Heinrich VIII., seine Töchter und andere Verwandtschaft - Walter Brendel - E-Book

Heinrich VIII., seine Töchter und andere Verwandtschaft E-Book

Walter Brendel

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Beschreibung

Als Heinrich VII. stirbt und Heinrich VIII. den Thron besteigt, entpuppt er sich als ein ganz anderer König, als es sein Vater jemals war. Maria Tudor strebte nun die Krone an, die aber auch Lady Jane Grey als Erbin von König Eduard VI. beanspruchte. Sie unterlag jedoch Maria I., die von ihrem Vater König Heinrich VIII. testamentarisch als Erbin nach Eduard VI. vorgesehen war und das Testament von Eduard VI. hatte keine Gültigkeit. Maria ließ Jane in den Tower werfen und am 12. Februar 1554 enthaupten. Maria Tudor ist die erste Frau auf Englands Thron, die erzkatholische Fanatikerin lässt Andersdenkende verbrennen. Nach ihrem Tod der verfestigt sich der Mythos der blutigen Maria Tudor. Bereits vor 450 Jahren setzte man auf "Fake News" und stilisierte Schottlands schöne Königin, Maria Stuart, zur katholischen Märtyrerin, weil sie unter der protestantischen Elisabeth I. hingerichtet wurde. Dabei wird unterschlagen, dass Marias Ehrgeiz, Königin von England zu werden, alles dominierte. Sie wollte ihre Rivalin vernichten. England kannte zwar die Thronfolge über die weibliche Linie, aber nicht die erfolgreiche Regierung einer Königin über Jahre hinweg, wie sie dann erstmals Elisabeth I. vorexerzierte.

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Walter Brendel

Impressum

Texte:             © Copyright by Walter Brendel

Umschlag:      © Copyright by Gunter Pirntke

Verlag:

Das historische Buch, Dresden / Brokatbookverlag

Gunter Pirntke

Mühlsdorfer Weg 25

01257 Dresden

[email protected]

Inhalt

Einführung

Der König und Vater

Die ungeliebten Töchter

Die Feindin aus Schottland und ihren Verschwörungen (Maria Stuart)

Schlussbemerkungen

Einführung

König Heinrich VII. ist der erste König der neuen Tudor-Dynastie, hat aber nur einen zweifelhaften Anspruch auf den Thron. Heinrich VII. braucht einen Erben, um seine Position zu festigen. Im Jahr 1486 ist es endlich so weit, Elisabeth von York bringt einen Sohn zur Welt, der Arthur getauft wird. Erst fünf Jahre später wird der zukünftige Heinrich VIII. geboren. Die Zeit, die der König neben den Regierungsgeschäften mit seiner Familie verbringt, widmet er fast ausschließlich dem Prinzen Arthur, seinem Thronfolger. Prinz Heinrich, der Kleriker werden soll, ist frei von allerlei Verpflichtungen und wächst in der Obhut seiner Mutter Elisabeth und seines Onkels Arthur Plantagenet auf. Und der ist es höchstwahrscheinlich, der ihn in das Lanzenstechen einführt - was zeitlebens eine große Leidenschaft von Heinrich bleiben sollte. Als sein älterer Bruder plötzlich stirbt, ruht der Fortbestand der Tudor-Dynastie auf Heinrich. Jeder Schritt des Thronfolgers wird kontrolliert, er ist von Männern umgeben, die ihn gängeln und mit der Vorbereitung auf sein Regierungsamt langweilen.

Der Prinz hatte sich längst an ein sorgenfreieres Leben gewöhnt. Als Heinrich VII. stirbt und Heinrich VIII. den Thron besteigt, entpuppt er sich als ein ganz anderer König, als es sein Vater jemals war.

Maria Tudor, die erste Frau auf Englands Thron und eine Pionierin in der englischen Monarchie. Jedoch festigte sich nach ihrem Tod der Mythos der blutigen Maria Tudor - eine Erfindung von Königin Elisabeth? Nein, keine Erfindung. Sie wollte für das Seelenheil ihrer Untertanen sorgen, sie vor der Gefahr ewiger Verdammnis retten und dazu war ihr jeder Scheiterhaufen recht. Marias fünf Jahre währende Regierung sähe man heute als wegweisend im Kampf für Geschlechtergleichheit, hätten nicht tendenziöse Zeitgenossen daran gearbeitet, ihr Andenken nachhaltig zu beschädigen - allen voran ihre ehrgeizige Halbschwester Elisabeth I. Diese ließ während ihrer Regierungszeit Maria gezielt dämonisieren. Je düsterer das Bild der erzkatholischen Maria, desto strahlender sollte ihr eigenes Bild wirken: das der siegreichen "Gloriana", die England ein für alle Mal vom Aberglauben an die rückständische Papstkirche befreit hat.

Maria I. wollte eine gottgefällige Königin und gute Ehefrau zu sein. Diese Ideale ließen sie schmerzvolle strategische Fehlentscheidungen treffen. Etwa, dass sie ihrem Mann, dem spanischen König Philipp II., englische Truppen, Waffen und Schiffe für seine Kriege auf dem Festland zur Verfügung stellte.

Das Buch beleuchtet Marias Werdegang: als kindliche Thronerbin, als degradierte Zofe der eigenen Schwester und schließlich als erste Frau auf Englands Thron. Welche Talente und Sehnsüchte, Eigenheiten und Schicksalsschläge prägten sie? Und welche ihrer zahlreichen Errungenschaften sollte sich später ihre Schwester, Königin Elisabeth I., ans Revers heften?...

Bereits vor 450 Jahren setzte man auf "Fake News" und stilisierte Schottlands schöne Königin, Maria Stuart, zur katholischen Märtyrerin, weil sie unter der protestantischen Elisabeth I. hingerichtet wurde. Dabei wird unterschlagen, dass Marias Ehrgeiz, Königin von England zu werden, alles dominierte. Sie wollte ihre Rivalin vernichten.

Die Welt der Legenden kennt sie als katholische Märtyrerin: Maria die Heilige, die Rechtgläubige, die ihr Blut für die katholische Kirche vergoss. Aber auch: Maria die Schöne, die für ihre Liebe zu den falschen Männern mit dem Leben bezahlte.

Bereits zur Zeit der Gegenreformation setzte man gezielt auf Fake News und schuf propagandistische Legenden um die schottische Königin. Geschichtsmythen als Instrumente politischer Agitation gegen die protestantischen Herrscher Englands.

Zahlreiche historische Dokumente aus Archiven der Stuart- und Tudor-Zeit belegen nämlich deutlich: Schottlands Königin war weniger Opfer als Täterin im Ringen um den englischen Thron, auf den sie aus katholischer Sicht ein besseres Recht zu haben glaubte als ihre königliche Cousine Elisabeth. 30 Jahre lang scheute Maria Stuart weder Mordkomplotte noch andere Intrigen, um die englische Krone an sich zu reißen. Bevorzugtes Mittel ihrer Wahl: Mordpläne fanatischer Katholiken.

Britische Historikerinnen und Historiker haben keinen Zweifel daran: "Marias Ehrgeiz, Königin von England zu werden, dominierte alles. Sie wollte Elisabeth vernichten", so die englische Historikerin Tracy Borman.

Edward Tudorwar als dritter Monarch der Tudordynastie von 1547 bis 1553 König von England und Irland. Er war der einzige überlebende legitime Sohn Heinrichs VIII. (mit seiner dritten Frau Jane Seymour) und bestieg nach dessen Tod als Neunjähriger den englischen Thron. Da er bereits im Alter von 15 Jahren starb, bestand während seiner gesamten Regierungszeit ein Regentschaftsrat, der zunächst von seinem Onkel Edward Seymour, 1. Duke of Somerset (1547–1549), und nach dessen Hinrichtung von John Dudley, 1. Duke of Northumberland (1550–1553), bestimmt wurde. Mit Edwards Tot starben die männlichen Herrscher der Tudors aus.

Maria Tudor strebte nun die Krone an, die aber auch Lady Jane Grey als Erbin von König Eduard VI. beanspruchte. Sie amtierte kurz vom 10. bis zum 19. Juli 1553. Seither hat sie den Beinamen Neuntagekönigin. Sie unterlag jedoch Maria I., die von ihrem Vater König Heinrich VIII. testamentarisch als Erbin nach Eduard VI. vorgesehen war und das Testament von Eduard VI. keine Gültigkeit. Maria ließ Jane in den Tower werfen und am 12. Februar 1554 enthaupten. Der Anspruch von Jane war aber auch durchaus durch ihre Eltern, Henry Grey, 1. Duke of Suffolk, und dessen Ehefrau Frances Brandon, Tochter von Mary Tudor und Nichte von König Heinrich VIII., legitim.

Der König und Vater

Wollen wir uns an der Fernsehserie der USA von 2007–2010 unter dem Titel The Tudors orientieren, würde das uns wenig weiterhelfen, die Serie war zwar schön und interessant, hatte am wenig mit der historischen Figur Heinrich VIII. zu tun. Das fing bereits mit der Ähnlichkeit zu den historischen Gestalten der Serie an. Der Hauptdarsteller Jonathan Rhys Meyers ist zwar ein hübscher Mann, ähnelt aber sehr wenig den jungen Prinzen und gleich gar nicht den alternden König. Das fiel übrigens schon bei den zwei Ausgaben der Borgias auf. In der US-Serie The Borgias von Oscarpreisträger Neil Jordan erinnert der Hauptdarsteller Jeremy John Irons hatte nicht der geringste Ähnlichkeit mit Rodrigo Borgia. In der international koproduzierte Fernsehserie, die unter anderem vom ZDF und dem ORF kofinanziert wurde, „Die Borgia“ war man zu mehr Ähnlichkeit inspiriert und es wurde eine gewisse Ähnlichkeit durch Hauptdarsteller John Doman bescheinigt, aber hier nahm man es noch weniger genau mit der historischen Wahrheit, wie bei den Tudors. Doch kehren wir zu Heinrich VIII. zurück.

Würde man eine Umfrage nach den bekanntesten und populärsten Monarchen Englands innerhalb und außerhalb der Insel – da würde Heinrich VIII. ganz weit oben erscheinen, ich schätze platzgleich mit den Königinnen Elisabeth und Victoria und vielleicht noch vor dem Kreuzfahrer Richard Löwenherz. Das Image spielt dabei – glaube ich – keine so große Rolle. Der gut gebauten Tudor-Königs begründet s sein Nachruhm doch zunächst auf den Ruf als scheidungswütiger sechsfacher Ehemann und auf die wenig galante Art, mit der er lästig gewordene Gattinnen aus dem Weg räumte. (Im Gegensatz zur weitverbreiteten Populärmeinung hat er aber nicht alle seine Ehefrauen köpfen lassen - hier vermischt sich der reale Heinrich mit dem „König Blaubart“ der Gruselsage – ähnlich wie bei August der Starke und seine 354 Kinder.) Doch gerade die Briten hätten aber allen Grund über das Ehebett Heinrichs hinauszublicken. Denn es war dieser König, so in Gang gesetzt hat, wurde zum Kern des „Englisch-Seins“. Da wären der eigenständige Protestantismus der Insel zu nennen, die Rolle des Parlaments als Verfassungsorgan und die Unterstützung seiner Nation. Und indem König und Volk gemeinsam die Scheidung von Rom und den Ehefrauen des Königs mit all ihren Konsequenzen durchzogen, hatten sie eine Partnerschaft begründet, die ihrerseits „unscheidbar“ geworden war. Dass darüber viele Köpfe rollten, das war wiederum die persönliche „Handschrift“ Heinrichs. Ein leises Schauern gehört halt zur königlichen Geschichte.

Aber jeder Sterbliche muss mal von dieser Welt gehen und auch Könige bilden dabei keine Ausnahme. Und auf dem Sterbebett zieht dann so ein ganzes Leben vorbei….

***

Neblig und grauverhangen hat das Jahr 1547 über dem britischen Inselreich begonnen. Es ist, als ob es dem Sterben König Heinrichs, dem Achten dieses Namens auf dem Throne Englands einen verhüllenden Mantel umtun wolle, so wenig edel vollzieht sich dies Sterben. Langsam und kläglich schleppt es sich hin. Grämliche, unter Jammern und Stöhnen verbrachte Wochen wechseln ab mit kleinen Besserungszeichen, in denen der Kranke neue Hoffnung schöpft. Aber der Körper des Königs ist verbraucht, ausgehöhlt von wüstem Leben, zerstört von den vielen Süchten, denen er nachgegeben hat, und seine einst so strotzende, gewalttätige Lebenskraft ist matt und siech geworden.

Auf seinen Porträts tritt uns Heinrich VIII. als kraftstrotzende Verkörperung von Macht und Selbstbewusstsein entgegen. In seinen frühen Mannesjahren war Heinrich ein Kraftmeier gewesen. Neben bis heute populären Sportarten wie etwa dem Tennis widmete er sich auch typisch mittelalterlichen Vergnügungen wie Turnierkämpfen. Sein letztes Turnier am 29. Januar 1536 endete jedoch damit, dass der König aus dem Sattel geworfen wurde und zwei Stunden lang bewusstlos blieb. An den Schock dieser Nachricht hin erlitt Anna Boleyn wenige Tage später eine Fehlgeburt, die sie endgültig die Sympathie ihres Gemahls kostete.

Der Reitunfall verschlimmerte Leiden, das sich seit 1528 bemerkbar gemacht hatte: Offene Stellen an Beinen. Heute lässt sich kaum mehr entscheiden, ob die „Geschwüre“ unbehandelten Krampfadern herrührten. Ebenso möglich ist, dass sie eine frühere Turnierverletzung zurückgingen, bei der Knochenteile abgesplittert waren und sich immer wieder im Fleisch entzündeten.

Es kann kaum überraschen, dass Heinrich in den Verdacht geriet, sich im Laufe seines umtriebigen Lebens eine Geschlechtskrankheit zugezogen zu haben. Im späten 20. Jahrhundert galt es als ausgemacht, er habe an der aus der Neuen Welt eingeschleppten Syphilis gelitten. Die „Franzosenkrankheit“ wurde auch für die angebliche Zeugungsunfähigkeit in den späteren Jahren des Königs verantwortlich gemacht. In neuesten Erkenntnissen über Heinrichs Krankengeschichte spielen venerische Leiden keine Rolle mehr. Fest steht dagegen, dass jahrzehntelanges maßloses Essen und Trinken zu Fettleibigkeit und Gicht führten. In Verbindung mit seinem schlimmen Bein wurde der König nahezu bewegungsunfähig: Bei der Heirat mit Katharina Parr war der 52-Jährige bereits so korpulent, dass er nur auf einen Stock gestützt gehen konnte. Wenig später musste er sich mit einem Tragstuhl oder einer Sänfte transportieren lassen. Dieser erzwungene Bewegungsmangel machte Heinrich zunehmend unleidlich, ja aggressiv. In seinen letzten Monaten litt der König an fortschreitender Niereninsuffizienz, die seinen Körper immer stärker aufschwemmte. Ein kurz vor seinem Tode angefertigtes Portrait zeigt einen aufgedunsenen Mann, dessen Gesichtszüge kaum mehr wiederzuerkennen sind.

Jedoch noch atmet und lebt er, noch ist er König, noch kann sein Wille Verfügungen treffen, von denen Wohl und Wehe seines Staates abhängen.

Denn diesem Herrscher aus dem Hause Tudor ist es ja gelungen, im Laufe einer fast vierzigjährigen Regierungszeit sich zum absoluten Herrn in seinem Lande zu machen. Nicht, dass er so unklug gewesen wäre, das seit Jahrhunderten bestehende englische Parlament geradenwegs auszuschalten -dazu war sein Herrscherinstinkt zu verschlagen und rege. Auch auf versteckten, unübersichtlichen Wegen kann ein Herrscher zum Ziele gelangen:

Dem Anschein nach stets legal. Willkürakte mit „Gesetzen" tarnend, so ist Heinrich der Achte langsam in der Macht vorwärtsgedrungen, mancher Schritt nur tastend getan in dunklem herrscherlichen Ahnen, manche Regierungstat von bewusster, auf Jahre hinaus gerichteter Berechnung, immer als treibende Kraft in sich das Streben, Alleinherrscher über England zu werden, seinen, den königlichen Willen, als den obersten und endgültigen in England zu stabilisieren. Letztlich vieles seines Erbsicherungsbemühungen unterworfen.

Um dies Ziel zu erreichen, hat er List und Schläue zu Hilfe nehmen müssen. Schiefe Entscheidungen waren nötig, schwere unkönigliche Wortbrüche hat er sich zuschulden kommen lassen -er hat sie auf sein breites Gewissen genommen. Grausam und bedenkenlos hat er edelstes englisches Blut vergossen, wenn Frauen und Männer seiner Zielrichtung im Wege standen könnten sie wieder aufwachen, die Tausende, die er aufs Blutgerüst geschickt hat, sie würden ein ihn erschreckendes Heer bilden. Des Königs Habgier ist so groß gewesen wie seine Prunksucht, leibliche Begierden haben ihn beherrscht und haben ihn oft genug klein und verächtlich gemacht. Sechs Gemahlinnen hat er sich nacheinander antrauen lassen. Zwei von ihnen hat er verstoßen, zwei hat er hinrichten lassen, nur eine ist, ehrlich von ihm betrauert, nach einjähriger Ehe bei der Geburt des ersehnten Thronfolgers gestorben. Die letzte und sechste, die er an seine Seite gezwungen hat, muss den inzwischen wehleidig Gewordenen päppeln, muss ihm heilenden Tee einträufeln und mit besänftigenden Worten das schmerzende Gichtbein wickeln. „Geschieden, Geköpft, Gestorben, Geschieden, Geköpft, Überlebt“ ist der Abzählreim, den englische Kinder noch heute zu den sechs Ehefrauen kennen.

Wie oft hat dieser König bei seinen Regierungsentschlüssen jämmerlich gezaudert oder hat Verantwortung und Schuld auf andere geschoben! Er hat die Augen verschlossen vor dem tausendfachen Elend seiner durch die Habsucht der adligen Grundbesitzer und später durch seine eigenen Maßnahmen landlos gewordenen Bauern, er hat die hungernd Umherirrenden gar noch bestraft, indem er sie an den Galgen brachte. Und doch ist, historisch gesehen, seine Regierungszeit dem Lande zum Vorteil ausgeschlagen: das kleine Inselreich, vorher ein von Thronstreitigkeitskriegen zerrütteter Staat, unbedeutend auf der Waagschale der europäischen Interessen, ist unter ihm national selbstbewusst geworden. Die englische Wirtschaft strebt neuen Formen zu. Manufakturen sind entstanden, kaufmännischer Geist fühlt sich angeregt zu weitreichenden Unternehmungen, immer kühner befahren englische Händler die See. Ja, der Tag ist nicht mehr fern, wo sich die englische Kriegsflotte mit der bisher mächtigsten und größten, der spanischen, messen, sie besiegen und die englische Vorherrschaft zur See begründen wird.

Hochgebildet war er, der Renaissance-Herrscher der Insel. Er sprach mehrere Sprachen und korrespondierte mit den geistigen Größen seiner Zeit.

Wie kam Heinrich Tudor überhaupt als König nach England?

***

Ausgangspunkt war der sogenannte Rosenkrieg, der den Namen für die mit Unterbrechungen von 1455 bis 1485 geführten Kämpfe zweier hochadeliger Familien um die englische Thronherrschaft gab.

Der Name bezeichnet eine Reihe von Kampfhandlungen zwischen den beiden rivalisierenden englischen Adelshäusern York und Lancaster, die zwei verschiedene Zweige des Hauses Plantagenet darstellten und die beide ihre Stammlinie auf König Edward III. zurückführen konnten. Die Wappen dieser Familien enthielten Rosen (eine rote Rose für Lancaster, eine weiße Rose für York), sodass sich für diesen Konflikt später der Name Rosenkrieg etablierte. Allerdings lässt sich in den zeitgenössischen Quellen die Identifizierung der Rosen mit den jeweiligen Häusern nur bedingt nachweisen.

Die Ursachen für den Konflikt waren zum einen der dynastische Zwist zwischen York und Lancaster, zum anderen die strukturelle Schwäche und politischen Fehlschläge und Misserfolge des regierenden Hauses Lancaster, vor allem in Bezug auf die Niederlagen in Frankreich. Der dynastische Konflikt begann mit der Entmachtung des Königs Richard II. durch seinen Cousin Heinrich Bolingbroke im Jahr 1399. Heinrich war der Sohn von Johann von Gent, Herzog von Lancaster, dem dritten Sohn des verstorbenen Königs Edward III. Indem er als Heinrich IV. den Thron bestieg, überging er die Ansprüche Edmund Mortimers, des Grafen von March, eines Urenkels von König Edwards zweitem Sohn Lionel von Antwerpen, Herzog von Clarence. Edmund Mortimer, der 1399 erst acht Jahre alt gewesen war, akzeptierte die Lancaster-Könige. Als er jedoch 1425 kinderlos starb, gingen die Thronansprüche des Hauses March auf seinen Neffen Richard, den 3. Herzog von York, über. Zudem zeigte der inzwischen regierende Lancaster-König Heinrich VI. Zeichen von Geistesschwäche. Ihm wurde von mehreren Adelsfamilien, allen voran dem Hause York, vorgeworfen, er umgäbe sich mit schlechten Ratgebern und übe eine schwache Regierung aus – was in Teilen durchaus der Wahrheit entsprach. Richards größter Konkurrent war Edmund Beaufort, Herzog von Somerset, der zusammen mit Heinrichs Frau Margaret die tatsächliche Regierungsgewalt ausübte. Dabei ging es auch um Geld. Solange Somersets Partei die Hofpartei blieb, drohte Richard der finanzielle Ruin. Denn der König war bei beiden verschuldet. Er konnte letztendlich den einen nur dann bezahlen, indem er den anderen ausnutzte. Richard von York befand sich in einer äußerst prekären Lage. Somerset musste beseitigt werden.

Problematisch ist die Bewertung dieser Vorgeschichte aufgrund der Tatsache, dass sie vom Geschichtsbild des letztendlich siegreichen Hauses Tudor geprägt ist. Da die Tudors den Thron faktisch usurpierten, benötigten sie eine Rechtfertigung und fanden diese in einer negativen Kennzeichnung des Hauses York.

Richard Plantagenet, 3. Herzog von York, machte sich nach den Niederlagen der englischen Streitkräfte in Frankreich zum Wortführer der Opposition. Neben seinen Thronansprüchen war er auch einer der reichsten Männer Englands. Außerdem genoss er die Unterstützung des einflussreichen Richard Neville, 16. Earl of Warwick, (der „Königsmacher“), eines Neffen seiner Frau Cecily.

Das Jahr 1453 war geprägt von mehreren entscheidenden Ereignissen: der Niederlage und dem Tod des englischen Heerführers John Talbot bei Castillon in Südfrankreich (17. Juli), dem vermutlich hierdurch ausgelösten Nervenzusammenbruch Heinrichs VI. im August, der Geburt des Thronfolgers Edward of Westminster (13. Oktober) und der Gefangensetzung Somersets im November. Als Folge der anhaltenden Geisteskrankheit des Königs wurde Richard von York im März 1454 zum Lordprotektor bestellt.

Dies veranlasste die Lancastrische Partei, die sich um die Königin Margarete von Anjou sammelte, zum Handeln. York wurde 1455 zur Aufgabe seines Amtes gezwungen und zog sich auf seine Ländereien im Norden zurück. Für den 21. Mai 1455 wurde ein Großer Rat in Leicester in Mittelengland einberufen. York sammelte inzwischen Truppen, mit denen er auf London marschierte und seine Gegner am 22. Mai bei St Albans nördlich von London angriff. Die Erste Schlacht von St Albans endete mit einem vollständigen Sieg Yorks, der zahlreiche seiner Gegner beseitigen konnte, darunter Somerset und den Earl of Northumberland, den König in seine Gewalt brachte und seine früheren Ämter wieder übernahm. Die Jahre bis 1459 waren von politischen Machtkämpfen zwischen Richard of York, nunmehr Lord Lieutenant of Ireland, und Königin Margarete gekennzeichnet.

1459 brachen die Feindseligkeiten zwischen den Parteien erneut aus. Auf einen Sieg der Yorkisten bei Blore Heath im September folgte die Niederlage von Ludlow, nach der sich ihre Armee faktisch auflöste und ihre Anführer in Calais beziehungsweise Irland Zuflucht suchten. Im folgenden Jahr gelang Yorks Neffen Richard Neville, 16. Earl of Warwick die erneute Gefangennahme des Königs in der Schlacht von Northampton (10. Juli), dabei starben wiederum zahlreiche lancastrische Anführer. Im Act of Accord (25. Oktober) ließ sich Richard of York seine Anwärterschaft auf den Thron als Nachfolger König Heinrichs bestätigen. Er fiel jedoch, wie auch sein Schwager Richard Neville, 5. Earl of Salisbury, am 30. Dezember in der Schlacht von Wakefield gegen den Sohn und Erben des Herzogs von Somerset, Henry Beaufort. Hierauf übernahm sein Sohn Eduard die Führung des Hauses York. Am 29. März 1461 besiegte Eduard mit Hilfe Warwicks die Armee der Königin, geführt von Somerset, in der Schlacht von Towton. Mit dieser Schlacht – einer der blutigsten Englands, von den etwa 80.000 Soldaten kamen 20.000 bis 30.000 ums Leben –, die mit der Flucht Heinrichs VI. und seiner Frau nach Schottland endete, fand die erste Phase der Rosenkriege ihren Abschluss und es begann die Königsherrschaft des Hauses York.

In den folgenden Jahren kam es zu einer Entfremdung zwischen Eduard und seinem wichtigsten Verbündeten, seinem Cousin Richard Neville, dem Earl of Warwick. Grund waren Eigensinnigkeiten des Königs, der einer von Richard arrangierten Heirat und einem damit verbundenen Bündnis mit Frankreich nicht zustimmen wollte. Es kam 1469 endgültig zum Bruch und Richard Neville, der „Königsmacher“, schlug sich auf die Seite des Hauses Lancaster, welches auch Unterstützung aus Frankreich erhielt.

1470 musste Eduard in die Niederlande fliehen, doch konnte er auf dem Festland Truppen sammeln und 1471 in der Schlacht von Barnet die Lancastrianer schlagen. Richard Neville fiel in dieser Schlacht, ebenso wie der Sohn Heinrichs VI., Edward of Westminster, in der darauffolgenden Schlacht von Tewkesbury. Kurz darauf wurde Heinrich VI. umgebracht, womit die direkte Linie des Hauses Lancaster ausgelöscht war.

1483 starb Eduard IV. Seine Nachfolge trat schließlich sein Bruder Richard, der Herzog von Gloucester, als Richard III. an, nachdem seine beiden Neffen und Söhne Eduards, Eduard V. und Richard, von ihm in den Tower gebracht worden waren, wo sie anschließend spurlos verschwanden. Den Widerstand gegen Richard, der allerdings von den Geschichtsschreibern der Tudorzeit stark verunglimpft wurde, nutzte Heinrich Tudor aus, um seine Ansprüche, die aus seiner Verwandtschaft mit dem Hause Lancaster resultierten, auf den Thron durchzusetzen.

1485 landete Heinrich in Wales und besiegte in der Schlacht von Bosworth Field Richard, der dort fiel. Heinrich trat als Erbe der Lancasters die Nachfolge an und heiratete die älteste Tochter Eduards IV. und die Schwester der Prinzen im Tower, Elisabeth aus dem Hause York. Dies gilt allgemein als Ende der erbittert geführten Rosenkriege und als Beginn einer Friedensepoche. Heinrich hatte sich jedoch auch danach gegen Prätendenten zu behaupten, besonders im Jahre 1487 gegen Lambert Simnel, der in Irland, einer Hochburg des Hauses York, als der angebliche Sohn des George Plantagenet, 1. Herzog von Clarence, und damit als Neffe von Eduard IV. und Richard III. auftrat. Mit einem Söldnerheer setzte er nach England über und gewann auch die Unterstützung des Earl of Lincoln, den Richard III. zum Thronfolger bestimmt hatte. Heinrich schlug dessen Heer am 16. Juni in der Schlacht von Stoke, nördlich von Nottingham. Simnel geriet in Gefangenschaft und Lincoln fiel. Mit dessen Tod endete das Haus York und auch die Rosenkriege. Auch danach traten hin und wieder „falsche Prinzen“ auf, die jedoch die Herrschaft Heinrichs nicht mehr ernsthaft gefährden konnten.

Spätestens mit der Geburt seines Sohnes Arthur am 19. September 1486 war die Position Heinrichs VII. als König weitgehend stabil. In den folgenden Jahren bemühte er sich vor allem, das Aufstandpotenzial unter den verbliebenen Anhängern des Hauses York zu bekämpfen und die königlichen Finanzen zu stabilisieren. Dazu schuf er eine Reihe von Ämtern, deren Inhaber Gebühren abzutreten hatten. Besondere Steuern, die ein Parlament hätte bewilligen müssen, nahm er nur selten in Anspruch, um die Abhängigkeit von der Versammlung klein zu halten.

York Lancaster

Den Einfluss der großen Adelshäuser drängte Heinrich in der Endphase seiner Herrschaft durch die Einrichtung des Council of the North und des Council of Wales zurück. Diese beiden Versammlungen bezogen jeweils unter dem Vorsitz eines Bischofs nicht nur die Magnaten, sondern auch den niederen Landadel in die politischen Entscheidungen über die jeweilige Region ein. Darüber hinaus richtete Heinrich VII. weitere Beratergremien ein, in denen nicht mehr die Magnaten dominierten, sondern zum Teil auch Mitglieder des Bürgertums einflussreich wurden.

Aus der weißer Rose des Hauses York und der roten Rose des Hauses Lancaster erwuchs die zweifarbige Rose der Tudors - das Symbol Englands.

***

Allein, im grauen, nebelverhangenen Januarmonat 1547 sind erst die Anfangsschritte in dieser Richtung getan. Noch ist nicht entschieden, was von ausschlaggebender Bedeutung für die künftige Entwicklung Englands sein wird: ob die alte Katholische Kirche mit ihren rückschrittlichen, die freie Entscheidungskraft hemmenden Tendenzen, ob das aufgeschlossenere moderne Protestantentum und Politik Englands hinfort bestimmen soll. Die Haltung des Königs war verschwommen und unaufrichtig genug, beiden Seiten Hoffnung zu gewähren. Noch stehen die beiden Kirchen, jede von ihnen bereit, die Führung zu übernehmen, sich als unversöhnliche Weltanschauungen lauernd gegenüber. Welche von ihnen wird den Sieg davontragen?

Seine Eminenz, der Erzbischof von Canterbury, Primas von England ist wohlgemut: Er wird siegen!

Er steht in seinem erzbischöflichen Palast Lambeth in einem geräumigen, nach der Parkseite zu gelegenen Gemach am Fenster und schaut in die aufgewühlte Natur hinaus. Vorbei ist der lastende Nebel der letzten Wochen. Sturm und eisiger Regen brausen seit heute früh über die große, türmereiche Stadt London hinweg. Wie eine seelische Befreiung empfindet der Erzbischof den tosenden Sturm, der die Kräfte zum Handeln aufrüttelt. Endlich muss doch ein Anfang werden! Er fühlt sich frisch und angeregt, obwohl er allen Grund hätte, müde zu sein, denn eine Woche anstrengenden höfischen Dienstes liegt hinter ihm.

Seitdem die Kräfte des Königs begonnen haben, immer schneller zu verfallen, seitdem Heinrich stundenlang ohne Bewusstsein, dann wieder zwar wach, aber nur still vor sich hindämmernd daliegt, duldet er an seinem Bett außer der pflegenden sechsten Gemahlin einzig Thomas Cranmer, seinen zuverlässigen Erzbischof. Cranmer hat dem König viele Jahre in Ergebenheit gedient, so manchen königlichen Verstoß gegen Anstand und Recht hat dieser willfährige, gewandte Mann vor der öffentlichen Meinung mit kirchlichen Argumenten ins Annehmbare umdeuten helfen jetzt soll er dem König die Todesstunde erleichtern.

Und geduldig hat Cranmer am Bett des Sterbenden gesessen, vorgebeugt, immer in derselben Haltung, sein Rücken schmerzend vom langen gekrümmten Sitzen, und hat dem König die Hand gehalten. Der schmerzende Rücken hat den Erzbischof dabei wenig gekümmert. Er ist erst ein Fünfziger, immer noch schlank und elegant von Gestalt, denn er hat ein zuchtvolles Leben in Ordnung geführt -wer Großes anstrebt, muss seine Kräfte gesammelt halten. Weit üblere Strapazen würde Cranmer auf sich nehmen, wenn er damit hätte erreichen können, dass sein König endlich still und gottergeben vor seinen Augen in den Tod eingegangen wäre.

Aber dieses Glück ist Cranmer nicht beschieden gewesen. Zwar hat der König mit Röcheln und matt andeutenden Kopfbewegungen gestern nach dem heiligen Abendmahl verlangt, dem letzten, das er auf Erden nehmen kann. Und Cranmer hat ihm das Abendmahl gegeben. Doch immer noch hat der König weiter geatmet, als Cranmer ihn Stunden später verließ. So dünn freilich war dies Atmen, dass Cranmer überzeugt sein durfte: er hat zum letzten Mal Dienst am König getan, er kann ihn nun abwerfen, diesen Dienst, der fast die ganze Zeit, da er Heinrichs Erzbischof war, ein ihn verzehrender, demütigender Kampf gewesen ist. Mag der König seine letzten Atemzüge aushauchen in den Armen Katharina Parrs, seiner sechsten Gemahlin!

Wieder braust ein Sturmstoß über die Baumwipfel des Parkes heran und schlägt die Regentropfen prasselnd gegen das Fenster, hinter dem Cranmer steht. Aber Cranmer freut sich nur über so viel wilde natürliche Kraft. Lebhaft wendet er sich in das Gemach zurück und nimmt, einen leisen Triumphton in der Stimme, das Gespräch mit seiner Ehefrau wieder auf. Mit seiner Ehefrau? Wie? Ist Cranmer, Mylord von Canterbury, denn nicht ein vom Papst geweihter Erzbischof, der im Zölibat leben muss? Und ist in dem England Heinrichs des Achten die Priesterehe nicht sogar bei Todesstrafe verboten? Ja, sie ist verboten. Und wenn König Heinrich von der Ehe seines Erzbischofs wüsste, hätte er seinen treuen und hilfreichen Cranmer schon längst am Galgen aufknüpfen lassen müssen.

Aber Cranmer ist trotzdem verheiratet. Seit fünfzehn Jahren. Mit einer um zwanzig Jahre jüngeren Frau, die ihm einstmals in Nürnberg nach streng lutherischem Ritus angetraut wurde. Damals hatte Cranmer ja noch geglaubt, es ginge seinem Herrn und König ehrlich um eine Reinigung der kirchlichen Lehre, um eine Befreiung seiner Untertanen aus der mittelalterlichen Glaubensenge. Er hat gemeint, auch der König sei erfasst von dem neuen hinreißenden Ideengehalt des Protestantismus, der die Menschen zu eigenem verantwortungsbewussten Tun aufrufen will. In geheimen Auftrag von Heinrich nach Deutschland gesandt, um das lutherische Glaubenswesen zu erforschen, hat Cranmer nicht gezweifelt, dass er, zurückgekehrt, vom König damit betraut werden würde, nun auch in England die Reformation einzuführen. Erst allmählich hat Cranmer in den folgenden Jahren begreifen müssen, dass es König Heinrich nur darum ging, alle Vorteile abzuschöpfen, die die Reformation den Landesfürsten bot, dass König Heinrich von der Herrschaft des Papstes nur hatte loskommen wollen, um eine ihm lästig gewordene Ehe abschütteln und eine neue mit einer jüngeren, heftig von ihm begehrten Frau einzugehen.

Vergeblich hat Cranmer in seinem Glaubenseifer dem König Ins Gewissen geredet, er solle, wenn er schon von allen Vorteilen einer Reformierung Gebrauch mache, auch die eigentliche Lehre reinigen und die englische Kirche von den vielen entstandenen Missbräuchen befreien! Der König hat auszuweichen gewusst, er bleibt lieber bei der althergebrachten katholischen Kirche. Er besucht weiter das Hochamt, leistet Ohrenbeichte und genießt Absolution, er lässt die anderen katholischen Sakramente, lässt fast alle übrigen kirchlichen Einrichtungen bestehen, auch das Priesterzölibat.

Da war es gut, dass Cranmer, vorsichtig, wie er von Natur ist, seine Eheschließung zunächst geheim gehalten hat. Nur in Nürnberg leben einige geistliche Freunde, die von seiner Ehe mit Margaret wissen, aber die schweigen unverbrüchlich um der protestantischen Lehre willen, die endlich und schließlich doch noch in England durchzusetzen, Cranmer nicht aufhören kann zu hoffen.

Im erzbischöflichen Palast Lambeth freilich ist es nicht verborgen geblieben, und in ganz England munkelt man davon, dass Seine Eminenz von jener Reise nach Deutschland, damals noch ein bescheidener Doktor der Gottesgelehrtheit, zwei deutsche Dienerinnen mit nach England gebracht hat, deren eine richtige Dienerin, die andere aber - sagt es leise und hinter der Hand - sein Liebchen ist.

Nun, warum nicht? Auch Erzbischöfe bleiben Menschen, und wenn man alle die Priester, geistlichen Würdenträger und Pfarrherren aufzählen wollte, die mit einem Weibsstück recht innig zusammen leben, so gäbe das eine lange Liste! Diese lässliche Auffassung hat nicht lange mehr gegolten: es kam die Zeit, wo es den König gelüstete, sich an der Einziehung der Klöster zu bereichern. Ein unermesslicher Goldstrom sollte auf diese Weise in die königlichen Kassen gelenkt werden. Damals hat Cranmer den König überzeugen können, dass die Krone diesen radikalen Schritt gegen die katholische Kirche nur wagen konnte, wenn sie sich auch noch in anderen Punkten zur evangelischen Lehre bekannte. Und wirklich hat der König seinem Erzbischof erlaubt, zehn Artikel zu formulieren, durch die eine Reihe der wichtigsten lutherischen Reformen nun auch in England Gesetz wurden, unter ihnen die Aufhebung des Zölibats. Viele Priester haben voll Hoffnung und Zuversicht daraufhin eine Ehelichste gewählt oder ihre bisherige Bettgenossin öffentlich zur rechtmäßigen Ehefrau gemacht. Cranmer nicht. Er war misstrauisch geworden. Und wirklich: nur drei Jahre dauerte es. nur so lange, bis Heinrich den weitaus größten Teil aller Klöster und Kirchengüter sich einverleibt hatte, da hob er die zehn Artikel Cranmers wieder auf und gab statt ihrer neue, alle eben erst eingeführten Reformen wieder umstoßende Gesetze von so drakonischer Strenge, dass sie im Volke „Blutgesetze" genannt wurden. Nichts mehr von Priesterehe, Zölibat! Bibellesen für Laien? Gott nicht wohlgefällig, also verboten! Das Abendmahl?

Wie von alters her wieder nach katholischem Ritus: für die Gläubigen die Hostie, der Kelch mit Christi Blut allein dem zelebrierenden Priester vorbehalten! Und alle diese Gesetze unter Androhung der Todesstrafe für diejenigen, die sie übertraten, Cranmer aber, oberster Geistlicher des Landes, hatte von Amts wegen für die Einhaltung dieser Gesetze zu sorgen und musste zustimmen, wenn charakterfeste, neu verheiratete Priester, die ihre Ehe nicht wieder auflösen wollten, wenn Priester, die weiter den Laienkelch verabreichten, in befolg der Blutgesetze hingerichtet wurden.

Cranmer selber hat auch damals nicht daran gedacht, sich von seiner Ehefrau zu trennen, nein, so war er nicht. Aber Margaret musste nun noch strenger in dem rückwärtigen Teil des Lambeth Palastes verborgen bleiben. Und Cranmers Hoffnung, doch noch die Einführung des evangelischen Bekenntnisses in England zu bewirken, lag unter bitterem Gram verschüttet. Tot war diese Hoffnung auch damals nicht. Dazu war er zu tief von der Wahrheit der lutherischen Lehre und ihrer Zukunftsbedeutung überzeugt.

Nun liegt König Heinrich im Sterben. Nicht lange mehr wird sein Wille in England gelten. In den Regentschaftsrat für seinen unmündigen Sohn hat er neben den Herzog von Somerset auch den Erzbischof Cranmer berufen, beides Männer, von denen er wissen muss, dass sie im geheimen der protestantischen Lehre anhängen.

Und Cranmer lenkt ein: „Er hat den Herzog von Somerset und mich, ihn als den Mann der Welt, mich als den Mann der Kirche, in den Regentschaftsrat berufen -Somerset treibt praktische Politik, er wird mich auf dem Gebiet des Glaubens gewähren lassen, die englische Reformation liegt in meinen Händen, Bin ich dem König dafür nicht zu Dank verpflichtet? Warum also sollte ich ihn nicht loben! Außerdem gebieten Pietät und Tradition….“

Cranmers wachsames Ohr hat ein behutsames Pochen nicht überhört, das von der Zimmertür herkommt. „Ah! Endlich!" ruft er erwartungsvoll und springt auf. Wenn Mylord in diesem Flügel des Palastes weilt, in den geheimen Gemächern, wo das Erzbischofsliebchen haust, ist es nur Dörte, der deutschen Dienerin Margarets, erlaubt, anzuklopfen und zu stören.

Eine weibliche Stimme flüstert durch den Spalt der kaum handbreit geöffneten Tür: „Botschaft von Ihrer Hoheit der Frau Königin!", und Cranmer lässt sich durch den Türspalt ein zweimal gefaltetes und gut versiegeltes Papier reichen. „Endlich!" wiederholt Cranmer, „Gott verzeihe mir, dass ich es so empfinde!"

Aber er muss sich doch setzen, ehe er nun das Wachsiegel aufreißen und das gefaltete Papier öffnen kann. Frau Margarets Miene bleibt ernst, fast abweisend, während sie ihren Mann beobachtet.

Cranmer hat den Brief mit einem Blick überflogen. Es scheinen nur wenige Zeilen zu sein. Er schweigt und starrt weiter auf das Papier. Dann reicht er den Brief seiner Frau. Margaret liest:

„Mylord, Er braucht Euch -nur Euch! Ihr dürft nicht zögern, Ihr müsst unverzüglich zu Ihm kommen! Katharina"

Wie eine losgerissene Planke, so schaukelt das erzbischöfliche Prunkboot auf der Mitte des Stromes. Die Ruderknechte müssen alle Kraft aufbieten, um es dem anderen Ufer zuzutreiben. Verdammter Sturm! Wenn wenigstens nicht zu gleicher Zeit die Flutwelle vom Meer andrängen wollte! Mit der Themse allein würde man leichter fertig. Aber Sturm und Flutwelle kommen beide aus Südost und machen hundsföttische Strömung, gewaltig hoch und stramm sind die Wellen. Verdammt! Da bricht sich eine an der Bordwand und geht klatschend über das Boot! Aber das ist man als Ruderknecht ja gewohnt. Außerdem sind sie sowieso schon durchnässt gottverfluchter Regen! Sauwetter! Keinen Hund dürfte man 'rausjagen! Natürlich - Mylord sitzt, vor Sturm und Regen geschützt, in seiner erhöhten Kabine und mit ihm seine beiden geistlichen Begleiter.

Holla! Das war wieder mal eine! Diesmal vom Bug her, genau auf den Buckel. Man kann wirklich schon einiges aushalten, aber heute...

Fest in die Riemen gelegt, nur noch einige hundert Ellen, dann ist es geschafft!

Muss das sein, dass der verdammte Regen jetzt noch stärker Wird?

Die acht Ruderknechte stemmen die Riemen gegen die Strömung, das Boot steht, hält sich. Der Bootsführer, kann auf die Steinstufen springen. Fest hat er den Strick gepackt, vertäut das Boot. Nun kann auch ein weiterer Matrose mit einem Satz ans Land und die schaukelnde Fuhre mit dem Bootshaken festhalten.

Mylord von Canterbury hat sich erhoben, verlässt die Kabine. An den Landungsstufen wollen zwei Ruderknechte ihm behilflich sein. Aber Mylord übersieht es. Ein Reiter und Jäger wie er wird sich doch nicht an die Hand nehmen lassen? Das mag für die beiden anderen geistlichen Herren gelten! Und jetzt schreitet Mylord bereits auf Schloss Whitehall zu, gefolgt von seinen Begleitern.

Aber eigentlich sind sich alle acht Ruderknechte einig, dass es imposant ist, wie der große König stirbt. Seit einer ganzen Woche geht das nun so: täglich muss Mylord antanzen! Na ja, der gute König Heinz ist nie kleinlich gewesen, mit Fressen und Saufen nicht und auch nicht mit Aufknüpfen am Galgen. Doch für seine Seeleute und Matrosen -Schifffahrt muss sein, macht England reich -hat er stets was übrig gehabt, das wollen sie ihm danken: Gott schenke ihm ein langes, angenehmes Sterben. Amen! Übrigens - wenn er sie hier so frieren sähe, würde er wahrscheinlich Branntwein vom Schloss herunterschicken, hat selber viel zu gern gesoffen. Die Kälte dringt durch Mark und Bein. Aber Könige wohnen ja so, dass sie das gemeine Volk nicht sehen. Außerdem ist er auch gerade anderweitig beschäftigt, hat mit Sterben zu tun...

Inzwischen betritt oben im Schloss Mylord von Canterbury den kleinen Empfangssaal, der am nächsten den privaten königlichen Gemächern liegt. Hier sind die Großen des Landes versammelt. Alter Tradition gemäß ehren sie -ehrfürchtig wartend -das Abscheiden ihres Königs, des bisherigen Herrschers über England. Ihr Flüstern verstummt, als sich die Tür des Empfangssaales für Mylord von Canterbury öffnet. Mylord tritt ein, von zwei Kammerherren des Königs geleitet, er hüllt sich ganz in seine hohe priesterliche Würde. Die Augen niedergeschlagen, die Hände auf der Brust gefaltet, schreitet er langsam durch die Gruppen der ihn Grüßenden und scheint selber niemanden zu bemerken. Und doch hat er mit kurzem, schnellem Blick festgestellt: dasselbe Bild wie an den Vortagen – der Herzog von Somerset, von der Mehrzahl der Anwesenden bereits als künftiger Regent umworben, steht in einem großen Kreis, von Lords, die sich um ihn bemühen. Abseits die kleinere Gruppe der katholischen Adligen. In ihrer Mitte, wie alle die Tage, Bischof Gardiner, dessen fanatisches Gesicht mit den dünnen asketischen Lippen Mylord von Canterbury hasst. Gardiner ist es gewesen, der vor acht Jahren für den König die Blutgesetze ausgearbeitet hat...

Stephan Gardiner

Geboren um 1497 in Bury St Edmunds als jüngster Sohn des Schneiders und Tuchhändlers John Gardiner († 1507) oder möglicherweise als unehelicher Sohn des Bischofs von Salisbury Dr. Lionel Woodville, unternahm er 1507 eine Bildungsreise nach Paris, wo er Erasmus von Rotterdam kennengelernt haben soll. Ab 1511 studierte er in Cambridge an der (Trinity Hall) und promovierte dort 1520 zum Doktor für Zivilrecht und im Folgejahr für das kanonische Recht. Trotz seiner Liebe zum Recht und seiner Tätigkeit als Rechtsgelehrter und Diplomat wird immer wieder seine Liebe zur Musik und Schauspielerei erwähnt.

Im Herbst 1524 trat er in den Dienst von Thomas Wolsey. Wolsey war als Erzbischof von York, Lordkanzler und päpstlicher Legat neben Heinrich VIII. der mächtigste Mann im Staat, 1525 wurde Gardiner sein Sekretär. Durch seine Bemühungen in den Verhandlungen mit Papst Clemens VII., um für Heinrich die Scheidung von Katharina von Aragón zu erreichen, erhielt er vom König 1531 das Bistum Winchester. Gemeinsam mit Thomas More verhandelte er 1527 mit Frankreich über einen Beitritt Englands zur Liga von Cognac.

Kanonikus Stephan Gardiner, Galerie Liechtenstein, Vaduz

Zusammen mit anderen Bischöfen stimmte er dem Gesetz von 1534 zu, in dem sich Heinrich zum Oberhaupt der Kirche in England erklärte, und verteidigte den königlichen Supremat über die Kirche unter anderem in der Abhandlung De Vera Obedientia (1535; Der wahre Gehorsam). Gardiner war aber nur in der Frage der Nichtanerkennung des päpstlichen Primates reformorientiert; in Fragen der Doktrin und der Liturgie trat er weiterhin für die Beibehaltung der katholischen Praxis ein; „Das Supremat des Königs bedeute nicht die Abgrenzung von der katholischen Kirche.“ Die Six Articles von 1539, in denen katholische Grundsätze niedergelegt waren, stammten zum größten Teil von ihm.

Nach dem Fall Cromwells wurde Gardiner 1540 Kanzler der Universität Cambridge. Auch gewann er wieder mehr Einfluss im geheimen Rat des Monarchen, dem Privy Council. Gardiner war ein Gegner des extremen Protestantismus und versuchte mit all seinen Mitteln die protestantischen Kreise am Hof zurückzudrängen.

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Aber mit ruhiger Würde -von Hass ist ihm nichts anzumerken, schreitet Mylord an Gardiner vorbei. Er muss dann noch eine ganze Reihe kleinerer Säle durchmessen, bis er endlich das Vorzimmer des königlichen Schlafgemaches erreicht, wo Katharina Parr, die Königin, ihn empfängt.

Die Königin ist eine lebensvolle, blühende Frau von sechsunddreißig Jahren. Schmerz und Betrübnis ist ihr nicht anzumerken. Dass nebenan ihr Gemahl im Sterben liegt, scheint sie nicht zu berühren. Sie hat sich soeben eine stärkende Mahlzeit bringen lassen und hat ihr mit gutem Appetit zugesprochen. Jetzt schiebt sie ihren Teller beiseite.

Mylord von Canterbury nimmt der rüstigen Frau ihren Appetit nicht übel, er weiß, wie sehnsüchtig Katharina Parr darauf wartet, nach dem Tode des Königs eine neue Ehe, die von ihr eigentlich gewünschte, einzugehen. Er weiß: draußen im Empfangssaal, unter den Lords, die den Herzog von Somerset umdrängen, steht auch dessen jüngerer Bruder, der Großadmiral Lord Seymour of Sudely, ein ungestümer und beharrlicher Verehrer Katharinas, der endlich ihr Gemahl werden möchte. Vor vier Jahren hat Lord Seymour schon einmal unmittelbar vor der Erreichung dieses Zieles gestanden. Aber da ist es Seiner Hoheit dem König plötzlich beigefallen, dass die anziehende Katharina seine Frau, die sechste, werden müsste, und gegen einen solchen Wunsch waren Katharina und Lord Seymour natürlich wehrlos.

Thomas Seymour

Thomas Seymour, 1. Baron Seymour of Sudeley wurde um 1508 als vierter Sohn des Sir John Seymour of Wolf Hall, Wiltshire, und der jüngere Bruder des Lord Protectors Edward Seymour, 1. Duke of Somerset, geboren. Seine Schwester war Jane Seymour, seit 1536 die dritte Frau Heinrichs VIII. Eine andere Schwester, Elizabeth, heiratete den Sohn Thomas Cromwells. Seymours Verbindungen sicherten ihm einen schnellen Aufstieg. Er gewann die Gunst des Königs, der ihm Landbesitz schenkte, ihm eine Stelle im königlichen Haushalt verschaffte und ihn mit diplomatischen Missionen im Ausland betraute. Von 1540 bis 1542 war Seymour in Wien und seit 1543 in den Niederlanden, wo er mit Auszeichnung im Krieg gegen Frankreich kämpfte und für kurze Zeit Oberbefehlshaber der englischen Truppen (Lord Warden of the Cinque Ports) war. 1544 erhielt er auf Lebenszeit den Posten des Master of the Ordnance und wurde einige Monate später zum Admiral of the Fleet ernannt. Seine Aufgabe war der Schutz des Ärmelkanal gegen eine französische Invasion.

Thomas Seymour, 1st Baron Seymour of Sudeley, National Portrait Gallery, London

Heinrich VIII. bedachte Seymour in seinem Testament und es heißt, er habe verfügt, dass er in den Hochadel (peerage) erhoben werden solle. Das geschah im Februar 1547. Seymour wurde zum Baron Seymour of Sudeley erhoben und zum Lord High Admiral ernannt.

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Cranmer, der alle sechs Gemahlinnen des Königs sehr genau gekannt, der für und wider sie hat wirken müssen, ist der Meinung, dass erst Katharina die richtige Frau für den König ist, eine, wie er sie schon immer hätte haben müssen. Er bewundert das einzigartige Geschick, mit dem sie in den letzten Jahren den misstrauischen Despoten behandelt hat: wie ein krankes Kind, dem man seinen Willen, allerdings nur zum Schein, lassen muss. Katharina hegt im geheimen protestantische Gesinnung, ebenso wie ihr zukünftiger Schwager, der Herzog von Somerset, wie ihr zukünftiger Gemahl, der Großadmiral Lord Seymour. Daher hat sie vier lange Jahre ihr Bestes getan, um die immer wieder hervorbrechenden katholischen Neigungen des alternden, griesgrämig gewordenen Königs möglichst unschädlich ins Leere verlaufen zu lassen. Cranmer hat wirklich allen Grund, seiner Königin dankbar zu sein!

So spielt sich denn auch heute die Begrüßung zwischen Königin und Erzbischof bei äußerlich gewahrtem Zeremoniell doch mit einem Unterton von Vertraulichkeit ab: beide sind ja Bundesgenossen im Dienst für die wahre Lehre. Die Königin hat gleich nach dem Erscheinen Mylords ihre Hofdame, die Pagen und Lakaien hinausgeschickt, denn sie liest in Cranmers Augen die ungeduldige Frage: „Wie steht es mit Ihm?", und sie selbst ist viel zu begierig zu berichten: Unangenehmes ist geschehen. „Er" hat sich durch den Nachtschlaf offenbar wieder gekräftigt, jedenfalls ist er heute Morgen unerwartet streitbar gewesen. Sie hat vergebens versucht, ihn zu beruhigen, hat ihm gütlich zugesprochen und ihm gesagt, dass sie ja Katharina, seine Gemahlin, sei. Das hat nur einen Wutanfall ausgelöst: er hat sie mit Katharina Howard verwechselt, seiner vierten Frau, die ihn betrog und die er hat köpfen lassen. Mit einer Kraft, wie man sie einem Sterbenden nicht zutrauen würde, hat er sie zurückgestoßen und hat gekrächzt: „'raus! 'raus mit dir verfluchtem Weibsbild!" Natürlich hat sie den Wunsch eines Sterbenden, auch wenn er wenig höflich geäußert war, respektieren müssen und hat ihn allein gelassen. Aber das hat seine Wut erst richtig zum Ausdruck gebracht. „Thomas Cranmer soll her!" Immer wieder: „Cranmer!" hat er gerufen. Beängstigend sei die Stimme, vor Wut überschnappend, zu ihr herausgedrungen, dann schrilles, wüstes Klingeln mit der kleinen silbernen Glocke, schließlich sei die Glocke mit hartem Knall von innen gegen die Tür geflogen. Und nun sei es wieder still im Schlafgemach geworden.

Mylord von Canterbury verbeugt sich mit priesterlicher Würde: „Ein König von England darf nicht sterben, ohne dass an seinem Lager ein treuer Diener weilt. Ich danke Euch für Euren Bericht."

Aber zur Vorsicht erbittet er sich doch von seiner gnädigen Königin, dass sie -um Seiner Hoheit des Königs willen -weiter allem im Vorzimmer bleiben und die Dienerschaft fernhalten möge.

Catherine Parr

Catherine Parr, zeitgenössische Schreibweise Katherine Parr(e) geboren 1512 in Kendal Castle war die sechste und letzte Gattin von König Heinrich VIII. und für fünf Jahre Königin von England und Irland.

Katherine Parr

Catherines Vater verstarb früh und vererbte sein Vermögen seiner Frau. Diese heiratete nicht mehr, sondern konzentrierte sich auf die Erziehung und gute Verheiratung ihrer Kinder. Wahrscheinlich wurde Catherine schon als Kind zu einem Onkel in den Norden Englands zur Erziehung geschickt und erhielt die damals übliche Ausbildung einer adeligen Tochter.

1529 heiratete sie mit fünfzehn Jahren Edward Borough, Sohn von Lord Thomas Borough, den Haushofmeister der späteren Königin Anne Boleyn. Ihr Mann starb bereits drei Jahre nach der Hochzeit, ohne dass Catherine schwanger geworden war. 1533 heiratete sie den vermögenden John Neville, Lord Latimer of Snape, der zwei Kinder mit in die Ehe brachte. Durch die Verbindungen ihres Mannes zum königlichen Hof in London lernte Catherine Thomas Seymour kennen und verliebte sich in ihn. Noch zu Lebzeiten ihres zweiten Mannes schickte auch Heinrich VIII. ihr Geschenke und nach dem Tode von Lord Latimer am 2. März 1543 brachte er sein weitergehendes Interesse zum Ausdruck.

Catherine war mit 31 Jahren zwar schon zweimal verheiratet, aber noch immer kinderlos. Doch die Interessen ihrer Familie überwogen bei ihrer neuerlichen Heiratsentscheidung. Sie schrieb Thomas Seymour, dass ihr eigener Wille von einer „höheren Macht“ besiegt worden sei. Am 12. Juli 1543 heirateten Catherine Parr und Heinrich VIII. in Hampton Court im Beisein der königlichen Töchter Mary und Elizabeth.

Thomas Wriothesley, 1. Earl of Southampton pries Catherine Parr als „Frau, die meinem Urteil zufolge wegen ihrer Tugend, Weisheit und Sanftmut für Seine Hoheit am besten geeignet ist, und ich bin sicher, dass Seine Majestät nie eine Gemahlin hatte, die Seinem Herzen angenehmer ist als sie.“