Heebie - Jeebies - Koto Kodama - E-Book

Heebie - Jeebies E-Book

Koto Kodama

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  • Herausgeber: epubli
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

New York, 2023 Das Callgirl Ava Simmons kämpft sich mit Hilfe ihres Psychoanalytikers Doktor Ian Knox, durch den Großstadtdschungel von New York. Dieser überredet sie, an regelmäßigen Gruppensitzungen teilzunehmen, um ihre entstandenen Ängste zu bekämpfen. Dabei trifft sie auf Fünf schräge Typen, die sich mit skurrilen Phobien, ebenfalls bei Dr. Knox in Behandlung befinden. Nach und nach kommen verschüttete Geheimnisse ans Tageslicht, die Ava bislang so sorgsam unter ihrer schönen Oberfläche zu vergraben versucht hatte. Nachdem eine Kollegin von Ava in deren Beisein von einem kolumbianischen Drogenhändler lebensgefährlich mit einem Messer verletzt wurde, wird ihr klar, dass sie ihr Leben ändern muss, wenn sie überleben will. Doch ausgerechnet ihr Freund Chip übt noch große Macht auf sie aus. Er lässt Ava nicht los und fordert seine Verluste ein. Ava ist völlig verzweifelt und beginnt den Patientenkreis zu manipulieren, um aus ihrem Milieu zu entkommen.

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Seitenzahl: 267

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Ähnliche


Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 25

Koto Kodama

Heebie Jeebies

Unheimliche Angstzustände

Thriller

Impressum

Texte: © Copyright by Koto Kodama

Umschlag: © Copyright Koto Kodama

Bilder: Pixabay

Satz: K-E-Coverdesign@ gmx.de

Kontakt:

Koto Kodama

c/o autorenglück.de

Franz-Mehring-Str. 15

01237 Dresden

Druck: epubli - ein Service der neopubli GmbH,

Berlin

Die Rechte für die deutsche Ausgabe liegen alleine beim Autor. Das Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung oder Vervielfältigung des Werkes ist ohne Zustimmung des Autors unzulässig und strafbar.

Alle Rechte sind vorbehalten. Ohne ausdrückliche, schriftliche Erlaubnis darf das Werk, auch nicht Teile daraus, weder reproduziert, übertragen noch kopiert werden. Zuwiderhandlung verpflichtet zu Schadensersatz.

Alle im Buch enthaltenen Angaben wurden vom Autor nach bestem Wissen erstellt.

Sie erfolgen ohne jegliche Verpflichtung oder Garantie. Er übernimmt deshalb keinerlei Verantwortung und Haftung für etwa vorhandene Unrichtigkeiten.

Es handelt sich um eine fiktive Geschichte. Personen und Handlung sind frei erfunden, etwaige Ähnlichkeiten zu real existierenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Es besteht keine Absicht, diverse Orte, Firmen oder Markennamen sowie Personen des öffentlichen Lebens in irgendeiner Art und Weise zu schädigen oder negativ darzustellen.

Kapitel 1

Der Ritter

Es war kurz vor Mitternacht, an jenem Freitag, den 13., als ein Taxi in eine dunkle Straße in New York City einbog und der Fahrer eine hübsche junge Frau sah, die durch die Nacht torkelte. Sie war nur mit einem Mantel und einem schwarzen Slip bekleidet, dabei zitterte sie im Wind, wie das letzte Blatt eines sterbenden Baumes.

Der Taxifahrer stoppte vorsichtig den Wagen, als die junge Frau mit allerletzter Kraft die Tür öffnete und anschließend hineinkletterte. Er warf einen Blick in den Rückspiegel und sah eine leicht blutende Platzwunde an ihrem Kopf. Das Blut bahnte sich seinen Weg über ihr hübsches Gesicht. Er wusste, dass sie Hilfe benötigte und überreichte ihr mit den Worten »Hallo, mein Name ist Jeff O'Sullivan, aber Sie können Jeff zu mir sagen« ein Taschentuch nach hinten.

Sie nahm das Taschentuch dankend an. »Sehr erfreut Mr. O‘Sullivan, ich heiße Ava, Ava Simmons«, erwiderte sie und drückte das Tuch mit schmerzerfülltem Gesichtsausdruck auf die blutende Wunde.

In diesem Augenblick dachte Jeff:

Schön genug, um Model zu sein, schick genug, um Debütantin zu sein, begehrenswert genug, um Ehefrau zu sein und besonders genug, um nichts davon zu sein.

Dann setzte er den Wagen, ohne ein weiteres Wort zu verlieren in Bewegung.

Ava blickte aus dem Fenster des fahrenden Wagens, vorbei an den vielen Lichtern von Restaurants, Bars und den Clubs in jener Straße, in die Jeff fuhr.

»Wo fahren Sie mich hin?«, fragte sie leise. »Ich hoffe, Sie sind kein durchgeknallter Mistkerl, »der nachts mit dem Taxi umherfährt und unschuldige Mädchen entführt, um sie später zu vergewaltigen, oder?«

»Bitte was?«, entgegnete Jeff und blickte in den Rückspiegel. »Ich bin Ire, vielleicht sogar der irischste Ire, dem Sie je in Ihrem Leben begegnet sind. Bei uns gibt es noch so etwas wie einen Ehrenkodex.«

»Was, etwa wie bei einem Ritter?«

»Genau, wie bei einem Ritter.«

»Sie fahren einfach nachts so umher und retten einer Jungfrau das Leben?«

»Wenn Sie so wollen, ja. Ich bringe Sie zu einem Freund, er ist Doktor«, antwortete er behutsam.

»Nein, nicht zu einem Arzt, bringen Sie mich nach Hause«, erwiderte sie.

»Er ist kein gewöhnlicher Arzt, müssen Sie wissen, doch er sollte sich die Wunde an Ihrem Kopf einmal genauer ansehen.«

Ava gefiel der Gedanke, von einem Ritter gerettet zu werden. Doch sie war zu müde und auch zu schwach, um sich weiterhin mit ihm zu unterhalten. Sie zog mit ihrer linken Hand den Pelzmantel fest zusammen und lehnte ihre Stirn an die kalte Scheibe des Wagens. Ihre wunderschönen Augen sahen müde aus. Müde vom Nachtleben, müde davon, was ihr heute Nacht widerfahren war und was man ihr angetan hatte.

Das Taxi wurde langsamer und bog rechts in eine Tiefgarageneinfahrt, zwei Stockwerke tiefer parkte Jeff den Wagen und öffnete die hintere Tür für Ava. Im grellen Schein des Neonlichts konnte Jeff nun ihre ganze Schönheit betrachten.

Ava hat scheinbar endlos lange Beine, eine Taille wie von Künstlerhand geformt, jeder Teil ihres Körpers so zart und grazil wie ein elfenhaftes Wesen. Ihr liebliches Gesicht …

»Jeff, Jeff … Hallo?«, unterbrach Ava seine Gedanken. »Wo entlang?«

Jeff hielt einen Augenblick inne, um sich zu orientieren.

»Dort zum Fahrstuhl, gleich da vorne«, sagte er leicht zögerlich.

Sie traten beide in den Fahrstuhl, die Wunde an ihrem Kopf hatte in der Zwischenzeit aufgehört zu bluten und Jeff drückte einen Knopf mit der Nummer 67, es war einer der oberen Knöpfe im Fahrstuhl, der sie zu einem privaten Apartment führte.

Als sie oben ankamen, öffnete ein Mann eine Tür an der stand: ›Doktor Ian Knox‹.

»Jeff, was machst du hier zu dieser späten Stunde?«, fragte der Mann verwundert, bat sie dann aber hinein. Er führte die beiden durch einen langen Flur ins Wohnzimmer. Erst jetzt hob Ava leicht ihren Blick zu Dr. Knox empor.

Er sieht ein bisschen aus wie Robert Redford in den 1970er Jahren, dachte Ava. Und tatsächlich hatte er dieselben rotblonden gewellten Haare, ein markantes Kinn und schneeweiße Zähne, die er aber selten zeigte.

Jeff und Ava nahmen Platz, dann erzählte er Dr. Knox, wo und wie er Ava gefunden habe und dass sie seine Hilfe benötigte.

»Ihre Wunde«, meinte Knox zu Ava und zeigte zögerlich auf ihre Stirn, »dürfte ich mich darum kümmern?«, und deutete an, ihm ins Nebenzimmer zu folgen.»Legen Sie doch ab«, forderte Sie Knox auf und versuchte ihr aus dem Mantel zu helfen.

»Nein, nicht!«, schrie Ava. »Ich hätte erst gar nicht hierherkommen dürfen«, fügte sie hinzu und wollte aus dem Zimmer stürmen.

»Warten Sie kurz«, sagte er und hinderte sie daran, den Raum zu verlassen. Vorsichtig ließ er ihren Arm los und ging zu einem alten Sekretär, der als Minibar umfunktioniert worden war. Er nahm ein Glas, gab etwas gestoßenes Eis hinzu und mixte Ava einen Drink, anschließend nahm er ein paar Eiswürfel aus einem weiteren Fach und wickelte sie in ein weißes Tuch.

»Hier, etwas Eis«, sagte er. »Für die Beule auf Ihrem Kopf«, fügte er hinzu, als er ihr beides überreichte.

»Nein danke, nicht nötig«, erwiderte sie, während sie sich auf eine dunkle, lederne Chaiselongue setzte und ihr Glas mit dem Drink entgegennahm. Sie stürzte den Inhalt des Glases hinunter, als wäre es Wasser.

»Wissen Sie?«, fuhr sie anschließend fort. »Es geht mir schon viel besser. Ich war nur etwas ungeschickt, bin gestolpert und dabei hingefallen.«

»Wie Sie meinen«, antwortete er, dabei sah er ihr tief in die Augen.

»Sie sind alles, was sich ein Mann nur wünschen kann«, fügte Dr. Knox hinzu, während Ava nun doch das weiße Tuch an ihre Stirn drückte.

»Dabei ist es nicht nur Ihr Gesicht. Ihre … Figur oder Ihre Stimme. Es sind Ihre Augen. All die Dinge, die ich in Ihren Augen sehe.«

»Was ist es, was Sie in meinen Augen sehen?«, fragte Ava neugierig.

»Ich sehe eine verrückte Ruhe. Sie haben es einfach satt, zu rennen. Sie sind bereit, sich dem zu stellen, was Sie zu bewältigen haben. Aber Sie wollen sich dem nicht allein stellen.«

Ava senkte leicht ihren Kopf. »Nein, ich will mich dem nicht allein stellen«, erwiderte sie und hob ihren Blick.

»Sie haben es satt, wegzulaufen. Ich kann Sie vor dem retten, wovor Sie Angst haben.«

»Ach ja?«, fragte sie zögerlich und kaute auf einem der Eissplitter aus ihrem Glas.

»Ihre Augen«, fuhr er fort, »verraten mir mehr als tausend Worte. Sie sind eine starke Frau und würden gerne etwas in Ihrem Leben ändern, aber Ihre Worte behaupteten das Gegenteil. Ich weiß nicht, ob Jeff es Ihnen erzählt hat, aber ich bin kein normaler Arzt. Ich bin Doktor der Psychologie, ein Seelenklempner, wenn Sie so wollen. Und wenn ich Ihren Blick richtig deuten darf, dann möchten Sie in gewisser Weise meine Hilfe«, sagte er und mixte sich nun ebenfalls einen Drink.

Ava stand auf und legte das weiße Tuch mit den Eiswürfeln beiseite. »Ich hätte nicht hierherkommen sollen. Es ist wohl besser, wenn ich jetzt gehe, Herr Doktor.«

»Lassen Sie mich noch Ihre Wunde desinfizieren, dann können Sie gehen. Einverstanden Mrs. …?«

»Miss Simmons, Ava Simmons.«

»Angenehm. Miss Simmons, mein Name ist Ian Knox, Doktor Ian Knox. Also nicht weglaufen, ich bin gleich zurück.«

Einen Augenblick später kam er mit einer Flasche Jod und ein paar Watte-Kompressen wieder zurück ins Zimmer. Er ging auf Ava zu, die mittlerweile auf einem Stuhl neben dem Schreibtisch Platz genommen hatte. Er schob eine superdünne Tischleuchte, die sich nachBedarf verstellen ließ, etwas näher heran, um besser sehen zu können.Verantwortlich für dieses puristische Interieur war der japanische Designer Naoto Fukasawa, der für seine Kreationen mit mehreren Preisen ausgezeichnet worden war. Dr. Knox liebte dieses kreative Genie aus Japan, der nicht nur Lampen, sondern auch Möbel entwarf.

»Drücken Sie das mal hier oben drauf, die Wunde dürfte nicht so tief sein, dass sie genäht werden muss. Was machen Sie beruflich?«, fragte Dr. Knox, als er die Wunde reinigte.

»Model.«

»Mode oder Fotografie?«

»Was macht das für einen Unterschied?«

»Oh, ich denke 500 Dollar die Stunde?«

»In Ordnung, Herr Doktor. Wir müssen nicht ›Was bin ich‹ spielen. Ich bin kein Model, Doktor. Ich bin ein Callgirl.«

»Ich verstehe«, erwiderte er mit einer ruhigen und sanften Stimme. »Dann ist es wohl die Hölle, jeden verdammten Morgen aufzuwachen, und nicht zu wissen, ob man warten oder aufgeben soll, stimmt's?«

Sie schaute auf ihre Hände in ihrem Schoß, an denen sich noch immer etwas getrocknetes Blut von ihrer Kopfwunde befand. Dann sah sie wieder zu ihm auf.

»Möchten Sie mir verraten, wer Ihnen das angetan hat?«, fragte er behutsam.

»Ich habe Ihre kostbare Zeit schon lange genug in Anspruch genommen, Herr Doktor«, sagte sie und wollte gehen. Er musterte sie eingehend. Sie hörte das leise Ticken der Wanduhr und ihren eigenen Atem. Sein Gesichtsausdruck war schwer zu deuten. Sie spürte so etwas wie eine Vorahnung.

»Okay, okay, wir sind hier so weit auch fertig. Ich möchte Ihnen aber noch meine Visitenkarte überreichen, dort steht die Adresse von meiner Praxis drauf. Sie können mich jederzeit besuchen kommen, Jeff und ein paar andere Patienten nehmen regelmäßig an den Gruppensitzungen teil. Wenn Sie also meine Hilfe benötigen, meine Tür steht für Sie jederzeit offen.« Es war keine höfliche Einladung, sondern ein direkter Befehl und noch dazu auf die beleidigende Art und Weise vorgebracht.

»Wollen Sie mich etwa therapieren?«, fragte Ava erzürnt und stand auf. »Nein, nein, keine Chance, auf gar keinen Fall wird das nötig sein, mir geht es blendend und ganz gewiss brauche ich keinen Seelenklempner.«

»Wie gesagt, nur für den Fall der Fälle und wie Sie es für richtig halten. Mein Angebot steht, Miss Simmons.«

Jeff wartete die ganze Zeit geduldig im Wohnzimmer auf die beiden. Als sie endlich zurückkehrten, begleitete Dr. Knox Jeff und Ava zur Tür und verabschiedete sich von ihnen. Anschließend fuhr er Ava mit dem Taxi in das schlichte Wohnviertel Park Slope in Brooklyn. Es verfügte über baumgesäumte Straßen und historische Brownstone-Häuser und war bekannt für seine aufgeschlossenen Anwohner, darunter viele Familien und Berufseinsteiger. Die Mischung aus unabhängigen Boutiquen, gemütlichen Bars und zwanglosen Restaurants entlang der 7th Avenue trug zur Vielfältigkeit des Viertels bei. Anwohner und Besucher suchten den weitläufigen Prospect Park für Open-Air-Konzerte und Picknicks sowie zum Joggen bei jedem Wetter gern auf.

Nachdem Ava ihre Wohnung betreten hatte, ging sie direkt ins Badezimmer und streifte dort vorsichtig ihren Mantel ab. Der grauenvolle Anblick ihres zerschundenen Rückens, der mit blauen Striemen und Flecken übersät war, versetzte Ava in Schockstarre. Was hat dieses Arschloch mit mir gemacht?, dachte sie, als sie in den großen Spiegel im Badezimmer blickte.

Kapitel 2

Mechanical Asshole

Wie an jedem Morgen war Stau am Eingang des Brooklyn-Battery Tunnel, der die New Yorker Stadtteile Manhattan und Brooklyn auf Long Island miteinander verband. Der mautpflichtige Straßentunnel, der unter dem East River mit zwei Röhren und insgesamt vier Spuren in die Innenstadt führte, wurde 1950 fertiggestellt und bildete den Kern der Interstate und der New Yorker State Route 9A.

Ava fuhr einen alten gelben 1970er Dodge Coronet Super Bee. Manche würden mechanical asshole, also fahrender Schrotthaufen dazu sagen, aber es war in Wirklichkeit ein cooles Muscle-Car mit einem mittlerweile ikonischen Design. Ava liebte diesen Wagen mit seinen 425Ps, trotz der vielen Kratzer im Lack, einer Delle in der Tür und den Schrammen an der Stoßstange – diese und ähnliche Beschädigungen am Auto waren ärgerlich, aber für sie hatte er Erinnerungswerte, da er einst ihrem Vater gehört hatte.

Die Autos reihten sich Stoßstange an Stoßstange, als Ava zur Seite blickte und in die gestressten Gesichter von einigen vorbeirollenden Fahrern sah.

Ava Simmons war gerade achtundzwanzig geworden und mit beneidenswert dichten roten Haaren gesegnet. Sie war zwar schlank, aber nicht so rappeldürr wie die anorexischen Models in den Hochglanzmagazinen, vielmehr gaben ihre Rundungen ihr eine sehr weibliche Note.

Sie hatte große funkelnd grüne Augen, ein süßes Näschen, dezente, aber volle Lippen und eine wunderbar reine Haut. Dies in Kombination mit ihrem unvergleichlichen Charisma und ihrer liebreizenden, sympathischen Art machte sie für fast jeden Mann unvergesslich.

Wenn sie in ihren hochhackigen Schuhen vor einem herging, konnte man sich an ihrem Gang und ihren wohlgeformten Pobacken kaum sattsehen. Ava hatte zumeist ein Lächeln auf ihren Lippen, ihre langen Haare fielen ihr über die Schultern und waren zu einer Innenrolle frisiert, sodass sie ein wenig an die Heroinen aus den Film noirs der Vierzigerjahre erinnerte. Sie warf einen prüfenden Blick in den Rückspiegel ihres Wagens und strich sich durchs Haar.

Ein Mann in einem vorbeirollenden Wagen war irritiert, als er sich dabei ertappte, dass er sie wie ein pubertierender Jüngling anstarrte. Ava lächelte nur darüber, sie war es schließlich gewohnt, von Männern angeschmachtet zu werden. Bei diesem Anblick wurde jeder Mann einfach schwach.

Eine gute halbe Stunde später stand Ava vor einer Klingelplatte aus Messing und suchte die Praxis von Dr. Ian Knox. Sie fand ein passendes Schild und las:

»Dr. Knox – Psychotherapie – 3. Stock.«

Sie bemühte sich, ihre Nervosität in den Griff zu bekommen. Ich fühle mich wie ein pubertierendes Schulmädchen, das zu seinem Direktor muss, um sich die gerechte Strafe abzuholen, dachte Ava, während der Fahrstuhl sich in Bewegung setzte.

An der Tür zögerte sie kurz und holte noch einmal tief Luft, bevor ihre mit Schweiß benetzte Hand den Türknauf berührte. Als die Tür aufsprang, zuckte Dr. Knox hinter seinem Schreibtisch sitzend kurz zurück und starrte mit überraschten Augen auf Ava.

»Miss Simmons, Sie hier?«, kam es erstaunt aus seinem Mund, als er sie erblickte. Er stand auf und ging ein paar Schritte auf sie zu.

»Hallo Herr Doktor«, erwiderte Ava. »Ich wollte mich persönlich bei Ihnen für Ihre Hilfe von letzter Nacht bedanken.«

»Ach, das wäre doch nicht nötig gewesen. Das war doch selbstverständlich. Bitte kommen Sie doch herein.«

»Nein danke, Herr Doktor.«

»Möchten Sie vielleicht nicht doch auf meiner Couch Platz nehmen? Ich kann Ihnen professionelle Hilfe anbieten«, sagte er und wich einen Schritt beiseite.

»Nein, wirklich nicht, besten Dank! Ich bin etwas in Eile und wollte nur auf einem Sprung vorbeischauen.«

»Bevor Sie gehen, ich hätte noch etwas Zeit, bis die Gruppensitzung beginnt.«

Ava wandte sich leicht ab und warf ihre Haare über ihre Schulter. »Es ist schon gut, Herr Doktor«, fuhr sie fort. »Wie ich schon sagte, ich muss los, man erwartet mich. Bye!«, sagte sie und drehte sich zum Gehen um.

»Auf Wiedersehen, Miss Simmons«, antwortete Dr. Knox, als sie aus dem Zimmer verschwand. Sie fuhr zurück in ihre Wohnung nach Park Slope in Brooklyn, dort traf sie auf ihren Freund, einen schleimigen Schönling und Zuhälter namens Chip Dunken.

Chip war ein einunddreißigjähriger Kleinkrimineller und immer auf der Suche nach dem schnellen und großen Geld.

Zu seinem Vorteil sah er verdammt gut aus. Etwa einsfünfundachtzig groß, athletische Figur, dunkle Haare, die er meist im Fünfziger-Jahre-Look mit Pomade nach hinten geglättet hatte. Dazu braune Augen und ein ausgeprägtes Kinn, das in der Mitte von einem markanten Grübchen geteilt wurde. Zumeist trug er einen grauen Anzug im tailored Fit, weißes Hemd und schwarze Krawatte. Stylisher Klassiker eben.

Doch sein Aussehen hatte nichts mit seinem Charakter zu tun. Er kannte weder Skrupel, noch hatte er in irgendeiner Art und Weise Gewissensbisse anderen Menschen gegenüber.

Als Kind wuchs Chip in einer sehr üblen Gegend in Philadelphia auf. Seine Mutter, eine drogenabhängige Prostituierte namens Betty, trennte sich früh von seinem Vater, den er nie kennengelernt hatte.

»Hey Baby! Wo warst du?«, fragte er, als sie das Wohnzimmer betrat.

»Wo ich war?«, erwiderte sie und zog die riesigen Vorhänge beiseite.

Die Sonne drängte die Dunkelheit aus dem lichtdurchfluteten Raum mit seinen hellen Farben. Obwohl ihre Wände etwas karg und leer wirkten, wusste Ava den Charme vergangener Zeiten zu schätzen. Die großzügig geschnittenen Räume mit enormer Raumhöhe, großen Fensterflächen und puristischem Interieur wirkten dennoch freundlich und einladend.

»Wo warst du letzte Nacht?«, fuhr sie fort. »Du solltest auf mich aufpassen! Dieses brutale Arschloch namens Big Rig Kash – wusstest du, dass er einen Stock benutzt und mit seinen sadistischen Schlägen meinen Rücken grün und blau geschlagen hat?« Sie drehte sich um und legte ihren Rücken frei.

Furcht und Hoffnung prügelten sich in ihrer Brust und ihr Blick zitterte in den geweiteten Pupillen.

»Was? Baby, was redest du da? Ich würde dich doch niemals so einer Gefahr aussetzen wollen.«

»Nein, würdest du nicht?«, fragte sie und streifte ihren Pullover glatt.

Er fiel vor ihr auf die Knie, küsste ihre Hände und streichelte ihre Arme. »Niemals«, beteuerte er.

Dann stand er auf und nahm sie vorsichtig in seine Arme.

»Hör mal«, fuhr er fort, »Big Rig Kash ist ein Niemand. Er ist ein lausiger Fuhrunternehmer, war früher mal selbst Lastkraftwagen-Fahrer und hatte das verschissene Glück, die Firma seines todkranken Vaters zu übernehmen. Er braucht diesen Spazierstock, weil er nach einem schweren Autounfall humpelt. Hat ihm angeblich die linke Seite seiner Hüfte zertrümmert.«

»Lass mich raten, und jetzt benutzt er diesen Stock noch anderweitig?«, fragte Ava mit Tränen in ihren Augen. Schluchzend und mit gesenktem Haupt stand sie vor ihm, während Chip sich durch die Haare fuhr und einen Schritt zurückwich.

»Hey Liebling, komm schon, ich habe für uns beide gearbeitet. Hab einen großen Fisch an Land gezogen. Und jetzt kommst du mir mit ein paar harmlosen Schlägen von einem Spazierstock?«

»Das nennst du harmlos?«, rief Ava wütend und wandte sich ab.

»Weißt du«, fuhr er fort, »es gibt echt Wichtigeres als Big Rig Kash. Ist es nicht schon immer ein Traum von dir gewesen, in einem schönen Häuschen am Strand von Kalifornien zu leben? Jetzt haben wir endlich die Möglichkeit dazu. Ich habe uns zwei wirklich wohlhabende Klienten besorgen können. Und damit hätten wir ein für alle Mal genug Geld zusammen, um uns unsere Träume zu erfüllen. Na, was sagst du?«, fragte er und nahm auf dem Sofa Platz.

Er breitete seine Arme aus und legte sie neben sich auf der Sitzfläche des Sofas ab.

Ava blickte in Chips große braune Rehaugen, jene, die ihre Knie und ihren Verstand schon so oft hatten weich werden lassen. Sie trat dicht vor ihn und verschränkte die Arme.

»Hört sich das gut für dich an?« Er nahm ihre Hand und zog Ava auf seinen Schoß. »Ich meine … außer mir kümmert sich doch niemand um dich«, fügte Chip hinzu und küsste sie anschließend auf den Mund.

»Nur noch dieser eine Auftrag und dann ziehen wir gemeinsam in ein schönes Haus am Strand von Kalifornien?«, fragte Ava nachdenklich.

»Ich schwöre«, sagte Chip und hob seine Hand. »Wir könnten dort gemeinsam alt werden und wir könnten auch heiraten, wie ich es dir versprochen habe, Baby. Zumal du nie wieder Angst vor einem Gewitter haben brauchst, in Kalifornien regnet es so gut wie nie. Wir könnten den Sonnenuntergang auf unserer eigenen Veranda beobachten und dabei das Rauschen des Ozeans hören, und lassen einfach diesen ganzen Scheiß hinter uns. Was sagst du dazu?« Erwartungsvoll blickte Chip ihr in die Augen.

»Okay, nur wir beide. Und dann heiraten wir?«, erwiderte sie nach einem Augenblick des Nachdenkens und wischte sich eine Träne aus ihrem Auge.

»Ja genau, nur wir beide«, beteuerte er.

»Also«, fuhr er fort und sprang auf. »Wir treffen uns später bei Yolanda. In ihrem Club bekommen wir weitere Informationen. Jetzt muss ich aber los, wir sehen uns später, Baby.«

Chip sah auf seine teure Uhr und ging zur Tür.

»Ich liebe dich.« Ava blickte verheißungsvoll auf Chip.

»Ach, bevor ich es vergesse, zieh dir lieber nichts Rückenfreies für heute Abend an.« In seinem Ton schwang eine leichte Verachtung mit. Und kaum hatte er das gesagt, verschwand Chip Dunken auch schon durch die Tür.

Ava ging schweigend ins Badezimmer und ließ sich Wasser in die Badewanne ein, dass wegen ihrer blauen Flecken jedoch ein wenig kühler war als sonst.

Kapitel 3

Batman und Robin

Am späten Abend fuhr eine schwarze Limousine an Avas Wohnung vor. Der Chauffeur öffnete die hintere Tür und half ihr beim Hineinklettern.

In der Limousine stand eine Flasche Champagner in einem Eiskübel, an dem ein kleiner Zettel hing. Ava nahm ihn an sich und las.

›Hello Darling, hier eine kleine Aufmerksamkeit von mir. Chip.‹

Sie rührte die Flasche nicht an und ließ sich auf die gepolsterte Rückbank der Limousine fallen. Circa eine halbe Stunde später hielt der Wagen an. Der Chauffeur umrundete das Auto, um Ava die Tür zu öffnen und half ihr aus dem Wagen. Sie bedankte sich höflich für den guten Service und steckte dem Fahrer zwanzig Dollar zu. Ihr Blick wanderte über die Limousine hinweg und traf auf einen sehr muskulösen Mann, der vor der Eingangstür des Clubs stand.

Mit seinem fast zwei Meter großen athletischen und muskulösen Körper überragte er jeden Gast. Seine hellbraunen Haare und seine grünen Augen verliehen ihm einen sympathischen Eindruck. Sie stieg ein paar Treppenstufen empor, dabei verlor sie auch diesmal keinen Gedanken darüber, ob Ron Smith wirklich sein richtiger Name war, denn er war immer höflich und sehr zuvorkommend zu ihr. Genauso wie am heutigen Abend.

»Einen wunderschönen guten Abend, Miss Ava«, kam es aus seinem Mund. »Sie sehen heute wieder bezaubernd aus«, fügte er mit einem Lächeln hinzu.

»Ach Ron, Sie alter Charmeur«, kicherte sie zurück.

Sein Lächeln machte kurz vor seinen Augen Halt. »Glauben Sie mir, wenn ich nicht vergeben wäre, würde ich Sie auf der Stelle heiraten.«

»Ich muss Sie warnen Ron, ich bin überaus empfänglich für solche Komplimente. Also hören Sie auf damit, sonst glaube ich Ihnen zum Schluss noch jedes Wort.«

Er nahm ihren Arm und gemeinsam betraten sie den Club H'aven.

Yolanda Aven war die Ehefrau von Henry Aven und nach seinem Tod die Besitzerin des Clubs H'aven. Henry liebte Wortspiele und in Anlehnung an seinen Club H'aven, hatte er einen schlichten Zufluchtsort für Männer geschaffen.

Yolanda war einst selbst mal ein Callgirl gewesen, aber der wohlhabende Henry verliebte sich in Yolanda, holte sie, wie man so schön sagt, von der Straße und machte sie zu seiner Ehefrau. Ein bisschen wie in ›Pretty Woman‹, nur dass Henry nicht gerade so liebreizend wie Richard Gere gewesen war und auch nicht so ausgesehen hatte. Nein, Henry Aven war ein kleiner untersetzter Mann mit einer Halbglatze und ein brutales Arschloch gewesen, wenn er etwas getrunken hatte. Und er trank bis zu seinem Tod wirklich viel. Ava wusste, dass Yolanda ebenfalls dem Alkohol nicht gerade abgeneigt war, was vielleicht erklärte, dass von ihrer einstigen Schönheit nicht mehr viel übrig geblieben war. Die Zeiten auf der Straße und der Alkohol hatten tiefe Spuren auf ihrem Körper und in ihrer Seele hinterlassen. Sie war früher das Nonplusultra und die High Class Escort-Dame von New York City gewesen. Früher hatte sie einen perfekten Körper, wallendes langes blondes Haar, dazu blaue Augen und ein Gesicht wie gemalt. Heute war sie nur noch ein Schatten ihrer selbst und leitete diesen Club, weil sie nichts anderes konnte. Sie verströmte eine unglaubliche Energie, rauchte Kette und konnte so direkt sein, dass es an Unverschämtheit grenzte. Dennoch bewunderte Ava sie von ganzem Herzen.

»Hallo Ava«, kam es hinter dem Tresen der Bar hervor, als sichYolanda gerade einen Drink spendierte.

»Hab‘ gehört, du hattest gestern Abend Ärger mit einem Kunden?«

»Pah, Ärger ist gut gesagt. Dieses miese, fette, stinkende Dreckschwein hat sich an mir ausgetobt. Sieh dir mal meinen Rücken an«, sagte sie und öffnete den Reißverschluss an ihrem Kleid.

»Scheiße noch eins, dein Rücken weist ja mehr Farben als ein verschissener Regenbogen auf, dass sieht echt übel aus«, erwiderte Yolanda.

»Wem sagst du das«, antwortete Ava. Ihr Herz fühlte sich an, als ob eine gigantische Hand sie zerquetschen würde, doch wollte sie nicht in Tränen ausbrechen.

»Hör mal, ich kenne da einen guten Arzt, er stellt keine Fragen und er sollte sich das da … mal ansehen. Ich müsste selbst mal dorthin, mir geht es echt beschissen, kann sein, dass ich in die Menopause komme. Es fühlt sich jedenfalls so an.«

»Ich brauche keinen Arzt, aber danke«, erwiderte Ava und richtete ihr Kleid.

»Ach, schon gut Baby. Ich kann es immer noch nicht fassen, aber ich habe Chip von Anfang an gesagt, dass dieser Motherfucker ein Sexsüchtiger mit Zwangsneurosen ist.«

»Wie bitte? Willst du mir etwa damit sagen, Chip hat davon gewusst?«, fragte Ava entsetzt und ging ebenfalls hinter den Tresen.

»Aber natürlich hat er davon gewusst, hat sich sogar noch ein paar Scheine extra geben lassen. So wie ich ihn kenne, hat er dir nichts davon erzählt, weil er genau wusste, dass du Nein sagen würdest.«

»Dieses miese Dreckschwein, er hat mir gegenüber seine Unschuld beteuert. Hat gesagt, dass er nichts davon wusste«, erwiderte Ava und mixte sich ebenfalls einen Drink.

»Baby, ich könnte noch etwas Eis gebrauchen«, sagte Yolanda.

Ava nahm ihr Cocktailglas entgegen und ging an die Eismaschine hinter der Bar.

»Er hat gestern Abend die ganze Zeit bei einem neuen Mädchen namens Classie Green abgehangen. Gottverdammt, das ist nicht mal ihr richtiger Name, in Wahrheit hat sie eine puerto-ricanische Spalte und heißt mit bürgerlichem Namen Alondra Navarro. Sie kam mit einem verdammten Fischerboot nach Florida und von dort aus direkt nach New York City. Chip hat sie hier im Club aufgerissen und eine Flasche nach der anderen spendiert. Ach übrigens, zwei davon muss er noch bezahlen«, sagte sie und ging einen Schritt näher auf Ava zu. Sie nahm ihr Glas entgegen und nippte an ihrem Drink.

»Ich glaube«, fuhr sie fort, »Chip sucht nach einer Neuen. Wer weiß, vielleicht möchte er dich ersetzen? Also, sei bloß vorsichtig mit ihm. Er denkt im Moment nur noch an das große und schnelle Geld.«

»Aber …« Ava zögerte und dachte kurz nach. »Er hat mir heute ein weiteres Mal die Heirat versprochen. Nach diesem Auftrag gehen wir beide nach Kalifornien und er möchte uns dort ein kleines Haus am Strand kaufen.«

»Schätzchen, das Einzige, was sich Chip Dunken im Moment leisten kann, ist höchstwahrscheinlich die Miete für einen kleinen Wohnwagen, irgendwo auf einem verschissenen Trailer Park, so sieht es aus.«

Ava blickte enttäuscht auf den Boden.

»Kindchen, du solltest endlich deine Augen öffnen, die Zeiten, in denen man eine Nutte von der Straße holt, sind ein für alle Mal vorbei«, sagte sie und hob mit einer Hand Avas Kinn an.

»Schau mich an, ich war früher die Nummer eins unter den High Class Escort-Damen von ganz New York City. Und was ist aus mir geworden?«

Sie blickte tief in Avas traurige Augen, nahm ihr Glas und verschwand in einer dunklen Ecke an der Bar.

Ava war wütend und traurig zugleich. Wütend darüber, dass Chip sie abermals angelogen und traurig, dass sie ihm ein weiteres Mal vertraut hatte.

Es ist an der Zeit, an sich selbst zu denken und an mein eigenes Leben, dachte sie.

Yolanda unterbrach ihre Gedanken und überreichte ihr einen Zettel, dort stand die Adresse der heutigen Kunden drauf. Ihr Ziel war das ›The Peninsula New York‹, Zimmer 202, ein 5-Sterne-Hotel direkt an der Fifth Avenue, im Herzen des prestigeträchtigsten Einkaufs-, Unterhaltungs- und Kulturviertels der Stadt.

»Ich persönlich kenne leider nur einen dieser Herren«, meinte Yolanda. »Genau genommen sind beide Geschäftspartner, sehr wohlhabend und haben zwei hübsche Mädchen für heute Abend gebucht. Ich schlug ihnen Zoe James vor. Mir ist bewusst, dass sie eine Lesbe ist, Gott weiß warum. Mit ihrem Körper könnte sie jeden Mann haben.«

»Ich dachte immer, Zoe hat eine ausgeprägte Abneigung gegen Männer?«

»Ja, aber bei guter Bezahlung drückt sie schon mal ein Auge zu, oder auch zwei. Wie dem auch sei«, Yolanda seufzte, »der Vorteil ist, ihr beide habt schon einmal zusammengearbeitet.«

»Ja, das stimmt«, erwiderte Ava.

»Hör zu«, fuhr sie fort und zündete sich eine Zigarette an. »Wenn dir irgendetwas seltsam vorkommt, sei es der Kunde oder die Situation im Hotel, dann ruf sofort diese Nummer an.« Sie reichte Ava einen Zettel und hielt sie am Arm fest.

»Aber!?«, fragte Ava.

»Nichts aber, vertrau mir, du brauchst heute Abend keinen Chip Dunken, ich traue diesem Kerl nicht über den Weg, ruf einfach diese Nummer an. Er wird sich um euch kümmern. Und nun geh, Zoe sitzt schon hinten im Umkleideraum und wartet auf dich.«

Ava tat wie ihr befohlen, sie nahm ihre kleine Umhängetasche und ging anschließend nach hinten. Zoe saß an einem der großen Schminkspiegel, als Ava den Raum betrat.

»Hallo Ava«, kam es aus einem Mund, der so liebreizend und betörend zugleich war. Eine Göttin – und das war sicher nicht übertrieben, wenn man von der Schönheit Zoes sprach! Sie war eine Koryphäe auf dem Gebiet der Erotik, denn sie strahlte puren Sexappeal mit ihren traumhaften Modelmaßen aus. Ihre karamellfarbenen langen Haare und ihr liebliches Gesicht mit den natürlichen Schmolllippen sowie strahlend blaue Augen hypnotisierten jeden Mann. Dabei stellte sich Ava unweigerlich die Frage: Welche der vielen Frauen, die Zoe begegneten, befassten sich mit dem Gedanken: Das ist ein Gesicht, auf das ich mich gerne mal setzen würde?

Siewusste ihren Traumbody durchaus gut zu ›verpacken‹, wie ein leckeres Bonbon, das man schnell von seiner Hülle befreien möchte, um davon zu kosten.

Trotzdem stand Ava dem in nichts nach, beide Frauen waren makellos. Es war, als hätte ihnen Gott persönlich sämtliche Reize verliehen und für den Rest blieb nichts mehr übrig.

»Hallo Zoe, wir hatten schon mal das Vergnügen, miteinander zu arbeiten«, begrüßte Ava sie und trat einen Schritt näher.

»Ja stimmt, ich erinnere mich«, erwiderte sie und fuhr mit einem Eyeliner über ihr rechtes Lid.

»Und wie ich damals von dir gekostet habe«, erinnerte sich Ava.

Avas Blick blieb auf Zoes hübschem Gesicht hängen und sie schwelgte in Erinnerungen. Es war vor etwa einem Jahr, da liefen sich Zoe und Ava bei einem Kunden zum ersten Mal über denWeg. Dieser Kunde hatte eine Doppel-Buchung, aus Versehen, so wie er damals behauptete. Sie konnte sich noch gut an den Geruch des Öls erinnern und daran, wie athletisch Zoe und wie weich ihre Haut war.

Weil Ava so aufgeregt war, waren ihre körperlichen Reaktionen eher zurückhaltend gewesen, aber in jener Nacht, da naschte sie aus Zoes Honigtopf und diesen Geschmack hatte sie bis heute nicht vergessen. Der Kunde hatte sie beide gut behandelt und später auch fürstlich für ihre erstklassige Darbietung entlohnt. Wie sich damals aber herausstellte, wollte Zoe mehr von Ava, doch sie war schon ganz Chip Dunken verfallen.

»Wo ist Chip?«, fragte Zoe plötzlich.

»Ich weiß es nicht«, antwortete Ava. Doch dem Klang ihrer eigenen Stimme nach zu urteilen ahnte sie bereits, wo sich Chip aufhalten würde, und zwar bei dieser puerto-ricanischen Schlampe namens Alondra, aka Classie Green.

Ava überspielte geschickt ihre Gedanken und nahm neben Zoe Platz. Beide machten sich hübsch für den heutigen Abend.

Nach ein paar Minuten schrie Yolanda nach hinten: »Mädels, der Wagen ist vorgefahren.«

»Wir kommen schon«, antworteten beide gleichzeitig und lachten.

Die Fahrt zum Hotel gestaltete sich für beide sehr angenehm und war sehr entspannt. Sie bedienten sich an der kleinen Minibar, die sich in der Limousine befand und unterhielten sich angeregt über ihre Pläne und ihre Zeit seit dem letzten Treffen.

»Weißt du Ava, ich habe oft an unsere gemeinsame Nacht mit … wie hieß dieser Kerl gleich noch?«