Hassliebe - Ina Kloppmann - E-Book

Hassliebe E-Book

Ina Kloppmann

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Beschreibung

Dieser Roman beschreibt Frauen, die an Männer geraten, die ein gestörtes Verhältnis zu einer echten Liebesbeziehung haben. Anfangs zeigen diese charakterlosen Herzensbrecher noch ihre charmante und liebevolle Seite, bis sie durch geschickte Manipulation die absolute Kontrolle über ihre Partnerin bekommen haben. Melanie wuchs in einem zerrütteten Elternhaus auf, bis ihre Mutter mit ihr in einer Nacht- und Nebelaktion vor ihrem gewalttätigen Ehemann nach Hannover geflohen war. Mit achtzehn verliebte sich Melanie in einen Arbeitskollegen, der erst viel später sein wahres Gesicht zu erkennen gab. Nicht nur sie, auch ihre gemeinsame Tochter Nathalie hatte unter seiner Gefühlskälte zu leiden. Genau wie ihre Mutter und Großmutter gerät auch Nathalie später an einen Mann, der ihre Gefühle nur ausnutzt. Als er sie einfach fallen lässt, beginnt sie, ihn zu stalken, und gerät dabei selbst in große Gefahr. Auszug aus einem Interview mit der Autorin Ina Kloppmann: Der Inhalt meiner Bücher spiegelt das wahre Leben wider, mit all seinen emotionalen, erschreckenden aber auch unterhaltsamen und manchmal kuriosen Details. Es gibt zum Teil auch einen realen Hintergrund, den ich in meine Geschichten einfließen lasse, aber verfremde und dabei meiner Fantasie freien Lauf lasse. In meinem Debütroman Bereue beginnt die Lebensgeschichte einer Patchwork-Familie, die sich in meinen nachfolgenden Büchern fortsetzt. Da aber in jedem Teil aus der Reihe Familie Schmidtke und Co. ein in sich abgeschlossener Kriminalfall eingebettet wurde, in die Familienmitglieder mit hineingezogen wurden, kann man alle Bücher auch ohne Weiteres unabhängig voneinander lesen. Bücher der Autorin Ina Kloppmann Aus der Reihe Short Storys to Go - Für zwischendurch und unterwegs: Band 1 Befreit - Psychokrimi 1. Auflage Band 2 Zur Sache, Mädels 1. Auflage Aus der Reihe Familie Schmidtke und Co.: Band 1 Bereue - Überarbeitete Neuauflage Band 2 Anders 2. Auflage Band 1 und 2 Bereue und Anders - Krimi two Go Band 3 Hassliebe - Krimi für Frauen 1. Auflage Band 1-3 als Trilogie unter dem Titel FAMILIE SCHMIDTKE UND Co.

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Vorwort

Liebe Leser/innen,

ursprünglich wollte ich unterhaltsame Frauenromane über eine ‚etwas‘ chaotische ‚Patchwork-Familie‘ mit all ihren Stärken und Schwächen schreiben, in der zwar nicht alle miteinander verwandt sind, aber in jeder Lebenslage immer zusammenhalten. Die Geschichten über das turbulente Leben dieser mir inzwischen sehr ans Herz gewachsenen Protagonisten haben sich dann während des Schreibens auf kriminelle Art und Weise verselbstständigt.

Die Polizeiarbeit spielt in meinen Büchern eine wichtige, aber untergeordnete Rolle. In die Rahmenhandlung der Familiengeschichten, die sich als Reihe in all meinen Büchern fortsetzt, werden Kriminalfälle eingebettet, die aber in jedem Buch in sich abgeschlossen sind.

Liebe Grüße Ina Kloppmann

Bücher aus der Reihe „Familie Schmidtke & Co“:

1. „Bereue“

2. „Anders“

Beide Bücher auch als Doppelausgabe:

„Bereue & Anders / Krimi two Go

3. „HassLiebe“ / Krimi für Frauen

Bücher aus der Reihe „Familie Schmidtke & Co“:

„Bereue Hannover Krimi“ 1. Auflage

(Veröffentlichung: Dezember 2014 / BoD Books on Demand)

„Bereue Hannover Krimi“ Überarbeitete Neuauflage

(Veröffentlichung: November 2016 / BoD Books on Demand)

„Anders Hannover Krimi“

(Veröffentlichung März 2016 / BoD Books on Demand)

„Bereue & Anders“ / Krimi two Go 1. Auflage

(Veröffentlichung Dezember 2016 / BoD Books on Demand)

„HassLiebe“ / Krimi für Frauen 1. Auflage

(Veröffentlichung: Juli 2017 / BoD Books on Demand)

Alle in diesen Romanen vorkommenden Personen, Handlungen und Ereignisse sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Steckbrief der Romanfiguren

Die Mitglieder meiner ‚Patchwork-Familie‘

Saskia Schmidtke und Judy Sander: Die beiden Frauen sind seit ihrer Ausbildung miteinander befreundet und haben sich vor acht Jahren als Immobilienmaklerinnen selbstständig gemacht. Saskia hat inzwischen einen zweijährigen Sohn, Leon, und Judy ist gerade Mutter einer kleinen Tochter geworden: Jessica.

Saskias Mutter Lea Schmidtke: Eine lebenslustige Powerfrau, Mitte fünfzig, also in den besten Jahren, und erfolgreiche Nageldesignerin mit einem kleinen, aber florierenden Studio in zentraler Lage. Seit zwei Jahren Großmama und seit Neuestem mit Kommissar Marco Lussano liiert.

Leas Schulfreund Oliver Hoffmann: Patenonkel von Saskia und schwuler Single. Ein einfühlsamer Sozialpädagoge mit eigener Praxis, humorvoller Optimist mit Lebenserfahrung und Selbstironie. Olli, wie er auch liebevoll genannt wird, ‚trägt sein Herz auf der Zunge‘.

Claus Walther: Lebensgefährte von Judy und Vater der gemeinsamen Tochter Jessica. Claus ist Cheftrainer in einer Kampfsportschule.

Thomas Köhler: Lebensgefährte von Saskia und Vater des gemeinsamen Sohnes Leon. Thomas arbeitet als Fotograf in der Kreativabteilung einer Werbeagentur.

Das Dream-Team des Polizeipräsidiums:

Kommissar Marco Lussano: Geschieden, Vater eines halbwüchsigen Sohnes und mit Lea liiert.

Hauptkommissar René Werner: Glücklich verheiratet, Vater einer pubertierenden Tochter und eines erwachsenen Sohnes. Die beiden Kommissare sind auch privat miteinander befreundet.

„Physische und psychische Gewaltanwendung sowie auch Erniedrigung und Vertrauensbruch verletzen die Würde und können die Seele eines Menschen zerstören.

Das Fundament einer intakten Partnerschaft besteht aus Liebe, Respekt und Vertrauen.

Darauf ein Haus der Harmonie und Geborgenheit, mit einem Raum für Individualität zu errichten, erfordert steten Zusammenhalt, Wertschätzung und Toleranz.

Stabilität erreicht man durch Gemeinsamkeiten und sehr viel Geduld.

Kleine Reparaturen und aufwendige Renovierungsarbeiten sind für die Instandhaltung zwar oft kräftezehrend, aber für den Erhalt unumgänglich und in den meisten Fällen lohnenswert.“ Autorin: Ina Kloppmann

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Ein paar Monate später

Epilog

Prolog

„Du verdammtes Schwein! Ich bringe dich um!“

Nathalies Stimme überschlug sich vor lauter Scham und hilflosem Entsetzen.

„Sag mal, drehst du jetzt völlig durch? Hör sofort damit auf!“

Jan schnallte sich ab, drehte sich zu Nathalie um und versuchte, sie mit aller Gewalt in den Rücksitz zu drücken. Er musste die tobende Frau unbedingt von Anton fernhalten, aber sie schlug weiter wie eine Furie um sich. Anton wehrte die Schläge, die ihr Ziel eher verfehlten, als dass sie ihn tatsächlich trafen, nur hämisch grinsend ab, drehte die Musik auf volle Lautstärke, schlug im Rhythmus auf das Lenkrad ein und brüllte irgendetwas, aber die Musik übertönte seine gehässigen Worte.

Jan hielt Nathalie weiterhin fest im Griff und sah wütend zu ihm rüber. Sie nutzte die Gelegenheit und stieß ihn mit aller Kraft von sich, dabei verlor Jan die Balance, streifte mit dem Kopf das Armaturenbrett, taumelte etwas und ließ sich leicht benommen zurück auf den Beifahrersitz fallen.

Geistesgegenwärtig schnallte sich Jan wieder an, gerade noch rechtzeitig. Vor einer Linkskurve reduzierte Anton zwar das Tempo, es war aber zu spät, der Wagen geriet schon ins Schlingern. Er versuchte gegenzulenken, schaffte es im letzten Moment, einer alten Eiche auszuweichen, und verlor dabei die Kontrolle über sein Fahrzeug.

„Hör auf die Stimme, sie macht dich stark. Sie will, dass du’s schaffst, also hör, was sie dir sagt …“, dröhnte jetzt der Song von Mark Forster aus den Boxen.

Nathalie umklammerte verzweifelt den Haltegriff.

„Halt sofort an, ich will hier raus! Lass mich sofort raus!“, schrie sie hysterisch.

Der Wagen flog über die Böschung und landete schließlich hart auf einem Feldweg, rollte weiter, und bevor Anton reagieren konnte, prallten sie gegen einen Baum …

„Hör auf die Stimme, sie macht dich stark. Sie will, dass du’s schaffst, also hör, was sie dir sagt. Hör auf die Stimme, hör auf die Stimme …“

1

Endlich Feierabend, es war ein langer Tag gewesen.

Eine ihrer Mitarbeiterinnen befand sich gerade im Urlaub und die andere musste sich für heute krankmelden. Manchmal dachte Lea darüber nach, ob sie vielleicht zwei weitere Nageldesignerinnen einstellen und in größere Räume umziehen sollte, hatte aber den Gedanken daran schnell wieder verworfen. Der Standort ihres kleinen Nagelstudios lag perfekt, unweit vom ‚Bredero Hochhaus‘ am Anfang der Lister Meile.

In den Siebzigerjahren wurde die ursprünglich stark befahrene Alte-Celler-Heer-Straße, die sich unmittelbar hinter dem Hauptbahnhof befand, in eine fast anderthalb Kilometer lange und größtenteils verkehrsberuhigte Fußgängerzone umgebaut und später umbenannt. Lea mochte den individuellen Flair dieser charmanten Einkaufsmeile und die Häuser, die zum Teil noch aus der Gründerzeit stammen. Sie genoss es, über die Meile zu bummeln, in den Boutiquen und bei den Gemüsehändlern einzukaufen, und traf sich auch häufig mit Freunden in einem der Cafés oder in den urigen Kneipen. Heute Abend war sie mit Marco verabredet, sie wollten sich im Ristorante Stromboli, ihrem Lieblings-Italiener, treffen.

Ihre erste Begegnung mit ihm fand vor etwa drei Jahren in einem Gerichtssaal statt und war alles andere als romantisch gewesen. Leas Tochter Saskia und ihre Freundin Judy wurden damals in einen kaltblütig geplanten Mord verwickelt, den eine Frau nur knapp überlebt hatte.

Der Täter überfiel auch Judy, sie konnte ihn aber aufgrund ihrer Kampfsportausbildung überwältigen und entkommen, ihr Angreifer wurde Gott sei Dank bald darauf verhaftet.

Gemeinsam mit Judy, Saskia und Oliver hatte Lea den Prozess bis zum Ende verfolgt und sie waren froh darüber gewesen, dass dieser Psychopath für immer weggesperrt wurde.

Hauptkommissar René Werner und Kommissar Marco Lussano waren für diesen Fall zuständig gewesen und als Zeugen vorgeladen. Nach der Urteilsverkündung hatten sie noch ein paar Worte miteinander gewechselt, danach trennten sich ihre Wege.

Im letzten Jahr trafen sie sich zufällig an einem Imbissstand in der Innenstadt wieder, und da hatte es dann zwischen Lea und Marco ganz heftig gefunkt …

Lea war gerade auf dem Weg zur Tür, als das Telefon auf ihrem Schreibtisch klingelte.

„Och nö … irgendwann ist auch mal Schluss!“

Sie zögerte einen Moment, entschloss sich dann aber doch, das Gespräch entgegenzunehmen.

„Guten Abend, spreche ich mit Lea Schmidtke?“

Die Stimme kam ihr irgendwie vertraut vor.

„Ja, das bin ich. Um was geht es denn bitte?“

„Kannst du dich noch an mich erinnern? Ich bin’s, Melanie …“

„Melanie! Meine Güte, ist das lange her. Jetzt muss ich mich erst einmal hinsetzen.“

Sie hörte am anderen Ende der Leitung das ihr nur allzu bekannte dunkle Lachen.

„Wie geht es dir? Bist du wieder in Hannover?“, fragte Lea interessiert.

„Nur für ein paar Tage zu Besuch.“

„Und, wie geht es Ingo?“

„Wir sind schon seit über zehn Jahren geschieden.“

„Ach Mensch … Damit hätte ich bei euch beiden nie gerechnet …“

Melanie ging nicht weiter darauf ein.

„Weshalb ich dich anrufe, ich würde gern mal wieder die alte Truppe zusammentrommeln und möchte ein Klassentreffen organisieren. Hättest du Lust, mir dabei zu helfen?“

„Das ist eine super Idee! Daran habe ich auch schon oft gedacht, ich glaube, ich habe sogar noch irgendwo die alten Adressen herumliegen. Oliver ist bestimmt mit dabei, den rufe ich nachher gleich mal an.“

„Oh, mein lieber Olli … Was macht denn unsere kleine Knutschkugel? Seht ihr euch noch oft?“

„Natürlich! Er ist der Patenonkel meiner Tochter, sie heißt Saskia und hat mich vor zwei Jahren zur Oma gemacht.“

„Ich lach mich schlapp! Du und Großmama? Ich kann mich noch daran erinnern, dass du nie Kinder haben wolltest.“

Das stimmte tatsächlich, es war dann aber doch passiert, eine Abtreibung kam für Lea damals nie infrage. Das mit Saskias Vater war nur eine kurze Affäre gewesen, jedenfalls für ihn. Als er von der Schwangerschaft erfuhr, verließ er sie für eine andere …

„Lea? Bist du noch dran?“

Sie schreckte aus ihren Gedanken hoch.

„Ja … Natürlich! Ihr seid doch damals nach Koblenz umgezogen, wohnst du da eigentlich noch?“

„Schon lange nicht mehr, ich lebe jetzt in Hameln. Ingo war kurz vorher nach Laatzen gezogen und hat gleich nach unserer Scheidung wieder geheiratet.“

Melanie machte eine kurze Pause.

„Es konnte ihm anscheinend nicht schnell genug gehen“, ergänzte sie dann leise.

„O je, das tut mir leid, muss schrecklich für dich gewesen sein.“

Lea überlegte einen Moment.

„Sag mal, wollen wir uns nicht treffen? Ich würde mich echt freuen, dich wiederzusehen“, fragte sie schließlich.

„Ich mich auch! Am Montag fahre ich wieder nach Hause. Wie sieht’s mit Samstagabend aus? Wollen wir ins ‚Pindopp‘ gehen, so wie in den alten Zeiten?“

„Das gibt es leider nicht mehr, die mussten da raus.“

„Wieso das denn? Das ist ja echt schade.“

„Weißt du was? Wir treffen uns bei ‚Tante Minchen‘, Olli kommt bestimmt auch mit. Samstag, so gegen 19.00 Uhr?“

„Abgemacht! Ich freue mich schon auf euch.“

„Ich mich auch auf dich!“

Bevor sie das Gespräch beendeten, tauschten sie noch schnell ihre Handynummern aus. Lea blieb anschließend nachdenklich an ihrem kleinen Schreibtisch sitzen, ihre Gedanken begaben sich auf eine Reise in die Vergangenheit.

Nach den Sommerferien wurden die Schüler wegen der hohen Anzahl in zwei Klassen umverteilt. Ein paar neue kamen hinzu, darunter war auch Melanie, ein schüchtern wirkendes Mädchen mit kurzen blonden Haaren. Lea hatte sie gleich angesprochen und sie zu dem freien Platz neben sich gezogen …

Melanie wuchs in einem zerrütteten Elternhaus auf, bis ihre Mutter mit ihr in einer ‚Nacht- und Nebelaktion‘ vor ihrem gewalttätigen Ehemann nach Hannover geflohen war.

In der Dreizimmerwohnung ihrer Großeltern, in der sie erst einmal untergekommen waren, lebten auch noch die beiden halbwüchsigen Brüder von Melanies Mutter. Mit sechs Personen unter einem Dach war es zwar sehr eng, aber Melanie meinte später, dass es die schönste Zeit ihres Leben gewesen sei, bis eines Tages ein fremder Mann vor der Tür ihrer Großeltern gestanden hatte. Er wurde ihr als ‚Onkel Rainer‘ vorgestellt.

Ihrer Mutter brachte er Pralinen und für Melanie eine Puppe mit, die hatte sie gleich in die Ecke geworfen. Mit zwölf Jahren spielte sie nicht mehr mit Puppen, außerdem konnte sie diesen Mann nicht leiden.

Ihre Antipathie ihm gegenüber kam wohl aus dem Bauch heraus, sie ahnte scheinbar schon zu diesem Zeitpunkt, dass dieser ‚Onkel Rainer‘ ihr die Mutter wegnehmen würde. Damit lag sie richtig, wie es sich später herausstellen sollte.

Kurz nachdem sie mit ‚Onkel Rainer‘ in eine eigene Wohnung umgezogen waren, heiratete ihre Mutter ausgerechnet den Mann, den Melanie zutiefst verabscheute. Sie hatten ihr vorher nichts von ihren Plänen verraten, sie wurde einfach vor vollendete Tatsachen gestellt.

Als ihre Mutter bald darauf auch noch schwanger wurde und eine Tochter bekam, wollte Melanie zurück zu ihren Großeltern, der Wunsch wurde ihr aber verwehrt.

Ihre Halbschwester war jetzt der Mittelpunkt in der Familie, Melanie fühlte sich ausgeschlossen und ungeliebt, niemand bemerkte, wie schlecht es ihr ging. Zu Hause konnte sie es kaum noch aushalten, sie war nun häufig bei Lea zu Besuch, und ihre Mutter war augenscheinlich froh darüber, sie für eine Weile los zu sein.

Mit achtzehn verliebte sich Melanie in den vier Jahre älteren Ingo, der in derselben Versicherung angestellt war, in der sie ihre Ausbildung begonnen hatte, und Lea war inzwischen mit Stefan fest zusammen, einem ehemaligen Schulfreund.

Eines Tages begann Ingo, Lea anzubaggern, ihr war es unangenehm gewesen und sie ließ ihn eiskalt abblitzen, erzählte aber Melanie nichts davon. Sie hatte es anscheinend geahnt, jedenfalls veränderte sie ihr Verhalten Lea gegenüber.

Schon bevor Ingo und Melanie nach Koblenz umzogen, brachen sie den Kontakt zu Lea und den Leuten aus der Clique völlig ab. Den wahren Grund dafür sollten sie in naher Zukunft erfahren …

Leas Smartphone vibrierte, Marco hatte eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen. Sie sah auf die Uhr und stellte erschrocken fest, wie spät es bereits war.

Hastig stand sie auf, griff nach ihrer Handtasche und verließ eilig ihr Nagelstudio. Marco saß wohl schon seit einer halben Stunde in dem Restaurant, in dem sie sich verabredet hatten, und sie wollte ihren Liebsten nicht noch länger warten lassen.

2

Lea hatte vorsorglich einen Stehplatz im „Minchens Livemusic Club“ reserviert. Das Haus, in dem sich die schon seit 1872 bestehende Schankwirtschaft befand, lag direkt an der Hildesheimer-Straße und gehörte zu den ältesten durchgängig betriebenen Kneipen Hannovers. Damals hieß sie noch „Gilde Bräu Quelle“, wegen der gegenüberliegenden Brauerei, und war die erste Gaststätte nach dem Zoll, der sich seinerzeit am Döhrener Turm befand. Der Enkel der ersten Betreiber und Eigentümer des roten Backsteinhauses soll sich noch an die Kutscher erinnert haben, die ihre Pferde vor der Schankwirtschaft mit großen Metallketten festgemacht hatten.

Als Hermine das Zepter in den Sechzigerjahren übernahm, wurde aus der „Gilde Bräu Quelle“ das „Tante Minchen“. In den letzten Jahren fand allerdings ein häufiger Inhaberwechsel statt, die Kneipe wurde zweimal komplett umgebaut und 2014 in „Minchens Livemusic Club“ umbenannt.

Lea und Oliver waren schon vor Melanie eingetroffen und unterhielten sich gerade angeregt.

„Isse das? Na klar, das isse doch!“, rief Oliver plötzlich aus.

Er lief ihr sofort entgegen.

„Ja, wen haben wir denn da? Das ist doch meine kleine Zaubermaus!“

„Mensch Olli! Komm her, du dickes Tier!“

Melanie fiel ihm temperamentvoll um den Hals. Die beiden hüpften nun, als hätten sie Sprungfedern unter ihre Schuhe geschraubt und gaben dabei ein so komisches Bild ab, dass die Umstehenden in der Kneipe anfingen zu lachen. Olli und Melanie kümmerten sich aber nicht darum.

„Seid ihr bald fertig?“, fragte Lea amüsiert.

Melanie löste sich von ihm, ging auf sie zu und umarmte sie herzlich.

„Ach, ist das schön, euch beide endlich wiederzusehen!“

Sie musterte Lea neugierig.

„Toll siehst du aus!“

„Danke, du aber auch“, antwortete Lea höflich. Dabei hatte sie sich ganz schön erschrocken, als Melanie hereingekommen war, sie wirkte etwas ungepflegt. Der graue Ansatz ihrer Haare, die sie sich achtlos hochgesteckt hatte, schrie förmlich nach einem Friseur. Ganz schön zugelegt hatte sie auch und die Bluse, die sie trug, war definitiv zu eng.

Lea merkte ihr an, wie unwohl sie sich unter ihren Blicken fühlte. „Schön, dass du gekommen bist“, sagte sie verlegen.

Melanie lächelte nur, dann griff sie in ihre Handtasche und holte eine Schachtel Zigaretten hervor.

„Ich geh mal nach draußen eine rauchen, das muss jetzt sein. Kommt ihr mit?“

Oliver schüttelte seinen Kopf. „Ich rauche schon seit zehn Jahren nicht mehr!“, erzählte er stolz.

Lea nahm ihre Tasche vom Hocker.

„Ich geh derweil für kleine Mädchen.“

„Dann bestelle ich in der Zwischenzeit ein paar Bierchen für uns“, beschloss Oliver.

Als Lea zurückkam, standen die Getränke bereits auf dem Tisch und kurz darauf kam auch Melanie wieder zurück.

Oliver überreichte ihnen jeweils ein Glas, nahm sich das dritte und prostete den beiden Frauen zu.

„Auf die alten Zeiten!“

„Auf die alten Zeiten!“, riefen sie ihm gleichzeitig zu. Alle drei lachten fröhlich, der Bann war gebrochen.

Erinnerungen wurden ausgetauscht und Anekdoten erzählt, es war fast so wie früher. Dann fing eine Country Western Band an zu spielen und sie mussten sich anschreien, um sich verständlich zu machen.

Es wurde ein wunderschöner Abend, der erst in den frühen Morgenstunden endete. Beim Abschied verabredeten sie sich zu einem späten Frühstück, zu dem Oliver die beiden Frauen zu sich nach Hause eingeladen hatte.

Total verkatert traf Lea mittags bei Oliver ein.

„Du siehst ja ganz schön fertig aus, kannst auch nix mehr vertragen“, begrüßte er sie schelmisch und gab ihr ein Küsschen auf die Wange.

„Und du sprühst mal wieder vor lauter Charme … Gib mir lieber was zu trinken, ich habe einen ganz trockenen Mund.“

Oliver holte eine Flasche Sekt aus dem Kühlschrank.

„Sag mal, spinnst du? Ich werde nie wieder einen Tropfen Alkohol anrühren!“

Grinsend stellte Oliver die Flasche zurück an ihren Platz und goss ihr stattdessen Wasser in ein Glas.

„Man sollte eigentlich mit dem Getränk weitermachen, mit dem man aufgehört hat, aber scheinbar gilt dieser Spruch ab einem bestimmten Alter nicht mehr“, konnte er sich nicht verkneifen.

„Frechdachs“, antwortete Lea und trank einen großen Schluck. „Was sagst du eigentlich zu Melanie? Sie sieht ja furchtbar aus“, meinte sie dann.

„Schrecklich! Einfach nur schrecklich, das muss ihr mal jemand sagen.“

„Du aber nicht, jedenfalls nicht gleich heute.“

„Ist ja schon gut. Ich werde meinen Mund halten, obwohl mir das ganz schön schwerfallen wird. Meine Güte, sie hat sich doch früher nie so gehen lassen.“

Es klingelte.

Oliver eilte zur Tür, öffnete sie und begrüßte Melanie ebenfalls mit einem Küsschen auf die Wange.

„Hereinspaziert, die Dame, und folge sie mir unauffällig.“

Interessiert schaute sich Melanie in Olivers Wohnung um.

„Schön hast du es hier!“

Sie ging auf Lea zu, umarmte sie herzlich und setzte sich zu ihr an den reichlich gedeckten Tisch.

Melanie sah jetzt bei Tageslicht fast noch schlimmer aus als an dem Abend zuvor, sie war ungeschminkt und hatte dunkle Schatten unter den Augen. Zumindest war die Auswahl ihrer Kleidung besser gewählt als gestern.

„Was möchtest du trinken, auch Wasser?“

Oliver sah Melanie fragend an.

„Hast du auch was anderes?“

„Sektchen?“

„Zur Feier des Tages, sehr gerne.“

Er holte die Flasche erneut aus dem Kühlschrank und zog den Korken mit einem leisen Plopp heraus.

„Du kannst es ja immer noch, ich schieß den grundsätzlich an die Decke“, lachte Melanie, nahm ihm die Flasche aus der Hand, füllte ihr Glas voll und trank es in einem Zug aus.

Oliver und Lea sahen sich betreten an, als sie es wieder nachfüllte.

„Ich habe einen ganz schrecklichen Durst.“

Melanie blickte entschuldigend von einem zum anderen und stellte das Glas zurück auf die Tischplatte.

„Wohnst du hier eigentlich alleine?“, wollte sie von Oliver wissen.

„Zurzeit, ja … Lasst uns endlich was essen, ich sterbe vor Hunger!“

Während des Frühstücks knüpften sie an die Gespräche vom gestrigen Abend an.

Melanie wurde immer lockerer und entspannter.

„Ach, war das damals schön gewesen. Wir waren so unbeschwert, meistens jedenfalls, und hatten noch das ganze Leben vor uns gehabt. Wo ist bloß die Zeit geblieben? Sie flutscht einem regelrecht durch die Finger.“

„Wie ist es dir eigentlich ergangen, ich meine, in den ganzen letzten Jahren?“, fragte Lea vorsichtig.

„Ach, wo soll ich da bloß anfangen und wieder aufhören?“, antwortete Melanie seufzend.

„Warum seid ihr eigentlich damals einfach abgehauen und habt euch nie wieder bei uns gemeldet?“, platzte es plötzlich aus Lea heraus.

„Das würde ich auch gern von dir wissen, und vor allem, warum wir nicht zu eurer Hochzeit eingeladen wurden“, meldete sich jetzt auch Oliver zu Wort.

Melanie schaute ihn einen Moment lang nachdenklich an.

„Ingo wollte das so“, antwortete sie schließlich.

„Wieso DAS denn?“, riefen Lea und Oliver gleichzeitig und völlig überrascht aus. Lea wusste nicht, ob sie wütend oder nur enttäuscht über diese Aussage sein sollte, sie fühlte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen.

Oliver versuchte, ruhig zu bleiben, er wollte erst einmal die ganze Geschichte von Melanie erfahren.

„Jetzt red mal Tacheles, Mädchen, und erklär uns bitte ein bisschen ausführlicher, wieso ER das so wollte!“

Bedrückt senkte Melanie ihren Blick.

„Ihr habt Ingo nicht wirklich gekannt. Er war nie dieser coole Typ und charmante Mann gewesen, so wie er es euch und auch mir, zumindest am Anfang unserer Beziehung, vorgegaukelt hatte. Wir haben uns alle von ihm blenden lassen.“

Bevor sie mit dem Erzählen begann, trank sie noch schnell das Glas Sekt aus, als müsse sie sich Mut antrinken.

In den ersten beiden Jahren waren Melanie und Ingo viel mit Lea und den anderen aus der Clique unterwegs gewesenund hatten nur selten etwas als Paar allein unternommen. Nachdem sie zusammengezogen waren, lernten sie die Eigenarten des anderen erst richtig kennen. Immer häufiger haben sie sich gestritten, vorwiegend wegen irgendwelchen lächerlichen Kleinigkeiten.

Richtig schlimm wurde es, als Ingo begann, vor ihren Augen heftig mit anderen Frauen zu flirten. Meistens endete der Streit damit, dass er einfach abgehauen und oft erst am nächsten Tag zurückgekommen war. Melanie war sich sicher gewesen, dass er sie dann mit anderen Frauen betrogen hatte.

Eines Tages eskalierte der Streit und Ingo gab ihr eine Ohrfeige, Melanie packte sofort ihre Sachen und fuhr zu einer Bekannten. Mit der festen Absicht, sich von ihm zu trennen, kehrte sie eine Woche später zu ihm zurück. Er empfing sie wie ein Häufchen Elend, bat sie um Verzeihung, versprach ihr, dass so etwas nie wieder passieren würde und sie verzieh ihm.

Kurz darauf wurde Ingo nach Koblenz versetzt, dort sollte er in der Zweigstelle einer großen Versicherungsgesellschaft im Außendienst arbeiten. Dass er seine Versetzung selbst veranlasst hatte, erfuhr Melanie erst sehr viel später.

Zwei Wochen vor ihrem Umzug fuhren sie nach Travemünde. Am letzten Tag ihres Kurzurlaubes wollten sie ein letztes Mal zum Strand gehen, unter einem Vorwand ging Ingo schon voraus.

Als Melanie an der Promenade ankam, lief er ihr entgegen und führte sie zu ‚ihren‘ Strandkorb, um den er brennende Teelichter wie ein Herz dekoriert hatte. Sie war total überwältigt und als er ihr einen Heiratsantrag machte, konnte sie ihr Glück kaum fassen.

Voller Vorfreude begann sie, ihre Hochzeit zu planen, bis Ingo sie lachend bremste. In Las Vegas wollte er sie heiraten, ganz kitschig, mit Elvis und so, vorerst sollte aber niemand von ihren Plänen erfahren. Dann bemerkte er, wie enttäuscht Melanie darüber war, und beschwichtigte sie, indem er die Absicht äußerte, die Familie und alle Freunde später unter einem Vorwand zu einer großen Party einzuladen. Er wollte sie erst dann mit dieser wundervollen Nachricht überraschen.

Melanie ließ sich von seinen Argumenten überzeugen, zumal sie ja gerade dabei war, den Umzug zu organisieren.

Nachdem sie endlich in ihre neue Wohnung eingezogen waren und sie vollständig eingerichtet hatten, wollte Melanie wieder anfangen zu arbeiten. Ingo versuchte, es ihr auszureden, schließlich würde sein Gehalt vollkommen ausreichen, aber Melanie setzte sich durch und fand bald einen Halbtagsjob in einer Boutique in der Koblenzer Innenstadt.

Endlich verdiente sie wieder ihr eigenes Geld, über das sie frei verfügen konnte, ohne wie bisher um jeden Cent betteln zu müssen. Mit ihrer Chefin verstand sie sich super und mit einer der Verkäuferinnen verband sie bald ein freundschaftliches Verhältnis.

Ingo passte Melanies ungewohnte Selbstständigkeit überhaupt nicht, vor allem störte es ihn, wenn sie ihre Kollegin zu Hause besuchte oder sich mit ihr zu einem Einkaufsbummel verabredete. Immer häufiger gab es Streit deswegen und als Melanie ihre neue Freundin und ihren Mann zu sich nach Hause einladen wollte, damit Ingo sie endlich einmal persönlich kennenlernen konnte, verbat er sich jeglichen Besuch fremder Leute, ‚die sich in ihr Leben einschleichen wollten‘. Der Streit endete damit, dass Melanie wütend die Wohnung verließ und bei ihrer Freundin die Nacht verbrachte.

Ingo kochte vor Wut, als sie am nächsten Morgen wieder zurückkam, und verlangte von ihr, dass sie ihren Job sofort kündigen und sich nie wieder mit dieser Frau treffen solle. Aber Melanie wollte sich diese Bevormundung nicht gefallen lassen und nach einer erneuten Auseinandersetzung verließ er diesmal die Wohnung.

Ingo meldete sich die ganze Woche über nicht bei ihr und sie hatte keine Ahnung, wo er die Nächte verbrachte. Als er wieder nach Hause kam, sprach er das Thema nicht mehr an, lud sie sogar zum Essen in einem teuren Restaurant ein.

Melanie genoss den entspannten Abend, amüsierte sich über die Anekdoten aus seinem Arbeitsleben, ließ sich von seinem Charme mitreißen und auf einem menschenleeren Parkplatz im Auto von ihm verführen.

In dieser Nacht sprachen sie über ihre Zukunft und Ingo meinte, dass jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen sei, die Familienplanung ‚in Angriff zu nehmen‘. Melanie war völlig überrascht über seinen Sinneswandel, denn bisher hatte er eigene Kinder immer abgelehnt. Sie entgegnete ihm, dass sie sich nicht sicher sei, ob sie schon bereit dazu wäre, so eine Verantwortung übernehmen zu wollen. Diesen Einwand ließ Ingo nicht gelten, malte in rosaroten Farben ihr zukünftiges Familienleben aus und überredete sie schließlich dazu, die Pille abzusetzen.

Schon bald darauf wurde Melanie schwanger und genoss die Zeit der Schwangerschaft. Ihren Job hatte sie mittlerweile gekündigt, traf sich nur noch selten mit ihrer Freundin, bis dieser Kontakt irgendwann ganz abbrach.

Ingo war wieder ein aufmerksamer Ehemann und verbrachte jetzt, wenn es seine Termine zuließen, fast jeden Abend mit ihr. Sie schliefen auch wieder regelmäßig miteinander, jedenfalls so lange, bis er ihren Babybauch als störend empfand, wie er ihr im fünften Monat so ganz nebenbei mitteilte. Außerdem empfand er es als moralisch nicht vertretbar, weiterhin ‚Geschlechtsverkehr zu treiben‘, während ‚sein‘ Kind in ihrem Bauch schon fast ausgewachsen sei.

Ingo verfiel wieder in seinen alten Trott, kam oft spät oder gar nicht nach Hause und führte, wie früher, ein eigenständiges Leben, in dem er keinen Platz für sie einräumte. Melanie konzentrierte sich auf ihre Schwangerschaft, richtete das Kinderzimmer ein und verdrängte Ingos wiederkehrende Ignoranz, was ihre Person betraf.

Als die Wehen einsetzten, war Ingo nicht erreichbar. Die Geburt erlebte er nicht mit, obwohl er ihr vorher versprochen hatte, dabei zu sein, wenn es so weit sei. Er tauchte dann angetrunken auf der Entbindungsstation auf, nachdem ihre Tochter Nathalie bereits geboren war und schlafend in den Armen ihrer Mutter lag. Statt sich an diesem rührenden Anblick zu erfreuen, äußerte er sich enttäuscht darüber, dass es ‚nur‘ ein Mädchen geworden sei, und verließ nach einer kurzen Stippvisite verärgert das Krankenhaus.

Ingo betrog sie weiterhin mit anderen Frauen und diesmal gab er sich noch nicht einmal die Mühe, es vor ihr zu verheimlichen. Sie sprachen kaum mehr miteinander oder schrien sich nur noch an.

Nathalie wuchs in dieser zerrütteten Ehe auf und niemand bemerkte, wie sehr sie sich nach einer Liebkosung, einer freundlichen Geste oder ein paar netten Worten von ihrem Vater sehnte, der sie mit Nichtachtung strafte.

Melanie litt ebenfalls unter seiner Gefühlskälte, ihre unerwiderte Liebe zu Ingo projizierte sie nun auf ihr Kind und erdrückte es förmlich damit.

Als Nathalie älter wurde, rebellierte sie dagegen. Sie verhielt sich respektlos und aufsässig, ignorierte die Maßregelungen und Verbote ihrer Mutter, die sich mit der Erziehung ihrer Tochter völlig überfordert fühlte.

Wenn Ingo dann mal zu Hause war, wollte er seine Ruhe haben, ihn interessierte es nicht, was in seiner Abwesenheit vor sich ging und welche Kämpfe Melanie mit Nathalie auszufechten hatte. Er verbat sich jegliche Diskussionen oder Streitereien in seiner Gegenwart und Nathalie unterwarf sich seiner Autorität, nur um ihrem Vater zu gefallen. Sobald er außer Haus war, kehrte sie zu dem respektlosen Verhalten ihrer Mutter gegenüber zurück.

Melanie resignierte, bis auch ihre Grenzen irgendwann überschritten wurden. Sie war nicht mehr dazu bereit, Ingos Desinteresse an einem intakten Familienleben, seine Demütigungen und seine ständigen Affären stillschweigend hinzunehmen. Sie verlangte von ihm, diese für sie untragbaren Zustände zu ändern, und drohte ihm sogar mit Scheidung, falls er es nicht tun würde.