Immer wieder hören und lesen wir, dass die aktuelle Zeit eine Zeit des Wandels sei. Blicke ich auch nur ein paar Jahre zurück, so spüre ich, dass egal, wie geringfügig sich die Veränderungen im Außen spiegeln, wir ganz eindeutig einen Wandel sehen können. Große Unterschiede kann ich inzwischen darin erkennen, wie wir uns selbst sehen, in welcher Verbindung wir uns zum Außen setzen und wie weit wir unsere Verantwortung für uns selbst wieder zu uns zurücknehmen.
Wer von uns noch Eltern hat, die in der Zeit des Faschismus gelebt haben, weiß aus ihren Erzählungen, wie sehr fremdreguliert ihr Leben verlief. Es gab eine bestimmende Instanz oder Gewalt im Außen, an welcher sich die Eltern, die Politik, die Kirche sowie jegliches Handeln und das Leben selbst orientierten. Ihr Leben war von außen in einen engen Rahmen eingebettet, welcher ihren Handlungsspielraum weitgehend bestimmte. Der Einzelne erfuhr sich nicht als die Person, die ihr Leben frei und selbstbestimmt gestalten konnte, sondern fühlte sich gemessen an und kontrolliert von außen aufgestellten Werten. Mit seiner eigenen Persönlichkeit fügte er weitere Anforderungen an sich selbst hinzu.
Die gesamte Lebenshaltung spiegelte sich in der Sicht auf das Leben wider: Der Einzelne erfuhr sich als getrennt von der Schöpfung und getrennt von allen anderen Wesen. Er nahm die einzelnen Bestandteile seiner Umwelt als ferne, meist auch als unbeseelte Wesen wahr. Das Gottesbild entsprach dem gleichen Muster. So war es naheliegend, dass jene Generation wie auch die darauffolgende diese Getrenntheit noch intensiv lebten und stellenweise noch immer leben.
Die Strukturen des Lebens
Als Gott wird meist ein Schöpfer angesehen, der außerhalb des Geschöpften existiert. Die von ihm einmal initiierte Schöpfung beobachtet er kritisch und bewertet sie. Zusammen mit den Menschen in der Schöpfung sieht er einem Tag entgegen, an dem sich diese Bewertung in einem Endergebnis zeigen wird: in der Trennung der Schöpfung in verschiedene Richtungen.
Diese Haltung des Darauf-Schauens lebte die große Masse der Menschheit und selbst sehr erwachte Persönlichkeiten spürten und lebten auf diese Weise Trennung. Bereiche, in denen sich der Mensch eine Brücke schlug zurück in den Einklang, in den Urklang mit der Schöpfung, sind die Welten der Mythen, der Klänge und Bilder.
Aus meiner Sicht bietet sich gerade die Bilderwelt der Heiligen Geometrie besonders gut an, wenn wir all unsere Seins-Bereiche in Verbindung bringen möchten und uns mit der Schöpfung vereinen. In der Beschäftigung mit der Heiligen Geometrie, in dem Zeichnen oder Nachformen selbst, begeben wir uns automatisch hinein in die Strukturen des Lebens selbst.
Als Heilige Geometrie bezeichnen wir meist die sichtbaren geometrischen Figuren und Zeichnungen, die vereinfacht Lebensstrukturen, Lebensabläufe und Zusammenhänge widerspiegeln und aufzeigen. Aus diesen Strukturen leiteten sich Symbole ab, die seit Jahrhunderten, teils sogar länger, geachtet und geehrt werden als Träger tiefer Schöpfungsmuster, die schwer mit Worten zu erfassen sind.
In der heutigen Wissenschaft findet man immer weitere Bestätigungen für eine grundlegende geometrische Blaupause, in die hinein oder an der entlang sich Schöpfung skalierbar abspielt. Diese Strukturen finden sich in allen bekannten Größen, in den Zellen genauso wie in den Galaxien. Als Blaupause bezeichnet man z. B. in der Informatik eine Art Bauplan, der ähnlich einer Schablone das Grundgerüst aufzeigt, nach dem sich etwas ausbilden oder erschaffen soll. Eine Blaupause beinhaltet als Ursprung bereits die Information des Entstehenden.
Oft verwendete Symbole in der Heiligen Geometrie sind:
KreisGleichseitiges DreieckPentagramHexagonBlume des Lebens
Im Umgang mit der Heiligen Geometrie, also mit den Urmustern, die unserer Schöpfung zugrunde liegen, können wir zu jeder Zeit tiefste Informationen spüren und entdecken, ganz egal, aus welchem Blickwinkel heraus wir uns ihnen nähern. Unseren Blick für diese Strukturen und für ihre versteckten Inhalte können wir öffnen und schulen dadurch diesen für die Metaphysik, also für alle Bereiche, die außerhalb der rein messbaren Realität liegen. Ein Öffnen dieser Art verbunden mit unserer Liebe zur Schöpfung bringt uns mit unserer eigenen Spiritualität in Kontakt.
Eine neue Wahrnehmung
Viele Beobachtungen deuten für mich darauf hin, dass wir uns in einer Zeit befinden, in der sich unsere Blick- und Sichtmöglichkeiten gerade massiv verändern. Selbst wenn die Erweiterung unserer Sicht uns nicht unmittelbar bewusst ist, können wir im Außen Indizien finden, die uns neue Blickwinkel und vor allem neue Fähigkeiten des Menschen aufzeigen. Bekannte Künstler, die dieses Spiel mit dem Blick in ihren räumlichen Installationen nutzen, sind Bernard Pras, Rashad Alakbarov und der Schweizer Markus Raetz.
Bernard Pras fügt in einem Raum einzelne und für sich allein betrachtet unbedeutende Gegenstände, unter anderem auch Müll, zusammen. Der Betrachter sieht einen unstrukturiert mit Gegenständen angefüllten Raum, wundert sich vielleicht über den »Unsinn«, der da herumliegt. Selbst wenn er sich um die Anordnung herum bewegt, entdeckt er immer neue Eindrücke des Un-Sinnigen. Er kann daraus keinen Zusammenhang erkennen, bis er letztlich die Position des Meisters einnimmt: Von einem bestimmten Punkt aus betrachtet, zeigt sich dem Sehenden ein Arrangement in vollendeter Schönheit.
Umgekehrt zeigt uns das Kunstwerk von Rashad Alakbarov ein für uns erkennbares Muster auf einer 2D-Fläche. Durch das Beleuchten einer 3D-Figur, welche für unsere Sinne aus willkürlich angeordneten Stäben besteht, die von einer gerichteten Lichtquelle beschienen werden, entsteht ein geordnetes Muster.
Hier sind wir der Betrachter, der über das Komplexere das Einfachere entstehen sieht. Das Kunstwerk von Bernard Pras lässt uns mehr fühlen und erblicken, wie auf einer weiteren Dimension hinter dem Einfacheren wesentlich Größeres verborgen ist, weil unser Blick sich für das Umfangreichere dabei weitet.
Andere Dimensionen erfühlen
Mit diesem Buch möchte ich Ihnen, lieber Leser, Impulse geben, um mit dem Sehen und dem Sich-Sehen zu spielen zu beginnen. Somit beschleunigen wir die allgemein angebrochene Entwicklung unseres neuen Sehens. Denn eine neue Sichtweise wird es sein, die sich uns selbst neu sehen, neu empfinden und neu verstehen lässt und die uns unser Umfeld mit neuem Verständnis erfahren lassen wird.
Vor vielen Jahren, noch während meines Studiums der Architektur, lernte ich im Fach Kunstgeschichte, wie der Mensch in der Kunst über die Zeiten hinweg in der räumlichen Darstellung seine eigenen Raumerfahrungen ausdrückte. Seit dieser Zeit beschäftigte mich folgende Frage:
Wie wird es sein, wenn der Menschheit eine weitere Dimension bewusst wird?
Rückblickend können wir über all die Darstellungen, die die Künstler über die Jahre hinweg hinterlassen haben, in das Erfahren der dreidimensionalen Räumlichkeit des Menschen hineinblicken. Drückt der Künstler von heute eine weitere Dimension vielleicht gar schon jetzt aus? Eventuell in einer Art neuer Bedeutungsperspektive und unser aktueller Blick kann diese Inhalte nur noch nicht bewusst erkennen?
Wie kam ich auf diese Frage? Bereits in meiner Schulzeit interessierte ich mich für Mathematik, insbesondere für Geometrie. Ich bemerkte, dass ich ein starkes Empfinden zum Umgang mit Räumlichkeit hatte, und ich hatte Freude am Wandeln durch vereinfachte Abbildungen des erfahrenen dreidimensionalen Raumes, ob gezeichnet oder konstruiert.
Besonders beflügelte mich aber der Grenzbereich des auf weitere Dimensionen erweiterten Raumes, der zwar rechnerisch für den Mathematiker noch greifbar, für unser menschliches Erfahren aber sehr entfernt, wenn nicht sogar unzugänglich ist. Umso mehr erstaunte es mich, dass ich Ergebnisse erfühlen konnte – den Rechenweg dagegen musste ich mir dann danach, manchmal sogar mühsam, erarbeiten.
Auf diese Zeit geht meine gefühlte Erfahrung zurück, dass sie in unserem Kollektiv kommen wird: eine erlebte Erweiterung des dreidimensionalen Raumes in einen weiteren Potenzialraum, den ich als weitere Dimension sehe. Ich meine hier ausdrücklich nicht die Zeit als Komponente für die Erweiterung einer Dimension. In meiner Betrachtung definiere ich Zeit nur als die erfahrene Veränderung zwischen dem Erleben an verschiedenen Örtlichkeiten im Raum.
Was also ist in meiner Betrachtung eine Erweiterung auf eine weitere Dimension?
Mit dem Wort Dimension bezeichne ich gerade einerseits einen gefühlten und gelebten Seins-Zustand und andererseits einen auch für unseren Verstand greifbaren und rationalisierbaren Zustand. Wie es der spirituelle Meister Matt Kahn ausdrückt, leben wir mit jedem Zugang zu einer weiteren Dimension einen neuen umfangreicheren Seins-Zustand:
Die 3. Dimension sagt:
Hier gibt es Tieferes zu erforschen.
Die 4. Dimension sagt:
Hier ist alles vorhanden,
was ich aus dem Erforschen gelernt habe.
Die 5. Dimension sagt:
ICH BIN, was ich erforscht habe.
Die 6. Dimension sagt:
Erforschung ist das eine ICH BIN.
Die 7. Dimension sagt:
ICH BIN der EINE, der sich selbst erforscht.
Die 8. Dimension sagt:
ICH BIN der EINE, der EINE ICH BIN.
Für mein Empfinden hat ein Dimensions-Seins-Zustand auch in der Stofflichkeit ein Pendant. Und selbst wenn es dies nicht hätte, so kann uns doch die Beschäftigung mit der Dimension in den beiden verschiedenen Bereichen Er-fühlen und Erfahren unsere gesuchte Ausdehnung bringen.
So möchte ich auch hier nicht eine fertige Theorie in den Raum stellen – als Erkenntnis oder Fakt –, sondern auch da zum eigenen Spiel anregen. Denn es ist das Spiel selbst, das uns wachsen lässt.
Wie stelle ich mir dieses Spiel vor und wie wird es uns gleichzeitig eine Antwort auf die Frage der Erweiterung auf eine weitere Dimension geben?
Betrachten wir hierzu, wie die einzelnen Dimensionen aufeinander aufbauen und auseinander hervorgehen:
Stellen wir uns vor, wir sind nichts als ein Punkt. Wenn wir die Wirklichkeit eindimensional erfahren, dann nehmen wir uns als dieser Punkt nur in einer Linie liegend bzw. von einer Linie wahr, die auch nur den Punkt genau umfasst. Wir können uns nur vor und zurück bewegen. Wir nehmen auch nur ausschließlich Punkt-Möglichkeiten auf dieser Linie wahr. Warum? Unser Blick ist starr in eine Richtung gerichtet und lässt keine weitere zu.