Handbuch Kompetenzentwicklung im Netz - John Erpenbeck - E-Book

Handbuch Kompetenzentwicklung im Netz E-Book

John Erpenbeck

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Beschreibung

Heute spielen Digitalisierung, Vernetzung und der Lernpartner Computer für die Herausbildung von Kompetenzen eine wichtige Rolle. Im Handbuch geht es um die Entwicklung von Fähigkeiten, selbstorganisiert und kreativ mit den technischen und kommunikativen Möglichkeiten elektronischer Datennetze umzugehen, sie für die eigene Kompetenzentwicklung wie auch für die von Schülern, Studenten und Mitarbeitern zu nutzen. Praktikern hilft es, bedarfsgerechte Konzepte und Instrumente des Kompetenzaufbaus mit innovativen Lernformen zu entwickeln und umzusetzen.

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Inhaltsverzeichnis

Hinweis zum UrheberrechtImpressumKompetenzentwicklung im Netz1   Paradigmenwechsel in der Bildung2   Ziel und Aufbau des Handbuches3   Übergreifende Themen der Kompetenzentwicklung im Netz3.1   Lernen, Wissen und Kompetenzentwicklung im Netz3.1.1   Lernen3.1.2   Wissen3.1.3   Kompetenzentwicklung im Netz3.2   Wissensmanagement, Kompetenzmanagement und Kompetenzentwicklung im Netz3.2.1   Wissensmanagement3.2.2   Kompetenzmanagement3.2.3   Kompetenzentwicklung im Netz3.3   Stufen der Kompetenzentwicklung im Netz3.3.1   Praxisstufe3.3.2   Coachingstufe3.3.3   Trainingsstufe3.4   Räumliche Aspekte der Kompetenzentwicklung im Netz3.5   Zeitliche Aspekte der Kompetenzentwicklung im Netz3.6   Humane und soziale Aspekte der Kompetenzentwicklung im Netz3.7   Gedankliche Hintergründe der Kompetenzentwicklung im Netz3.7.1   Semantik3.7.2   Ontologie4   FazitHinführung GrundlagenComputer als Lernpartner und Denkwerkzeuge1   Computer als Lernpartner2   Lernwerkzeug oder Lernpartner?3   Form, Farbe, Erleben und Erinnern4   Glaubwürdigkeit humanoider Computer5   Computer als Denkwerkzeuge6   Mensch-Computer-Integration7   Lernen ohne Lernende8   Planeten des Lernens9   Computer als LebenspartnerDigitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft 1   Der digitale Wandel als Herausforderung für die Bildungssysteme2   Faktencheck: Geht uns die Arbeit aus?3   Digitale Transformation von Wertschöpfungsprozessen und Geschäftsmodellen4   Die Schlüsselrolle der Aus- und Weiterbildung für eine erfolgreiche digitale Transformation5   Konsequenzen der Digitalisierung für die Bildung5.1   Trend 1: Arbeiten in der digitalisierten Arbeitswelt wird zum Lernen (und umgekehrt)5.2   Trend 2: Informationskompetenz wird auch für Industriearbeiter wichtig5.3   Trend 3: Betriebliche Weiterbildung entwickelt sich zum Corporate Learning weiter5.4   Trend 4: Eine Förderung der Kultur des selbstorganisierten Lernens ist erfolgsentscheidend5.5   Trend 5: Die Vielfalt der Lernformate wird stärker genutzt werden6   Die Digitalisierung der Bildung als Lösung?Das Netz als Lern-Infrastruktur1   Lernen im 21. Jahrhundert2   Der Mensch in der Wissensgesellschaft3   Die wichtigsten Lern-Werkzeuge im Netz4   Zehn Empfehlungen für die Gestaltung der persönlichen LerninfrastrukturErmöglichungsdidaktik – Kriterien einer intransitiven Kompetenzförderung1   Dimensionen einer intransitiven Sicht auf das Lernen2   Erleben: Persönlichkeitsbildung als emotionale Transformation3   Die Selbstverständlichkeit des Virtuellen4   FazitSelbstorganisation, Neuropsychologie und Werte1   Digitalisierung2   Neuropsychologie3   Neurobiologische Grundlagen menschlicher Lernfähigkeit4   Konsequenzen für die Kompetenzentwicklung im NetzDenkzwänge im Zeitalter der Denkmaschine. Ein Plädoyer für kognitive Literalität1   Lottogewinner und Rechenkünstler2   Einzug der Denkmaschinen3   Im Gruselkabinett der kognitiven Abstürze4   Vom Rechnen und sich Verrechnen4.1   Das Denken (über)lassen4.2   Etwas mitdenken, das fehlt4.3   Vertrauen ist gut, zu viel aber nicht: Wenn Experten lügen5   Sprache steuert Denken5.1   Monster oder Viren? Die Wirkung von Metaphern5.2   Fühlen statt wissen: Von Klang, Sinn und Ideen in Worten6   Entscheiden zu leicht gemacht6.1   Herausforderung Marmeladenkauf6.2   Von Botschaften und Botschaftern7   Plädoyer für kognitive Literalität7.1   Kognitive Kompetenz7.2   Polarisierter Arbeitsmarkt7.3   FazitVom Lehrer, Trainer und Dozenten zum Lern-Dienstleister1   Lernen in Organisationen heute2   Was läuft falsch beim Gestalten von Lernen?2.1   Lernprozess-Gestaltung für Zielgruppen2.2   Der Einfachheit halber geben wir uns mit Wissenszielen zufrieden2.3   Wir bereiten vorhandenes Wissen unzählige Male neu auf3   Wie kann es anders gehen?4   Wie könnten neue Lern-Dienstleistungen dafür aussehen?5   Was muss sich dafür bei den bisher „Lehrenden“ ändern?6   Kompetenzen für Lern-Dienstleister7   Auswahlkriterien für neue Lern-Dienstleister8   ZusammenfassungZielorientierte Kompetenzentwicklung mit bedarfsgerechter Kompetenzmessung1   Verfahren der Kompetenzmessung2   Kompetenzmessung in der Praxis2.1   KODE (Kompetenz-Diagnostik und -Entwicklung)2.2   KODEX – Kompetenz-ExplorerGeschäftsmodell einer digitalisierten Bildung1   Die Bildungssysteme müssen sich grundlegend verändern2   Rahmenbedingungen der Veränderungsprozesse im Bildungsbereich3   Entwicklungsprozess für innovative Geschäftsmodelle der Bildung3.1   Planung des Veränderungsprojektes3.2   Analyse3.3   Normativer Orientierungsrahmen3.4   Strategische Rolle3.5   Operative Gestaltung und Erprobung3.6   RolloutHinführung SchuleDer Computer als Lernpartner in kompetenzorientierten Lernarrangements der Schule1   Digitale Technologien in der Schule – das uneingelöste Versprechen?1.1   Zwischen Anspruch und Wirklichkeit1.2   Offenheit zur Erkundung didaktischer Potenziale1.3   Hilfen zur (medien-)didaktischen Orientierung2   Didaktische Potenziale eines Computers als Lernpartner in der Schule?2.1   Eine neue Perspektive: Der Computer als Lernpartner2.2   Der Lernpartner Computer aus Perspektive des Conversational Framework3   Lernpartner Computer im Jahre 20253.1   Das Conversational Framework nach Laurillard3.2   Didaktische Potenziale eines Lernpartners Computer in der Schule4   Skizze einer Nutzung des Lernpartners Computer im kompetenzorientierten Unterricht4.1   Kompetenzorientierter Unterricht in der Schule4.2   Mathematikunterricht an der Realschule in der 7. Klasse mit digitalen LernpartnernKompetenzentwicklung in der Schule mit dem Lernpartner Computer1   Kompetenzentwicklung in der Schule2   Relevante Kompetenzen auswählen3   Handlungsanker der Kompetenzen anpassen4   Ausprägung der Kompetenzen messen5   Der Lernpartner Computer6   Kompetenzentwicklung in Bildungseinrichtungen mit dem Lernpartner Computer gestalten7   Der Mehrwert des ComputereinsatzesDie Maker-Bewegung macht Schule – Hintergründe, Beispiele sowie erste Erfahrungen1   Von Makerspaces und Fablabs2   Making mit Kindern: Kompetenzorientierung des digitalen Selbermachens3   Werkzeuge und Beispiele für Maker-Aktivitäten mit Kindern und Jugendlichen4   Konzept von und Erfahrungen mit einer mehrtägigen offenen digitalen Werkstatt für Kinder4.1   Didaktische Prinzipien4.2   Gestaltung des Raums und Angebot an Werkzeugen4.3   Die Maker-Angebote: Vom freien Tüfteln zum Peer-Tutoring4.4   Dokumentation und Beobachtungsergebnisse5   Begründungen für das Making mit Kindern6   Ausblick: Herausforderungen an Bildung und ForschungEs lernt der Mensch und nicht das Gehirn1   Leere Köpfe mit Wissen füllen1.1   Positive Emotionen machen das Lernen leichter1.2   Dem Gehirn ist es egal, ob wir analoge oder digitale Lernhilfen nutzen2   Es lernt der ganze Mensch3   Der Lernpartner Computer4   Wie junge Menschen mit dem Computer lernen4.1   Wenn Zehnjährige programmieren4.2   Auf die Fähigkeiten der Kinder vertrauen4.3   Realitätsnahe Probleme mit Minecraft spielerisch lösen4.4   Geocaching – mit dem Smartphone auf Erkundungstour4.5   Ein Plüschtier auf Reisen – Storytelling im Kindergarten5   ZusammenfassungLearning Analytics an Schulen1   Übersicht1.1   ASSISTments1.2   DreamBox1.3   IXL.com1.4   Khan Academy2   Darstellung von konkreten Beispielen2.1   Mathematik am Beispiel des 1x1 Trainers2.1.1   Applikation 1x1 Trainer2.1.2   Antworttypen2.1.3   Schwere und leichte Multiplikationsprobleme2.1.4   Lernprozessmuster2.2   Schreiben lernen im Grundschulalter3   KompetenzentwicklungHinführung HochschuleEinsatz digitaler Medien in der Hochschullehre: Szenarien und Mehrwerte für die Kompetenzentwicklung1   Zusammenfassung2   Szenarien des Einsatzes digitaler Medien in der Hochschullehre2.1   Einsatz in Lehrveranstaltungen2.1.1   Anreicherungskonzept2.1.2   Class- oder Audience-Response-Systeme2.1.3   Einsatz digitaler Endgeräte der Studierenden in der Präsenzlehre2.1.4   Integrations- oder Blended-Learning-Konzept2.1.5   Vorbereitung von Veranstaltungen oder: Das Flipped-classroom-Konzept2.1.6   Nachbereitung von Veranstaltungen: Anwendung, Vertiefung und Klärung von Fragen2.1.7   Integration außeruniversitärer/-hochschulischer Lernorte und mobiles Lernen2.1.8   Vorbereitung von Klausuren2.1.9   Projektorientierte und kollaborative Nutzung digitaler Medien in der Lehre2.2   Virtualisierungskonzept2.2.1   MOOC2.2.2   Online Kurse und Studiengänge2.2.3   Tutorials und Microlearning2.3   Unterstützung von Prüfungen und Assessments2.3.1   eKlausuren2.3.2   Semesterbegleitende Prüfungen2.3.3   E-Portfolios und Lerntagebücher2.3.4   Peer Assessments2.4   Zusammenfassung: Mehrwerte und Rolle digitaler Medien in der Hochschullehre3   Rahmenbedingungen zur Umsetzung und EinführungDigitalisierung und Hochschullehre1   Ansatzpunkte für eine Modifikation der akademischen Lehre2   Grundlagen2.1   Neue Ansätze des Lehrens und Lernens2.2   Digitalisierung der Hochschullehre3   Potenziale der Nutzung digitaler Medien4   Neue Lehrformate5   FazitLehren und Lernen mit Digital Natives an Hochschulen – Fünf Fragen zur Zukunft akademischen Lehrens und Lernens mit digitalen Medien1   Warum es keine digitalen Eingeborenen gibt2   Wer die heutigen Studierenden sind3   Wie Lehren, Lernen und Forschen zusammengehen4   Wo digitale Medien die Forschung verändern5   Warum wir reflektierte Grenzgänger brauchenLearning Analytics in Hochschulen1   Learning Analytics2   Learning Analytics in Hochschulen3   Frameworks, Tools und Systeme3.1   Automated Wellness Engine (AWE)3.2   Connect 4 Success (C4S)3.3   Course Signals (CS)3.4   Gradient’s Learning Analytics System (GLASS)3.5   LOCO-Analyst3.6   Narcissus3.7   Personalised Adaptive Study Success (PASS)3.8   Social Networks Adapting Pedagogical Practice (SNAPP)3.9   StepUp!3.10   Student Activity Meter (SAM)3.11   Student Inspector3.12   Student Success System (S3)3.13   Übersichtstabelle4   Zukünftige Trends, Innovationen und KompetenzentwicklungenEntwicklung von Mediennutzungskompetenz im Erwachsenenalter1   Einleitung: Wachsende Bedeutung von Mediennutzungskompetenz2   Zur Mediennutzungskompetenz und deren Erfassung3   Mediennutzungskompetenz Erwachsener3.1   Mediennutzungsstudien3.2   Studien zur Medienkompetenz spezifischer Gruppen3.3   Mediennutzungskompetenz in Large-Scale-Assessments4   Kompetenzentwicklung im Erwachsenenalter4.1   Theoretische Perspektiven zur Kompetenzentwicklung im Erwachsenenalter4.2   Empirische Befunde zur Kompetenzentwicklung in der zweiten Lebenshälfte5   Entwicklung von Mediennutzungskompetenz6   Fazit: Lebenslanges Lernen und MediennutzungskompetenzHinführung Lernen in UnternehmenZukunft des Arbeitens und Lernens1   Herausforderungen für das Arbeiten und Lernen in der Zukunft2   Der Einfluss durch die Digitalisierung3   Wertewandel4   Zukunft der Arbeit – beeinflusst durch den demografischen Wandel5   Welche Kompetenzen werden wichtiger?6   Bedeutung für Lernen und Kompetenzerwerb7   Fazit: „Zwischen Ausbeutung und Selbstverwirklichung“Geschäftsmodelle für inner- und überbetriebliche Bildungsanbieter in einer zunehmend digitalisierten Welt1   Ausgangspunkte und Problemstellung2   Bezugsrahmen für die Entwicklung eines Geschäftsmodells2.1   Normativer Rahmen2.2   Geschäftsmodelle und Geschäftsmodellinnovationen bei Bildungsorganisationen2.3   Strategische Ausrichtung: Elemente des Geschäftsmodells3   Geschäftsmodellinnovation als Antwort auf digitale Disruption3.1   Warum? – Digitale Transformation als spezifische Herausforderung für das Bildungsmanagement3.2   Was? – Das Nutzenversprechen – was wird den Leistungsempfängern geboten?3.3   Wer? – Wer ist Leistungsempfänger?3.4   Wie? – Die Wertschöpfungskette: Wie wird das Nutzenversprechen realisiert und für Kunden verfügbar gemacht?3.5   Wert? – Die Ertragsmechanik: Wann ist das Geschäftsmodell tragfähig?4   Zusammenführung und AusblickLernhaus, Kompetenzenset und Learning Hub – Grundlagen für die Kompetenzentwicklung im Prozess der vernetzten Arbeit1   Perspektiven1.1   Perspektive „Strategie“1.2   Perspektive „Methodik-Didaktik“1.3   Perspektive „Technologie“2   Das Lernhaus2.1   Das Dach: Lernvision und -strategie2.2   Die Etagen: Lernformen und Kompetenzen2.3   Das Fundament: Lerntechnologien2.4   Digital Learning Maturity Check und Corporate Learning Design2.4.1   Digital Learning Maturity Check2.4.2   Corporate Learning Design3   Das Kompetenzenset3.1   Lernformen und Lernformate3.2   Education Design – von der Lernform zum Lernsetting3.3   Lernkompetenzen und Lehrkompetenzen3.3.1   Lernkompetenzen3.3.2   Lehrkompetenzen3.4   Kompetenzentwicklung4   Der Digital Learning Hub4.1   Lerntechnologische Ansätze4.2   Strukturprinzip des Digital Learning Hub5   Fazit und AusblickLernarrangements mit dem Lernpartner Computer1   Neue Anforderungen an das Corporate Learning2   Von der Ermöglichungsdidaktik zum Ermöglichungsrahmen3   Innovative Lernarrangements3.1   E-Learning-Arrangement3.2   Blended-Learning-Arrangement3.3   Social-Blended-Learning-Arrangement3.4   Social Workplace Learning4   Konsequenzen für die betriebliche Bildung4.1   Social Blended Learning gehört die Zukunft4.2   Informelles Lernen fördern4.3   Social Workplace Learning ist das Ziel5   FazitKompetenzentwicklung von Krisenmanagern – Ein Modell zur kompetenzorientierten Entwicklung von Führungskräften im Netz1   Anforderungen an die Kompetenzen der Krisenmanager2   Kompetenzentwicklung in Praxisprojekten und im Arbeitsprozess3   Kompetenzentwicklung im Netz4   Ermöglichungsrahmen der Kompetenzentwicklung5   Lernarrangement für die Kompetenzentwicklung der Krisenmanager5.1   Ziel: Führungskompetenz in extremen Herausforderungen5.2   Konzeption zur Entwicklung der Führungskompetenzen der KrisenmanagerInterkulturelle Kompetenzentwicklung im Prozess der Arbeit und im Netz1   Interkulturelles Handeln – eine wachsende Herausforderung2   Interkulturelle Kompetenz – mehr als Wissen3   Sprachkompetenz – die notwendige Voraussetzung4   Interkulturelle Kompetenzentwicklung im Netz4.1   Interkulturelles Kompetenzmodell4.2   Messung interkultureller Kompetenzen4.3   Prozess der interkulturellen Kompetenzentwicklung4.4   Aufbau interkulturellen Wissens4.4.1   Didaktisch-methodische Konzeption der Lernprogramme4.4.2   Ziele und Inhalte5   BewertungSimulatives Lernen mit dem Lernpartner Computer im Arbeitsprozess1   Am Anfang war der Simulator2   (Falls) Kompetenz zählt3   Praxisbeispiele für simulationsbasierte virtuelle 3D-Welten3.1   Simulationswelt Gotthard-Basistunnel (CBT)3.2   Simulation bei Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten3.3   Virtual 3D-Classroom und Simulation3.4   Simulationsumgebungen für weiche Faktoren4   Warum virtuelle 3D-Lernwelten überzeugen4.1   Digitale Ganzheitlichkeit und Realitätsnähe4.2   Ideale Lern- und Kollaborationssettings4.3   Verfügbarkeit und Flexibilität5   Perspektiven und HandlungsempfehlungenVom Learning-Management-System zur Sozialen Kompetenzentwicklungs-Plattform1   Konzeptionelle Anforderungen2   Ermöglichungsdidaktik und Ermöglichungsrahmen3   Funktionale Anforderungen3.1   Funktionale Anforderungen des Ermöglichungsrahmens3.1.1   Prinzipien3.1.2   Offene Kommunikations- und Lernräume3.1.3   Geschützte Arbeits- und Lernumgebung4   Struktur4.1   E-Portfolio4.2   Learning-Management-System (LMS)4.2.1   Kommunikationsinstrumente in Learning-Management-Systemen5   Soziale Kompetenzentwicklungs-Plattform5.1   Kommunikations- und Kollaborationsinstrument in Sozialen Kompetenzentwicklungs-Plattformen6   Auswahl einer Sozialen Kompetenzentwicklungs-PlattformWorkforce und Learning Analytics im Arbeitsprozess – Steuerung individueller Arbeits- und Lernprozesse durch die Analyse von Arbeits- und Lernergebnissen1   Bedarf für Workforce und Learning Analytics2   Voraussetzungen für Workforce und Learning Analytics2.1   Big Data2.2   Organisation und Rahmenbedingungen2.3   Data Warehouse3   Analysewerkzeuge3.1   Workforce Analytics3.2   Learning Analytics4   Künstliche Intelligenz5   Adaptive System6   Was ist heute schon möglich?6.1   Kommerzielle Lösungen6.2   Open-Source-Lösungen6.3   Standardisierungen7   Einführen von Learning Analytics8   Datenschutz und -sicherheit/Rahmenbedingungen9   Was wird möglich sein?Kompetenzmanagement im digitalen Wandel1   Kompetenz und Handlungsfähigkeit in einer zunehmend komplexen Welt1.1   Entwicklungsgestaltung als persönliche Herausforderung1.2   Heute bilden für morgen1.3   Agile Institution in turbulentem Umfeld2   Digitaler Wandel und Arbeit 4.0 – Implikationen für das Kompetenzmanagement2.1   Verfügbarkeit großer Datenmengen – Big Data2.2   Cloud Computing: Speicherung von Daten und „Crowdworking“ im Netz2.3   Mobile Kommunikation und Kollaboration mit vielfältigen Applikationen2.4   Social Software2.5   Cognitive computing – Künstliche Intelligenz2.6   Internet der Dinge3   Modell für ein vernetztes digitales Kompetenzmanagement3.1   Bildungsanbieter als Kompetenzbildner und Kompetenzprüfer3.2   Institutionelles Kompetenzmanagement in der Arbeitswelt 4.04   Digitale Medien als Enabler für das Zusammenspiel von Kompetenzträger, Kompetenzbildner und Kompetenznutzer4.1   Kompetenzangebot und Nachfrage4.2   Aufbereitung, Validität und Vergleichbarkeit der Daten5   FazitGlossarAutorinnen und AutorenAutorinnen und Autoren   Stichwortverzeichnis
[1]

Hinweis zum Urheberrecht

Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH, Stuttgart

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Print: ISBN: 978-3-7910-3793-6Bestell-Nr.: 10190-0001ePDF:ISBN: 978-3-7910-3794-3Bestell-Nr.: 10190-0150ePub:ISBN: 978-3-7910-4047-9Bestell-Nr.: 10190-0100

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

© 2017 Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht [email protected]

Umschlagentwurf: Goldener Westen, BerlinUmschlaggestaltung: Kienle gestaltet, StuttgartSatz: Claudia Wild, Konstanz

März 2017

Schäffer-Poeschel Verlag StuttgartEin Tochterunternehmen der Verlagsgruppe Handelsblatt

Kompetenzentwicklung im Netz

Bausteine einer neuen Bildungswelt

John Erpenbeck/Werner Sauter

Vom siebenjährigen Knirps bis zum siebzigjährigen Alten1: Es gibt in Europa kaum noch einen Menschen, der keinerlei Netz nutzt – vom Telefonnetz und Handynetz bis zum Internet, vom Bankennetz beim Zahlungsverkehr bis zum elektronisch verknüpften Bahn- und Flugverkehr, vom Netz der Radio- und Fernsehanbieter bis zu den vielfältigsten Streaming-Angeboten. Mit Erfindung der drahtgebundenen und drahtlosen Signalübertragung haben sich die Möglichkeiten rasend vervielfältigt. Eine Sättigung ist nicht in Sicht.[2]

Allerdings haben sich die Menschen in ihrer Geschichte immer kommunikativ vernetzt. Mit Rauchzeichen und Flaggenwinken, mit Bildern und Buchstaben. Dafür haben sie jeweils eigene Medienkompetenzen entwickelt und perfektioniert (vgl. Schmidt 2015).

Die heutige Gesellschaft wird zunehmend durch Soziale Netzwerke geprägt, die von allen Altersschichten genutzt werden. Es wächst eine Generation heran, die tagtäglich eine große Vielfalt insbesondere digitaler Medien nutzt und ihre Kompetenzen – keineswegs nur die Medienkompetenzen! – dabei und damit entwickelt. Haushalte in Deutschland, in denen Jugendliche aufwachsen, weisen bei Computern, Mobiltelefonen und Internetzugang heute nahezu eine Vollausstattung aus. Wir dürfen uns deshalb nicht wundern, wenn die heutigen Kinder und Jugendlichen später im Studium oder Berufsleben wie selbstverständlich auch im Netz lernen und ihre Kompetenzen entwickeln wollen.

Die Zukunft hat in der betrieblichen Arbeits- und Lernwelt schon begonnen. 2015 gingen gerade einmal 20 Prozent der gesamten Wertschöpfung in der Wirtschaft auf digitale Geschäftsmodelle zurück. 2020 werden es 80 Prozent sein (Jäger 2015). Dies hat tiefgreifende Konsequenzen für die betriebliche Bildung. Auch in der Forschung sind digitale Medien heute Alltag. Sie erleichtern in den Hochschulen Arbeitsprozesse, erschließen der Forschung neue Möglichkeiten und erweitern das Repertoire wissenschaftlicher Methoden und damit des Lernens. Auch wenn die Entwicklung zur Digitalisierung des Lernens in den Schulen noch sehr schleppend vorangeht, gibt es trotz der kaum überwindbaren Barrieren doch eine Vielzahl von Initiativen, meist von einzelnen, engagierten Lehrern, die aufzeigen, wie sich auch das schulische Lernen verändern wird.[3]

Der Bildungsbereich ist ein Spiegelbild der Lebens- und Arbeitswelt. Wenn die Lerner auf ihre zukünftigen Herausforderungen vorbereitet werden sollen, dann müssen Lernformen, Kommunikationsmöglichkeiten und Medien dem aktuellen Umfeld entsprechen, im besten Fall sogar die Zukunft in diesem Bereich vorwegnehmen.

Innovative Wege des Lernens mit dem Ziel der Kompetenzentwicklung sind gefragt, für die Gesellschaft – und für jeden Einzelnen: „Ein Zugewinn an Bildung im Sinne eines Zugewinns an Kompetenzen bedeutet einen Zugewinn an Handlungsfähigkeit und damit einen Zugewinn an Teilhabe am Leben und an der Welt (Faix & Mergenthaler 2013, S. 47).

Wichtig

Kompetenzentwicklung ist die Bildung der Zukunft!

1   Paradigmenwechsel in der Bildung

Die Entwicklung der Bildungssysteme wird in allen Bereichen der Gesellschaft und Wirtschaft nach unserer Überzeugung besonders durch folgende Merkmale geprägt (vgl. Erpenbeck & Sauter 2013; 2015a):

Merkmale zukünftiger Bildungssysteme
[4]

Künftiges Lernen ist vor allem selbstorganisierte Kompetenzentwicklung und findet fraglos in und mit dem Netz statt. – Das Netz ist einer der wichtigsten sozialen Räume künftiger Kompetenzentwicklung.

Bildungsziele müssen die Fähigkeiten zum selbstorganisierten, kreativen, physischen und geistigen Handeln, zur selbstorganisierten Bewältigung von Herausforderungen werden.

Die didaktische Gestaltung des Lernens, weg von einer Belehrungsdidaktik hin zu einer Ermöglichungsdidaktik, die selbstorganisiertes Lernen in allen Bildungsbereichen ermöglicht, gewinnt mehr und mehr Vorrang. Wissensaufbau, Qualifizierung und Kompetenzentwicklung werden in die Eigenverantwortung der Lerner übertragen.

Bildungsinstitutionen konzentrieren sich zunehmend auf die Gestaltung von Ermöglichungsrahmen für die Bildungsprozesse sowie die Lernbegleitung und die Gestaltung der notwendigen Veränderungsprozesse, ansonsten gehört alle Macht den Lernern und ihren Lernbegleitern sowie den Schulen, Hochschulen und Bildungsanbietern, die innerhalb der Vorgaben den Lernrahmen gestalten und Lernprozesse ermöglichen.

Die Bewertung von Lernleistungen fordert nicht mehr, viel zu wissen, sondern Wissen zur Lösung von Herausforderungen methodisch sinnvoll nutzen zu können.

Diese Paradigmenwechsel stellen vieles infrage, was die heutigen Bildungssysteme in Schule, Hochschule und in den Unternehmen prägt. Es gibt aber keine Alternative dazu, wenn Deutschland – und Europa – wettbewerbsfähig bleiben soll. Und es ist möglich, wenn ein politischer Wille vorhanden ist.[5]

2   Ziel und Aufbau des Handbuches

Mit diesem Handbuch wollen wir dazu beitragen, die notwendigen Veränderungsprozesse zur Kompetenzentwicklung im Netz in Gesellschaft, Schule, Hochschule, bei überbetrieblichen Bildungsanbietern und in den Unternehmen mit zu initiieren. Deshalb haben wir ein Autorenteam aus Wissenschaftlern und Praktikern zusammengeführt, das die verschiedenen Aspekte der Entwicklungen in den verschiedenen Lernbereichen zukunftsorientiert und kompetent beleuchtet.

Abgesehen vom alltäglichen, privaten Austausch von Informationen über Telefon, Mail, Messenger, Computer und Clouds, der natürlich massiv zur Kompetenzentwicklung der Austauschenden beiträgt, geht es in den Texten unseres Handbuchs nach einführenden Beiträgen vor allem um die Entwicklung der Kompetenzen in den Kompetenzentwicklungsbereichen

Schulen,

Hochschulen,

Unternehmen,

mit den Themenschwerpunkten

Kompetenzen: Was wird in den drei Bereichen unter Kompetenzen, insbesondere unter digitalen Kompetenzen verstanden, wie werden Kompetenzentwicklungsprozesse bereichsspezifisch geführt?

Computer und Netze: Welche Arten von Computern und Netzen kommen in den drei Bereichen zum Einsatz, wo gibt es Widerstände bei der Einführung?

Gehirn: Welche spezifischen Leistungen des Gehirns sind bei der Entwicklung individueller Kompetenzen gefordert, welche Schlussfolgerungen lassen sich aus der modernen Hirnforschung dafür und für die Entwicklung humanoider Computer (vgl. Erpenbeck & Sauter 2013; 2015a) für den Lernpartner Computer ziehen?[6]

Das hier vorliegende Handbuch ist entsprechend den drei großen Kompetenzentwicklungsbereichen Schule, Hochschule und Unternehmen sowie den einführenden Beiträgen in vier Hauptabschnitte unterteilt. In jedem dieser Abschnitte finden sich Beiträge, die auf einen oder auf mehrere der Schwerpunkte Kompetenzen, Computer oder Gehirn eingehen. Dabei ist es das Ziel, möglichst viele der fünf fundamentalen Aspekte der Kompetenzentwicklung im Netz (1) – (5) anzuschauen und aufzuklären. Der generelle Aufbau des Handbuchs hat also die in Abbildung 1 dargestellte Struktur.

Abb. 1: Aufbau des Handbuches Kompetenzentwicklung im Netz

Ein Resümee der vier Abschnitte formulieren wir jeweils eingangs. Im Einzelnen sind die Themenschwerpunkte durch folgende Merkmale gekennzeichnet:

Kompetenzen

… sind Fähigkeiten, in (zukunfts-)offenen Problem- und Entscheidungssituationen selbstorganisiert und kreativ zu handeln (vgl. Erpenbeck et al. 2016).

Kompetenzentwicklung im Netz – Interaktive Lernprogramme – Interkulturelle Kompetenzentwicklung

Kompetenzentwicklung im Netz umfasst zumindest fünf fundamentale Aspekte:

Die Fähigkeiten, mit den technischen und kommunikativen Möglichkeiten elektronischer Datennetze selbstorganisiert und kreativ umzugehen.

Die Fähigkeiten, die technischen und kommunikativen Möglichkeiten elektronischer Datennetze selbstorganisiert und kreativ für die Kompetenzentwicklung von Schülern, Studenten, Mitarbeitern, Freunden zu nutzen.[7]

Die Fähigkeiten, die technischen und kommunikativen Möglichkeiten elektronischer Datennetze für die Entwicklung der eigenen Kompetenzen selbstorganisiert und kreativ zu nutzen.

Die Fähigkeiten, die technischen und kommunikativen Möglichkeiten elektronischer Datennetze selbstorganisiert und kreativ mit weiterzuentwickeln.

Die Fähigkeiten, die technischen und kommunikativen Möglichkeiten elektronischer Datennetze selbstorganisiert und kreativ mit zu verbreiten.

Computer und Netze

… bilden den zweiten Schwerpunkt unserer Betrachtung. Dabei benutzen wir den Begriff Netz allein für elektronische Datennetze: Also für räumlich verteilte Verbindungssysteme zur technischen Unterstützung des Austauschs von Informationen und Wissen zwischen Kommunikationspartnern. Auch dieser eingeengte Blick umfasst eine unerhörte Vielfalt von Netzen: Inhouse-Netze (z. B. lokale Netze, Nebenstellenanlagen, Rechnernetze), vernetzte Computer in einem begrenzten Raum als Local Area Networks (LAN), öffentliche und nichtöffentliche Wide Area Networks (WAN), weitere unterschiedliche Arten von Netzen, darunter geschlossene und offene, Verteilnetze oder Vermittlungsnetze, analoge, aber vor allem digitale Netze, in denen Informationen in digitaler Darstellung übertragen werden, Datennetze die ausschließlich für die Übertragung von Daten konzipiert sind, darunter Breitbandnetze zur Übermittlung von Daten mit hoher, aber auch niedriger Bandbreite und Schmalbandnetze zur Übermittlung von Daten mit niedriger Bandbreite und weitere Arten (vgl. Lackes & Siepermann 2016). Dabei suggeriert die Formulierung eines Austauschs von Informationen zwischen Kommunikationspartnern, dass es sich allein um die Kommunikation von Sach- und Fachinformationen und -wissen handelt. Schulz von Thun hat mit seinen klassischen „Vier Seiten einer Nachricht“ darauf hingewiesen, dass jede Nachricht neben der Sachebene eine Selbstkundgabe-Seite, eine Beziehungsseite und eine Appellseite umfasst (Schulz von Thun 2004). Ausgehend von der Überzeugung, dass Wissen keine Kompetenz ist (vgl. Arnold & Erpenbeck 2014), werden gerade die emotionsgeprägten Seiten der Selbstkundgabe, der Beziehung zum Empfänger und des Appells an den Empfänger besonders wichtig. Denn Kompetenzen werden stets von Emotionen grundiert. Sach- und Fachinformationen und -wissen werden im Austausch stets emotional bewertet und imprägniert, bevor sie, als zutreffend eingeschätzt, zuletzt in das Arsenal des „wertfreien“ Sach- und Methodenwissens eingehen (vgl. Ritsert 2013; Agostini 2014).[8]

Gehirn

Im vorigen Jahrhundert stellten sich viele Menschen, auch Psychologen und Pädagogen, das Gehirn wie einen, freilich sehr komplizierten und leistungsfähigen, aber doch primär wissensverarbeitenden Computer vor. Durch Entwicklung der modernen Hirnforschung, aber auch der modernen Systemforschung hat sich unser Bild völlig gewandelt. So entwickelte der Stuttgarter Physiker Hermann Haken als Kybernetik 2.0 die sogenannte Synergetik – die Lehre vom Zusammenwirken von Elementen innerhalb komplexer dynamischer Systeme wie Molekülen, Zellen, Gehirnen oder Menschen, wobei sich spontan ganz neue, unerwartete Strukturen ausbilden. Die Biologen Humberto Maturana und Francisco Varela (Maturana & Varela 2012) konzipierten eine von biologischen Einsichten ausgehende Selbstorganisationstheorie, die sogenannte Autopoiese-Theorie – die das „sich selbst Machen“ und Erhalten biologischer, aber auch anderer Systeme in den Mittelpunkt stellt. Der Neuropsychologe Gerhard Roth erkannte von Anfang an das fruchtbare Potenzial des neuen Denkens und baute es systematisch aus (vgl. Roth 1992, 1996). Hermann Haken hielt die neuropsychologische Thematik für so wichtig, dass er gemeinsam mit dem Psychotherapeuten Gerhard Schiepek der „Synergetik in der Psychologie“ (vgl. Haken & Schiepek 2010) eine eigene umfangreiche Publikation widmete und auch sonst, neben Veröffentlichungen über Atom- und Quantenphysik, Molekülphysik und Quantenchemie psychologische Themen stets im Auge behielt (vgl. ebenda; Haken 1990; Haken & Haken-Krell 2010).[9]

Auf den einfachsten, einleuchtendsten Punkt brachte der gerade von traditionellen Pädagogen oft und lustvoll geschmähte Neurobiologe Gerald Hüther die neue Situation. „Ohne Gefühl geht gar nichts“, verkündete einer seiner Vorträge. Im Einzelnen führte Hüther aus, „dass wir niemals irgend etwas wahrnehmen können, etwas lernen können oder irgendetwas tun können, ohne dass das auch mit irgendeinem Gefühl einhergeht“ (Hüther 2009). Dieser Sachverhalt ist fundamental und weist den Emotionen wieder jene zentrale Rolle zu, die ihnen im Lauf der Entwicklung einer fast hundertjährigen kognitiven Psychologie fast vollständig abhandenkam. Das Verständnis von Gedächtnis und Denken wandelte sich grundlegend. Während die Gründerväter wissenschaftlicher Psychologie, beginnend mit einer „Psychophysik kognitiver Prozesse“ (vgl. Erpenbeck 1983) quasimechanische Vorstellungen von den Inhalten des Bewusstseins und ihren Assoziationen entwickelten und mit diesen Vorstellungen im Bildungs- und Unternehmensbereich öffentlich enorm wirksam wurden, gruppiert sich das heutige Verständnis um Einsichten aus Selbstorganisationstheorie, Komplexitätstheorie und teilweise auch um Chaostheorie. Dieser entscheidende Paradigmenwechsel[10] führt nicht nur zu einem neuen Grundverständnis von Psychologie, sondern auch zu einem grundsätzlich geänderten Verständnis des menschlichen Lernens. Dieses Lernen hat in der Regel Kompetenzentwicklung zum Ergebnis. Kompetenzentwicklung ist ohne dieses geänderte Verständnis des menschlichen Lernens nicht denkbar. Schleichend hat sich in den letzten Jahren eine Emotionalisierung und Handlungsorientierung des Lernens vollzogen. Wir sehen darin einen Trend, der weit in die Zukunft reicht, der die zukünftigen Lernprozesse maßgeblich bestimmt. Kompetenzentwicklung setzt Wertaneignung, Wertinteriorisation voraus. Das ist ein schwieriger, archaische Teile des Gehirns nutzender, langsamer Vorgang. Doch steht die Verinnerlichung (Interiorisation) von Bewertungen im Mittelpunkt aller künftiger, auf Kompetenzgewinn und Kompetenzerweiterung gerichteter Lernprozesse.[11]

3   Übergreifende Themen der Kompetenzentwicklung im Netz

Die einzelnen Abschnitte und Themenbereiche sind eng miteinander vernetzt, sodass sie nicht unabhängig voneinander betrachtet werden können. Deshalb gehen wir im Folgenden auf sieben übergreifende Themen der Kompetenzentwicklung im Netz ein.

Übergreifende Themen der Kompetenzentwicklung

Lernen, Wissen und die Kompetenzentwicklung im Netz

Wissensmanagement und die Kompetenzentwicklung im Netz

Stufen der Kompetenzentwicklung im Netz

Räumliche Aspekte der Kompetenzentwicklung im Netz

Zeitliche Aspekte der Kompetenzentwicklung im Netz

Humane und soziale Aspekte der Kompetenzentwicklung im Netz

Philosophische Aspekte der Kompetenzentwicklung im Netz

3.1   Lernen, Wissen und Kompetenzentwicklung im Netz

Das Verständnis von Lernen verändert sich radikal. Die klassischen Vorstellungen von einer „Wissensvermittlung“, bei der Wissen über herkömmliche (Rede) oder moderne (Netz) Kommunikationskanäle in die Köpfe der Nutzer übertragen wird, ist nachweislich falsch. Wissensaufbau ist eine konstruktive Leistung jedes Einzelnen (vgl. Siebert 2007; Arnold 2012b, 2015), dem dieser Aufbau allerdings durch Bereitstellung von Wissen ermöglicht wird (vgl. Arnold 2012b). Wie kann das funktionieren?

3.1.1   Lernen

Es irrt der Mensch, solang er strebt, es lernt der Mensch, solang er lebt. Lernen ist so elementar wie Essen und Trinken und so kompliziert wie die Relativitätstheorie. Allein eine Aufzählung aller mit dem Lernen befassten Publikationstitel der letzten fünfzig Jahre würde einen Band wie dieses Handbuch mühelos füllen. Sprachliche, psychologische, soziale, kulturelle, historische Bemühungen würden darin zusammenfließen. Uns beschäftigen in diesem Zusammenhang jedoch nur einige, direkt auf die Kompetenzentwicklung im Netz bezogene Probleme. Was sind die neuen Herausforderungen an das Lernen – was bleibt durch die Jahrhunderte und trotz unterschiedlichster Lernmedien gleich? Was wird wie gelernt – Fertigkeiten, Wissen, Handlungen, Kompetenzen? Wer lernt – Individuen, Organisationen, Unternehmen, Netzwerke?[12]

„Diplom? Geschenkt! Wie Online-Studium und Microskills den Karrieremarkt auf den Kopf stellen“, titelte das t3n digital pioneers Magazin (2016) und führte aus: „Abschlussnote? Egal, sagen Personalchefs in Technologie-Unternehmen. Die Recruiter legen zumindest offiziell weniger Wert auf die Note. Das Problem: Das macht es in der Regel komplizierter – sowohl für die Bewerber, als auch für die Firmen.“ Natürlich sind – das weiß man vom Kompetenzstandpunkt aus sofort – Wissensprüfungen mit Abschlussnoten allemal einfacher als Kompetenzfeststellungen, auf die es eigentlich ankäme.

Den Wechsel von der wissens- und notenzentrierten zur kompetenzzentrierten Sichtweise haben viele große Unternehmen längst vollzogen. So verlässt sich ein großes Technologieunternehmen bei der Suche nach den besten neuen Mitarbeitern nicht mehr auf die Noten, die unter einem Universitätsabschluss stehen – und noch nicht einmal auf den Abschluss an sich. Die Kategorisierung von Bewerbern nach solchen Kriterien habe sich als komplett wertlos erwiesen, berichtete Laszlo Bock, Personalchef des Unternehmens, gegenüber der New York Times (vgl. winfuture.de 2016). „Nach zwei, drei Jahren hat die Fähigkeit, als Mitarbeiter gute Arbeit zu leisten, überhaupt nichts mehr damit zu tun, wie gut jemand an der Schule war“, wusste der Manager zu berichten. Dies liege einerseits daran, dass die Anforderungen an die jeweiligen Fähigkeiten komplett anders gelagert sind. Außerdem habe man es nach einiger Zeit mit völlig anderen Menschen zu tun. „Man lernt und wächst an den Aufgaben, man geht anders an die Sachen heran“, führte Bock aus. Das liege seiner Ansicht nach daran, dass die akademischen Räume künstliche Umgebungen sind. Wer in ihnen erfolgreich ist, ist auf spezielle Art auf sie konditioniert. „Ich war persönlich in meiner Schul- und Uni-Zeit frustriert darüber, dass man wusste, dass der Professor eine ganz bestimmte Antwort erwartete. Man konnte diese herausfinden, aber es war doch viel interessanter, Probleme zu lösen, fuÌ^r die es keine offensichtliche Antwort gibt“, so der Manager.[13]

Und dies sei letztlich genau das, was von den Beschäftigten erwartet würde: Mitarbeiter, die Probleme lösen, auf die es noch keine Antworten gibt. Daher habe man in den letzten Jahren die Einstellungsprozesse gravierend verändert. So wird beispielsweise nicht mehr darauf geschaut, mit welchen Noten ein Bewerber vom College abgegangen ist oder ob er überhaupt eine solche Einrichtung besucht hat. Auch die vielerorts üblichen Tests lässt man inzwischen sein. Stattdessen wird in den Bewerbungsgesprächen beispielsweise Wert darauf gelegt, dass der angehende Mitarbeiter Beispiele nennen kann, welche Probleme er in der Vergangenheit mit welchem analytischen Herangehen gelöst bekam. Weiterhin wird beobachtet, wie sich Bewerber in Teams verhalten und zu welchen Ergebnissen sie in der Zusammenarbeit mit anderen kommen. Dies hat inzwischen beispielsweise dazu geführt, dass in einigen Abteilungen bis zu 14 Prozent der Beschäftigten nicht einmal über einen College-Abschluss verfügen” (vgl. winfuture.de 2016).[14]

Aus der unendlichen Fülle von Buchpublikationen weisen nur wenige eine direkte Beziehung zum Kompetenzentwicklungsthema auf. Das ist ganz selbstverständlich. Wenn das Ziel des Lernens Wissensvermittlung, Trichter- und Bulimielernen sind, so sind die Methoden, Techniken, Erfolgsbewertungen und Benotungen gänzlich andere als beim Ziel, Kompetenzen zu entwickeln. Die Fülle von Handreichungen für Lehrer und Schüler ist überwiegend auf die Erfüllung von Wissenszielen gerichtet: „Bestnote Lernerfolg verdoppeln“, „Effiziente Lern- und Arbeitsstrategien für Schule, Studium und Beruf“, „Lernen wie ein Weltmeister: Zahlen, Fakten, Vokabeln schneller und effektiver lernen“, das Einmaleins und sogar Bibelverse (singend) lernen, Musikinstrumente spielen lernen, Rechnen, Lesen, Sprachen, Grammatik, Regeln lernen, Mac OSX, Windows, Programmiersprachen, den Umgang mit Computern, Clouds und Netzen lernen, so Titel und Themen des gegenwärtigen Buchangebots. Alles vernünftige und wichtige Lernziele, wenn sie mit schlussendlichen Fähigkeiten zum selbstorganisierten, kreativen Handeln, mit einem Zugewinn an Kompetenzen gekoppelt sind. Problematisch, wenn sie sich nur auf Fertigkeiten, auf Sach- und Fachwissen beziehen.[15]

3.1.2   Wissen

Mit dem Wissensbegriff beginnt im Grunde schon das Problem. Sind Emotionen und Motivationen, Wertungen und Kompetenzen auch Wissen? Müssen sie dem Sach- und Fachwissen nicht geradezu gegenübergestellt werden?

Auch hier gibt es sehr unterschiedliche Zugänge. Uns erscheint das Verhältnis von Wissen und Werten als wichtigstes Unterscheidungskriterium (die folgende Argumentation stützt sich weitgehend auf Arnold & Erpenbeck 2014, S. 37–44; Erpenbeck, von Rosenstiel, Grote & Sauter 2017).

Werte, als Resultate von Bewertungen, durchdringen unser gesamtes Leben und Handeln. Wir handeln fast immer – bewusst oder unbewusst – wertend. Ob das, was wir gerade tun, Genuss bereithält (hedonistische Wertungen), Nutzen verspricht (utilitaristische Wertungen), ethisch gut ist (ethische Wertungen) oder sozial-organisatorisch etwas bringt („politische“ Wertungen im weitesten Sinne). Alle unsere Empfindungen, Gefühle, Wünsche, Vermutungen, Zweifel, Befürchtungen, Hoffnungen, Bedürfnisse, Interessen, Einstellungen, Meinungen, Haltungen, Ansichten, Überzeugungen, Vorurteile, Ablehnungen, Glaubensvorstellungen und dergleichen sind Werte oder enthalten maßgeblich Werte. Kaum ein Gedanke oder ein Satz von uns ist von diesen Denk- und Sprachformen unberührt. Werte sind kein deklaratives Wissen, kein Sach- und Faktenwissen, kein Informationswissen. Sie sind nicht wahr oder falsch. Sie werden von Einzelnen, Gruppen, Organisationen, Unternehmen, Nationen, Völkern, ja manche von der Weltbevölkerung akzeptiert oder abgelehnt. Sie sind „in Geltung“ oder geltungslos, entwertet.[16]

Werte schließen die Lücke zwischen Kenntnissen einerseits und dem Handeln andererseits. Ohne Werte können wir nicht handeln. Allerdings wirken Werte nur, wenn ihre Sinnhaftigkeit im eigenen Handeln erlebt und emotional positiv gespeichert wird. Den Vorgang der Umwandlung von Regeln, Werten und Normen in eigene Emotionen und Motivationen bezeichnet man oft als Interiorisation oder Internalisation. Er ist neuropsychologisch kompliziert, aber in seinen Grundelementen einfach und oft beschrieben. Handlungsentscheidungen, die nicht „rein algorithmisch“, also wie bei einer mathematischen Aufgabe getroffen werden können, führen zu einer massiven inneren Unsicherheit zu einer emotionalen Beunruhigung, Irritation oder Labilisierung. Erfolgreiches Handeln führt zur emotionalen Verankerung der für die Entscheidungen – oft unbewusst – herangezogenen Werte.[17]

Wir können Wissen ungeachtet vieler weiterer Klassifizierungen2 danach unterscheiden, ob und wie klar es interiorisierte Regeln, Werte und Normen enthält. Dann hat man zwei große Wissensklassen: eine die keinerlei Formen von interiorisierten Werten enthält (natürlich können Werte als sachliche Untersuchungsgegenstände vorkommen) und solche, die Werte eher klar oder eher verborgen enthalten: Wissen im engeren Sinne und Wissen im weiteren Sinne.

Wissen im engeren und weiteren Sinn

Wissen im engeren Sinne sind explizierbare (komplexe) und explizite „wertfreie“ Denkresultate und Informationen, zum Beispiel Sach- und Fachwissen, Faktenwissen, Daten, Patente, Organigramme, Regeln, Gesetze, Dokumente, Datenbankinformationen usw.

Wissen im weiteren Sinne enthält explizites und implizites Wissen, insbesondere wertbehaftete Denkresultate und Wertungsresultate als Werte, zum Beispiel, wie bereits angeführt, Empfindungen, Gefühle, Wünsche, Vermutungen, Zweifel, Befürchtungen, Hoffnungen, Bedürfnisse, Interessen, Einstellungen, Meinungen, Haltungen, Ansichten, Überzeugungen, Vorurteile, Ablehnungen, Glauben.

Diese Unterteilung hat den größtmöglichen Bezug zur Kompetenzentwicklung im Netz. Wissen im engeren Sinne, Fakten, Informationen, Daten lassen sich in fast beliebiger Menge durch das Netz jagen. Sie können im Sinne von Big Data weiterverarbeitet, sortiert, klassifiziert und analysiert werden. Das führt bei den Big-Data-Spezialisten zu einer Erweiterung ihrer Fach- und Methodenkompetenzen, aber kaum darüber hinaus. Erst die Interpretation, die Be- und Verwertung dieser Daten in psychologischen oder sozioökonomischen Zusammenhängen erzeugt weitere, personale, sozial-kommunikative und aktivitätsbezogene Kompetenzen.[18]

Ganz anders ist das bei Wissen im weiteren Sinne. Das kann man sich sofort an einem einfachen Beispiel klarmachen – an einer ästhetischen Wertung. Da existiert ein von Fachleuten wie von Laien als vielleicht schönstes Bild der Welt gepriesenes Gemälde: Leonardo da Vincis Mona Lisa. Natürlich lassen sich wissenschaftliche Wertungen wie diverse Lobpreisungen als Informationen umsetzen, kommunizieren und verbreiten. Von der Schönheit des Bildes hat man da noch nichts begriffen. Natürlich lässt es sich in tausenden Reproduktionen abbilden, versenden, dokumentieren, aber auch da ist nichts von der ästhetischen Wertung auf uns übergegangen; bestenfalls haben wir begriffen, dass und warum andere das Gemälde so hoch bewerten. Die emotionale Labilisierung erzeugt man erst, wenn man dem originalen Gemälde gegenübertritt oder wenn es zumindest in eine ebenfalls künstlerisch wertende Multimediaschau einbezogen ist. Oder aber, wenn man mit anderen Menschen, durchs Netz verbunden, hoch emotional spricht und streitet, lobpreist und bewundert. Die Kommunikation von Wissen im weiteren Sinne erfordert also ganz andere Mittel der Kommunikation im Netz, um neue, etwa ästhetische und kulturhistorische Kompetenzen zu erzeugen.

3.1.3   Kompetenzentwicklung im Netz

[19]

Gelingende Kompetenzentwicklung hat, neben dem Aufbau von Sach- und Fachwissen und der Qualifikation als notwendige Voraussetzung, bei den Lernenden viel breitere Dimensionen. Siegfried J. Schmidt hat in einem nachdenklichen Buch festgestellt, bei „Lernen, Wissen, Kompetenz und Kultur“ handele es sich noch und immer wieder um „vier Unbekannte“ (vgl. Schmidt 2015). Sein Ansatz geht nicht vom Kleinsten, den Partikeln von Informationen, Sach- und Fachwissen zum Größten, zur Einbettung in historisch determinierte soziale, kulturelle und politische Prozesse, sondern formiert eine kulturhistorische Theorie der „Geschichten und Diskurse“, von der aus man Lernen, Wissen, Kompetenz und Kultur besser begreifen kann.

Danach sind Lernprozesse mit den Geschichten und Diskursen des jeweiligen historischen Geschehens verbunden; Menschenbild, Wirklichkeitsmodell und Kulturprogramm, insbesondere die Lernprozesskultur, ihre Leitvorstellungen, Prozessauslöser, Prozessträger und Prozessziele lenken sie. Sie hängen von den Institutionalisierungen und dem Professionalisierungsgrad der darin Beteiligten ab. Schließlich lassen sich auch Lernstile, Lerntypen und Lernmodi unterscheiden.

Eine so generalisierende Sicht macht klar, dass die Vielzahl von früheren Lerntheorien, insbesondere behavioristischer oder kognitivistischer Provenienz viel zu kurz greift. Klaus Holzkamp hat eine fast vollständige Übersicht früherer lerntheoretischer Grundansätze gegeben und sie einer radikalen Kritik unterzogen (vgl. Holzkamp 1995). Sein Hauptkritikpunkt ist, dass das Lernsubjekt in seinen kulturhistorischen Verankerungen, seinen Lebensinteressen und seinem selbstorganisierten Handeln in diesen Theorien gar nicht vorkommt. Die Schule als „Disziplinaranlage“ und die „Enteignung des Lernens“ sind fundamentale Argumente gegen die augenblicklich heranrollende Kompetenzkatastrophe und für eine subjektorientierte, die Selbstorganisation des Lerners umfassend berücksichtigende und damit seine Kompetenzentwicklung voll in ihre Rechte einsetzende Psychologie und Pädagogik.[20]

Besonders zwei Diskussionsstränge zum Lernen führen direkt zur Kompetenzentwicklung im Netz – ein neuropsychologischer und ein pädagogischer. Manfred Spitzer, Gerhard Roth, Gerald Hüther (Spitzer 2007; Roth 2011; Hüther 2016) und viele andere Gehirnforscher haben klar gemacht, dass sich die Lerntheorien vom behavioristischen Ausgangspunkt bis zu den feinen Verästelungen kognitiver Ansätze gründlich vergaloppiert hatten, indem sie Wissen für Kompetenz und eine Wissensvermittlung für möglich hielten, die Selbstorganisation des Denkens und Handelns vernachlässigten und der emotionalen Seite des Lernens nur eine Nebenrolle zugestanden. Damit werden aber, wenn nicht schon Lösungen so zumindest Grundfragen des Lernens im Netz aufgeworfen, sobald es sich nicht als Verschiebebahnhof von Wissen versteht. Moderne humanoide Computer knüpfen genau an solche Erkenntnisse an. Das Deep-Mind-Programm3 baut unmittelbar auf solche neurobiologischen und neuropsychologischen Erkenntnisse auf.[21]

Sie fließen ebenfalls in die Pädagogik ein, wenn auch noch nicht in gewünschtem Maß. „Lernen und Gehirn. Der Weg zu einer neuen Pädagogik“ (vgl. Caspary 2010) liefert eine Brücke, aber eine noch ziemlich schwankende, weil sich manche darin publizierenden Pädagogen bemühen, visionäre Neurobiologie und „bodenständige“ Pädagogik allzu sehr voneinander abzugrenzen. Dabei bereiten die neurobiologischen Visionäre genau den Boden, auf dem sich künftige kompetenzorientierte „bodenständige“ Pädagogik bewegen wird. Auch wenn inzwischen manche Curricula einfach durch Umbenennung (Schreibfähigkeit zu Schreibkompetenz, Lesefertigkeit zu Lesekompetenz, Rechenfertigkeit zu Rechenkompetenz usw.) in Kompetenzbrunnen verwandelt scheinen, ist es mit der realen Orientierung auf Kompetenzen als Entwicklungsziele und der Nutzung von Computern und Netzen, um diese Ziele zu erreichen, noch nicht weit her. Umso mehr sind die Pädagogen wie Heinz Klippert zu bewundern, die schon sehr früh eine „Kompetenzvermittlung im Schulalltag“ anstrebten oder sogar, wie Peter Struck, Gebote für eine solche Kompetenzentwicklung aufstellten, die heute durch das Netz erst voll zum Zuge kommt (vgl. Klippert 2008; Struck 2007). Zu erwähnen ist auch die berühmte Studie zum „Lernen sichtbar machen“ von Hattie (2009), die klar die emotionalen Verstärker des Lernens heraushebt und damit auf Entwicklungen der Kompetenzentwicklung im Netz Einfluss haben wird, sowie all die Autoren, die sich der Rolle von Emotionen in der Bildung widmen – und damit auf den Dreh- und Angelpunkt künftiger Kompetenzentwicklung im Netz hinweisen (vgl. Arnold 2005; Arnold & Siecke 2007; Giesecke 2009; Härtl-Kasulke 2011).[22]

3.2   Wissensmanagement, Kompetenzmanagement und Kompetenzentwicklung im Netz

Wir haben im vorigen Abschnitt gezeigt, welch unterschiedliche Auffassungen es von Wissen gibt und wie sich unsere Vorstellungen von Wissen und von Kompetenzen überlagern. Mit einer lediglich definitorischen Abgrenzung ist es da nicht getan. Sinnvoller ist es, sich die parallele Entwicklung beider Managementformen historisch zu vergegenwärtigen.

Wissensmanagement ist wieder aktuell, Kompetenzmanagement ist modern. Beide sind kulturell und wirtschaftlich notwendig. Nahezu alle großen Unternehmen betreiben Wissensmanagement in unterschiedlicher Ausprägung und entwickeln Kompetenzmanagement in elaborierten Kompetenzmodellen (vgl. Erpenbeck, von Rosenstiel & Grote 2013). Die Wissensgesellschaft baut auf den systematischen Austausch von Erfahrungswissen, die Kompetenzgesellschaft auf das Management von Kompetenzen. Beide Managementformen sind Früchte vom gleichen Stamm, beide nutzen intensiv das Netz, sind ohne das Netz nicht denkbar. Kompetenzentwicklung im Netz braucht beide. Wo weisen sie Gemeinsamkeiten auf, wo deutliche Unterschiede?

3.2.1   Wissensmanagement

Das klassische Büro arbeitete mit handschriftlichen oder maschinengeschriebenen Papierdokumenten, die Vernetzung erfolgte durch Boten, postalisch oder, damals hochmodern, durch Rohrpost. Bis zur Erfindung von Faxgeräten konnte man zwar telefonieren, aber keine Dokumente elektronisch austauschen. Erst mit den Möglichkeiten elektronischer Datennetze zur technischen Unterstützung des Austauschs von Informationen und Wissen zwischen Kommunikationspartnern konnte neu generiertes Wissen blitzschnell weitergegeben, verteilt, bewertet und genutzt werden. Wer heute durch eine moderne Großstadt wandert, wird sich von Bürohochhäusern umstellt finden – vom architekturgewordenen Siegeszug des Wissensmanagements. Denn in diesen Hochhäusern wird meist nichts materiell-substanzielles produziert. Es sind Maschinen der Wissenserzeugung und -verteilung. Solche Hochhäuser gibt es in diesem Maße erst seit den fünfziger, sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts, parallel zur Entstehung elektronischer Datennetze![23]

Durch das exponentielle Anwachsen von Information und Wissen, durch die Entstehung riesiger Datenbanken und Best-Practice-Sammlungen erwuchsen alsbald im Umgang mit dem Wissen die Aufgaben der Wissensidentifikation, Wissensnutzung, Wissensbewahrung, Wissensverteilung, Wissensentwicklung und des Wissenserwerbs. Die Aufgabenerfüllung wurde und wird durch Wissensbewertung und entsprechende Wissensziele gesteuert (vgl. Probst, Raub & Romhardt 2013). Für die Gestaltung eines solchen Wissensmanagements waren vor allem Fähigkeiten gefragt, mit den technischen und kommunikativen Möglichkeiten elektronischer Datennetze selbstorganisiert und kreativ umzugehen, die elektronischen Datennetze mit weiterzuentwickeln und sie mit zu verbreiten. Es waren also vor allem die Fach- und Sachkompetenzen gefragt.[24]

Sehr bald aber stellte sich für jeden einzelnen Wissensarbeiter und IT-Fachmann die Frage, ob er auch in Zukunft die Fähigkeit besitzt, die technischen und kommunikativen Möglichkeiten elektronischer Datennetze für die Entwicklung der eigenen Kompetenzen selbstorganisiert und kreativ zu nutzen, vor allem aber, in Hinblick auf Weiterbildung und Nachwuchs, ob er es vermag, die technischen und kommunikativen Möglichkeiten elektronischer Datennetze für die Kompetenzentwicklung von Schülern, Studenten, Mitarbeitern und Freunden zu gestalten. Die Aufgaben, die sich dabei stellten, waren die gleichen wie die des Wissensmanagements: Kompetenzidentifikation, Kompetenznutzung, Kompetenzbewahrung, Kompetenzverteilung, Kompetenzentwicklung und Kompetenzerwerb, gesteuert durch Kompetenzbewertung und entsprechende Kompetenzziele (vgl. Probst et al. 2000).

Das Wissensmanagement hat sich zahlreiche Instrumente zur Bewältigung der anschwellenden Wissensströme geschaffen. Dazu gehören neben vielen anderen die Balanced Scorecards, Lessons Learned, Storytelling-Methoden, Knowledge Maps, Yellow Pages (vgl. Kilian et al. 2007). Umfassendere Modelle des Wissensmanagements liefern gesamtheitliche Vorgehensweisen für Bildungseinrichtungen und Unternehmen, sie sind Sammlung von Techniken, um Wissen effizienter zu erfassen, zu organisieren und zugänglich zu machen. Neben dem bereits erwähnten Modell von Probst, Raub und Romhardt seien das Münchner Wissensmodell, welches das Verhältnis von Informationswissen und Handlungswissen thematisiert (vgl. Reinmann-Rothmeier 2001), das Nonaka-Takeuchi-Modell, das den Unterschied im Management von explizitem und impliziten Wissen beschreibt (vgl. Nonaka & Takeuchi 1997), das Wissensmanagementmodell von North, das die gestufte Verarbeitung von Zeichen, Daten, Informationen, Wissen, Können, Handeln, Wollen bis hin zu Kompetenz und Wettbewerbsfähigkeit erfasst (vgl. North 2012) und das Modell von Pawlowsky, das den Zusammenhang von Lernprozessen, Lernformen und Lerntypen mit dem Wissensmanagement betont (vgl. Pawlowsky & Reinhardt 2002). Weitere Modelltypen sind etabliert (vgl. Bellmann, Krcmar & Sommerlatte 2002; Jaspers & Fischer 2008; Lehner 2014; Sauter & Scholz 2015). Eine besondere Rolle für die praktische Anwendung in Deutschland spielt die Wissensbilanz Made in Germany des Fraunhofer-Instituts, die durch theoretische Klarheit wie durch intensive Vertriebsarbeit im Bildungs- wie im Unternehmensbereich eine breite Wirkung entfaltet (vgl. bmwi 2008).[25]

Während das Wissen im engeren Sinne ganz ohne Kompetenzen und ihre Wertekerne auskommt, erfordern kompetenzorientierte Lernarrangements ein Wissensmanagement im weiteren Sinne, das neben dem Wissen im engeren Sinn Werte, Regeln, Normen und Erfahrungen umfasst. Hinzu kommen Gefühl, Intuition und Kreativität beim Umgang mit Information und Wissen. Wissen wird demnach mit Werthaltungen verknüpft, Wissensmanagement wird damit zum Kompetenzmanagement (vgl. Mandl, Koch & Reinmann-Rothmeier 2000). Nicht mehr die Wissensspeicherung, sondern der Wissensfluss kennzeichnet Wissensmanagementsysteme in der erweiterten Form. Dieser bildet die notwendige Grundlage für einen gezielten Kompetenzaufbau der Mitarbeiter im Sinne der Fähigkeit, Problemstellungen im Arbeitsprozess selbstorganisiert und kreativ zu lösen. Deshalb sprechen wir vom kompetenzorientierten Wissensmanagement[26] (vgl. Sauter & Scholz 2015).

3.2.2   Kompetenzmanagement

Alle aufgeführten Modelle des Wissensmanagements fassen Wissen in einem weiten, Wertungen und Kompetenzen einbeziehenden Sinne. So ist es nicht verwunderlich, dass viele Autoren mühelos vom Wissensmanagement zum Kompetenzmanagement springen konnten. Das Münchner Wissensmodell, das Nonaka-Takeuchi-Modell, das Pawlowsky-Modell und in besonderem Maße das North-Modell beinhalten schon jeweils wichtige Momente des Kompetenzmanagements und damit der Kompetenzentwicklung im Netz (z. B. North, Reinhardt & Sieber-Suter 2012). Wenn Probst, Raub und Romhard zentrale Problemstellungen des Wissensmanagements zusammenfassen, so gelten diese gleichermaßen für Problemstellungen des Kompetenzmanagements.

Problemstellungen des Kompetenzmanagements

Kompetenzidentifikation: Wie schaffe ich intern und extern Transparenz über vorhandene Kompetenzen?[27]

Kompetenznutzung: Wie stelle ich die Anwendung der Kompetenzen sicher?

Kompetenzbewahrung: Wie schütze ich mich vor Kompetenzverlusten?

Kompetenzverteilung: Wie bringe ich Kompetenzen an den richtigen Ort?

Kompetenzentwicklung: Wie baue ich neue Kompetenzen auf?

Kompetenzerwerb: Welche Kompetenzen kaufe ich mir extern ein?

Kompetenzbewertung: Welche Kompetenzen sind vorhanden und welchen strategischen Stellenwert haben sie?

Kompetenzziele: Welche Kompetenzen sind für den Erfolg entscheidend?

Ihre Beantwortung erfordert und fördert die Kompetenzentwicklung im Netz. Kompetenzmanagement und Kompetenzentwicklung im Netz sind also unauflösbar miteinander verbunden.

Das wird noch deutlicher, wenn man die Schritte verfolgt, ein professionelles Kompetenzmanagement aufzubauen (vgl. Heyse & Erpenbeck 2007; Grote, Kauffeld & Frieling 2012; North, Reinhardt & Sieber-Suter 2013; Sauter & Staudt 2016b). Dazu muss zunächst eine Kompetenzidentifikation, ein grundlegendes Verständnis von Kompetenzen erzielt werden, von Basiskompetenzen (meist als personale, aktivitätsbezogene, fachlich-methodische, und sozial-kommunikative Kompetenzen gefasst), von Schlüsselkompetenzen (wie sie etwa im Kompetenzatlas des KODE®X-Verfahrens und einem entsprechenden Synonymatlas vorliegen) und von komplexeren, „querliegenden“ Kompetenzen (wie Interkulturellen-, Führungs-, Innovations-, IT- oder Medienkompetenzen) (vgl. Heyse & Erpenbeck 2007). Die notwendige Voraussetzung für gezielte Kompetenzentwicklungs-Prozesse bildet die Kompetenzmessung, auf der die individuellen Lernprozesse aufbauen können. Kompetenzmessungen schließen deshalb vom aktuellen Handeln auf vorhandene Handlungsfähigkeiten, nicht auf verborgene Persönlichkeitsmerkmale (vgl. Sauter & Staudt 2016a). Das „Handbuch Kompetenzmessung“ fasst etwa 50 etablierte Messverfahren zusammen (vgl. Erpenbeck, von Rosenstiel, Grote & Sauter 2017).[28]

Modelle des Kompetenzmanagements berücksichtigen Kompetenznutzung, Kompetenzentwicklung und Kompetenzerwerb. Sie berücksichtigen Kompetenzbewertungen und entsprechende Kompetenzziele. Sie integrieren und systematisieren Prozesse der Personalgewinnung, des Personaleinsatzes und der Personalentwicklung (vgl. Sonntag & Stegmeier 2005). „Aus unserer Sicht sind drei wesentliche Aspekte hervorzuheben, deren Darstellung sich an den drei Bestandteilen des Begriffs KompetenzManagementSystem orientiert. Zunächst geht es um (1) Kompetenz als Gegenstand und damit die standardisierte Beschreibung von Kompetenzen in Form eines unternehmensbezogenen Kompetenzmodells. Mit Blick auf den zweiten Begriffsbestandteil wird (2) das Management von Kompetenzen betont, womit Elemente der Planung, der Realisierung und der Kontrolle angesprochen sind. Mit dem dritten Bestandteil, (3) dem System, wird die Anwendung oder Systematisierung von HR-Instrumenten im Sinne einer inhaltlichen und sprachlich-formellen Ausrichtung auf ein unternehmensbezogenes Kompetenzmodell thematisiert.“ (Grote, Kauffeld & Frieling 2012 S. 2). Kompetenzen erweisen sich, weil sie schwer imitierbar und nur in aufwendigen Entwicklungsprozessen zu formieren sind, als dauerhaftere Ressource des Erfolgs von Organisationen und Unternehmen als bloßes, leicht imitierbares und transferierbares Wissen.[29]

Kompetenzmodelle werden von strategischen Überlegungen getragen, und sie tragen entscheidend zur Kompetenzentwicklung im Netz bei, weil sie auf die IT-basierte Unterstützung der meisten Personalprozesse aufbauen: Auf die Entwicklung von kompetenzorientierten Anforderungsprofilen und Auswahlverfahren, auf Maßnahmen der Kompetenzentwicklung sowie auf die Gestaltung von Karrierepfaden und Laufbahnen. Außerdem gibt es bereits eine Fülle von Online- und Multimediainstrumenten, die für die Kompetenzentwicklung im Netz einsetzbar sind (vgl. Ridder, Bruns & Brünn 2004). Kompetenzmodelle fördern und begleiten also die Kompetenzentwicklung im Netz bei allen fünf fundamentalen Aspekten 1–5.

3.2.3   Kompetenzentwicklung im Netz

Definiert man Kompetenzen als Selbstorganisationsfähigkeiten(-dispositionen), individueller wie auch kollektiver Subjekte, als Fähigkeiten, selbstorganisiert und kreativ zu handeln, so gibt es auf jeder der Ebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk spezifische Kompetenzen. Wie diese zusammenwirken, ist ein weitgehend ungelöstes Problem. Um das zu verstehen, denke man nur an die Definition von Kernkompetenzen eines Unternehmens durch Prahalad und Hamel: „… the skills that enable a firm to deliver a fundamental customer benefit“ (Hamel & Pralahad 1996, S. 32). Das kann, muss aber überhaupt nicht mit den Kompetenzen der Mitarbeiter zusammenhängen! Wilkens und Mitarbeiter haben Kompetenzdimensionen herausgearbeitet, die auf allen Kompetenzebenen – Individuum, Gruppe, Organisation, Netzwerk – fassbar sind.[30]

Kompetenzdimensionen (vgl. Wilkens & Sprafke 2009)

Komplexitätsbewältigung – als Fähigkeit eines sozialen Akteurs zur Aufnahme und Strukturierung von Umweltveränderungen durch sinnvolle Selektion von Informationen und durch Rückbesinnung auf vorhandene Handlungsoptionen

Selbstreflexion – als Fähigkeit eines sozialen Akteurs, den eigenen Entwicklungsprozess aufgrund von Rückmeldungen aus der Umwelt im Hinblick auf die eigenen zur Anwendung kommenden Handlungsroutinen zu überprüfen und bei Bedarf anzupassen

Kombination – als Fähigkeit eines sozialen Akteurs, sein Wissen in unterschiedlichen Problemsituationen einzusetzen und dabei ggf. neu zu kombinieren, wodurch eine Wissenserweiterung stattfindet

Kooperation – als Fähigkeit eines sozialen Akteurs, Interaktionsbeziehungen zu anderen Akteuren gestalten und aufrechtzuerhalten, um die eigene Handlungsfähigkeit entwickeln zu können.

Auf individueller Ebene lassen sich diese Kompetenzen weitgehend identifizieren mit den vorgenannten Basiskompetenzen (aktivitätsbezogene, personale, fachlich-methodische, sozial-kommunikative Kompetenzen). Analysieren wir die Kompetenzentwicklung im Netz auch auf sozialen Ebenen, so werden diese Dimensionen außerordentlich bedeutsam. So wie wir Gruppen, Organisationen und ihren Vernetzungen Kompetenzen zuschreiben, können wir auch untersuchen, wie sich diese Kompetenzen entwickeln und welche Rolle elektronische Netze dabei spielen.[31]

Unser Handbuch ist weitgehend auf die Kompetenzentwicklung von Individuen orientiert. Die Untersuchung der Kompetenzentwicklung kollektiver Subjekte im Netz ist gleichwohl eine hoch interessante und fruchtbringende Zukunftsaufgabe.

3.3   Stufen der Kompetenzentwicklung im Netz

Kompetenzen entwickeln sich sowohl in der Unternehmens- als auch in der Alltagspraxis. Sie können in geeigneten Trainings erworben werden, was sich einfacher anhört, als es ist. Coaching und Mentoring tragen einen guten Teil zur Kompetenzentwicklung bei. Es gibt auch Formen der Weiterbildung, die Kompetenzen fördern, doch meist geht es da eher um Wissensvermittlung, um Fachwissen. Wann ist welche dieser Stufen gefragt, wann sind sie fehl am Platz?

Auf den engen Zusammenhang von Werten und Kompetenzen hatten wir hingewiesen. Werte sind Kompetenzkerne. Kompetenzen ohne interiorisierte, „verinnerlichte“, das heißt zu eigenen Emotionen gewordene Werte gibt es nicht. Werte werden in verschiedensten Formen kommuniziert. Allen diesen Formen ist eigen, dass sich die Werte emotional tief verankern müssen. Ein bloßes Predigen von Werten, seien es ethische, politische, religiöse oder kulturelle – beispielsweise Werte einer Unternehmenskultur – ist absolut nutzlos. Interiorisationsprozesse sind jedoch ziemlich kompliziert, langwierig und ohne Erfolgsgarantie. Sie setzen immer ein Anrühren, Aufrühren, Berühren von Emotionen, eine emotionale Labilisierung voraus. Das löst eine Kaskade von Folgeprozessen aus: Offene Entscheidungssituationen führen zu emotionalen Labilisierungen, d. h. zum Erleben und Bewältigen von Dissonanzen (Zweifel, Widersprüchlichkeiten, Verwirrung) im gefühlsmäßigen Sinn. Diese erzwingen wertgestützte Entscheidungen. Wird das Entscheidungsergebnis positiv beurteilt, werden die stützenden Werte tief im emotionalen Grund des Entscheidenden verankert. Letztlich folgt eine soziale Verständigung und möglicherweise Akzeptanz der erfolgreichen, der förderlichen Werte. Werte sind nicht wahr oder falsch, sondern sozial akzeptiert oder nicht akzeptiert, in Geltung oder auch nicht, gültig oder ungültig. Das macht es so schwer und so spannend, zwischen Werten zu wählen (vgl. Erpenbeck & Weinberg 1993).[32]

Sollen sich Kompetenzen entwickeln, müssen die notwendigen Informationen, muss das nötige Sach- und Fachwissen bereitgestellt werden. Klar. Zu diesem Zweck taugte das Netz von Anfang an hervorragend. Je umfangreicher unser Wissen wird, umso wichtiger ist diese Bereitstellung. Nur – damit ist noch kein Quäntchen Kompetenz entstanden. Erst wenn der Nutzer dieser Wissensflut das Wichtigste bewerten, seine Handlungsziele wertend festlegen und den Wert seiner Erfolge beurteilen kann, billigen wir ihm Kompetenz zu. Wie gewinnt er diese Handlungsfähigkeiten, wie kann er sie kommunizieren?[33]

Um das gründlicher zu durchdenken und herauszufinden, welche Rolle das Netz dabei spielt und spielen kann, wollen wir auf eine Darstellung von Stufen der Kompetenzentwicklung zurückgreifen (Erpenbeck & Sauter 2013, S. 95–119). Die Kompetenzentwicklung im Netz findet grob umrissen auf diesen Stufen statt:

Praxisstufe

Coachingstufe

Trainingsstufe

Im Einzelnen sind diese Stufen durch folgende Merkmale gekennzeichnet.

3.3.1   Praxisstufe

Bei der Praxisstufe handelt es sich immer um ein Handlungslernen. Das Handeln kann eines am Computer sein, sowohl im Arbeitsprozess, etwa in IT- und Multimediaberufen, wie auch im sozialen Umfeld, etwa bei der Lösung von Konfliktsituationen im Verein oder bei der Abfassung notwendiger Berichte. Wie dabei gelernt wird, ist nicht mehr und nicht weniger als ein spezieller Fall des Lernens im Prozess der (Computer-)Arbeit. Es kann insbesondere der Umgang mit den Möglichkeiten des Netzes sein, etwa beim Chatten oder Bloggen, also im sozial-kommunikativen Bereich stattfinden. Es kann sich also vor allem um die Fähigkeit handeln, mit den technischen und kommunikativen Möglichkeiten elektronischer Datennetze selbstorganisiert und kreativ umzugehen, um die Fähigkeit, die technischen und kommunikativen Möglichkeiten elektronischer Datennetze für die Entwicklung der eigenen Kompetenzen zu nutzen und eventuell auch um die Fähigkeit, die technischen und kommunikativen Möglichkeiten elektronischer Datennetze mit weiterzuentwickeln.[34]

Besonders typisch für die Kompetenzentwicklung auf der Praxisstufe sind das Erfahrungslernen, das Erlebnislernen, das subjektivierende Handeln und das Expertiselernen:

Erfahrungslernen ist eine Basis jeglicher Kompetenzentwicklung, auch im Netz (vgl. Kolb 2014; Beard & Wilson 2013). Werte werden stets erfahren, nicht „bloß gelernt“. Erfahrungen werden stets bewertet, sind nicht bloße Erweiterungen von Sachwissen. Erfahrung bezeichnet Wissen, das durch Menschen in ihrem eigenen materiellen oder ideellen Handeln selbst gewonnen wurde und unmittelbar auf einzelne emotional-motivational bewertete Erlebnisse dieser Menschen zurückgeht. Damit erfasst Erfahrung auch das Vertrautsein mit Handlungs- und Denkzusammenhängen ohne Rückgriff auf ein davon unabhängiges theoretisches Wissen. Wichtig ist das selbst Gewonnen- und unmittelbar Erlebtsein des Wissens. Nur die Wissens- und Kenntnisanteile von Erfahrungen lassen sich weitergeben, nicht die Erfahrungen desjenigen, der sie gewann. Jedes selbst und unmittelbar gewonnene Wissen eines Menschen ist durch die Ausbildung von Emotionen, Motivationen, Willensentscheidungen, Werten und individuellen Kompetenzen, die in Lebens- und Erlebensprozessen vor sich gehen, flankiert. Jeder selbst und unmittelbar durch Teams und Gruppen erzielte Wissensgewinn ist von einer in Lebens- und Erlebensprozessen gegründeten Ausbildung von Werten, Normen, Regeln und überindividuellen Kompetenzen – beispielsweise Team-, Unternehmens- oder Organisationskompetenzen – begleitet. Der Erfahrungsbegriff schließt Einstellungen und Überzeugungen als besondere Erfahrungsformen ein, die ebenfalls stets selbst und unmittelbar gewonnen sind. Erfahrungslernen heißt, dass Menschen im Rahmen ihres eigenen Handelns mit echten Entscheidungssituationen konfrontiert werden und dabei unmittelbar eigene Werthaltungen entwickeln. Das gilt ganz direkt für das Arbeiten im Netz. Es erfordert nicht weniger Erfahrungen, Emotionen, Motivationen oder Werthaltungen als andere Tätigkeiten. Die Einstellung zu bestimmten Geräten, zu Software, zu Programmvarianten, zum Netz hat unübersehbar emotionale und motivationale Momente. Der Spaß am gemeinsamen Kommunizieren, Arbeiten oder Projekteentwickeln im Netz ist hoch wertbesetzt. Dies fließt unmittelbar in die personalen und sozial-kommunikativen Kompetenzen der Beteiligten ein. Auch hier führt das praktische Handeln zur Ausbildung von bewerteten Erfahrungen, die wiederum die Kompetenzen erweitern und stärken.[35]

Erlebnislernen ist als Grundlage für den Erfahrungsgewinn unverzichtbar. Gerade Erlebnisse liefern die Momente der emotionalen „Labilisierungen“, unter denen nicht nur Sachwissen gelernt, sondern Emotionen angeregt, Motivationen ausgeprägt und Werthaltungen entwickelt werden. Zwar ist die Erlebnispädagogik immer noch randständig (vgl. Heckmair & Michl 2012; Bauer 2001; Michl 2015), doch steht sie vom theoretisch-pädagogischen Gewicht her im Mittelpunkt jeden wirklichen Erfahrungslernens. Auch beim Erlebnislernen wird nicht Wissen im engeren Sinne vermittelt, sondern es werden Labilisierungssituationen so unumgänglich gemacht, dass beabsichtigte Werthaltungen emotional-motivational verankert und so handlungswirksam werden. Das gilt besonders für das Abenteuer Computer, für den Umgang mit den immer neuen technischen und kommunikativen Möglichkeiten elektronischer Datennetze und ihrer kreativen Weiterentwicklung. Eben dadurch werden die eigenen Kompetenzen wie auch die anderer Personen nachhaltig gestärkt. Es handelt sich immer um situiertes Lernen anhand möglichst authentischer Problemsituationen und Entwicklungsaufgaben. In dieser Hinsicht ist auch reale Computerarbeit und Arbeit im Netz nichts anderes als eine spezifische Situierung in spezifischen Aktivitäten, Kontexten und Kulturen.[36]

Subjektivierendes Handeln, das auf Erfahrungen und Erlebnissen einzelner Menschen aufbaut, spielt in realen beruflichen Tätigkeiten und damit letztendlich auch für die Wissens- und vor allem Wertvermittlung eine stark zunehmende Rolle (vgl. Bannwolf 2013). Gerade der Umgang mit moderner Technik, mit Computern und Software, mit komplexen Prozessen und Anlagen erfordert nicht nur ein logisch-kategorisierendes Wissen, sondern Momente komplexen, emotional-motivational basierten Handelns, assoziativ wertenden und erlebnisbezogenen Denkens unter Betonung sozial-kommunikativer Nähe zu anderen. In diesem Zusammenhang spielen auch Formen informeller, erfahrungsgeleitete Kooperation und Kommunikation eine schnell zunehmende Rolle. Das gilt besonders für informelle Kommunikationsprozesse (Mailen, Chatten, Bloggen) und Kooperations- sowie Kollaborationsprozesse (Bearbeiten von Wikis oder Workpads) im Netz.[37]

Expertiselernen ist ein Resultat der besprochenen Lernformen (vgl. Bromme 2014). Expertise ist das, was Könner zu Könnern macht. Einziger Indikator für ihre Könnerschaft ist ihre Leistung beim Ausüben einer Tätigkeit. Untersucht man die tieferliegenden Gründe für die Könnerschaft, wird schnell deutlich, dass Könner sowohl von anderen kognitiven Fähigkeiten als auch von anderen wertend-motivationalen Grundlagen als durchschnittlich Handelnde ausgehen. Sie verfügen über wirkungsvollere Wissensanteile und tiefergreifende Emotionen, vor allem sind sie zu einer - stets wertenden - Bedeutsamkeitserfassung von Problemen und Handlungszielen fähig (vgl. Gruber 1994; Gruber & Ziegler 1996; Hacker 1998, S. 380 ff.; Hron 2000). Das gilt besonders für das Handeln an Computern und im Netz. Der Computerexperte weiß oft nicht mehr als der interessierte Laie, aber er hat es gelernt, problematischen und nahezu hoffnungslosen Situationen hochmotiviert und sehr emotional zu begegnen. Er handelt und lernt nicht objektivierend, mit einer affektiv-neutralen Beziehung zum Lerngegenstand, sondern emotional, komplex wahrnehmend, handlungsbezogen denkend, Dialog und persönliche Nähe und Übereinstimmung suchend.

3.3.2   Coachingstufe

Während die Kompetenzentwicklung auf der Praxisstufe besonders auf Formen von Erfahrungslernen, Erlebnislernen, subjektivierendem Handeln und Expertiselernen baut, ist die Kompetenzentwicklung auf der Coachingstufe durch andere Vorgehensweisen gekennzeichnet. Bei der Coachingstufe lassen sich Methoden mit vorwiegendem Praxisbezug und solche mit vorwiegendem Fiktionsbezug unterscheiden.[38]

Beim Praxisbezug werden oft stark emotionalisierende Medien für Kompetenzentwicklungsprozesse genutzt und von einem entsprechenden Coaching durch Ältere, Freunde, Lehrer begleitet. Es ist beispielsweise viel wirkungsvoller, ethische und politische Grundhaltungen als Kernbestandteile personaler Kompetenzen in Form von netzbasierten Medienerlebnissen, von Filmen, Bildern und belletristischen Büchern zu interiorisieren, als sie nur auf der Wissensebene zu kommunizieren. Für viele Grundhaltungen wäre das ohnehin praktisch nicht möglich – man kann nicht für jede Generation neu Kriege inszenieren, um die Abscheu vor Diktatur und Gewalt emotional-motivational zu befestigen. Antikriegsfilme erfüllen diesen Part von Wertkommunikation oft vorzüglich. Sie ist auf Fiktionen angewiesen und nur unter reflektierender Begleitung kompetenzförderlich. Hier entfaltet die gecoachte Kompetenzentwicklung im Netz eine große Wirkung. Das reale alltägliche Handeln, das alltägliche Sprechen, das Sich-Bewegen in fiktionalen Hypothesenwelten (Modelle) oder Wertwelten (Wertalternativen) muss von bewusstem Nachdenken und Sprechen über wissenschaftliche Erkenntnisse und sozial gewonnene Werte durchdrungen sein. Wichtig erscheint uns dabei, dass die Coaches sich keinesfalls auf der vollen Höhe wissenschaftlicher Erkenntnisse und voll entfalteter Werte bewegen müssen. Das würde nämlich eine hohe pädagogische, auch emotions- und motivationspädagogische Reflexionsfähigkeit voraussetzen, die man zwar von einem professionellen Trainer, aber nicht von einem Coach erwarten kann und muss. Betrachtet man beispielsweise Führungskräfte als Coaches ihrer Mitarbeiter, so wäre eine solche Anforderung sogar kontraproduktiv und vermessen.[39]

Der Begriff Coaching hat ebenso viele Spielarten wie der Kompetenzbegriff (vgl. Meier-Gantenbein & Späth 2012; Migge 2014; Nitkowski & Petermann 2016; Radatz 2013).

Definition
Coaching

Wir verstehen unter Coaching die Beratung und Begleitung einer Person (Coachee, Gecoachter) oder mehrerer Personen durch eine oder mehrere andere (den Coach, die Coaches), die den Gecoachten bei der Ausübung von komplexen Handlungen befähigen, optimale Ergebnisse selbstorganisiert hervorzubringen.

Das heißt nichts anderes, als zu ermöglichen, Selbstorganisationsfähigkeiten des Handelns, also Kompetenzen zu entwickeln. Folgerichtig stärkt Coaching in beruflichen Entwicklungsprozessen die Fähigkeit des Coachees zur Selbstorganisation im Sinne einer „Hilfe zur Selbsthilfe“. Es handelt sich überwiegend um arbeitsbezogene Selbstreflexion. Sie kann von Person zu Person, aber auch im Netz erfolgen.

„Mittlerweile hat jeder den Terminus des Coachings schon gehört und viele glauben, zumindest in etwa zu wissen, was mit diesem Begriff gemeint ist. So wird er häufig mit Stichwörtern wie Beratung, Begleitung, Qualifikation oder Kompetenzentwicklung in Verbindung gebracht. Mit dem Coaching werden Ziele verbunden wie Krisenmanagement, Selbsthilfe, Konfliktbearbeitung oder auch Hilfe bei persönlichen Problemen. Coaching entwickelt sich zu einem allgegenwärtigen Begriff, der manchmal zum Deckmantel für altbewährte Konzepte wie Schulung oder Beratung gebraucht wird“ (vgl. Erpenbeck & Sauter 2007, S. 102–110). Zunehmend entwickeln sich neue Coaching-Felder: Organisations-Coaching, Personal-Coaching, Führungskräfte-Coaching, Manager-Coaching, Projekt-Coaching, Selbst-Coaching, Team-Coaching oder auch NLP-Coaching, um nur einige Beispiele zu nennen. Dies zeigt, dass es das „eine“, universelle Coaching nicht geben kann (Lücht, Kruse & Kuhl 2007, S. 2).[40]

Coaching ist in der Regel nicht inhaltsorientiert (was wird gelernt?), sondern prozessorientiert (wie wird gelernt?); es geht nicht davon aus, dass Lernen, insbesondere Wert- und Kompetenzentwicklung durch einen Experten gesteuert werden muss, sondern dass es durch die Fragen, Ziele und Werte des Lerners selbst vorangetrieben wird; der Lernprozess wird nicht primär vom Wissen, sondern von Reflexion, Wertung und Handlung angetrieben.