Heilige Stätten in Tibet - Mechthild Venjakob - E-Book

Heilige Stätten in Tibet E-Book

Mechthild Venjakob

4,6

Beschreibung

Nach Unruhen im gesamten tibetischen Kulturraum im Olympiajahr 2008 flogen Mechthild Venjakob und Erika Nerb im Sommer 2009 von Chengdu, Hauptstadt der chinesischen Provinz Sichuan, nach Lhasa. Trotz verschärfter Einreisebestimmungen für Ausländer überwanden sie alle Hürden. Sie besuchten Klöster und heilige Seen und erlebten den Kailash, das "Schneejuwel" der Tibeter, als Krönung ihrer Reise.

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INHALT

Karte

Vorwort

Aufblühen und Vergehen eines spirituellen Landes

Lhasa und Umgebung

Ankunft in einer chinesischen Stadt

Der Jokhang, das Nationalheiligtum Tibets

Der Potala und der Norbulingka

Drepung, Sera und Ganden – die Säulen des Staates

Die alten Meditationshöhlen von Drayerpa

Der Namtso-See, einer der drei heiligen Seen

Hohe Pässe und dünne Luft auf dem Weg zum Kailash

Fahrt zum Tashilhunpo-Kloster in Shigatse

Von Shigatse über Sangsang nach Saga

Das große Ziel rückt näher

Ankunft in Darchen

Am Kailash und am Manasarovar-See

Die Rückfahrt

Vom Manasarovar-See nach Gyantse

Die Klosterstadt Gyantse mit dem Kumbum-Schrein

Am Kharola-Gletscher und am Yamdrok-See

Abschied

Anhang

Zum Buddhismus

Glossar

Literaturhinweise

Ein Reiseleben

Weitere Bücher

Tibet:

Die grüne Linie zeigt den heutigen Grenzverlauf,

die blaue, die Amdo und Kham umfasst, den alten.

Die rote Linie folgt der Reiseroute von Lhasa zum Kailash.

Der Manasarovar-See liegt im Schatten des Kailash.

Käse und Butter vom Yak, unten: kleiner Markt am Potala

VORWORT

Wir hatten einen Traum: Tibet! Uns schwebte eine Reise zum Kailash vor, Pilgerziel mehrerer Religionsgemeinschaften in Asien. Das Gelingen dieser Fahrt schien mehr als fraglich, denn bis vor kurzem war Tibet für ausländische Besucher komplett gesperrt. Es hatte schwere Unruhen gegeben: Die Mönche in Lhasa demonstrierten im März 2008 für die Unabhängigkeit ihres Landes. Sie erinnerten an den 49. Jahrestag des Aufstandes der Tibeter gegen die chinesische Besatzungsmacht. Kurz vor Beginn der Olympischen Spiele in Peking sah die Weltöffentlichkeit bestürzt zu, wie chinesische Soldaten auf tibetische Demonstranten einprügelten, nicht nur in der autonomen Region selbst, sondern auch in den angrenzenden Provinzen, in denen die tibetische Kultur zu Hause ist. In München, Paris, Kopenhagen, Washington, Melbourne, Berlin und in anderen Städten wurde gegen das Vorgehen Chinas protestiert. Stimmen wurden laut, die Olympiade zu boykottieren. Das Olympische Komitee, die EU-Kommission und auch der Dalai Lama entschieden sich dagegen. Die Olympischen Spiele fanden 2008 in Peking statt.

Im Sommer 2009 flog ich mit Erika Nerb, einer langjährigen Reisebekanntschaft, nach Chengdu, der Hauptstadt der Provinz Sichuan in China. Westliche Besucher durften über eine Reiseagentur wieder nach Tibet einreisen. Nach einigem Suchen fanden wir ein kompetentes und vertrauenswürdiges Reisebürto in Chengdu mit einer Zweigstelle in Lhasa. Wir buchten eine Sechstagestour. Klöster, Paläste und Tempel in und um Lhasa standen neben dem Namtso-See auf dem Programm. Eine Woche hatten wir Zeit, um uns an die dünne Luft zu gewöhnen. Für die Weiterreise zum Kailash organisierte das Reisebüro mehrere Besucherscheine und eine verlängerte Aufenthaltsgenehmigung. Wir überwanden alle bürokratischen Hürden. In einem Jeep reisten wir zum heiligsten Berg auf Erden. Wir besuchten Klöster und Seen und erlebten den Kailash, das „Schneejuwel“ der Tibeter, als Krönung unserer Reise.

Padmasambhava brachte im 8. Jahrhundert die buddhistische Lehre nach Tibet.

Er gründete Samye, das älteste Kloster des Landes.

AUFBLÜHEN UND VERGEHEN EINES SPIRITUELLEN LANDES

Das Qinghai-Tibet-Plateau in China ist das höchste, größte und geologisch jüngste der Erde. Seine Durchschnittshöhe beträgt gut viertausend Meter. Kaum vorstellbar, aber vor Jahrmillionen entstieg es einem Urmeer, dem Tethysmeer. Die subindische Kontinentalplatte driftet bis heute auf dem heißen, flüssigen Erdinneren nordwärts, schiebt sich unter die asiatische und drückt die Erdkruste gen Himmel. Das Dach der Welt entstand und mit ihm seine gezackte Randkrone im Süden, der Himalaja. Allein vierzehn über achttausend Meter hohe Berge ragen empor und siebzehntausend Gletscher fließen aus eisigen Höhen zu Tal. Der 8848 Meter hohe Mount Everest, der höchste Berg der Erde, liegt auf der Grenze zwischen Tibet und Nepal. Er wächst zwei Zentimeter im Jahr, denn noch immer heben sich die Berge.

Tibet reicht weit über seine heutigen, von den Chinesen festgelegten Grenzen hinaus. „Kham“ und „Amdo“, die Randbezirke, die zum freien Tibet gehörten, liegen jetzt in den chinesischen Provinzen Yunnan, Sichuan, Gansu und Qinghai.

Die Geschichte Tibets begann Anfang des 7. Jahrhunderts mit Songtsen Gampo, dem ersten König Tibets, der von 618 – 649 herrschte. Er vereinte die rivalisierenden Königreiche und errichtete seinen Palast an der Stelle des heutigen Potala. Nach kriegerischen Auseinandersetzungen mit China nahm er im Jahr 635 Wen Cheng, eine buddhistische Prinzessin vom chinesischen Tang-Hof zur Frau. Seine zweite Gemahlin, Bhrikuti aus Nepal, war ebenfalls Buddhistin. Der Buddhismus entstand neben der alten Bön-Religion, die bis zum heutigen Tag ihre Anhänger hat, wenn auch in reformierter Form. Sie beeinflusste die Lehrinhalte des Buddhismus und, umgekehrt, gingen buddhistische Elemente in die Bön-Religion ein.

Mitte des 8. Jahrhunderts tauchte ein Magier und Lehrmeister aus Indien in Tibet auf, Padmasambhava, der Lotosgeborene. Er führte den Mahayana-Buddhismus ein. Der „kostbare Lehrer“, wie er auch genannt wird, integrierte die Götter und Dämonen der bestehenden Bön-Religion in das buddhistische Pantheon. Geschickt wies er ihnen eine Schutz- und Wächterfunktion zu. Er rief die Nyingma-Schule, beziehungsweise den Rotmützenorden ins Leben, der sich knapp fünfhundert Jahre später vom Gelbmützenorden absetzen würde. Er erbaute Samye, das erste und damit älteste Kloster Tibets. Die Mönche begannen, die Lehrreden Buddhas ins Tibetische zu übersetzen.

Padmasambhava wurde auf wunderbare Weise aus einer Lotosblüte geboren. Der Legende nach schickte Amitabha, der Buddha des grenzenlosen Lichts, einen Sonnenstrahl vom Himmel zu einem See in Oddiyana, dem damaligen Ghandara, auf dem die Blüte schwamm. Die Blüte wandelte sich zu dem achtjährigen Padmasambhava. Er kam als Verkörperung des Amitabha zur Welt. Alle Buddhisten verehren ihn, in vielen Tempeln steht seine Statue. Man erkennt ihn an seinem starren Blick. In seiner Linken hält er eine mit einem Lebenselixier gefüllte Vase, die aus einer Schädelschale aufragt, in seiner Rechten den diamantenen Donnerkeil, den Vajra, der die Unzerstörbarkeit der Lehre und ihre höchste Wahrheit symbolisiert. Sein magischer Stab ist ein Dreizack, mit dem er das Anhaften des Menschen an die Dinge dieser Welt, seine Ablehnung und seine Gleichgültigkeit vernichtet, die drei irrigen Geisteshaltungen, die aus Sicht der Buddhisten die Welt spalten.

Im 13. und 14. Jahrhundert überrannten die Mongolen das Dach der Welt. Als Mitte des 14. Jahrhunderts ihre Macht zusammenbrach, begann die Hochblüte der tibetischen Klosterkultur. Anfang des 15. Jahrhunderts gründete der große Reformator Tsongkhapa die Gelugpa-Tradition, die Schule der Tugendhaften. Im Gegensatz zu den Rotmützen tragen die Mönche der Gelugpa-Sekte einen gelben Hut. Die Klosterstädte Ganden, Sera und Drepung entstanden. Die Anzahl der Mönche wuchs und die Linie der Dalai Lamas begann. Als geistige und politische Führer bestimmten sie von jetzt an die Geschicke Tibets.

In der Mitte des 20. Jahrhunderts brach das Unheil über Tibet herein. Kaum hatten die Kommunisten unter Mao Zedong die Herrschaft über das chinesische Volk gefestigt, marschierte die Armee 1950 nach Tibet ein und unterwarf das Land. Die Tibeter rebellierten mehrfach. Die Situation eskalierte 1959, als die Chinesen die Aufstände blutig niederschlugen. Der Dalai Lama, das geistige Oberhaupt der Tibeter, floh mit Tausenden seiner Landsleute nach Indien. Der damalige Premierminister Nehru gewährte den Flüchtlingen Asyl. Noch heute leben der Dalai Lama und etwa fünftausend Tibeter in Dharamsala im indischen Himalaja. Bei den Aufständen von 1959 sollen siebenundachtzigtausend Tibeter ums Leben gekommen sein.

Die Gräueltaten der Roten Garden unter Mao sollten sich noch steigern. Während der Kulturrevolution (1966 – 1976) zerstörten sie unzählige Klöster, ermordeten die Mönche oder verurteilten sie zu Zwangsarbeiten. Die Verwüstungsorgie war unvorstellbar, sowohl in Tibet als auch in China selbst. Über Jahre war jegliche Religionsausübung in China verboten. Erst 1976, nach Maos Tod, lockerten sich die Bestimmungen. Offiziell besteht seitdem Religionsfreiheit. In Wirklichkeit jedoch werden die Tibeter weiterhin unterdrückt.

Das Land ist heute noch tief religiös. Die Menschen murmeln ihre Mantras, um den Geist zu reinigen, drehen ihre Gebetsmühlen und lassen ihre Gebetsketten durch die Finger gleiten. Sie besuchen ihre Heiligtümer und werfen sich vor heiligen Statuen nieder. Sie umrunden auf staubigen Wegen und Straßen Körperlänge für Körperlänge heilige Stätten. Manchmal sind sie monatelang, sogar Jahre unterwegs, um die Strecke von ihrem Dorf nach Lhasa auf diese Art und Weise zurückzulegen.

Lhasa selbst ist mittlerweile eine chinesische Stadt. Die chinesische Regierung lockte chinesische Bürger mit Sonderzuwendungen nach Tibet. 1950 lebten etwa fünfundvierzigtausend Menschen in Lhasa, heute sind es über zehnmal mehr.

Rikschafahrer in Lhasa

Lhasa und Umgebung

Ankunft in einer chinesischen Stadt

Die Maschine schwebt über dem Flughafen Gongkar, fünfundsechzig Kilometer von Lhasa, der Hauptstadt Tibets, entfernt. Nach einem Flug über Wolken scheint nun die Sonne. Wir blicken hinunter auf das braun gebrannte tibetische Plateau, auf Häuser und Ortschaften und setzen zur Landung an. Als ich Tibet 1984 zum ersten Mal besuchte, standen hier noch keine Gebäude, nur eine geteerte Landebahn verlor sich damals in der Weite. Heute, fünfundzwanzig Jahre später, stehen wir in glänzenden Flughallen und holen unser Gepäck vom Gepäckband statt, wie damals, von der Wiese. Die dünne Höhenluft verspüre ich sofort, die Beine werden schwer, doch ich bin glücklich – und Erika wohl auch.

Ein großes Problem macht unseren Besuch ungeheuer spannend: Erika hat nur vier Wochen Zeit. Sie muss pünktlich zur Arbeit nach Deutschland zurück. Den internationalen Rückflug haben wir schon gebucht. Die Besucherscheine für eine Woche Lhasa kamen per Expresspost von Lhasa nach Chengdu. Am Montag hatten wir die erste Reisewoche beantragt und heute, am Donnerstag, sitzen wir im Flugzeug nach Tibet.

Und jetzt sind wir da! Der erste Schritt ist getan!

Am Ausgang leuchten unsere Namen auf einem Schild in der Menschenmenge auf: Welcome to Tibet! Zwei Leute vom Reisebüro holen uns im Jeep vom Flughafen ab. Als Willkommensgruß hängen sie uns einen weißen Seidenschal um den Hals. Wir fühlen uns geehrt.

Die holprige Erdstraße, die einst nach Lhasa führte, gehört der Vergangenheit an, man hat eine neue Asphaltstraße gebaut und sogar einen Tunnel durch einen Berg getrieben, um die Strecke um fast die Hälfte zu verkürzen. Viele neue Häuser säumen den Weg,