Herr und Frau Hase - Die Superdetektive - Polly Horvath - E-Book

Herr und Frau Hase - Die Superdetektive E-Book

Polly Horvath

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Beschreibung

Als Marlene die Nachricht erhält, dass ihre Eltern von Füchsen entführt wurden, ist sie verzweifelt. Zum Glück trifft sie auf Herrn und Frau Hase, die sich gerade eine Detektei eröffnet haben. Sie übernehmen den Fall und machen sich auf die Suche. Und dabei helfen ein Stapel Telefonbücher und Plateauschuhe zum Autofahren, schicke Fedora-Hüte für die modebewussten Hasendetektive und ein Knoblauchbrot mümmelndes Murmeltier. Nichts für Hasenherzen! Nominiert in der Sparte "Kinderbuch" für den Deutschen Jugendliteraturpreis

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Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung, können zivil- und strafrechtlich verfolgt werden.www.aladin-verlag.de Alle deutschen Rechte bei Aladin Verlag GmbH, Hamburg 2013 Originalcopyright Text © 2012 by Polly Horvath Originalcopyright Illustrations © 2012 by Sophie Blackall Originalverlag: Schwartz & Wade Books, an imprint of Random House Children’s Books, a division of Random House, Inc., New York This translation published by arrangement with Random House Children’s Books, a division of Random House, Inc., New York, United States. Originaltitel: Mr. and Mrs. Bunny – Detectives Extraordinaire! Aus dem Englischen von Christiane Buchner Landkarte auf dem Vor- und Nachsatz: © 2013 Christian Schneider Lektorat: Nina Horn Herstellung und Satz: Steffen Meier Lithografie: Margit Dittes Media, Hamburg E-Book-Umsetzung: Dörlemann Satz, Lemförde ISBN 978-3-8489-6005-7

Für Herrn Hase natürlich! Und für alle Hasen der Welt.

Inhalt

Mittsommer

Die Überraschung

Luminara

Herr und Frau Hase werden Detektive

Der Fall Rauchvernebelung

Herr und Frau Hase werden engagiert

Die Geheimbotschaft

Das Murmeltier

Marlene hypnotisiert ein Murmeltier

Der gefürchtete Briefumschlag

Frau Hase hat Bedenken, dass ein Gefängnisaufenthalt ihrem Fell schaden könnte

Jemand wird eingesperrt, aber die Hases sind es nicht

Der Hasenrat

Eine Spur

Der Panikknopf

Mittsommer

Am Abend leuchteten bestimmt wieder tausend Lichter auf der Insel. Es war Mittsommer, und die versprengten Hippies von Hornby feierten heute mit selbst gebastelten Lampions Luminara, ihr Fest anlässlich des längsten Tages im Jahr.

Wieso feierte man eigentlich den hellsten Tag des Jahres mit noch mehr Licht?, überlegte Marlene, als sie am letzten Schultag von der Fähre nach Hause ging. Der kürzeste Tag wurde mit Lichtern gefeiert, und der längste dann auch wieder. Licht, Licht, Licht – was war denn an ein bisschen Dunkelheit so verkehrt? Wenn wir nicht immer so viele Kerzen kaufen würden, hätten wir vielleicht mal Geld für Schuhe.

Hornby ist eine sehr kleine Insel ganz im Westen von Kanada. Marlene lebte dort mit ihren Eltern Flo und Mildred, die eigentlich Harry und Denise hießen, aber von aller Welt so genannt werden wollten, sogar von Marlene. Flo und Mildred waren Aussteiger und kamen ursprünglich aus San Francisco, aber dann hatte es sie weiter nach Norden verschlagen. Dort stießen sie zu all den anderen Hippies, die sich nicht hundertprozentig legal in Kanada niedergelassen hatten: verteilt auf Vancouver Island und die Golfinseln. Als Flo und Mildred zum ersten Mal den Fuß auf die Insel Hornby setzten, traf sie blitzartig die Erkenntnis, dass sich mit herzlich wenig Aufwand Marimba spielen und Schmuck aus Muscheln basteln ließ, und schon hatten sie ihre Lebensaufgabe gefunden.

Wie einem die Natur oft so mitspielt, bekamen sie eine Tochter, die keine Lust hatte, von morgens bis abends der Erleuchtung oder der Züchtung der perfekten Sojabohne hinterherzulaufen. Stattdessen lernte sie hervorragend kochen, putzen, nähen, mit Geld umzugehen und kleinere Reparaturen im Haus zu erledigen. Kaputte Glühbirnen wurden grundsätzlich von ihr ausgewechselt. Mit gerade mal zehn suchte sie sich einen Nebenjob als Kellnerin im »Café zur glücklichen Ziege«, einem edlen Lokal, das aus drei Tischen, ein paar Baumstümpfen, der Inhaberin KatyD und einer waschechten Ziege bestand. Dort verdiente Marlene so viel Geld, dass die Familie sogar dann über die Runden kam, wenn es mit dem Muschelschmuck ein paar Monate lang mal nicht so gut lief.

Alle anderen Kinder auf Hornby wurden zu Hause unterrichtet, nur Marlene stand lieber morgens um fünf Uhr auf, lief zum Hafen, fuhr mit der Fähre zur Nachbarinsel Denman, mit dem Bus quer über Denman, dann mit der Fähre bis nach Vancouver Island und dann noch einmal mit dem Bus, um in eine richtige Schule gehen zu können. Diese Entscheidung hatte sie getroffen, als sie in die fünfte Klasse kam und endlich alt genug war, um die Reise ganz allein zu bewältigen. Marlene galt deshalb zwar als verschroben, aber die happy Hippies von Hornby ließen sie gutmütig gewähren, auch wenn sie ihnen ein bisschen unheimlich war. Vor allem hatten die anderen Hippies aber Mitleid mit Flo und Mildred, denen man so einen schrägen Vogel ins Nest gelegt hatte.

Die Kinder in Marlenes Schule hatten da weniger Verständnis. Die Mitschüler von den anderen kleinen Inseln wie Hornby trugen oft selbst gewebte und gebatikte Klamotten, natürlich aus Naturfaser. Sie duschten nur sporadisch, weil auf den Inseln das Wasser knapp war, sie hatten nie Geld für Schulausflüge, und die meisten besaßen offenbar nicht mal eine Haarbürste. Marlene zog sich zwar immer sauber und ordentlich an, aber ihre Klamotten waren nie modern und hatten oft sogar Löcher, außerdem war sie das einzige Kind an der Schule, das den weiten Weg von Hornby auf sich nahm. Das allein machte sie verdächtig.

Bei Marlenes Schulkameraden, die in »normaleren«, etwas weniger weltfremden Familien aufwuchsen, galten die Inselkinder als Ökofreaks und Miesepeter. Marlene war zwar zu Anfang gar nicht miesepetrig gewesen, aber sie wurde es ziemlich schnell. Wie sollte sie sich auch mit den anderen anfreunden, wenn sie sich dauernd gegen unausgesprochene Vorwürfe wehren und einen Lebensstil verteidigen musste, hinter dem sie überhaupt nicht stand? Ach, was soll’s, dachte sie, dann eben ohne die. Von denen kann bestimmt keiner einen kaputten Wasserhahn reparieren, und bestimmt hat auch keiner Stolz und Vorurteil gelesen. Zwei Mal schon gar nicht.

Heute, am letzten Schultag und zugleich an Mittsommer, war Marlene wirklich schlecht gelaunt. Ihre Lehrerin hatte angekündigt, dass Prinz Charles auf seiner Kanadareise auch nach Vancouver Island kommen und eine Schule besuchen wollte. Und zwar ausgerechnet ihre! Er wollte sich bei der Abschlussfeier der vierten, fünften und sechsten Klasse die Ehre geben und persönlich die Schülerpreise überreichen. Wer also einen Preis gewonnen hatte, durfte ihn von Prinz Charles höchstpersönlich in Empfang nehmen! Deshalb hatten sie heute für die Feier schon Umhänge aus weißem Seidenpapier gebastelt, die dann noch mit Ahornblättern geschmückt würden, und am Tag der Abschlussfeier sollten sie mit dazu passenden weißen Schuhen kommen. Wer keine weißen Schuhe besitze: bei Walmart gebe es welche im Angebot – niemand müsse extra für diesen Anlass teure weiße Schuhe kaufen, hatte Marlenes Lehrerin betont. Sicherlich würden die Eltern Verständnis haben und die Anschaffung befürworten, schließlich komme Prinz Charles ja nicht jeden Tag zu einer Abschlussfeier. Eine solche Ehre würde ihnen vermutlich nie wieder zuteil.

Marlene rutschte das Herz in die Hose. Mildred holte Marlenes Schuhe bei der Heilsarmee: Sie waren meistens praktisch, abgewetzt und potthässlich. Oft passten sie auch nicht, denn es gab wenig Auswahl. Selbst wenn Marlene es schaffte, ihre Mutter noch rechtzeitig zum Heilsarmeeladen zu schleppen, war es höchst unwahrscheinlich, dass sie dort zufällig weiße Schuhe bekamen. Die Abschlussfeier fand schon nächste Woche statt. Und was Marlene als Kellnerin verdient hatte, war komplett bei Mildreds Einkäufen für Luminara draufgegangen.

Natürlich konnte kein Mensch Marlene zwingen, zur Abschlussfeier zu gehen. Aber sie hatte den Vorlesepreis, den Musikpreis und den Aufsatzpreis gewonnen – gleich drei Preise in ihrem ersten Jahr an einer richtigen Schule! Die wollte sie jetzt auch stolz in Empfang nehmen. Nur zu gern wollte sie ihre Preise vor all den anderen, die sonst nicht mit ihr redeten, weil sie »von der Insel« kam und »nach Hausunterricht roch«, von Prinz Charles überreicht bekommen.

»Schau dir bloß diesen Lampion an«, rief Flo von der Terrasse, als Marlene den mit Treibholz gesäumten Pfad zu ihrem Haus heraufgestapft kam. »Den ganzen Tag hab ich daran herumgebastelt. Schau mal, da ist ein ganzes Scherenschnitt-Schaf drauf.«

»Hübsch«, sagte Marlene und ließ sich auf einen Stuhl fallen.

»Endlich Ferien, was?«, sagte Flo und wartete darauf, dass Marlene noch eine Bemerkung zu seinen Lampions machte. Sonst gab sie ihm doch immer künstlerischen Auftrieb. Als kein weiteres Lob kam, sah er sie misstrauisch an.

»Außer, dass natürlich noch die Abschlussfeier ansteht«, sagte Marlene. Und nach einer Pause: »Wusstest du eigentlich, dass Prinz Charles nach Vancouver Island kommt?«

Flo lachte. »Ach nee. Willst du dich vielleicht hinstellen und Konfetti werfen?«

»Nö«, antwortete Marlene. »Aber er kommt zu uns in die Schule. Auf unsere Abschlussfeier!«

»Ich fress ’nen Besen«, sagte Flo. »Abschlussfeier! Da wirst du doch nicht im Ernst hinwollen. Ich bin nicht mal zu meiner College-Abschlussfeier, weißt du ja. Absolute Zeitverschwendung. Was soll der Quatsch? Und komm mir bloß nicht mit der Monarchie. Der reinste Affenzirkus. Queen von Kanada! Also echt, Marlene, das ist doch alles hohler Quark. Denk bloß mal an die Kohle. Die reichste Frau der Welt! Deren Geld sollte man komplett an die Armen in England verteilen. Weißt du, wie viele Arbeitslose die da haben? Stattdessen schicken sie diesen dämlichen Lulatsch nach Kanada, damit er sich dämliche Schulfeiern reinzieht. Also echt, du.«

»Ich kann ja sowieso nicht hin. Ich bräuchte nämlich weiße Schuhe«, sagte Marlene.

»Auch noch weiße Schuhe verlangen! Das dürfen die gar nicht«, sagte Flo. »Geh ruhig mit deinen normalen Tretern hin. Geschieht ihnen recht.«

»Nein, unsere Lehrerin hat gesagt, wir müssen weiße Schuhe anziehen, zu unseren weißen Umhängen aus Seidenpapier. Das ist Pflicht.«

»Pflicht? Weiße Schuhe kaufen zu müssen, wenn man noch völlig heile braune hat, so ein Quatsch. Da sieht man mal wieder, wie unsere Konsumkultur alles unterwandert. Mein Gott, ich würde nie auf eine Feier bei jemandem gehen, der Kinder dazu zwingt, Schuhe zu kaufen, die sie nicht brauchen, bloß damit sie sich vor ein bescheuertes, längst überholtes Symbol des Kolonialismus hinstellen.«

Kopfschüttelnd nahm Flo Kurs aufs Haus.

»Ich brauche aber welche«, grummelte Marlene ihm hinterher.

»Du brauchst welche?« Flo drehte sich noch einmal zu ihr um.

»Prinz Charles verleiht die Preise persönlich. Und ich habe drei gewonnen«, sagte Marlene. »Da kann ich unmöglich mit braunen Schuhen hin.«

»Jetzt hör mal zu, Marlene«, sagte Flo. »Wenn du mir sagst, warum der Typ so was Besonderes ist, dass du für ihn weiße Schuhe anziehen musst; wenn du mir das auch nur annähernd vernünftig erklären kannst, dann komme ich glatt noch zu deiner Feier. Aber ich wette ein Paar weiße Schuhe, dass du das nicht schaffst. Das widerspricht nämlich allem, was wir dir mühsam beigebracht haben.«

Marlene runzelte die Stirn. Flo nickte triumphierend, weil sie stumm blieb, und verschwand im Haus.

Marlene verzog sich in den Garten, wo ihre Mutter damit beschäftigt war, die Bohnenstangen mit Lampions zu dekorieren. »Hallo«, sagte Marlene.

»Happy Luminara!«

»Prinz Charles kommt zu uns in die Schule.«

»Ich fress ’nen Besen. Das erzählst du Flo aber besser nicht. Sind das nicht zuckersüße Lampions? Danika hat noch ein paar riesengroße gemacht, Hirsche und Marsmännchen, ach ja, und einen Salamander! Ich liebe Salamander, du nicht? Die haben so was Geheimnisvolles.«

»Ja, sind schon okay«, sagte Marlene und steckte sich eine Bohne in den Mund. »Er kommt nächste Woche, zur Abschlussfeier. Das ist sozusagen was Einmaliges.«

»Apropos einmalig: Danika meint, das Papier sei so dünn, dass man die Lampions nur einmal verwenden kann. Und wenn man sie anzündet, würden sie aussehen wie verzaubert. Danika will sie schon früh vorbeibringen, weil das Aufhängen eine Weile dauert. Wir wollten sie im Wald verteilen, damit die Leute bei unserem Mitternachtslaternenumzug zufällig darauf stoßen.«

»Wie viele Kerzen braucht ihr da eigentlich?«

»Eine Menge. Das sind bestimmt die größten Lampions in der Geschichte von Luminara. Der eine ist gut drei Meter hoch.«

»Und morgen früh können wir dann wieder singen: ›Sag mir, wo die Kerzen sind … wo sind sie geblie-hie-ben?‹ Von meinem Kellnergeld ist wahrscheinlich nichts mehr übrig, oder?«, fragte Marlene.

»Kein Penny. Ich musste auch noch Bastelsachen kaufen. Flo brauchte Papier für neue Lampions, und ein paar zerrissene vom letzten Jahr mussten wir ausbessern.«

»Und morgen sind diese ganzen Lampions futsch. Ein Heidengeld einfach futsch.«

»Die meisten werden ja nächstes Jahr recycelt.«

»Nicht die Kerzen. Das Geld für die Kerzen wird einfach verbrannt. Ich dachte, wir schonen Rohstoffe und leben ökologisch. An einem Abend einfach so zum Spaß Hunderte von Kerzen abzubrennen, ist jetzt nicht so besonders öko, oder?«

»Das stimmt, aber denk doch mal an die buddhistischen Mandalas, weißt du noch? Da saßen die Zen-Mönche doch auch stundenlang am Strand und haben mit buntem Sand ihr Bild gestreut, und am Abend hat die Flut die ganze Pracht wieder weggespült. Alles ist vergänglich, Marlene. Außerdem gehört Luminara nun mal zu unserer Kultur.«

»Luminara wurde von Zanky Marsala erfunden, als die gerade einen spirituellen Supertrip hatte.«

»Einen spirituellen Supertrip? Wie meinst du das?« Mildred wurde leicht nervös.

»Das hat mir KatyD erzählt. Es ist also einfach ein erfundener Feiertag.«

»Luminara ist eine wunderschöne Tradition. Und im Grunde sind alle Feiertage erfunden. Außerdem wurden auch alle möglichen mystischen Bauwerke von Menschen in spirituellen Ausnahmezuständen entworfen. Denk bloß mal an Stonehenge.«

»Ich brauche Schuhe.«

»Ach was«, sagte Mildred, verblüfft über den plötzlichen Themenwechsel, mit einem Blick auf Marlenes Füße. »Nur der da hat ein winziges Loch.« Sie deutete darauf.

»Ich brauche weiße Schuhe für die Abschlussfeier.«

»Was die sich zum Schuljahresende immer alles einfallen lassen! Siehst du, genau deshalb wollte ich dich ja nicht in die Schule lassen. Dieses ganze Getue mit den Noten, die eine ist angeblich besser als der andere, und dann sollen wir auch noch alle dasselbe anziehen! Das ist doch so unwichtig, Marlene. Und Abschlussfeiern sind bloß alberne, künstliche Rituale.«

»Das Gleiche könnte man von Luminara auch behaupten.«

Mildred seufzte noch einmal, unterbrach ihr Lampions-durch-die-Bohnenstangen-Fädeln und beugte sich zu Marlene hinunter.

»An Luminara feiern wir das Licht und unsere Verbindung zu Mutter Erde. Was ist dagegen schon eine Abschlussfeier? Die reinste Gehirnwäsche, damit ihr glaubt, Leistung sei die Lösung aller Probleme. Du musst natürlich deine eigenen Entscheidungen treffen, aber ich an deiner Stelle würde nicht hingehen.«

Dann richtete sie sich wieder auf und fädelte weiter ihre Lampions durch die Bohnenstangen.

»Prinz Charles findet sie immerhin so wichtig, dass er kommt!«, bemerkte Marlene zum Abschied spitz.

»Jetzt lass mich bitte mit der Monarchie zufrieden«, sagte Mildred warnend, während Marlene schon aufs Haus zustapfte. »Manchmal frage ich mich echt, von welchem Stern du kommst. So ist in unserer Familie doch keiner, außer vielleicht Onkel Runyon.«

»Ich mag Onkel Runyon!«, rief ihr Marlene über die Schulter zu.

»Ich auch«, sagte ihre Mutter kopfschüttelnd. »Aber verstehen tu ich euch beide nicht.«

Onkel Runyon war der einzige Verwandte, der völlig legal auf Vancouver Island wohnte und nicht ständig in Sandalen herumlief. Er arbeitete als Codeknacker für die kanadische Regierung. Keiner durfte wissen, wo er wohnte, denn das war »top secret«, aber er lud trotzdem jedes Jahr die ganze Verwandtschaft zu Ostern ein und ging zu den Familienfeiern, auf denen er es einigermaßen aushielt. Diese ganze Geheimnistuerei um seine Person sei übertrieben, sagte er immer. Kein feindlicher Spion würde sich für ihn interessieren. Seine Arbeit sei in Wirklichkeit ziemlich langweilig.

Das hatte er jedenfalls Marlene immer erzählt. Doch irgendwo im hintersten Winkel von Vancouver Island interessierte sich ein mysteriöses Grüppchen plötzlich ausgesprochen heftig für ihn.

Die Überraschung

Herr und Frau Hase hatten ein Problem. Der Winter auf Mount Washington war hart gewesen. Fast jeden Tag musste Herr Hase vor der Haustür Schnee schaufeln. Und noch dazu war ihr gesamter Wurf von zwölf Häschen erwachsen geworden und weit weggezogen. Am nächsten wohnte noch der Sohn in Australien. Das Haus war jetzt nicht nur zu groß, die gähnend leeren Zimmer machten Frau Hase sogar regelrecht depressiv. Und Nachbarhasen gab es auch nicht, schon gar keine Häsinnen, mit denen Frau Hase sich hätte amüsieren und Clubs gründen können. Aber vor allem der Schnee hatte den beiden zu schaffen gemacht. Er hatte das Dach beschädigt, und im Januar waren sie sogar zwei Wochen lang eingeschneit gewesen. Inzwischen war der Schnee zwar längst weggetaut, aber Frau Hase dachte noch immer häufig daran. Und so viel Kälte wollte sie ihrem Hasenhirn nicht länger zumuten.

»Wir sind doch keine Schneehasen!«, sagte Frau Hase. »Wir bauen unsere Häuser nicht schneedicht und wir haben auch keine Skier im Schrank.«

»Stimmt«, sagte Herr Hase. »Ich habe mir auch schon des Öfteren gedacht, Frau Hase, dass eigentlich ein Umzug anstünde.«

»Ach, Herr Hase, Sie treffen den Nagel auf den Kopf!«, sagte Frau Hase.

»Die Sache ist geritzt. Dann machen wir uns auf die Suche nach einem kleineren Haus.«

»In einem Tal«, sagte Frau Hase.

»In einem Tal.«

»Wo es viel Gemüse gibt.«

»Oder man Gemüse anbauen kann.«

Herr Hase hatte es sich in den Kopf gesetzt (und von dort lugte die Idee von Zeit zu Zeit hervor), dass er und Frau Hase alles, was sie verzehrten, selbst anbauen sollten. Frau Hase, die Herrn Hases Experimente mit Rosen, Dahlien und dem besonders robusten Lavendel hautnah mitbekommen hatte, hegte gewisse Zweifel.

»Wo jedenfalls ein günstiges Anbauklima herrscht«, sagte Frau Hase taktvoll.

»Und es keine Murmeltiere gibt«, sagte Herr Hase.

»Bloß keine Murmeltiere«, sagte Frau Hase.

Murmeltiere hatten nämlich schon so manches Hasenleben ruiniert. Mit ihrem weinerlichen Gepfeife und dem meist völlig verfilzten Fell waren sie als Nachbarn überaus unbeliebt. Außer vielleicht bei anderen Murmeltieren. Und oft nicht einmal dort.

»Na, dann haben wir doch eine vernünftige Liste von Wünschen und Bedürfnissen zusammen. Ich rollerskate jetzt den Berg hinunter, suche mir einen Hasenmakler und peile die Lage.« Herr Hase, der ein begeisterter Erfinder war, hatte am selben Morgen Rollerskates zum Hoppeln erfunden, und das war natürlich die Gelegenheit, sie auszuprobieren.

»Tu das«, sagte Frau Hase, die mit ihrem Fitnessprogramm fortfahren wollte. Und wenn Herr Hase ihr dabei zusah, machte er immer Bemerkungen.

Herr Hase schnallte sich seine Rollerhoppler an und rollerhoppelte den Berg hinunter. Ihr könnt euch vorstellen, wie schwierig Rollerhoppeln ist, aber Herr Hase war die Anmut in Person. Erst zum Abendessen kam er wieder nach Hause.

»So, Frau Hase«, sagte er mit roten Wangen und platzend vor Stolz, »ich habe eine riesengroße Überraschung für dich.«

»Du hast einen Makler gefunden«, sagte Frau Hase, während sie ihm eine Schüssel dampfenden Karotteneintopf hinstellte und sich ebenfalls an den Tisch setzte.

»Viel besser! Ich habe uns ein neues Haus gekauft!«, sagte Herr Hase. »Es ist vollbracht! Nächste Woche können wir einziehen.«

Verblüffte Stille.

»Was ist?«, sagte Herr Hase schließlich. »Ich dachte, du hoppelst herum vor lauter Happiness.«

Frau Hase, die aufgestanden war, um Herrn Hase ein Stück Brot zu holen, setzte sich mit einem Plumps wieder hin.

»Kein Brot da?«, fragte Herr Hase, der manchmal nicht besonders schnell merkte, woher der Wind wehte.

Frau Hase ließ den Kopf auf den Tisch sinken.

»Auwei«, sagte Herr Hase.

Eine ganze Weile saßen die beiden stumm da und horchten auf das Ticken der Uhr. Schließlich hob Herr Hase Frau Hases Ohren an, damit er an ihrem Gesicht ablesen konnte, welche Laus ihr wohl über die Leber gelaufen war.

»Frau Hase?«, flüsterte er. »Hallo, hallo, ist da jemand?«

»Herr Hase«, sagte Frau Hase schließlich.

»Hier!«, sagte Herr Hase.

»Zum Hauskaufen nimmt man doch SEINE FRAU mit!«

»Frau Hase, Sie sind bestimmt nur hungrig. Wenn Sie erst ein paar Löffel Karotteneintopf im Magen haben, vergeht Ihnen die schlechte Laune wie von selbst.«

»DAS IST KEINE LAUNE, VERSTEHST DU DAS NICHT?«, sagte Frau Hase, worauf Herr Hase, einer seiner an jenem Tag nicht sehr zahlreichen Eingebungen folgend, das Bild des Hauses aus der Tasche zog und ihr unter die Nase hielt.

»Da, GUCK!«, sagte Herr Hase ein ganz klein wenig hysterisch. »GUCK!«

Frau Hase guckte – und sah ein entzückendes weißes, reetgedecktes Häuschen mit hellblauen Fensterläden und einer hellblauen Tür. Über dem Türklopfer hing ein schmucker Kranz, und ums Gartentor rankten sich Rosen.

»Siehst du?«, sagte Herr Hase. »Es ist genauso entzückend wie Frau Hase selber.«

»Wie viele Schlafzimmer?«

»Drei. Eins für uns und zwei für den Nachwuchs, der zu Besuch kommt. Dass je alle zwölf Hasenkinder gleichzeitig kommen, ist ja unwahrscheinlich.«