Harburg Blues - Thorsten Beck - E-Book

Harburg Blues E-Book

Thorsten Beck

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Beschreibung

Ein in seinen Grundfesten unerschütterlicher Anwalt durchkreuzt die (Bau)Pläne der Hamburger Immobilienmafia. Ein fundamentaler Fehler, wie er bald feststellt. Denn wo gehobelt wird, fallen Späne – und wo gebaut wird, Leichen! »Tims Interesse war geweckt. Er ließ absichtlich seinen Kugelschreiber fallen, um sich bücken zu müssen und dann einen Blick auf Schmollers Schuhe werfen zu können. Es gehörte zu seinen unverbrüchlichen Lebensweisheiten, dass Menschen, die man noch nicht kannte und die wichtig werden konnten, am besten nach der Art ihrer Schuhe zu beurteilen waren.« Da hätte Anwalt Börne wohl einen zweiten Blick auf das südliche Ende seines neuen Mandanten riskieren sollen, denn für das, was eines schönen Tages in seine Kanzlei spaziert, gibt es nur ein Wort: Ärger! In Reiner Schmollers Aktentasche befindet sich hochexplosiver Stoff, eine Dokumentenbombe, mit der er ein millionenstarkes Konstrukt aus Bestechung und Betrug zum Einsturz bringen will. Und Börne soll ihm dabei helfen. Eher widerwillig lässt sich der Anwalt darauf ein, wobei ein Hauch von Verwegenheit seine Entscheidung beflügelt. Dass ihm das bleibekappte Schuhwerk der Marke ›Malavita‹ nicht steht, wird Börne jedoch schnell klar. Spätestens dann, als ihm die erste Leiche vor die Füße fällt und er erkennen muss, dass Laufschuhe die bessere Wahl gewesen wären ... »Harburg Blues« ist der sechzehnte Band der Kurzkrimi-Reihe »hey! shorties« – der Tod ist eine Baustelle!

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Seitenzahl: 87

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Thorsten Beck

Harburg Blues

Copyright der eBook-Ausgabe © 2013 bei Hey Publishing GmbH, München

Originalausgabe © 2000 by Hamburger Abendblatt in der Reihe Schwarze Hefte erschienen, herausgegeben von Volker Albers

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Coverabbildung: FinePic®, München

Autorenfoto: © privat

ISBN: 978-3-942822-96-1

Harburg Blues ist der sechzehnte Band der Krimireihe hey! shorties. Jede Folge ist in sich abgeschlossen. Eine Auflistung der bereits erschienenen Titel befindet sich am Ende dieses eBooks (bitte hier klicken).

Besuchen Sie uns im Internet:

www.heypublishing.com

www.facebook.com/heypublishing

www.thorstenbeck.de

Harburg Blues

Ein in seinen Grundfesten unerschütterlicher Anwalt durchkreuzt die (Bau)Pläne der Hamburger Immobilienmafia. Ein fundamentaler Fehler, wie er bald feststellt. Denn wo gehobelt wird, fallen Späne – und wo gebaut wird, Leichen!

»Tims Interesse war geweckt. Er ließ absichtlich seinen Kugelschreiber fallen, um sich bücken zu müssen und dann einen Blick auf Schmollers Schuhe werfen zu können. Es gehörte zu seinen unverbrüchlichen Lebensweisheiten, dass Menschen, die man noch nicht kannte und die wichtig werden konnten, am besten nach der Art ihrer Schuhe zu beurteilen waren.«

Da hätte Anwalt Börne wohl einen zweiten Blick auf das südliche Ende seines neuen Mandanten riskieren sollen, denn für das, was eines schönen Tages in seine Kanzlei spaziert, gibt es nur ein Wort: Ärger! In Reiner Schmollers Aktentasche befindet sich hochexplosiver Stoff, eine Dokumentenbombe, mit der er ein millionenstarkes Konstrukt aus Bestechung und Betrug zum Einsturz bringen will. Und Börne soll ihm dabei helfen.

Eher widerwillig lässt sich der Anwalt darauf ein, wobei ein Hauch von Verwegenheit seine Entscheidung beflügelt. Dass ihm das bleibekappte Schuhwerk der Marke »Malavita« nicht steht, wird Börne jedoch schnell klar. Spätestens dann, als ihm die erste Leiche vor die Füße fällt und er erkennen muss, dass Laufschuhe die bessere Wahl gewesen wären ...

1

Tim Börne gab Constanze einen Kuss und seine Tochter drehte sich um und lief auf das Schulgebäude zu. Auf den Stufen des Eingangs, der gerade mit einer avantgardistischen Dachkonstruktion versehen worden war, blieb sie stehen und winkte ihm noch einmal zu. Conny war acht Jahre alt und ging in die dritte Klasse der Grundschule. Montags brachte Tim seine Tochter immer selbst zur Schule. An den anderen Tagen wurde sie von Hülya und Lara abgeholt, und die drei machten sich allein auf den Schulweg. An diesen Tagen konnte Tim noch in aller Ruhe die Morgenzeitungen lesen und Unmengen von Tee trinken, bevor er sich auf den Weg in sein Anwaltsbüro machte.

Anwälte sind selten vor neun Uhr im Büro. Tim, der frühes Aufstehen hasste, hätte zugeben müssen, dass diese Tatsache seine Berufswahl zumindest mit beeinflusst hatte. Entscheidend war aber, dass bei der gegenwärtigen Juristenschwemme richtig gute Jobs schwer zu bekommen waren. Die Chancen, in einer der großen Kanzleien am Neuen Wall oder am Jungfernstieg unterzukommen, standen gleich null, zumal wenn man – wie Tim – nur mittelprächtige Examina vorweisen konnte. Seinem Squashpartner Gerald war es zwar gelungen, bei Lürssen, Schnipkoweit, Fischmüller & Partner unterzukommen, doch lag das ausschließlich daran, dass Geralds Vater, Mitinhaber einer gut laufenden Werbeagentur, und der alte Lürssen regelmäßig im Hittfelder Golfclub gemeinsam über das Green zogen. Gerald war in Jura nie eine besondere Leuchte gewesen und hätte ohne Beziehungen nicht den Hauch einer Chance gehabt. Jetzt wurde er von den Partnern in erster Linie zu unbedeutenden Verhandlungen und zur Protokollierung von Vergleichen zu den Gerichten geschickt. Die Schriftsätze machten andere, und an die wirklich wichtigen Mandanten wurde er nicht herangelassen.

Was Beziehungen anging, hatte Tim nichts zu bieten. Sein Vater hatte als Schichtarbeiter in der Norddeutschen Affinerie, der »Affi«, malocht, bis er im Rahmen eines Frühpensionierungsprogramms nach Hause geschickt wurde. Seine Mutter arbeitete an der Käsetheke in der Lebensmittelabteilung des Kaufhauses Mardorf in Billstedt. Sein Jurastudium hatte Tim sich als Auslieferungsfahrer eines Pharma-Großhandels finanziert. Sein Bafög reichte nicht, denn die damalige konservative Bundestagsmehrheit hatte eine Kürzung nach der anderen beschlossen. Dass der Anteil der Arbeiterkinder an den Studierenden mittlerweile wieder unter zehn Prozent lag, wunderte Tim nicht.

Nun war es fünf Minuten vor acht und Tim trottete langsam über den Alten Postweg in Richtung seines Büros. Die Straße sah seit der Verkehrsberuhigung viel besser aus. Einige Schulkinder rannten an ihm vorbei. Sie mussten sich beeilen, um noch rechtzeitig die Klassenräume zu erreichen. Als er am Heimfelder S-Bahnhof vorbeikam, sah er – wie üblich – eine Gruppe von Männern mit Astra-Dosen vor der Kirche stehen. Einer nickte ihm zu, Tim erwiderte den Gruß, ohne viel nachzudenken. Im Vorübergehen registrierte er, dass die Rolltreppe, die monatelang defekt gewesen war, endlich wieder funktionierte. Es geschehen noch Zeichen und Wunder, dachte Tim.

Der Heimfelder S-Bahnhof hatte blendende Aussichten, im Wettbewerb um Deutschlands zugigsten Bahnhof den absoluten Spitzenplatz einzunehmen. Oft blies einem auf dem Weg nach unten zu den Gleisen ein derartiger Wind ins Gesicht, dass Tim immer an seine Tante Senta mit der Turmfrisur denken musste. Hier würde ihre Dauerwelle ihr Waterloo erleben.

Tim bog rechts um die Ecke und kam an dem Döner-Imbiss vorbei, in dem er oft seine Mittagspause verbrachte. Der »Cent«-Supermarkt dahinter war noch geschlossen. Tim über querte die Heimfelder Straße und stand vor seiner »Kanzlei«, einer kleinen Ladenwohnung mit zweieinhalb Zimmern, die er seit einem halben Jahr gemietet hatte. »Tim Börne Rechtsanwalt, Tätigkeitsschwerpunkte Arbeitsrecht – Sozialrecht – Mietrecht – Verwaltungsrecht« stand auf dem Chromschild. Ein Vorteil der Ladenwohnung war, dass sie direkt an der Straße lag und daher gelegentlich »Laufkundschaft« zu ihm kam, deren Aufmerksamkeit erst durch sein Schild geweckt worden war. Die meisten Mandanten, die auf diesem Weg zu ihm kamen, hatten sich im Vorbeigehen daran erinnert, dass sie irgendwann einmal eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen hatten. Ein paar Straßen weiter war ihnen dann eingefallen, dass die Katze des Nachbarn immer auf ihr Grundstück lief, die Heizkostenabrechnung ihres Vermieters sowieso nicht stimmen konnte oder ihr Rentenbescheid unzulässige Abschläge enthielt. Rechtsschutzversicherungen muss man in Anspruch nehmen, dachten sie sich, kehrten zu Tims Kanzlei zurück, und er bekam einen neuen »Fall«. Daher hatte Tim ein positives Verhältnis zu Rechtsschutzversicherungen, auch wenn diese oft nervten und sich weigerten, die Deckung zu übernehmen, was zuweilen einen nicht enden wollenden Schriftwechsel nach sich zog.

Außerdem war das Haus recht hübsch, jedenfalls im Vergleich zu dem Gebäude gegenüber mit dem afrikanischen Laden, in dem man sich Dreadlocks machen lassen konnte. Sogar kleine Putten zierten die Fassade. Der größte Pluspunkt der Ladenwohnung war der günstige Mietpreis. Tim hatte mit der Vermieterin, einer alten Dame, nicht ungeschickt verhandelt, und es war ihm offensichtlich gelungen, auch bei ihr die üblichen Befürchtungen von Vermietern zu zerstreuen, Juristen als Mieter wollten immer gleich die Miete mindern und stachelten die übrigen Mieter zum Mietboykott auf.

Tim schloss auf. Um diese Zeit war Ingrid, seine Anwaltsgehilfin, noch nicht da; sie kam immer erst gegen neun Uhr, wenn der übliche anwaltliche Arbeitsalltag langsam auf Touren kam. Er ging durch den kleinen Flur am Wartezimmer vorbei, das er durchaus nicht ohne Geschmack mit Fotopostern aus diversen Toskana- und Umbrien-Urlauben vergangener Jahre ausgestattet hatte. Er durchquerte das noch leere Empfangszimmer und nahm in seinem Arbeitsraum auf dem ledernen Schreibtischstuhl »Smaland« Platz, den er – wie die meisten Möbel der übrigen Einrichtung – bei einem schwedischen Möbelhaus gekauft hatte, dessen Preise auch für Anwalts-Newcomer erschwinglich waren. Auf dem Boden stand in mehreren Kartons verpackt sein neuer PC, den er mit Monitor und Drucker bei einem bekannten Lebensmitteldiscounter gekauft hatte.

Neben seinem Schreibtisch hing ein Foto von Fiona, Constanzes Mutter. Mit ihr hatte Tim, der inzwischen vierunddreißig Jahre alt war, neun Jahre zusammengelebt. Kennengelernt hatten sie sich während ihres Studiums bei einer der legendären Tanzfeten des Instituts für Leibesübungen des Sportfachbereichs der Hamburger Universität, »IfL-Piez« genannt. Bei Patti Smith und »Because the night« hatte es gefunkt, gleich nach »Urgent« von Foreigner gab es den ersten Kuss und kurz nach »Roxanne« von Police fragte Tim sie, ob sie noch mit zu ihm kommen wolle.

Fiona hatte damals abgelehnt, was Tim für vierundzwanzig Stunden ganz unglücklich machte. Doch hatte sie ihm immerhin ihre Telefonnummer gegeben. Die zwei Siebenen am Anfang der Nummer ließen den sicheren Schluss auf eine Harburgerin zu – ein Menschenschlag, mit dem Tim bisher noch keinerlei Erfahrungen hatte. Das änderte sich rasch. Nach einem gemeinsamen Kinobesuch in der »Kurbel« in Harburgs Neuer Straße, einem kulturellen Glanzlicht in der südelbischen Kultursteppe und einigen Bierchen in der unvermeidlichen »Hexenklause« , einem der letzten Reservate jungerwachsener Kneipenkultur der siebziger Jahre in Harburg, nahm Fiona ihn mit in ihre kleine Wohnung in der Wattenbergstraße.

Das war lange her. Es dauerte nur ein knappes Jahr, dann beschlossen beide zusammenzuziehen. Während Tims Vorstellungen eher in Richtung Altbauwohnung in Eppendorf, Winterhude oder Ottensen gingen, beharrte Fiona auf Südelbien und versuchte, ihm die Vorzüge Harburgs nahezubringen. Das war nicht so ganz einfach. Für Tim war Harburg bislang durch den disharmonischen Dreiklang von B 73, Phoenix-Gummiwerken und Harburger Bahnhof geprägt gewesen. Außerdem fiel ihm noch der Harburger Ring ein, eine autogerechte Ringstraße, deren Überqueren vor allem für ältere Menschen lebensgefährlich war und deren Verkehrsführung in einem kommunalpolitischen Delirium beschlossen worden sein musste. Aber Fiona führte ihn unverdrossen durch die Haake und die Harburger Berge, zeigte ihm Göhlbachtal und Außenmühlenteich und lud ihn zum Essen in die Lämmertwiete ein. Nach einer gemeinsamen Fahrradtour über die Alte Harburger Elbbrücke und das Naturschutzgebiet Heuckenlock bis zu dem kleinen Leuchtturm an der Bunthäuser Spitze war das Eis gebrochen und Tim bereit, sich auf Harburg einzulassen.

Es dauerte nicht allzu lange, und sie fanden eine Dachgeschosswohnung in der Heimfelder Straße. Sie lag in einem der schönen Stadthäuser im oberen Teil der Straße in der Nähe der Haake und der Hockey- und Tennisplätze der TG Heimfeld. Tims Hamburger Freunde hatten ihn zwar für komplett verrückt erklärt, nach Harburg zu ziehen, aber diese Unkenrufe hielten ihn jetzt auch nicht mehr ab. Nicht lange nach dem Umzug wurde Fiona schwanger. Die Sache war eher ungeplant, aber da beide inzwischen mit dem Studium fertig waren, freuten sie sich auf das Kind.