himmlische Cremehaxn

 

Die Nacht war kurz. Damian und ich hatten uns mit einem Taxi zum Parkplatz vor dem Messegebäude fahren lassen. Keiner von uns beiden hatte spätabends noch jemand anrufen und Fragen beantworten wollen, auf die wir derzeit keine Antwort wussten.

Mir blieben etwa vier Stunden Zeit zum Schlafen, den Großteil davon jedoch wälzte ich mich unruhig in meinem Bett hin und her.

So eine verrückte Idee! Niemals könnte ich mit Damian zusammen einen Laden betreiben. Wie sollte das überhaupt funktionieren? Würden wir einen von beiden dichtmachen?

Völlig abstrus!

Einen kleinen Teil von mir störte es, dass ich bei unserem Gespräch gar nicht so weit davon entfernt gewesen war, mich überzeugen zu lassen. Damian hatte etwas an sich, das mir Respekt einflößte. In seiner Anwesenheit war etwas mit mir passiert. Ich hatte angefangen, ihn ein bisschen weniger unsympathisch zu finden. Diese grünen Augen hatten schon was. Von den muskulösen Armen ganz zu schweigen. Kein Wunder, dass man sich vorstellen wollte, wie er mit freiem Oberkörper Teig knetete …

Nein. Aufhören!

Ich tat ja fast so, als hätte er vorgeschlagen, zu heiraten, um unsere Läden auf traditionelle Weise miteinander zu fusionieren. So toll war er doch gar nicht.

Er war mein Konkurrent und backte verformte Eclair-Häufchen – die aber angeblich himmlisch schmeckten.

Um halb drei betrat ich die Backstube. Zum Glück war Montag. Lara, meine Aushilfsbäckerin, war bereits da und hatte sich den Sauerteig vorgenommen, den sie ausnahmsweise selbst gestern Nachmittag vorbereitet hatte, weil ich auf der Messe war. Dreimal in der Woche half sie aus und bereitete mit mir zusammen Teige für Brot, Brötchen und Gebäckteilchen vor. Außerdem konnte ich mich dann mehr auf meine Kuchen- und Tortenspezialitäten konzentrieren. Montags gab es Käsesahnetorte und eine Obstsahnetorte, dazu gedeckten Apfelkuchen und Buttercremeschnitten, Baisers sowie natürlich Eclairs.

Ich hatte nach der Lehre zur Bäckerin noch Konditorin gelernt. Außerdem rüstete ich immer wieder meine Kenntnisse in Patisserie auf. Bisher beschränkte ich mich auf Sonderaktionen oder Spezialaufträge. Macarons, Choux, Sablés, Tartes – es gab so viel, was ich erschaffen wollte. Feingebäck in mein festes Sortiment aufzunehmen, traute ich mich allerdings nicht. Es kostete unheimlich viel Zeit und lenkte von meinem Hauptgeschäft ab. Die meisten Leute brauchten nun mal Brot und Brötchen und waren mit den üblichen Blechkuchen und Standardtorten zufrieden. Die hatte ich schließlich auch gut drauf.

Zudem fehlte mir die Zeit für das regelmäßige Erschaffen kleiner Backkunstwerke. Leider arbeitete Lara an den restlichen Tagen in einer anderen Bäckerei – nicht bei Damian, sondern in Bergen, das ein Stück südlich von uns lag.

---ENDE DER LESEPROBE---