Hallo Lernen! - Ina Lehr - E-Book

Hallo Lernen! E-Book

Ina Lehr

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  • Herausgeber: dtv
  • Kategorie: Bildung
  • Sprache: Deutsch
Beschreibung

Der beste Start ins Lernen Dein Kind kommt in die Schule! Ein großer neuer Lebensabschnitt steht bevor. Hallo Lernen – Den Schulstart kinderleicht meistern ist mehr als ein Ratgeber zur Einschulung. Ina Lehr zeigt, wie du dein Kind beim Einstieg in die Welt des Lernens individuell begleiten kannst – so, dass jedes Kind sein volles Potenzial entfalten kann. Ob in der Vorschule oder der ersten Klasse – dieses Buch hat alles, was ihr für einen erfolgreichen Schulstart braucht. Anhand der fünf Säulen der Hallo-Lernen-Lernmethode räumt sie mit negativen Vorurteilen auf und gibt dir Wissen an die Hand, wie du dein Kind ideal dabei begleiten kannst. Lernen, wie das Gehirn am liebsten lernt - mit den fünf Säulen der Hallo-Lernen-Lernmethode: - Emotionale Geschichten - Strukturierte Bilder - Natürliche Verortung - Im Zusammenhang - Wiederholungen mit Spielen Buchstaben, Schreiben und flüssiges Lesen, Blitzschnelles Kopfrechnen und Rechtschreibstrategien sind mit Inas Tipps kinderleicht zu lernen – und du kannst dein Kind dabei fördern, motivieren und zum Strahlen bringen!

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Seitenzahl: 297

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Dein Kind kommt in die Schule! Ina Lehr zeigt, wie du dein Kind beim Einstieg in die Welt des Lernens individuell begleiten kannst – so, dass jedes Kind sein volles Potenzial entfalten kann. Ob Vorschule oder erste Klasse – dieses Buch hat alles, was ihr für einen erfolgreichen Schulstart braucht.

Anhand der fünf Säulen der Hallo-Lernen-Lernmethode räumt sie mit negativen Vorurteilen auf und gibt dir Wissen an die Hand, wie du dein Kind ideal beim Schulstart begleiten kannst.

Lernen, wie das Gehirn am liebsten lernt - mit den fünf Säulen der Hallo-Lernen-Lernmethode:

Emotionale Geschichten

Strukturierte Bilder

Natürliche Verortung

Im Zusammenhang

Wiederholungen mit Spielen

Buchstaben, Schreiben und flüssiges Lesen, Blitzschnelles Kopfrechnen und Rechtschreibstrategien sind mit Inas Tipps kinderleicht zu lernen – und du kannst dein Kind dabei motivieren, fördern und zum Strahlen bringen!

Ina Lehr

HALLOLERNEN!

Den Schulstart kinderleicht meistern

Inhalt

Vorwort

1. Kapitel: DIE ROLLE DER ELTERN IM LERNPROZESS

Du bist der wichtigste Lernpartner für dein Kind

Das erwartet dein Kind nach der Einschulung

Kinder wollen lernen!

Lernen ist nicht immer natürlich

Unser Schulsystem ist nicht böse

Nimm den Bildungserfolg deines Kindes selbst in die Hand

2. Kapitel: WIE DAS GEHIRN AM LIEBSTEN LERNT

Die Hallo-Lernen-Lernmethode

Lernfenster

Lernstufen

Lernholpersteine

3. Kapitel: BUCHSTABEN LERNEN MIT HALLO LERNEN

Verknüpfungsnamen – Buchstaben so einfach lernen wie noch nie

Buchstaben lernen – ist dein Kind im richtigen Alter?

Der 4-Punkte-Plan für Buchstaben

Erste Buchstabenzeichen kennenlernen

Alle großen Buchstaben schreiben lernen

Typische Fehler bei der Schreibrichtung

Vier Gründe, Warum dein Kind zuerst nur die Großbuchstaben lernen sollte

Verstehen und begreifen, wie Kinder Laute lernen

Laute selbst entdecken

Fünf wichtige Regeln für das Buchstabenlernen

4. Kapitel: LESEN UND SCHREIBEN IN DER 1. KLASSE

Buchstaben zusammenziehen – endlich lesen

Kleine Buchstaben – ganz einfach lernen

Kleines b oder d? Nie wieder verwechseln!

sch, ch, ck – so knackt dein Kind die kniffligen Buchstabenverbindungen

Silbenteppiche – das perfekte Lesetraining für Leseanfänger

So genial ist die Silbenschrift für Leseanfänger

Lernwörter vs. Merkwörter vs. Sichtwörter

5. Kapitel: FLÜSSIG LESEN LERNEN

Was sind die grundlegenden Komponenten des flüssigen Lesens?

Die fünf wichtigsten Erkenntnisse für flüssiges Lesen

6. Kapitel: EIN FESTES MENGENVERSTÄNDNIS ALS GRUNDLAGE FÜR DAS SCHNELLE KOPFRECHNEN

Das Problem mit unterschiedlichen Zahlenvorstellungen

Die Wurzel allen Übels

Kopfrechnen ist viel mehr, als du denkst

Fünf gravierende Fehler beim Zählen lernen

Geeignetes Lernmaterial

Zwei Lernspiele für ein super Mengenverständnis

7. Kapitel: BLITZSCHNELL BIS 20 RECHNEN IN DER 1. KLASSE

Lernstufen der Zehnerwelt-Methode für blitzschnelles Kopfrechnen

Zerlegungsbilder und Zahlenzerlegung

Verliebte Zahlen – die Zerlegung der Zehn

Aufbau der Zahlen bis 20 verstehen

Alle Plus- und Minusaufgaben im Zahlenraum bis 20

Zusammenpuzzeln von Zahlenbild und Zerlegungsbild

8. Kapitel: DAS GEHEIMNIS MOTIVIERTER KINDER

Wie du dein Kind zum Lesen motivierst

Motivation ist vielschichtig und individuell

Vier Motivationstypen

Belohnungssysteme und ihre Grenzen

Die effektivste Motivation

Vermeidungsverhalten

Gamification als Lösung

9. Kapitel: PROKRASTINATION – AUFSCHIEBERITIS

Prokrastination betrifft fast jeden

Schluss

Vorwort

Die Idee für dieses Buch hatte ich schon so lange im Kopf. Aber als Charlotte, meine liebe Lektorin vom dtv-Verlag, mich zum ersten Mal kontaktierte und fragte, ob ich mir vorstellen könnte, ein Buch zu schreiben, wollte ich erst ablehnen. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt gerade so viel zu tun und konnte mir nicht im Geringsten vorstellen, wie ein Buchprojekt noch in meinen Arbeitstag passen sollte. Aber, kurz zusammengefasst: Ich habe zugestimmt und mir, so gut es ging, die Zeit freigeschaufelt.

Beim Schreiben habe ich mir immer vorgestellt, ich würde die Kapitel für meine Schwester und meine beste Freundin schreiben. Beide haben Kinder im Vorschul- und Grundschulalter. So wollte ich mich immer daran erinnern, das Buch so zu schreiben, dass du und vor allem dein Kind maximal davon profitieren könnt. Denn wem gibt man schon seine besten Tipps, die ehrlichsten Empfehlungen und vollständigsten Erklärungen? Den engsten Vertrauten, oder? Und da du dieses Buch nun in den Händen hältst, gehörst du auch dazu. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie oft ich schon auf Fragen in den Instagram-Lives meine Antwort mit diesem Satz begonnen habe: »Wenn du meine beste Freundin wärst, würde ich dir raten…«

Bevor du dich nun aber in das Buch vertiefst, ist es bestimmt ganz schön zu wissen, wer ich eigentlich bin und warum ich das alles mache. Mit »das alles« meine ich Hallo Lernen. Mittlerweile arbeiten an, mit und um Hallo Lernen sieben Personen. Was damals, im September 2019, so klein begonnen hat, ist also ein richtiges Unternehmen geworden.

Ich bin seit 2003 Lehrerin für zwei Lehrämter– Grundschule und Realschule. Beide Lehrämter habe ich parallel studiert. Seltsam, ich weiß. Bis vor Kurzem dachte ich noch, es wäre eine Mischung aus Workaholismus und Wissensdurst. Seit ein paar Monaten weiß ich, dass ich hochbegabt bin. Ich kann dir sagen: Das erklärt im Nachhinein so einiges. Während dieser Zeit habe ich bei einem renommierten Mathematikdidaktiker, Professor und Dekan im Fachbereich gearbeitet. Als dessen rechte Hand lernte ich viel und wir haben zusammen Artikel und Bücher geschrieben. Außerdem engagierte ich mich in der Bildungspolitik. Eine bekannte Bundestagsabgeordnete war meine Mentorin. Beide Staatsexamen bestand ich mit Auszeichnung und wurde kurz darauf eine der jüngsten Lehrerinnen, die eine lebenslange Verbeamtung in Hessen erhalten hat. Einige Jahre später bekam ich die Chance, im Bildungsministerium zu arbeiten. Parallel dazu schrieb ich an meiner Doktorarbeit bei besagtem Mathematikprofessor, der plante, mir seinen Fachbereich zu übergeben. Gleichzeitig begann ich eine Dissertation in Theologie (wofür ich noch schnell Altgriechisch lernen musste und wollte), weil ich nicht Nein zu meiner Professorin sagen konnte und wollte.

Zusammengefasst: Bis kurz vor meinem dreißigsten Geburtstag spielte sich mein Leben mindestens zur Hälfte in Bibliotheken ab– und ich liebte es. Ich liebte und liebe alles an der Wissenschaft und am Thema Lernen. Deshalb wollte ich unbedingt etwas im Bildungsbereich bewegen und natürlich auch Karriere machen. Ich kannte das so aus meiner Kindheit: Mein Vater war jahrelang Schulleiter, tätig im Schulamt und später Ministerialrat im Bildungsministerium. Wie du siehst, kenne ich das Bildungs- und Schulsystem aus allen Blickwinkeln.

Mit neunundzwanzig stand ich schließlich in meinem großen Eckbüro im Bildungsministerium und dachte noch in der einen Sekunde »Wow, ich habe es geschafft«, als schlagartig vor meinem inneren Auge der Vorhang weggerissen wurde. Plötzlich sah ich alles anders. Der lineare Lebensplan, den ich mir so schön ausgemalt hatte,ergab für mich auf einmal keinen Sinn mehr. Ich wusste, dass ein anderer Plan für mich vorgesehen war. Ich hatte zwar noch keine Ahnung, wie dieser Plan aussehen könnte, aber ich spürte in mir das Vertrauen, dass es gut werden würde. Und was soll ich sagen? Mein Leben jetzt ist im Vergleich zu damals nicht einfach nur gut, sondern übervoll mit Freude und Glück. Ich habe heute das Gefühl, dass ich dazu beitragen kann, die Welt ein bisschen besser zu machen. Ist das nicht fantastisch?

Danach veränderte sich alles rasend schnell. Ich brach die Doktorarbeiten ab und versuchte, so schnell wie möglich aus der Abordnung ins Bildungsministerium zu entkommen. Ich lernte meine große Liebe und späteren Mann, Nils Lehr, kennen. Später zog ich mit ihm nach Bayern und musste dort das Referendariat für Realschulen noch einmal von vorn machen. (Du kannst dir sicher vorstellen, wie mein Umfeld reagiert hat.) Das habe ich dann zwei Jahre später auch mit Eins bestanden und konnte die einzige Verbeamtungsstelle mit meiner Fächerkombination ergattern. Im September 2020 schließlich schlief meine vier Monate alte zweite Tochter Marie an meiner Schulter. Mit der freien Hand tippte ich mein erstes E-Book, in dem ich Eltern erklärte, wie sie ihren kleinen Kindern anhand von Geschichten, Bildern und Spielen das richtige Mengenverständnis beibringen können, sodass ihre Kinder danach wie von Zauberhand in der Lage sind zu rechnen.

Ich glaube fest daran, dass jeder hier auf der Erde ist, um eine Aufgabe zu erfüllen, wenn er möchte. Und für diese Aufgabe bekommt man alle Talente und Interessen, die genau darauf abgestimmt sind. Ich habe zum Beispiel ein Talent als »Steinewegräumerin«. Was das bedeuten soll? Stell dir vor: Dein Kind hat einen Traumberuf. Es spürt in seinem Herzen, dass es dazu berufen ist, aber kann ihn nicht ergreifen, weil ihm schlechte Noten im Weg stehen oder ihm durch schlimme Lernerfahrungen das nötige Selbstbewusstsein fehlt. Hier komme ich ins Spiel und kehre mit meinem imaginären Besen alle Stolpersteine und unnötigen Hürden aus dem Weg– schon vor der Einschulung und während seiner Schulzeit. Diese Aufgabe nehme ich sehr, sehr ernst. In diesem Buch wirst du deshalb genau erfahren, wie das aussehen kann und wie dein Kind so mit Leichtigkeit durch die Schulzeit schwebt!

Der Schulbeginn stellt sowohl für Kinder als auch für uns Eltern eine große Herausforderung dar. Unsere Kinder sollen nicht nur in Windeseile Lesen, Schreiben und Rechnen lernen, sondern sich auch an neue soziale Regeln gewöhnen, zum Beispiel, sich zu melden, wenn sie etwas beitragen möchten. Zudem müssen sie sich in einer neuen Gruppe zurechtfinden und möchten viele neue Freunde finden. Außerdem ist die Lehrerin eine neue Bezugsperson, möglicherweise ist der Schulweg noch ungewohnt und natürlich möchten sich unsere Kinder nun auch als Schulkinder behaupten!

Es kommt also ganz schön viel auf die kleinen Menschen zu– und damit auf uns Eltern. Schließlich wollen wir unsere Kinder so klug, sicher und glücklich wie möglich in diese Welt hinausschicken. Das kann manchmal ganz schön beängstigend sein, besonders wenn die Kinder größer werden, und wir das Gefühl haben, weniger Einfluss zu haben. Wer weiß schon, was eigentlich in der Schule passieren wird? »Wird mein Kind in dieser neuen Welt bestehen?«, fragen sich sicherlich viele Eltern. Und ich vermute, deshalb bist auch du auf dieses Buch gestoßen. Gemeinsam können wir viel tun, damit dein Kind jeden Tag strahlend in die Schule geht. In dieser aufregenden, aber auch herausfordernden Zeit ist es entscheidend, dass Kinder bestimme Grundlagen beherrschen. Wenn sie diese verinnerlicht haben, fällt ihnen vieles leichter.

Besonders angenehm ist es natürlich, wenn dein Kind viel Zeit und Ruhe hat, um diese Grundlagen zu erlernen. Je nachdem, wofür sich dein Kind gerade interessiert (auf den richtigen Zeitpunkt gehen wir später noch genauer ein), ist dieses Buch also auch der perfekte Begleiter, um wissenshungrige Kindergarten- und Vorschulkinder fördernd zu begleiten. So können zum Beispiel Buchstaben oder ein korrektes Mengenverständnis ganz spielerisch erlernt werden. Ganz gleich, ob der Schulstart gerade bevorsteht oder du vielleicht zu diesem Buch gegriffen hast, weil die erste Zeit in der Schule holpriger war als erwartet: Mit den Hallo-Lernen-Lernmethoden wirst du erleben, wie dein Kind nicht nur mit Leichtigkeit Lesen, Schreiben und Rechnen (und später auch alles Weitere) lernen kann, sondern vor allem, wie du es dabei bestmöglich unterstützen und befähigen kannst.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Verständnis dafür, wie Kinder überhaupt lernen. Dabei spielen nicht nur die passenden Lernmethoden eine Rolle, sondern auch Motivation, Konzentration und die Tendenz zur Prokrastination. Wenn Eltern diese Grundlagen kennen, können sie ihre Kinder viel gezielter unterstützen, sei es beim Erklären von Buchstaben, beim Lesenlernen oder beim Rechnen. Und wenn Kinder all diese Fähigkeiten und Kenntnisse erlangen, sind sie in der Lage, auch andere Herausforderungen souverän zu meistern. Das führt nicht nur zu einem glücklicheren und selbstbewussteren Kind, sondern auch zu einer harmonischen und entspannten Familie. So können du und deine Familie die Schulzeit mit Freude und Gelassenheit erleben. Aber bevor ich vorgreife– jetzt erst mal zurück zum Anfang: Viel Spaß dabei!

1. Kapitel

Die Rolle der Eltern im Lernprozess

Stell dir vor, du könntest deinem Kind genau den Start in die Schulzeit ermöglichen, den es verdient: voller Selbstvertrauen, Freude und echtem Lernerfolg– ganz ohne Druck. Klingt zu schön, um wahr zu sein? Ist es aber nicht.

Dieses Kapitel zeigt dir, warum du als Elternteil die wichtigste Person im Lernprozess deines Kindes bist und wie sehr du den Bildungserfolg beeinflussen kannst. Und zwar nicht mit stundenlangem Pauken oder ambitionierten Förderplänen, sondern mit klarem Wissen, ehrlichen Einblicken und einem gesunden Mindset.

Viele Eltern starten mit einer romantischen Vorstellung in die Schulzeit: Das lernt mein Kind schon in der Schule. Doch oft trifft sie dann eine unschöne Realität– eine Realität, die sich mit der richtigen Vorbereitung ganz anders gestalten ließe. Dieses Kapitel räumt auf mit hartnäckigen Mythen (»Kinder lernen alles in der Schule«, »Früh fördern schadet nur«) und nimmt dich mit auf eine persönliche, inspirierende Reise voller Aha-Momente, ehrlicher Geschichten und mutmachender Gedanken. Du wirst verstehen, warum Lernen eben nicht immer von allein passiert, was dein Kind in den ersten Schulwochen wirklich beschäftigt und wie du ihm den Rücken stärken kannst, bevor die Schulbank überhaupt ruft. Mach dich bereit für einen Perspektivwechsel, der alles verändern kann, und starte mit dem stärksten Werkzeug für den Bildungserfolg deines Kindes: dir selbst.

Damit du der beste Lernpartner für dein Kind wirst, müssen wir neun falsche Glaubenssätze zur Vorschulbildung und der 1.Klasse genau unter die Lupe nehmen. Deine Einstellung zum Lernen und zur Schule darf den Bildungserfolg deines Kindes nicht schmälern.

Ich stand in dem kleinen, stickigen Lehrerzimmer einer Grundschule mitten in der Kasseler Innenstadt. Ein leichter Wind wehte durch die offenen Fenster und brachte eine willkommene Abkühlung in den Raum, denn die Sonne knallte schon den ganzen Tag unerbittlich durch die hohen Altbaufenster. Ich suchte noch schnell alles für die nächste Stunde zusammen und stopfte Arbeitsblätter und Mappen in meine Tasche. Seit ein paar Tagen war ich als Schwangerschaftsvertretung eingestellt: meine erste Stelle als Lehrerin. Ich durfte Klassen an zwei Schulen unterrichten. Einmal in der Stadtschule in Kassel, in der ich gerade durch die kühlen steinernen Gänge des schönen Altbaus lief, und die andere Hälfte der Woche in einem Stadtteil im Norden von Kassel, Jungfernkopf, einer schicken, sehr gehobenen Wohngegend. Ganz anders als hier mitten in der Innenstadt.

Ich blickte im Lehrerzimmer umher und betrachtete die Kolleginnen, die mich als junge Vertretungslehrerin lieb aufgenommen hatten. Es war ein sehr engagiertes und freundliches Kollegium. Als ich mich auf den Weg zur Schulstunde der 3. Klasse machte, dachte ich an den gestrigen Unterricht in der Grundschule in Jungfernkopf und musste unwillkürlich schmunzeln. Ich betreute dort eine quirlige 1. Klasse. Am Tag zuvor hatten die Erstklässler in Kleingruppen eigene Theaterstücke entwickelt und dafür eigenständig Bühnenbilder und Kostüme gebastelt. Die Aufführungen waren so besonders, dass wir noch spontan die Nachbarklasse fragten, ob sie zuschauen wollten.

Lächelnd schüttelte ich die Gedanken an die 1. Klasse ab und öffnete die Tür zum Klassenraum. Heute sollte ichKinder unterrichten, die in der 3. Klasse immer noch große Probleme im Schreiben und Lesen hatten. Das Problem betraf mehr Schüler, als du dir vorstellen kannst. Ich war gerade dabei, das Wort »Fuchs« in Druckbuchstaben an die Tafel zu schreiben. Ein Junge mit dunklen Haaren, dessen Pony ihm strähnig ins Gesicht hing, kniete auf seinem Stuhl, schob sich mit gefalteten Händen weit über seinen Tisch hinaus, legte seinen Kopf schief und fragte erstaunt: »Was ist das für ein Buchstabe?« Ich sah ihn einige Sekunden an. Kannte er wirklich den Buchstaben F nicht? Als ich nachbohrte, stellte sich heraus, dass alle Kinder in der Klasse Lücken in den Grundfähigkeiten hatten, und nicht einmal alle Buchstaben des Alphabets kannten. Was für ein großer Kontrast, dachte ich mir. Gestern schreibt eine 1. Klasse ganze Theaterstücke und heute kann ein Teil einer 3. Klasse kaum lesen?

Ich blinzelte ein paar Mal, um meine Gedanken zu ordnen. In beiden Schulen unterrichteten engagierte, gut ausgebildete Lehrkräfte, in schönen, ähnlich ausgestatteten Schulen und hübsch dekorierten Klassenräumen. Sie lehrten in derselben Stadt nach demselben Lehrplan und verwendeten dafür dieselben Lehrwerke. Und dennoch war der Kontrast zwischen diesen Kindern so unübersehbar. Aufgewachsen in einer heilen Welt, fiel es mir nun wie Schuppen von den Augen: Der Bildungserfolg ist abhängig von den Eltern. So war es immer, ist es heute und wird es weiterhin bleiben.

Und schon sind wir bei der ersten Erkenntnis, die essenziell ist, damit dein Kind entspannt in die Schule starten kann: Der Bildungserfolg deines Kindes steht und fällt mit dir und deiner Einstellung zum Lernen.

Du bist der wichtigste Lernpartner für dein Kind

Der Erfolg deines Kindes in der Schule beginnt bei dir und bei deiner Haltung zum Lernen. Du bist der wichtigste Lernpartner für dein Kind. Du, nicht die Lehrerin, nicht die Erzieherin, niemand anderes. Glaube mir, mit dem Wissen aus diesem Buch bist du bestens gestärkt für diesen Job. Du wirst staunen, wie einfach das ist.

Als ich begann, mein Wissen online zu teilen, wurde mir schnell klar, wie wichtig es ist, zunächst einige weitverbreitete falsche Glaubenssätze und Mythen über das Thema Lernen und Schule aus den Köpfen meiner Leser zu verbannen oder richtigzustellen. Dass so viele davon existieren, mag zu einem großen Teil daran liegen, dass wir selbst manchmal nicht die besten Erinnerungen an dieSchulzeit haben. Viele Eltern möchten es nun besser machen und ihre Kinder so lange wie möglich vor schulischen Themen, wie Lesen, Schreiben und Rechnen, schützen, aber lassen außer Acht, wie viel Freude Kindern neues Wissen macht.

Es gibt neun weitverbreitete falsche Glaubenssätze und Mythen über schulische Bildung vor der Einschulung und dem Schulanfang. Wir gehen in diesem Buch alle durch. Versprochen! Du wirst den ein oder anderen Mindshift erleben und falsche Glaubenssätze dankbar über Bord werfen können. Und das Wichtigste: Du hast endlich Argumente zur Hand, wenn Verwandte oder Bekannte, es gar nicht gut finden, dass dein Kind schon vor dem Schulstart viel kann und weiß. Beginnen wir mit diesem:

1. Falscher Glaubenssatz

Kinder bräuchten KEIN Vorwissen für die 1. Klasse. Buchstaben, Lesen, Schreiben, Zahlen, Mengenverständnis und Rechnen lernen Kinder von Anfang an in der Schule.

Vielleicht hast du das selbst erlebt: Dein Kind interessierte sich für Buchstaben und du hast sie ihm beigebracht. Verächtlich wird darüber in deinem Umfeld die Nase gerümpft und tadelnd gesagt: »Das lernen Kinder doch noch früh genug in der Schule.« Schon mal gehört? Bestimmt! Brechen wir diesen Glaubenssatz mal auf. Lass mich so anfangen: Kannst du dich noch erinnern, als du mit deinem ersten Kind schwanger warst? Du hast dir die Zeit nach der Geburt und mit Baby in leuchtenden Farben ausgemalt. Du hast dir vorgestellt, wie du wunderschön zurechtgemacht direkt nach der Geburt im Wochenbett sitzt und entspannt Besuch empfangen kannst. Dann hast du angenommen, dass du dich im Elternjahr endlich mal ausruhen kannst. Wer hat sich das nicht so erhofft, oder?

Aber dann kam die Realität, in der die Geburt nicht das Anstrengendste war, sondern die schlaflose Zeit danach. Wie viel Raum so ein kleines Wesen einnimmt und wie müde man eigentlich werden kann, haben wir alle vorher nicht mal erahnen können, geschweige denn, dass wir es verstanden hätten, wenn es uns jemand erzählt hätte, richtig?

Ich will dir von meiner Kollegin erzählen. Eines Tages verkündete sie im Lehrerzimmer, dass sie schwanger sei, und wir plauderten mit einigen anderen Kollegen eine Weile darüber. Bis sie sagte, dass sie sich auf ihr Elternjahr freuen würde, weil sie dann endlich Zeit hätte, ihren Roman zu schreiben. Wir, die schon Kinder hatten, schwiegen und lächelten uns wissend an, weil wir wussten, dass sie die gleichen falschen Vorstellungen vom Elternsein hatte wie wir damals. Was soll ich sagen, heute, fünf Jahre später, hat sie mittlerweile zwei Kinder und ihren Roman immer noch nicht geschrieben.

Warum erzähle ich dir das? Weil es sich mit der Einschulung des ersten Kindes genauso verhält. Der Großteilder Eltern macht sich falsche und romantisierte Vorstellungen von der 1. Klasse. Meistens etwa so: Das Kind kommt nach der Schule nach Hause, erzählt ausführlich von seinem Tag und die Hausaufgaben sind längst in der Mittagsbetreuung gemacht. Zu Hause lernen muss man in der 1. Klasse auch nicht, weil die Lehrerin und auch die Erzieherin im Kindergarten ja gesagt haben, dass die Kinder alles– auch die Grundlagen– in der Schule lernen und das Kind bloß nichts vorher können soll, sonst würde es sich ja langweilen. (Zu diesem falschen Glaubenssatz kommen wir später noch.)

Doch dann fallen die Eltern aus allen Wolken, weil die Lehrerin in den ersten Wochen doch ziemlich schnell durch den Stoff jagt und keine Zeit dafür hat, fehlendes Basiswissen nachzuarbeiten. Es wird mehr vorausgesetzt als erwartet, und viele Kinder kommen damit nicht so gut klar, sondern sind überfordert. Wenn sie sich dann, schon platt von den Schulstunden, zu Hause mit dem Unterrichtsstoff beschäftigen müssen, fehlt jegliche Motivation und Konzentration. Oft hängt dann auch noch der Familiensegen schief.

Was glaubst du, wie viele Nachrichten ich genau in dieser Art bekomme: »Hätte ich es mal vorher gewusst…«? Die meisten Eltern sagen, dass sie, wenn sie die Zeit zurückdrehen könnten, nicht mehr so naiv wären und ihr Kind besser vorbereitet hätten.

Vorwissen ist essenziell. Sieh dir den Lehrplan der 1.Klasse deines Bundeslandes an. Dort wirst du die Voraussetzungen schwarz auf weiß und teilweise zwischen den Zeilen lesen können. Schauen wir mal genauer hin:

Grundlegende Voraussetzungen für dieSchreibentwicklung:

1. Finger- und Handmuskulatur→Kräftige und ausdauernde Muskulatur ist nötig, um einen Stift sicher zuführen.

2. Fingerisolation→Die Fähigkeit, einzelne Finger unabhängig voneinander zu bewegen, zum Beispiel für gezielte Bewegungen beim Schreiben.

3. Stifthaltung→Eine ergonomische, entspannte Haltung des Stifts ist essenziell für flüssiges Schreiben ohne Verspannungen.

4. Oberer Bewegungsapparat→Schulter, Arm und Handgelenk müssen gut zusammenspielen, um Schreibbewegungen kontrolliert auszuführen.

5. Hand-Augen-Koordination→Die Bewegung der Hand muss mit dem Sehen abgestimmt sein, damit Linien, Buchstaben und Formen gezielt entstehen.

6. Visuelle Wahrnehmung→Formen erkennen, Unterschiede wahrnehmen und das Schriftbild im Blick behalten– all das braucht eine gut entwickelte visuelle Wahrnehmung.

7. Bewegung von Objekten→durch das Greifen, Sortieren und gezielte Bewegen von Gegenständen entwickeln Kinder die Feinmotorik, die sie später fürs Schreiben brauchen.

Grundvoraussetzungen für die Leseentwicklung:

1. Wahrnehmung von Schrift→Kinder müssen Schriftzeichen überhaupt als bedeutungstragende Symbole wahrnehmen und erkennen.

2. Phonologisches Bewusstsein→Die Fähigkeit, die Lautstruktur der Sprache zu erkennen, also Laute zu hören, zu unterscheiden und in Silben oder Reimen zu erfassen.

3. Wissen um Buchstaben→Kinder müssen Buchstaben visuell unterscheiden und mit Lauten verknüpfen können.

4. Hörverstehen→Ein gutes Verständnis gesprochener Sprache ist die Grundlage für das Verstehen geschriebener Sprache.

5. Wortschatz→Je größer der Wortschatz eines Kindes, desto leichter fällt das sinnentnehmende Lesen– dasVerstehen steht im Mittelpunkt.

Grundvoraussetzungen für Rechenkompetenz:

1. Zahlenverständnis→Ein grundlegendes Gefühl für Mengen, Zahlen unihre Bedeutung im Alltag.

2. Zerlegungsbilder→Zahlen werden nicht als starre Einheiten gelernt, sondern als zerlegbare Größen (z.B.7=5 + 2).

3. Geordnete Zahlenbilder→Strukturiertes Erfassen von Mengen durch visuelle Muster.

4. Relationen→Verstehen von größer/kleiner, mehr/weniger, gleich viel– ein Fundament für Vergleiche und Operationen.

5. Sortierung→Fähigkeit, Objekte oder Zahlen nach einem bestimmten Kriterium zu ordnen– wichtig für Regelverständnis.

6. Kombinatorik→Erste Einsichten in Möglichkeiten und Anordnungen (zum Beispiel verschiedene Wege, drei Bauklötze zu stapeln).

7. Logisches Denken→Schlussfolgerndes Denken und das Erkennen von Mustern oder Regeln.

8. Problemlösefähigkeiten→Strategien entwickeln, um neue oder ungewohnte Aufgaben zu lösen– zentral für angewandte Mathematik.

Lies es im Lehrplan selbst nach. Aber das ist noch nicht alles, was du wissen solltest. Die ersten Monate nach der Einschulung werden eine enorme Umstellung für dein Kind sein.

Das erwartet dein Kind nach derEinschulung

Die Einschulung heißt für viele Eltern: der perfekte Schulranzen, die kreative, selbst gebastelte Schultüte und andere Äußerlichkeiten wie die Feier mit den Verwandten und das Outfit des Kindes. Aber dabei entgeht ihnen ein entscheidender Punkt:

2. Falscher Glaubenssatz

Nach der Einschulung können sich Kinder ganz und garauf den Unterrichtsstoff konzentrieren.

Eltern ist meistens nicht bewusst, was die ersten Monate nach der Einschulung für ihr Kind wirklich bedeuten. Dein Kind kommt in ein großes, unbekanntes Schulgebäude. Seine vertrauten Erzieherinnen vom Kindergarten werden durch noch fremde Lehrkräfte ersetzt. Auf dem Schulhof gehört das Kind plötzlich wieder zu den Kleinen, und die großen Schüler wirken einschüchternd. Aber am meisten beschäftigt dein Kind die Gruppe fremder Kinder, die jetzt seine Klasse sind. Das Wichtigste ist in diesem Moment, einen Platz in dieser neuen Gemeinschaft zu finden. Dein Kind ist damit beschäftigt, Freundschaften zu knüpfen. Es will nicht der Underdog in der Gruppe sein. Zu allem Überfluss spielt der beste Freund oder die beste Freundin neuerdings lieber mit anderen Kindern. In der 1. Klasse werden die Freundschaftskarten noch einmal neu gemischt und die Plätze und Rangfolge in der Klasse neu besetzt. Die Kinder müssen sich in diese Gruppendynamik einfinden.

DASist es, was dein Kind in den ersten Monaten nach der Einschulung rund um die Uhr beschäftigt. Und in dieser emotional intensiven Zeit erwarten manche Eltern fälschlicherweise, dass ihre Kinder ohne Vorsprungwissen und einige sogar ohne genügend Vorwissen den Unterrichtsstoff bewältigen. Das ist zu viel auf einmal für dein Kind.

Lass mich dir zwei Geschichten erzählen. Sie stehen stellvertretend für Tausende Kinder: Ein Mädchen aus unserer Nachbarschaft brauchte in der 1. Klasse zu Hause stundenlang, um die aufgegebenen Lese- und Rechenaufgaben zu machen. Es dauerte so lange, weil sie kaum Vorwissen hatte. Es war eine Qual für das Mädchen, aber auch für die Eltern. Sie glaubten vor der Einschulung fest daran, was ihnen die Erzieherin und eine Lehrerin aus ihrem Bekanntenkreis noch ein Jahr zuvor erzählt hatten: »Nein, dein Kind muss vor der Einschulung gar nichts können. Nach der Einschulung hat dein Kind genug Zeit dafür.« Das Mädchen wollte sich so gerne nachmittags mit ihren neuen Freunden verabreden und damit ihren Stand in der neuen Gruppe sichern, aber der Druck und Stress, den dieser falsche Glaubenssatz im Endeffekt mit sich brachte, ist niemandem zu wünschen. Das Selbstbewusstsein des Mädchens sank zusehends und sie verlor jeglichen Spaß und Freude an der Schule.

Im Gegensatz dazu brauchen Kinder, die mit Vorsprungwissen in die Schule gehen, in der Regel etwa zehn Minuten für ihre Hausaufgaben und können danach gemütlich ihre neuen Freundschaften pflegen.

Zur zweiten Geschichte kommen wir gleich, aber vorher stelle ich dir noch eine Frage: Wann, denkst du, lernen Kinder den ersten Buchstaben in der Schule? Am ersten Tag, in der ersten Woche oder nach zwei Wochen, weil in den ersten Tagen ja angeblich noch nichts Wichtiges im Unterricht passiert?

Als unsere älteste Tochter Luisa eingeschult wurde, durften wir Eltern hinten im Klassenraum stehen und die ersten fünfzehn Minuten Unterricht der 1. Klasse mit ansehen. Die Lehrerin betätigte einen Knopf an ihrem Laptop und auf dem Smartboard, das heutzutage in Klassenräumen die Tafel ersetzt, erschienen alle kleinen und großen Buchstaben des Alphabets. Sie lächelte in die Runde, zeigte auf das M und fragte die Kinder, ob schon jemand wisse, wie man diesen Buchstaben liest. Drei Viertel der Hände gingen nach oben. Im Anschluss besprachen sie alle weiteren Buchstaben– am allerersten Schultag.

Nun, Luisa geht auf eine ländliche Schule in Bayern und das Ganze kann andernorts anders aussehen. Dennoch gibt es überall Kinder, die die Buchstaben kennen und sogar ein bisschen lesen können.

Im Rahmen der neuesten Iglu-Studie wurden vom Institut für Schulentwicklungsforschung (IFS) Schulleitungen und Eltern befragt. Die Befragungen ergaben, dass weniger als 25 Prozent der Schulanfänger über die grundlegenden Kompetenzen verfügten, wenn sie in die 1.Klasse kamen. Weiter heißt es zu den lesebezogenen Fähigkeiten des Kindes bei Schuleintritt aus Elternsicht: »Nur 9Prozent der Kinder verfügen in Deutschland bei Schulbeginn über ›sehr gute‹ lesebezogene Fähigkeiten– dies ist der niedrigste Anteil im Vergleich mit allen teilnehmenden EU-Staaten (z.B. Polen 47%, Spanien 43%). Laut Eltern liegt der Anteil mit ›nicht guten‹ Fähigkeiten in Deutschland bei 67 Prozent. Nur 15 Prozent können beispielsweise einige Wörter sehr gut lesen (EU: 28%) und nur 20 Prozent Buchstaben des Alphabets sehr gut schreiben (EU: 35%). Kinder, deren lesebezogene Fähigkeiten bei Schuleintritt von den Eltern als ›sehr gut‹ eingeschätzt werden, haben in allen Staaten eine höhere Lesekompetenz in der vierten Klasse.«1

Wenn wir von den 15 Prozent der Kinder sprechen, die einige Wörter gut lesen können, dann sei dir bewusst darüber, dass das der deutschlandweite Durchschnitt ist. Das sind drei bis vier Kinder pro Klasse. Wenn du in einer Gegend wohnst, in der viele bildungsnahe Familien wohnen, wird es wahrscheinlich mehr Kinder in der Klasse geben, die bereits einige Wörter lesen können, sehr viele mehr, die gute lesebezogene Fähigkeiten haben, und richtig viele, die mindestens schon ein paar Buchstaben können. Die meisten Kinder können auch bis 100 zählen und bis 10 rechnen. Der Punkt ist, dass diese Kinder deinem Kind weit voraus sind, wenn du es nicht vorbereitest. Das ist dieRealität und alle Ideologie, alle idealen Vorstellungen werden immer an dieser Realität zerbrechen.

Wie gerne würde ich dich in diesem Kapitel beruhigen, indem ich dir erzähle, dass Kinder mit der Zeit schon alles von allein lernen und du genau das Richtige tust, wenn du darauf vertraust, dass Vorschule und Schule bestimmt alles Nötige tun werden. Du könntest dich einfach zurücklehnen und mit gutem Gewissen abwarten, was passiert. Aber lass dich nicht blenden von den Beteuerungen, die dich in dieser scheinbaren Sicherheit wiegen. Wenn du jetzt bequem bist, dann bezahlt die Rechnung dein Kind.

In den ersten Tagen nach der Einschulung wird dein Kind im Unterricht schon mehrere Buchstaben zu erlernen haben und bereits Lesehausaufgaben aufbekommen. Dazu kommt, dass Kinder sich immer vergleichen. Das beeinflusst ihr Selbstbewusstsein. Wie der Vergleich ausfällt, liegt in deiner Hand– und das ist sehr, sehr gut.

Und jetzt musst du stark sein. Wir schauen mal ganz realistisch auf die Tatsachen und lassen jeglichen Idealismus außen vor. Ich weiß, dass das schwer ist.

Du hast das sicher schon einmal gehört: Die menschliche Wahrnehmung läuft größtenteils unterbewusst ab. Nach dem ersten Eindruck stecken wir Menschen einfachin Schubladen. Das ist weder toll noch ideal und wir sollten uns das immer wieder bewusst machen. Das Programm läuft bei uns Menschen aber nun mal ab. Auch beider Lehrerin deines Kindes. In den ersten Wochen nach der Einschulung bildet sich die Klassenlehrerin einen ersten Eindruck von den Kindern. Was wird sie über dein Kind denken? Gehört es zu den Leistungsstarken der Klasse, eher in das Mittelfeld oder zu der leistungsschwächeren Gruppe?

Den ersten Eindruck zu revidieren, fällt menschlichen Gehirnen in der Regel recht schwer. Das gilt für beide Richtungen: negativ wie positiv. Hält die Lehrerin dein Kind von Anfang an für leistungsstark, bleibt der positive Effekt der Vorschusslorbeeren noch bis ins nächste Schuljahr bestehen. Der erste Eindruck zählt. Tun wir also alles, damit er positiv ausfällt.

Ich sehe deine geweiteten Augen und das leichte Kopfschütteln bildlich vor mir. Ich weiß, dass du Angst davor hast, du dein Kind zu großem Druck auszusetzen, und du siehst schon vor deinem inneren Auge, wie du mit ihm Tausende Vorschul-Übungsblätter durcharbeitest, bis ihr genervt, erschöpft und frustriert auch noch streitet. Aber was ist, wenn ich dir sage, dass zwischen Nichtstun und qualvoller Förderung auch ein Mittelweg existiert? Denn den gibt es wirklich: Lernmethoden, die so gestaltet sind, damit dein Kind derart effektiv lernen kann, dass es ganz wenig Zeit kostet und sogar Spaß macht. Bist du bereit, diese Lernmethoden kennenzulernen?

Kinder wollen lernen!

Da du immer noch weiterliest, gehe ich davon aus, dass du dich entschieden hast, dein Kind schlau zu fördern. Egal, ob ihr euch gerade vor der Einschulung befindet oder schon inmitten des ersten Jahres steckt: Du unterstützt dein Kind dabei, schulische Lerninhalte zu lernen. Gratulation! Ich freue mich so sehr für dich und dein Kind.

Alle Kinder sind unterschiedlich. Was aber den allermeisten gemein ist: Sie wollen lernen. Von Natur aus haben sie eine starke Neugierde. Sie wollen die Welt um sich herum entdecken und verstehen. Diese Neugierde ist essenziell für unsere menschliche Entwicklung. Besonders gerne lernen Kinder, wenn sie ein Thema wirklich interessiert (dazu kommen wir später noch genauer), aber auch, wenn sie Erfolgserlebnisse haben und dadurch motiviert werden oder positive Reaktionen von Eltern, Lehrern oder Gleichaltrigen bekommen. Indem du dein Kind förderst, kannst du die natürliche Neugier und den kindlichen Lerndrang also noch verstärken.

Aber halt! Stimmt das wirklich? Kinder lernen gerne? Ist das Lernen in der Schule nicht oft eine Qual? Und gibt es nicht auch die ein oder andere skeptische Stimme in deinem Umfeld, die überzeugt ist, dass Lernen und Kindheit nicht zusammenpassen?

3. Falscher Glaubenssatz

Kinder sollen Kinder bleiben. Sie müssen schulische Inhalte noch früh genug in der Schule lernen.

Du siehst wahrscheinlich jetzt schon, dass die falschen Glaubenssätze ineinandergreifen. Das ist klar, weil sie ein Glaubenssystem bilden, das leider so schnell nichts erschüttert. Wir müssen es Stein für Stein abbauen.

Ich werde immer wieder gefragt, wie man mit solchen Stimmen umgehen soll. Das ist einfach zu beantworten. Kennst du Kinder, die im Kindergartenalter superviele Dinosauriernamen auswendig können und alles über sie wissen? Oder die, die unzählige Pokémon-Namen oder Automarken zuordnen können? Ich habe mein ganzes Leben noch nie gehört oder gelesen, dass zu ihren Eltern gesagt wurde: »Oh, wie schrecklich, dass dein Kind das kann. Kinder sollen Kinder bleiben.« Es kommt aber häufig vor, dass Eltern kritisiert werden, wenn ihre Kinder im selben Alter schon alle Buchstaben kennen oder gar lesen können. Ihnen wird oft vorgeworfen ihre Kinder zu sehr zu pushen oder zu leistungsorientiert zu sein, anstatt sie einfach »Kind« sein zu lassen.

Dabei liebt unser menschliches Gehirn Lernen. Lernen ist für das Gehirn wie Atmen– es geschieht ununterbrochen. Wir können gar nicht anders. Kinder sind da keine Ausnahme, besonders sie haben ja noch viel zu entdecken! Schulisches Lernen ist dabei völlig gleichbedeutend zu anderen Themen wie Automarken oder Pokémon-Namen. Wenn dein Kind also Freude an Buchstaben oder Zahlen hat, sollte es auch diese Themengebiete erlernen dürfen. Wir unterstützen unsere Kinder in ihren Interessen!

Meine zweite Tochter Marie zum Beispiel interessierte sich einige Monate vor ihrem dritten Geburtstag für Buchstaben. Sie war sprachlich verzögert und motorisch auch hinter ihren Altersgenossen zurück. Hätte ich ihr das Erlernen der Buchstaben verbieten sollen, mit den Argumenten, dass sie ja Kind bleiben solle und das noch früh genug in der Schule lernen würde? Was hätte sie davon gehabt? Stattdessen hatte Marie mit ihrem Wissen über Buchstaben etwas gefunden, das ganz für sie war. Sie hatte den Zeitpunkt, um sie lernen zu wollen, selbst gewählt. (Das nenne ich übrigens »Lernfenster«. Dazu kommen wir in Kapitel 2.) Marie war so stolz darauf, auch endlich etwas wirklich gut zu können, und ihr Selbstbewusstsein schoss in die Höhe. Genau das wünschen wir uns für unser Kinder, oder?

Alle Kinder interessieren sich früher oder später für Buchstaben. Buchstaben sind aus ihrer Perspektive der Schlüssel zu der faszinierenden Welt der Erwachsenen. Und das Lesen zu lernen, eröffnet deinem Kind die großartige Welt der Bücher und Geschichten. Der Tag, an dem dein Kind beginnt, sich für Buchstaben oder das Lesen zu interessieren, ist ein Festtag. Ihr solltet das feiern. Das ist großartig!

Viele Eltern verstecken das allerdings und flüstern beschämt: »Ich habe meiner Tochter das nicht beigebracht. Sie wollte das so, aber ich pushe sie nicht. Wirklich! Ich finde das auch nicht gut, dass sie das schon alles kann.« Was für ein Quatsch! Freut euch, jubelt und ruft es in die Welt hinaus: MEINKINDWILLLESENLERNEN!

Die kleine Flamme der Lern- und Wissensfreude, die hier entzündet wurde, kannst du mit deinen Worten ersticken oder zu einem Feuer werden lassen. Lass dein Kind für das Lernen brennen und freue dich bis über beide Ohren, wenn es sich mit strahlenden Augen und glühenden Wangen sein erstes Wort erliest. Denke immer daran: Die Worte und das Mindset der Eltern haben großes Gewicht. Sie können Fluch oder Segen für das Leben des Kindes sein.

Lernen ist nicht immer natürlich

In Deutschland ist seit mehreren Jahren die Vorstellung verbreitet, dass Kindheit und Lernen bzw. Fördern nicht zusammenpassen. Auf Instagram oder TikTok werden vielen Eltern Videos eingespielt, die diese Vorstellung dramatisch zu inszenieren wissen: Ein Kind läuft im Sonnenschein frei und unbeschwert durch den Wald oder über eine Blumenwiese. Über dem Video läuft ein Text, der vermitteln soll: Kinder würden alles lernen, wenn man sie nur mit der »Förderwut« der Eltern in Ruhe ließe und sie einfach genug liebt. Lernen sei etwas Natürliches.

4. Falscher Glaubenssatz:

Lernen ist ein natürlicher Prozess– für jedes Lernthema. Kinder lernen alles, wenn man sie nur in Ruhe lässt und ihnen genug Liebe gibt.

Die Videos zielen bewusst auf Emotionalität, man denkt: Wow, ja, so muss Kindheit sein. Frei und unbeschwert, mein Kind soll den eigenen Interessen nachgehen dürfen.