Herzgespinst - Usch Luhn - E-Book

Herzgespinst E-Book

Usch Luhn

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Beschreibung

Ein packender Psychothriller über die fatalen Folgen enttäuschter Liebe

Sie sind wie Bruder und Schwester – Oliver und Julia. Sie halten zusammen wie Pech und Schwefel schon seit Kindertagen: als Julias Vater stirbt, als Julias Katze erdrosselt wird, als Julia fast vergewaltigt wird – immer ist Oliver für Julia da. Wie ein Bruder eben. Doch in diesem Sommer verliebt sich Oliver in die geheimnisvolle Shiva und gesteht in einem vertraulichen Moment seiner »Schwester« dieses neue Gefühl. Ein paar Tage später ist Shiva tot; mit einem Stein erschlagen. Und alle Indizien deuten auf ihn. Oliver weiß nicht, was schlimmer ist: der Schmerz um den Verlust seiner ersten Liebe oder das Unverständnis ob dieser unglaublichen Anschuldigung. Doch da kommt ihm ein schrecklicher Verdacht ...

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Usch Luhn

Herzgespinst

Usch Luhn

Herz-

gespinst

Thriller

cbt ist der Jugendbuchverlag

in der Verlagsgruppe Random House

Gesetzt nach den Regeln der Rechtschreibreform

1. Auflage 2012

©2012 cbt Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: init.büro für gestaltung, Bielefeld

Umschlagfotos: Alamy/redbrickstock.com

MI · Herstellung: AnG

Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach

ISBN 978-3-641-08536-0

www.cbt-jugendbuch.de

1

Der Himmel war so blau.

Julia liebte diesen heißen Sommer und das mattgelbe Korn.

Die Äcker wurden bereits künstlich bewässert, denn es hatte seit Wochen nicht mehr geregnet. Im Radio warnten besorgte Experten vor den sich ausbreitenden Bränden. Lagerfeuer waren unter Androhung von hohen Geldstrafen untersagt.

In den Krankenhäusern stieg die Anzahl von Zeckenbissen und Sonnenstichen in astronomische Höhen. Besorgte Mütter schickten ihre Kinder erst am frühen Abend zum Spielen auf die Straße. Und sogar einige Freibäder wurden wegen Überfüllung vorübergehend geschlossen.

Zum ersten Mal waren die Mineralwasservorräte knapp, dafür boomte die Speiseeis-Branche. Einzig bei den Bestattern lief das Geschäft Sommer wie Winter gleich. Gründe zu sterben gab es immer.

Julia raste auf ihrem Mountainbike die schmalen Feldwege entlang und genoss die sengende Hitze. Sie brannte sich wie hundert kleine Flammen in ihre Haut. Nur der Fahrtwind kühlte.

Nach dem nächsten Abzweig ging der holprige Weg eine Weile geradeaus. Sie kannte diese Strecke wie im Schlaf. Julia war sie früher oft zusammen mit ihrem Vater gefahren.

Jetzt kam es darauf an. Sie trat so heftig in die Pedale, dass ihr jäh der Atem wegblieb. Ihr Mund fühlte sich staubig an und sie hatte Durst. Aber nun war nicht der Moment um anzuhalten.

Sie hatte wie immer keine Sonnenbrille auf.

Über alles liebte Julia den Kick bei höchster Geschwindigkeit in den glühenden Sonnenball zu schauen und erblindet die Lider zu schließen.

Sekunden später explodierte das beißende Licht in ihren Augäpfeln und zerschmolz darin wie hunderttausend Farbsplitter.

Julia fühlte den Schmerz. Sie musste plötzlich laut schreien.

In Todesangst riss sie die Augen wieder auf.

Direkt vor ihr erkannte sie die Umrisse eines Elektrozauns.

Im letzten Moment bockte sie das Vorderrad auf und segelte in hohem Bogen über die Absperrung. Dabei ließ sie die Lenkstange los.

Noch während des Sturzes dachte sie daran, auf keinen Fall auf Kopf oder Brust zu landen. Sie rollte sich wie eine Kugel ein und federte den Aufprall mit ihrer linken Seite ab.

Aus dem Augenwinkel beobachtete sie, wie das Mountainbike kerzengerade weiterschoss und seine Fahrt schließlich erst von einem Pfosten gebremst wurde.

Julia richtete sich vorsichtig auf.

Das verdorrte Gras hatte ihre Haut blutig geratscht und ihre weißen Shorts schmutzig gemacht. Sonst war nichts passiert.

Sie stützte sich auf die Hand und stöhnte. Die Dornen einer Mariendistel bohrten sich in ihre Haut. Gewissenhaft entfernte sie die Widerhaken mit ihren langen Fingernägeln.

Als sie aufstand, spürte sie den Schmerz in ihrer Hüfte. Auftreten machte ihr Mühe. Aber nach ein paar weiteren Schritten lief sie bereits wieder normal.

Wie durch ein Wunder hatte das Mountainbike keinen Kratzer abgekriegt.

Sie hievte es über den Elektrozaun zurück auf den Feldweg. Zum ersten Mal hatte sie die Spur nicht gehalten.

Der Zaun an dieser Stelle war neu. Das gefiel ihr nicht. Sie war einfach viel zu lange nicht mehr hier gewesen.

Die letzten zwei Kilometer fuhr sie trotz des Sturzes schnell.

Erst als sie die Scheune im Blick hatte, atmete sie auf.

Sie stieg vom Sattel und schob das Bike die letzten hundert Meter zu Fuß.

Nachdem sie die Scheune einmal ganz umrundet hatte, war sie beruhigt.

Wenigstens hier war alles so wie immer.

2

Ihre älteste Erinnerung an diesen Ort war, als sie drei war. Sie hatte mit ihrem Vater ein frisch geborenes Kälbchen besucht, und er hatte ihr einen Birkenstock geschnitten und diesen mit Mustern verziert. Sie hatte sich ihn versehentlich ins Auge gestoßen. Das hatte schrecklich wehgetan. Ihr Vater hatte das schmerzende Auge an der Kuhtränke gekühlt, ihre Tränen getrocknet und ihr warme Milch von der Mutter des kleinen Kälbchens gebracht.

Er hatte immer eine Idee gehabt, wie er sie trösten konnte.

Den Stock, mit dem sie sich verletzt hatte, zerhackte er vor ihren Augen in kleine Stücke und verbrannte ihn mit Zeitungspapier. Obwohl das eigentlich streng verboten war. Auch damals war es ein sehr heißer Sommer gewesen.

Später war sie oft alleine in die Scheune geschlichen, um ihren Vater aus ihrem Versteck vom Heuboden aus bei der Arbeit auf dem Feld zu beobachten.

Ihm gehörte das Acker- und Weideland, so weit Julia schauen konnte. Erst nach seinem Unfall hatte ihre Mutter alles verkauft.

Jetzt wurde die Scheune nicht mehr genutzt. Aber es gab sie immer noch.

Der neue Besitzer hatte sich nicht die Mühe gemacht, sie auszuräumen. Er bearbeitete nur das Land. Selbst der alte Küchenschrank auf dem Heuboden stand immer noch an der gleichen Stelle.

Julia kletterte die Leiter hinauf. Es war so, als wäre keine Zeit vergangen.

Nach dem Unfall war sie nie wieder hier gewesen.

Ganz hinten im Heu fand sie ihre Blechkiste. Julia nahm den kleinen Schlüssel von ihrer Halskette und schloss sie auf. Ganz oben lag der Handspiegel mit dem verschnörkelten goldenen Rahmen. Darunter klemmte eine einzelne Spielkarte aus einem Kinderquartett, es war ein feuerroter Pontiac Firebird.

Den Spiegel hatte ihr Vater früher ihren Schneewittchenspiegel genannt. Vielleicht, weil ihre Haare so lang und schwarz waren.

Wenn Julia damals hineinsah, bildete sie sich ein, tatsächlich Schneewittchen zu sein. Und sie fragte sich, ob sie sich jemals so in jemanden verlieben könnte, wie Schneewittchen es getan hatte.

Mittlerweile waren ihre Haare kurz. Und als sie den Spiegel in die Hand nahm, sah sie darin sich. Sie zählte genau drei Sommersprossen auf ihrer Nasenspitze. Ansonsten war ihre Haut trotz des heißen Sommers weiß wie Schnee.

»Julia? Bist du da?«

Sie warf den Spiegel hastig zurück und warf den Deckel zu, ohne abzuschließen. Eilig schob sie die Blechkiste unter den nächsten Heuballen und robbte nach vorne an die Leiter.

Die Sprossen knarrten. Momente später schaute sie in Olivers erstauntes Gesicht.

»Hier bist du! Gib Acht. In dem alten Heu sind bestimmt jede Menge Flöhe.«

Er hievte sich neben sie und sah durch die Fensterluke hinaus auf die Felder.

Von hier hatte man einen optimalen Blick in die Landschaft. Man konnte alles sehen, ohne gesehen zu werden.

»Das gibt dieses Jahr eine super Ernte, wenn die Bauern mit dem Bewässern hinterher kommen.« Er sah verschwitzt aus und auf seiner Stirn zeichnete sich die Kante seines Fahrradhelms ab.

»Ich hätte es fast nicht gefunden, so lange war ich nicht mehr hier.« Er streckte sich auf dem Boden aus und schloss die Augen. »Ich bin total fertig. Ich hab bis um vier Uhr morgens gekellnert.«

Julia schaute Oliver nachdenklich an.

Sein Gesicht sah in der letzten Zeit oft müde aus, er arbeitete zu viel. Dabei war die Schule momentan ziemlicher Stress. Obwohl er ein Jahr älter war als sie, besuchte er mit ihr gemeinsam die gleiche Jahrgangsstufe der Gesamtschule. Nach dem Unfall damals hatte er eine Weile geschwänzt und jede Menge Stoff verpasst.

Julia fand es toll, dass er danach in ihre Klasse kam. Sie waren ohnehin wie Geschwister aufgewachsen. Egal um welche Sache es ging, sie verstanden sich blind, was die anderen häufig zur Weißglut brachte.

In ein paar Monaten wurde Oliver achtzehn. Aber nicht nur das ließ ihn auf einmal deutlich erwachsener wirken. Julia konnte nicht wirklich sagen, was ihn verändert hatte. Aber irgendetwas war geschehen. Im Gegensatz zu ihr waren seine Haare hellblond. Aber beide hatten sie dieselben veilchenblauen Augen.

Das war wie ein geheimes gemeinsames Merkmal zwischen ihnen.

Eine Übereinkunft, die sie für immer miteinander verband.

Julia hatte sich oft gewünscht, dass Oliver auch in Wirklichkeit ihr Bruder war. Aber leider war sein Vater nur ein finnischer Student gewesen, der kurz mit seiner Mutter zusammen war, als diese ein Jahr als Aupair in Helsinki verbrachte. Als sie herausfand, dass sie schwanger war, verschwand er auf Nimmerwiedersehen.

Sie weigerte sich immer hartnäckig, Oliver etwas über seinen Vater zu erzählen. Nicht einmal seinen Namen verriet sie. Vielleicht war das der Grund gewesen, warum Oliver seine Zeit lieber bei Julia und ihren Eltern auf dem Hof verbrachte, als bei sich zu Hause. Besonders Julias Vater verstand sich prima mit ihm und nahm ihn so oft wie möglich mit auf den Mähdrescher.

Er hatte sich immer einen Sohn gewünscht.

»Oliver!« Sie rüttelte ihn sanft. Er trug ein schwarzes T-Shirt ohne Ärmel und sie spürte seine Muskeln.

Verschlafen öffnete er die Augen. Wenn er müde war, leuchteten sie besonders blau.

»Oliver«, wiederholte sie. »Wollen wir loslegen?« Sie lächelte ihn an.

Immer wenn sie in seiner Nähe war, fühlte sie sich ruhig. Seit dem Tod ihres Vaters kam das nicht mehr häufig vor.

Oliver setzte sich auf und sah sie prüfend an.

»Bist du dir sicher, dass du das wirklich willst?«

Julia nickte entschieden. »Ganz sicher.«

Oliver kaute zweifelnd auf seiner Unterlippe. »Aber du weißt, dass du es nicht mehr rückgängig machen kannst, oder?«

Julia lachte belustigt. »Ja, das weiß ich.«

Oliver machte einen letzten Versuch. »Und ungefährlich ist es auch nicht. Ich habe es noch nicht so oft gemacht, dass ich garantieren könnte, dass es gut geht. Vor allem bei der Hitze.«

Julia stand entschlossen auf. »Willst du kneifen, oder was?«

Oliver schüttelte den Kopf. »Unsinn«, widersprach er. »Aber wir könnten es auch woanders tun. Warum ausgerechnet hier? Es gibt nicht mal Wasser.«

Julia antwortete nicht sofort. Sie sah aus der Dachluke hinaus auf das Feld.

»Nein, es muss hier passieren. Ich will es so.«

Sie kletterte die Leiter hinunter und öffnete ihren Rucksack. In ein Taschentuch eingewickelt, hatte sie alles dabei, was nötig war. Sie breitete es auf einem Hocker aus.

Oliver war ihr gefolgt und sah ihr über die Schulter zu.

»Hast du das Spray? Das brauche ich unbedingt.«

Julia schüttelte den Kopf. »War nicht zu kriegen. Ich habe es bestellt.«

Oliver verzog unwillig den Mund. »Das macht die Sache nicht einfacher. Wieso gehst du so ein Risiko ein?«

Julia merkte an seiner Stimme, dass er verärgert war. Sie ergriff seine Hand und wiederholte trotzig: »Weil ich es so will.«

Oliver entspannte sich. Er musste grinsen. »Du bist echt ein stures Kälbchen. Na gut. Also los.«

Er sah sich abschätzend um und entdeckte einen Anhänger mit zerschnittenen Reifen. »Am besten du legst dich da hinein auf den Rücken. Dann muss ich mich nicht so weit hinunterbeugen und dein Bauch bleibt straff.«

Julia warf ihm einen koketten Blick zu. »Mein Bauch ist straff. Ich mache jeden Tag vor der Schule zwanzig Sit-ups.« Sie kletterte auf den Anhänger.

Oliver grinste. »Mädchenkram. Wenn du so viele Bierkästen stemmen würdest wie ich in der Roten Sonne, müsstest du nicht so einen albernen Unsinn machen. Die Sit-ups kannst du für die nächsten Wochen auch erst mal vergessen. Könnte sonst Probleme geben. Schieb mal dein Hemd hoch.«

Julia reckte ihm ihren Bauch entgegen. »Mach doch du. Du weißt wie weit.«

Sie trug eine enge kurzärmelige Bluse mit feinen blauweißen Vichy-Karos. Die Hemdzipfel waren unter dem Bauchnabel lose verknotet.

Oliver öffnete den Knoten behutsam und schob die Bluse über den Bauchnabel bis zu ihrem Brustansatz. Sie trug keinen BH.

»Du kannst das Hemd ja danach weiter oben binden«, sagte er. »Bis die Wunde getrocknet ist.« Er holte einen Kugelschreiber aus seiner Hosentasche und markierte die zwei Einstichstellen über dem Bauchnabel.

Dann suchte er sich eine der Nadeln aus, die auf dem Taschentuch lagen und atmete tief durch. »Wirklich bescheuert, dass du das Spray nicht besorgt hast. Unnötiges Risiko. Ich hoffe nur, dass du wenigstens die Nadeln nicht mit schmutzigen Fingern angefasst hast. Womit soll ich denn jetzt desinfizieren?«

Julia verdrehte die Augen. »Schon gut. Ich habe es kapiert. Mit Blut natürlich. Nichts reinigt eine Wunde so zuverlässig wie Blut. Hättest im Unterricht besser aufpassen sollen.«

Oliver antwortete nicht. Er biss sich angespannt auf die Lippen und ergriff die Hautfalte über dem Nabel mit zwei Fingern.

»Jetzt piekst es gleich«, sagte er sanft. »Aber nur ein bisschen.«

Sein Tonfall und die Art, wie er mit ihr sprach, erinnerten Julia an früher.

Als sie klein war, hatte sie schreckliche Angst vor Spritzen gehabt. Ihr alter Kinderarzt war der Einzige, der sie impfen durfte, ohne dass sie schon vorher umkippte. Und das auch nur, wenn Oliver dabei war.

Kurz bevor der Arzt die Nadel ansetzte, wechselte er einen verschwörerischen Blick mit Oliver und dann sagte Oliver genau diesen Satz und hielt ihre Hand. Sie wusste, dass sie sich hundertprozentig darauf verlassen konnte, dass es nicht wehtun würde.

Jedenfalls nicht so, dass sie die Schmerzen nicht ertragen konnte.

Julia sah Oliver unverwandt an, als er zu stechen begann. Obwohl ihr nach kurzer Zeit Schweißperlen auf der Stirn standen, gab sie keinen Ton von sich.

Sie spürte, wie das Blut warm über ihren Bauch rann. Oliver wischte immer wieder mit dem Handrücken darüber. Seit er mit dem Stechen begonnen hatte, wirkte er voll konzentriert und überhaupt nicht mehr ängstlich. Es war seinem Blick anzusehen, dass er wusste, was er tat. Wie jeder gute Chirurg.

»Dieser Ring?« Er hielt ihn ihr direkt vor die Augen.

Julia nickte. Sie hatte Angst, dass das erste, was aus ihrem Mund kam, ein Stöhnen war. Deshalb sagte sie lieber nichts.

»Hübsch.« Oliver betrachtete den Ring aufmerksam. »Vielleicht ein bisschen zu kitschig für meinen Geschmack.«

An dem Ring hingen zwei Herzen aus Silber, die aussahen, als wären sie ineinander verschmolzen. »Hab ich noch nie zuvor gesehen. Gute Arbeit.«

Er schob den Ring vorsichtig durch die blutigen Einstichstellen und schraubte den Verschluss zu. Erst jetzt sah er Julia zum ersten Mal an.

Sie lächelte und leckte mit ihrer Zunge einen Schweißtropfen von der Oberlippe.

»Du bist echt tapfer«, sagte Oliver anerkennend. Er war ganz bleich im Gesicht.

»Weißt du, wie mir die Düse gegangen ist, dass du umkippst? Ich bin total nass geschwitzt. Alles ok soweit? Ich kenne kein Mädchen, das so verrückt ist wie du.« Er nahm das Taschentuch und tupfte über ihre Haut. Dann wischte er sich die Hände daran ab.

Julia stützte sich auf ihre Ellenbogen. In ihrem Kopf und in den Ohren rauschte es noch von dem unendlichen Schmerz. Erst ganz langsam ließ das Gefühl nach.

»Kannst du mal die Wasserflasche aus meinem Rucksack holen?«, bat sie. Sie musste sich übermäßig anstrengen, um ihrer Stimme den normalen Druck zu geben, den sie sonst hatte.

Oliver griff nach dem Rucksack und wühlte darin herum. »Warum hast du nicht vorher gesagt, dass du Wasser dabeihast. Dann hätte ich gleichzeitig kühlen können. Tut es sehr weh?«

Er ließ sie nur einen kleinen Schluck trinken und nahm ihr die Flasche gleich wieder weg, um ihre Haut von dem Blut zu säubern.

»Damit niemand denkt, du hattest einen Zusammenstoß mit einem Vampir.« Er lachte fröhlich. Anscheinend begann ihm die Angelegenheit doch noch Spaß zu machen.

Schließlich hatte Julia ihn wochenlang bearbeiten müssen, bis er sich überhaupt mit dem Gedanken vertraut machen konnte, ihr ein Piercing zu stechen. Dabei dachte er aber eher an Ohrläppchen.

Bei den Jungs aus der Roten Sonne hatte er den Ruf, ein echter Spezialist zu sein. Aber von Mädchen hatte er lieber die Finger gelassen. Die waren zu empfindlich für so ein martialisches Ritual, deshalb hatte er ihre Bitte zuerst kategorisch abgewehrt.

»Schade, dass du nicht gucken kannst. Hast du einen Spiegel hier?«

Julia schüttelte verneinend den Kopf. Sie sah, dass immer noch Blutflecken an seinen Händen waren, aber aus irgendeinem Grund sagte sie ihm das nicht.

Oliver holte sein Handy aus der Hosentasche, hielt es direkt vor ihren Nabel und fotografierte das Herz-Piercing.

Julia betrachtete das Bild zufrieden. »Richtig cool geworden. Du bist wirklich geschickt. Vielleicht solltest du nach der Schule ein Tattoo-Studio eröffnen. Damit kann man gut Kohle machen. Meine Mutter jedenfalls wird mich töten.« Sie strahlte glücklich bei diesem Gedanken. »Als Nächstes lasse ich mir die linke Brustwarze piercen. Direkt über dem Herzen.«

Oliver sah sie entsetzt an. »Aber nicht von mir. Für die Nummer stehe ich nicht zur Verfügung.«

Julia lachte belustigt. »Ich werde schon jemanden finden, der das gerne macht.«

Im selben Augenblick piepste Olivers Handy.

Er las die SMS kommentarlos und schaute auf seine Armbanduhr.

Julia fiel plötzlich auf, dass es die Uhr ihres Vaters war.

Sie hatte ganz vergessen, dass Oliver sie trug. Hatte ihr Vater sie ihm noch vor dem Unfall geschenkt oder hatte ihre Mutter ihm die Uhr als Erinnerung gegeben? Sie wusste es nicht.

»Ich muss los«, sagte er. Auf einmal wirkte er unruhig. »Ich habe gar nicht mitgekriegt, wie spät es schon ist.« Er steckte das blutige Taschentuch gedankenverloren in seine Hosentasche.

»Wohin denn?« Julia schaute ihn verwundert an.

»In die Stadt.« Er bot ihr seine Hand an. »Kannst du aufstehen?«

Julia verzichtete auf seine Hilfe und sprang mit einem mutigen Satz auf den weichen Scheunenboden. Ein stechender Schmerz durchbohrte ihren Kopf und sie strauchelte. Im letzten Moment fing Oliver sie auf. Sie schloss für ein paar Sekunden die Augen und drückte sich an seinen aufgeheizten Körper.

»Ich komm mit dir.«

Oliver guckte plötzlich abweisend. »Mhhm. Lieber nicht. Ich treffe da ein paar Jungs …«

Julia lachte verständnislos. »Na und? Jungs treffen ist immer gut. Die können dann gleich mal mein Piercing bewundern. Ich hab total Lust noch was zu unternehmen. Seit du nachts arbeitest, hast du nie Zeit.«

Oliver schüttelte den Kopf. »Nee, eben nicht gut. Die Typen sind nicht von hier. Kommen aus Hamburg«, sagte er ungewohnt energisch.

»Wir wollen vielleicht zusammen spielen. Sie sollen klasse sein, sagt Frank. Und seit Kurzem extrem angesagt. Sie suchen einen neuen Sänger. Das ist meine Chance.«

Er entdeckte die Blutflecken auf seiner Hand und entfernte sie mit Spucke und einem Büschel Stroh.

»He, cool, Mann!« Julia sah Oliver bewundernd an. »Du willst echt loslegen, was?«

Oliver nickte entschlossen. »Irgendwas muss ja endlich passieren. Ich krieg ’ne Krise hier in dem Kaff. Seit meine Mutter nicht mehr arbeitet, ist es zu Hause unerträglich.«

Früher hätte Julia zu ihm gesagt, dann komm doch zu uns. Dort gefällt es dir doch sowieso viel besser.

Aber diese Zeiten waren vorbei.

Seit dem Unfall war alles anders geworden. In jeder Beziehung.

Das Glücksgefühl über ihr allererstes Piercing war wie weggewischt. Stattdessen fühlte sie in ihrem Inneren einen tiefen Schmerz, dessen Ursache sie nicht benennen konnte.

»Na dann. Hau rein«, sagte sie kühl. »Man sieht sich. Spätestens morgen früh in der Schule, wenn du nicht wieder zu spät kommst.« Sie blieb regungslos stehen.

Oliver berührte sanft ihren Scheitel. »He, alles klar? Kommst du wirklich allein nach Hause? Kauf sofort das Spray, kann sonst üble Entzündungen geben. Versprochen?«

Er schaute sie an, wie sie vor ihm stand, mit hochgezogenen Schultern, ein trauriges kleines Mädchen mit blutigem Nabel.

Schuldbewusst ergriff er ihre Hand. »Es tut mir so leid, das ist wirklich ein blödes Timing. Aber ich weiß einfach nicht, wie lange die Jungs in der Stadt bleiben.«

Julia zog ihn an sich und küsste ihn aufs Ohr. »Na klar. Kein Problem. Zisch ab, Bruder.« Sie ließ ihn nur ungern los.

Oliver stieg auf sein Rennrad und trat kräftig in die Pedale.

Julia sah ihm nach, bis nur noch ein winziger Punkt von ihm zu erkennen war.

Er hatte sich kein einziges Mal umgedreht.

3

Oliver schaute immer wieder auf seine Armbanduhr, während er mit aller Kraft in die Pedale trat. Er hatte die Zeit übersehen, so ein Mist. Querfeldein fuhr er über den ausgelaugten Ackerboden, um die Strecke abzukürzen. Hoffentlich hielten die Reifen seines Rennrades durch.

Überraschend begann es in einiger Entfernung zu donnern, sogar Blitze zuckten vereinzelt am Himmel auf. Ausgerechnet jetzt, nach Wochen glühender Hitze und keinem Tropfen Regen. Er musste die Jungs unbedingt noch erreichen, ehe sie wieder zurück in die Großstadt abhauten. Und bevor der große Regen kam.

Er hatte so gehofft, sie endlich zu treffen. Bosse hatte den Kontakt für ihn gemacht und ihnen seine Tapes geschickt. Dieses Treffen war seine große Chance.

Vielleicht war es ein Fehler gewesen, Julia ausgerechnet heute das Piercing zu stechen. Aber er konnte diesem Mädchen einfach nichts abschlagen. Das war schon immer so gewesen. Sie hatte sich so darauf gefreut und wenn sie ihn aus ihren blauen Augen anschaute, war es um ihn geschehen.

Nein. Er war nicht in Julia verliebt. Auch wenn manche Leute darüber blöde Witze rissen. Julia war wie seine Schwester, Teil einer Familie, die er sich genau so immer gewünscht hatte.

Als Julias Vater vor drei Jahren unter den Mähdrescher geriet und starb, hatte Oliver gedacht, er würde selber sterben. Er hatte alle Menschen dafür gehasst, dass sie noch atmeten. Selbst seine eigene Mutter.

Damals bildete sich Oliver ein, dass nur er selber trauern durfte, weil er Julias Vater am allermeisten geliebt hatte und diese perfekte Familie nun für immer zerstört war.

Besonders Julia konnte er nicht mehr ertragen. Ihre Stimme, ihre traurigen Augen, sogar ihren Duft. Alles an ihr schmerzte ihn.

Am liebsten hätte er sie getötet, um jede Erinnerung für immer auszulöschen.

Im Nachhinein waren diese Gefühle natürlich schierer Unsinn. Teil einer tiefen Trauer.

Der Psychologe, mit dem er damals ein Jahr lang jede Woche über seine enge Beziehung zu Julias Vater gesprochen hatte und der vom Jugendamt bestimmt worden war, Oliver wieder auf Spur zu bringen, hatte ihm das alles ganz genau erklärt. Und langsam vernarbte die Wunde.

Zum ersten Mal seit dem Unfall hatten sie sich heute alleine verabredet und es war schön gewesen. Julia war wieder seine kleine Schwester, die er gernhaben konnte und die er beschützte. Ihr Vater war tot.

Mit dem ersten Schauer erreichte Oliver den Brunnen in der Stadt. Das war ein bekannter Treffpunkt für junge Leute. Momentan hatten sich allerdings die meisten von ihnen in die Cafés rundherum verzogen, um nicht klitschnass zu werden. Oliver stellte sein Rennrad ab, blieb auf den Treppen stehen, die zu dem Wahrzeichen der Stadt, einer wasserspeienden Nixe, hinaufführten, und schaute sich erwartungsvoll um.

Sein Herz klopfte heftig, das kam nicht nur von der schnellen Fahrt. Von Bosse keine Spur. Verdammt. Er war tatsächlich zu spät gekommen.

Enttäuscht setzte er sich auf die nassen Stufen und beobachtete einen Spatz, der aufgeweichte Brotkrumen aus einer Pfütze gierig in sich hineinschlang.

Als er alles aufgepickt hatte, trippelte er selbstbewusst weiter zur nächsten Nahrungsquelle.

Oliver atmete tief ein. Manchmal hatte er sein Leben richtig satt.

Er hätte in diesem Augenblick gerne mit dem Vogel getauscht, sogar eine Ameisenexistenz wäre ihm lieber gewesen, als wieder eine Chance verpasst zu haben. Seit Julias Vater tot war, ging einfach alles schief und er sah keinen Funken Hoffnung für sich.

»Oliver! Hey.« Plötzlich stand Bosse vor ihm und rüttelte ihn an der Schulter.

»Schläfst du oder was? Ich versuche mich schon die ganze Zeit bemerkbar zu machen. Wir sind in der Bar drüben.«

Sie warteten an dem runden Tisch direkt an dem großen gekippten Fenster.

Die Jungs waren zu dritt und trugen trotz des Sommers schwarze Kleidung und angesagte Beanies in Knallfarben. Obwohl es in der Bar selbst sehr stickig war und die Luft nach dem heftigen Regen dampfte wie im Regenwald, nahmen sie ihre Mützen nicht ab. Oliver kam sich im Vergleich zu ihnen schlagartig sehr provinziell vor und merkwürdig jung, obwohl die drei keineswegs älter waren als er.

Tom war ganz offensichtlich ihr Wortführer, während die anderen beiden, die nur kurz ihre Namen murmelten, konzentriert an ihren Bierflaschen – alkoholfrei – nuckelten und ihn interessiert anstarrten.

»Ok«, sagte Tom. »Also Bosse hat uns deine Tapes untergejubelt und wir haben sie vor ein paar Tagen gehört.«

Tom machte eine Pause und betrachtete mit unverhohlenem Interesse ein hübsches Mädchen mit langen blonden Haaren, das sich an der Theke eine Cola holte. Es war Meerie, sie ging in Olivers Klasse.

Oliver hatte das Gefühl, jeden Moment umzukippen vor Anspannung. Er brannte darauf endlich zu erfahren, wie die Jungs seine Musik einschätzten. UNDERGROUND war die angesagte Coverband. Jeder sprach über sie, sie waren überall dabei, wo es was zu feiern gab. Ihre Auftritte waren sensationell.

Meerie schaute interessiert zu ihnen herüber und als sie an ihren Tisch zurückging, an dem noch andere Mädchen saßen, wählte sie einen anderen Weg und kam direkt an ihrem Tisch vorbei.

»Hei, Olli«, sagte Meerie und berührte seine Schulter.

Dabei sah sie gleichzeitig Tom tief in die Augen. »Bist du nicht der Sänger von UNDERGROUND?«, fragte sie.

Tom grinste. »Möglich. Willst du ein Autogramm?«

Meerie nickte begeistert. »Cool!«

Tom zog lässig eine Autogrammkarte aus seiner Belstaff Jacke. »Wie heißt du?«

»Meerie mit Doppel-e vorne und einem hinten!«

Tom nickte. »Alles klar.« Er schrieb mit einem schwarzen Edding unter sein Foto: for Meerie with love, Tom – und drückte die Karte Meerie in die Hand.

»Danke!« Sie strahlte und sah Oliver neugierig an, bevor sie das Autogramm vor sich her schwenkend kichernd zurück zu ihren Freundinnen rannte.

»Donnerwetter!«, sagte Bosse neidisch. »Mich lässt sie immer eiskalt abblitzen.«

Tom zuckte mit den Schultern. »Die Chicks werden ganz verrückt, sobald du auf der Bühne stehst. Schon ganz nett.« Überraschend ehrlich fügte er hinzu: »Früher hatte ich auch so meine Probleme …« Er zwinkerte Oliver zu.

Bosse nickte beruhigt. »Also, was ist jetzt? Wie findet ihr Oliver?«

Oliver hielt die Luft an. Er wollte endlich durchstarten.

»Sehr cool, Mann. Geile Stimme.« Erst jetzt nahm Tom seine Mütze ab. Er hatte blauschwarz gefärbte Haare, die in alle Richtungen standen. Er sah Oliver offen ins Gesicht. »Du bist besser als ich, Mann. Kannst sofort einsteigen. Wir brauchen nämlich dringend Verstärkung, ich will wieder den Bass spielen. Nur Singen langweilt mich und die Bassisten, die sich bei uns vorgestellt haben, waren einfach mies. Ich hatte schon Angst, dass du so ein Landei bist. Aber du schaust gut aus. Die Mädels werden dich lieben. Weißt du, an wen du mich erinnerst?«

Oliver konnte es sich zwar denken, denn er wurde öfter auf diese Ähnlichkeit angesprochen. Trotzdem schüttelte er den Kopf.

»Na, Samu. Der Leadsänger von Sunrise Avenue.«

Bingo. Das hatte Oliver diesem finnischen Typen zu verdanken, der Ferienliebe seiner Mutter. Deshalb war er hellblond und sah aus wie ein echter Skandinavier, während seine Mutter braunes Haar hatte. Keine Ahnung, wie das funktionierte, in Genetik wieder mal nicht aufgepasst.

»Meinst du wirklich?«, fragte er.

Tom lächelte spöttisch. »Willst du mich verarschen? Das weißt du doch bestimmt schon längst selber. Damit kannst du echt punkten. Die Mädels jubeln dir zu und meinen eigentlich Samu. Na, und irgendeine dann vielleicht sogar dich. Was dann passiert, kannst du dir denken. Schon cool. Aber so ist das eben, wenn man Coversongs interpretiert. Wir werden auf jeden Fall Songs von Sunrise Avenue auf unsere Setlist setzen. Deine Stimmlage ist sogar ähnlich. Den Hype müssen wir unbedingt nutzen.«

Oliver war beeindruckt. Tom war ein richtiger Profi. Er wollte nicht nur auf der Bühne stehen, er kannte sich auch mit dem Markt aus. So jemand war für ihn unbezahlbar. Das Angebot kam gerade im rechten Moment.

»Wie ist das mit Freundin?«, fragte Tom weiter.

Oliver schüttelte erneut den Kopf. »Fehlanzeige«, antwortete er knapp.

Das war tatsächlich ein Feld, auf dem er sich eher unsicher bewegte. Sein bester Freund Bosse hatte alle paar Monate ein neues Mädchen, mit dem er auftauchte und mächtig Gas gab. Bis über die Ohren verliebt kam er ihm zwar nie vor, aber er hatte auf jeden Fall jede Menge Fun.

Oliver hatte sich schon selber gefragt, warum er noch keine einzige Freundin gehabt hatte. Das war irgendwie nicht normal. Aber er konnte bei den Mädchen einfach nicht landen. Immer, wenn er es gerade geschafft hatte, sich mit einer zu verabreden, machte sie plötzlich einen Rückzieher.

Bosse war ja der Meinung, dass Julia daran schuld war. Er ging sogar so weit zu behaupten, dass sie die anderen Mädchen vergraulte.

Das war natürlich völliger Blödsinn. Oliver hatte Bosse im Verdacht, dass er eifersüchtig war, weil Oliver und Julia so gut miteinander befreundet waren. Das störte ihn als Freund und als Mann.

Es war Oliver nicht entgangen, dass Bosse Julia heimlich anhimmelte. Sie war auch wirklich hübsch und dabei unglaublich nett. Darüber hinaus hatte Oliver das Gefühl, er konnte das nicht wirklich beurteilen, als Julias Bruder.

Bosse fand diese Einordnung übrigens bescheuert, wie er sich knallhart äußerte. Er war der Meinung, dass es unmöglich war, sich als Bruder und Schwester zu fühlen, wenn man nicht tatsächlich blutsverwandt war. Er bezeichnete das schlicht als pervers. Darüber hatten sie sich kürzlich richtig heftig gestritten.

Oliver verstand umgekehrt nicht, warum sein Freund Bosse nur in so simplen, eingefahrenen Kategorien dachte.

Vielleicht lag es daran, dass er aus einem intakten Elternhaus kam, in dem er Liebe und Geborgenheit im Übermaß bekam. Er hatte drei Schwestern, die über zehn Jahre älter waren als er. Als Nachzügler hatten sie ihn nach Strich und Faden verwöhnt und, wie er Oliver nach einer mit Whisky durchzechten Nacht gestanden hatte, ihn sogar in ihre Puppenkleider gesteckt und im Stubenwagen durch die Wohnung gekarrt.

Später, als sie wieder nüchtern waren und Oliver ihn damit aufzog, war Bosse furchtbar wütend geworden.

Ja. Vermutlich lag es genau daran, dass Bosse mit der Schwesternnummer, wie Oliver seine enge Beziehung zu Julia bezeichnete, so gar nichts anfangen konnte.

»Oliver!!! Hörst du überhaupt zu?« Bosse brüllte so laut in sein Ohr, dass er erschreckt zusammenzuckte.

»Tut mir leid, Leute«, sagte Bosse entschuldigend in die Runde. »Mein Kumpel fällt ab und zu mal in ein vergeistigtes Koma, aber wenn er auf der Bühne steht, gibt er zweihundert Prozent. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer.«

Oliver konnte es nicht vermeiden, dass er rot wurde. Er war mit seinen Gedanken tatsächlich gerade ganz weit abgedriftet.

»Sorry?«, fragte er verlegen.

Tom lachte gutmütig. »Ich habe ungefähr zwanzigmal hintereinander gesagt, dass es cool ist, dass du keine Freundin hast. Das macht die Sache tausendmal leichter. Wenn du erst mal mit einer Frau auftauchst, die sich meistens auch noch wie eine Klette an dich hängt, bist du für den Rest der Chicks schon gestorben.«

Oliver lachte unsicher. »Wer soll sich denn für mich interessieren?«

Tom haute sich mit der flachen Hand vor die Stirn. »Ich fasse es nicht. Leute, hier sitzt ein Rohdiamant vor uns. Geile Stimme, geiles Aussehen, alles da, was die Girls total irre macht und er selber weiß von nichts. Ich werd verrückt.« Er kippte aufgebracht seine Cola light in einem Zug hinunter.

Ronnie und Luis, seine zwei Bandkollegen, wieherten zustimmend mit.

Ronnie, der Schlagzeuger, machte endlich zum ersten Mal seinen Mund auf und sagte: »Mann, das wird ’ne echt scharfe Sache mit dir. Du wirst dich schneller an deinen Star Appeal gewöhnen, als du denkst.« Er holte zwei Sticks aus seiner Umhängetasche und trommelte damit auf dem Tisch herum.

»Bye bye Hollywood hills, I’m gonna miss you where ever I go, I’m gonna come back to walk these streets again …«, sang Tom eine Zeile aus Hollywood Hills dazu.

Der Mädchentisch kreischte entzückt auf.

Tom grinste: »Na, was sag ich.«

Oliver wischte sich verlegen eine Haarsträhne aus der Stirn. »Mal sehen. Erst mal singen. Das ist das, was ich will. Das ist mein Leben.«

Tom nickte zufrieden. Er schaute auf Olivers Hand. »Hast du dich geschnitten? Du hast da Blutflecken.«

Oliver wischte die Flecken mit einem Papiertaschentuch und Mineralwasser hastig weg. »Hab ich übersehen«, und auf Bosses fragenden Blick. »Ich war vorher mit Julia unterwegs wegen …«

Bevor er den Satz zu Ende sprechen konnte, schrie Bosse in voller Lautstärke durch die Bar: »Ich fass es nicht. Sag bloß, du hast sie flachgelegt?«

Oliver wurde knallrot. »Spinnst du oder was?« Er war auf einen Schlag furchtbar wütend. »Du gehst mir echt auf den Geist. Sie wollte ein Piercing, das ist alles. Du bist echt ein Volltrottel.« Er musste sich beherrschen, dass er ihm nicht ins Gesicht schlug.

Tom sah Oliver beeindruckt an. »Hey, das überrascht mich aber. Du gehst ja ab wie ein Zäpfchen. Sehr cool. Ich hab’s gleich gewusst. Du bist unser Mann.«

Oliver atmete tief durch. »’tschuldigung«, murmelte er und versuchte sich wieder zu entspannen.

»Also, wann legen wir los?«, fragte Tom. »Wir haben keine Zeit zu verlieren.«

Oliver kaute nervös auf seiner Unterlippe herum. »Na, also das ist gerade noch ein kleines Problem. Ich gehe ja leider zur Schule und kann nicht von jetzt auf gleich von hier abhauen. Wenigstens bis zu den Zeugnissen müsste ich noch warten. Wenn es aber daran scheitern sollte – dann schmeiß ich die Schule hin. Ich will Musik machen und sonst gar nichts.«

Tom schüttelte den Kopf. »He, kein Ding. Wir haben uns sowieso überlegt, dass wir mal eine Auszeit brauchen. Wir haben bereits vorher darüber gesprochen, dass wir eine Weile hierbleiben und eine Art privates Sommercamp machen. Das heißt, wir mieten uns eine Lagerhalle oder etwas Ähnliches zum Üben und quartieren uns hier in deiner Nähe ein. So können wir uns einspielen, gleichzeitig auf ein paar Gigs auftreten und gucken, wie du beim Publikum ankommst.«

Oliver war völlig baff. Gerade erfüllte sich sein größter Traum. Er war so sprachlos, dass er keinen Ton herausbrachte.

»Unser Shooting Star ist mal wieder stumm wie ein Fisch«, mischte sich Bosse eilig ein und boxte Oliver aufmunternd in die Seite. »Aber ich kann euch versichern, er findet es genauso cool wie ich.« Er strahlte über das ganze Gesicht.

»Das ist doch der Hammer, Mann«, brüllte er so laut, dass sämtliche Gespräche in der Bar augenblicklich verstummten. »Olli for music award! Aber subito!«

Ein paar Leute lachten, einige klatschten zustimmend.

Oliver streckte Tom seine Hand hin. »Danke!«, sagte er. Mehr fiel ihm nicht ein. Er hatte das Gefühl total unter Schock zu stehen.

»Na dann.« Tom schüttelte ihm als Erster die Hand, dann ergriffen Ronnie und Luis sie.

»Das wird was, Alter«, sagte Luis. Er war der Gitarrist der Band.

Bosse klopfte allen so euphorisch auf die Schulterblätter, als hätte er den Deal für sich selber an Land gezogen. Das fand Oliver schon wieder beinahe rührend.

Wenn Bosse sich nur endlich abgewöhnen könnte, ihn ständig mit Julia zu nerven.

Er bestellte sich ein Bier. Das hatte er sich jetzt wirklich verdient. Ab heute würden sich die Dinge ändern. Er war Teil einer Band und nicht nur irgendeiner.

Er war der neue Sänger von UNDERGROUND, alles war nun möglich.

Gerade hatte seine Zukunft begonnen und er konnte die Vergangenheit endlich hinter sich lassen.

Er setzte das Bierglas an seine Lippen und schaute aus dem Fenster.

Es hatte wieder aufgehört zu regnen. Die Sonne spiegelte sich auf den nassen Pflastersteinen und reflektierte ein besonders helles, beinahe weißes Licht.

Bis auf ein paar Spatzen, die ein erfrischendes Bad in den Pfützen nahmen, hatte sich noch niemand auf die Stufen des Brunnens zurückgewagt.

Oder?

Im gleichen Augenblick entdeckte er Julia. Sie saß direkt unter der Steinnixe und starrte zu der Bar herüber. Sie wirkte seltsam fremd, mit einem abwesenden, fernen Blick. Keine Ahnung, wie lange sie dort bereits gesessen hatte.

Oliver konnte nicht einmal sagen, ob Julia ihn durch die Scheiben überhaupt erkannt hatte, aber aus irgendeinem Grund fühlte er sich plötzlich unwohl – und so rückte er mit seinem Stuhl ein ganzes Stück nach hinten, bis ihn die hellrote Marmorsäule, die die Decke der Bar abstützte, ganz und gar verbarg.

4

Da draußen sitzt Julia!«, sagte Bosse. »Sieht mal wieder verschärft aus. Wo hast du ihr das Piercing denn gestochen?«

Tom sah neugierig aus dem Fenster. »Wer ist Julia?«

Oliver warf Bosse einen warnenden Blick zu. »Julia ist so was wie Familie für mich«, sagte er. »Wie eine Schwester.«

Tom nickte wissend. »Ach, deine Stiefschwester. Kenn ich. Mein Alter ist mittlerweile schon zum dritten Mal verheiratet. Ich habe sogar vier Stiefschwestern, mein Stiefbruder ist drei Monate alt. Nur sehen die Bräute in meiner Familie nicht so heiß aus, wie diese. Du hast eine Glückssträhne, Mann, in jeder Beziehung.«

Er stand auf. »Stell uns doch mal deine Schwester vor. Ich möchte schließlich deine ganze Familie kennenlernen.« Er schnippte nach dem Kellner. »Zahlen bitte. Alles zusammen.«

Der Kellner schüttelte abwehrend den Kopf. »Geht aufs Haus, Kollege. Die UNDERGROUNDs sind uns immer willkommen.«

Tom bedankte sich mit dem Victory Zeichen. »Verstehst du langsam, was ich meine?«, sagte er zu Oliver. »Das sind die einfach coolen Momente. Aber du musst verdammt aufpassen, dass du dir das nicht kaputt machst. Wenn sie dich erst mal hassen, dann für immer.« Er machte eine auffordernde Handbewegung und ging vor zur Tür. Bosse sprang eilig auf und lief ihm hinterher, Ronnie und Luis folgten ihm lässig.

Nur Oliver zögerte einen Augenblick, bevor er seiner neuen Band nachging.

Er hatte überhaupt keine Lust, Tom mit Julia bekannt zu machen. Das war sein eigener Weg, und den wollte er wenigstens am Anfang alleine gehen.

Keine Frage, dass sich Julia für ihn freuen würde. Das hatte sie ja immer getan. Aber er musste selber erst kapieren, was gerade passiert war.

Julia war auch nicht eifersüchtig gewesen, dass ihr Vater und Oliver sich so gut verstanden. Nicht alle wären da so entspannt geblieben. Aber es hatte ihr ohnehin nie Spaß gemacht, auf einem Trecker über den Acker zu brettern. Für Oliver war das eine Weile sein ganzes Glück. Und Julias Vater machte es denselben Spaß. Zum Schluss hatte er ihn sogar Sohn genannt.

Julia kümmerte sich bis heute lieber um Tiere. Sie befreite heimlich Mäuse aus Fallen, leistete Geburtshilfe bei Katzen und päppelte Lämmchen mit der Flasche auf. Sie hatte einfach ein großes Herz.

»Hallo, Schöne. Du siehst ja aus wie Schneewittchen! Dein Bruder ist ein echter Glückspilz und außerdem ein ganz cooler Typ. Jetzt wollte ich mal antesten, ob das in der Familie liegt.« Tom setzte sein süßestes Lächeln auf. Das konnte er ausgesprochen gut.

»Wer? Mein Bruder?« Julia lachte verwundert und schaute in Olivers Richtung.

Sie kicherte und antwortete mit einem leicht hysterischen Unterton: »Okay, na, im Grunde genommen sind wir ja alle eine große Familie.«

Tom schaute sie hingerissen an. »Da sagst du wirklich ein wahres Wort. Ich liege dir zu Füßen. Vielleicht könntest du mich auch unter deine Fittiche nehmen? Ich bin sehr anspruchslos. Da Oliver in unsere Band einsteigt, sind wir ja praktisch miteinander verwandt.«

Bosse kriegte einen Lachanfall. »Cool, Mann. Am besten du adoptierst uns alle und die sieben Zwerge dazu.«

Julia schaute ihn herablassend an. »Der kleine Bosse kann im Kinderparadies abgeholt werden«, sagte sie.

Bosse lachte gutmütig. »Ich will doch nur spielen. Zeigst du deinen neuen Brüdern das Piercing? Wo ist es denn, Schwester?«

Julia zögerte einen Augenblick. Sie suchte Olivers Blick.

Oliver stand wortlos dabei und machte ein verschlossenes Gesicht.

»Darf ich, Olli?«, fragte sie überraschend unsicher.

Tom wandte sich um und witzelte: »Au ja, darf sie uns das neue Piercing zeigen, Olli? Bitte, bitte!«

Oliver runzelte ärgerlich die Stirn. »Mach doch, was du willst, Julia«, sagte er. »Was soll diese merkwürdige Frage? Geht mich das was an?«

Julias Blick verfinsterte sich. »Du hast recht. Es geht dich tatsächlich nichts an«, sagte sie und zog mit einem Ruck den Stoff nach oben. Ihr Brustansatz war zu sehen, aber vor allem stach ihr blutiger Bauchnabel ins Auge. Auch auf der Bauchdecke waren noch Blutspritzer zu erkennen.

Tom pfiff anerkennend. Es war nicht ganz klar, was von beidem er damit meinte.

»Waaah!«, stöhnte Bosse. »Absolut verschärft. Mir wird gleich übel. Hat das nicht höllisch wehgetan?«

Julia lächelte spöttisch. »Ein Weichei darf man natürlich nicht sein. Aber Oliver macht das wirklich gut. Der nächste Ring kommt in die Brustwarze.«

Tom bekam große Augen. »Ist das dein Ernst? Ich drehe durch. Solche Frauen liebe ich. Darf ich zusehen, Prinzessin Julia? Ich mach davon ein Video und bring dich groß raus. Du wirst die neue Heldin bei youtube, das verspreche ich dir. Als moderne Amazone oder so.« Er starrte auf ihre Brüste, als ob er sich bereits virtuell ein Bild davon machen wollte, was auf ihn zukam.

»Ich wusste nicht, wie heiß du wirklich drauf bist, Oliver«, sagte er bewundernd.

»Diese Piercing-Masche kommt bei Frauen bestimmt super an. Du bist ein Held. Also, was ist? Lässt du Zuschauer zu?«

Oliver schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, was hier gerade abgeht«, sagte er verärgert. »Mit dem Brustpiercing habe ich nichts zu tun. Das weißt du auch, Julia. Also hör auf, so einen Mist zu reden.«

Tom machte eine beschwichtigende Handbewegung. »Piano, Leute. Selbst in den besten Familien gibt’s mal Krach.«

Er holte eine Autogrammkarte heraus und kritzelte etwas quer über sein Foto. »Hier, meine Handynummer. Sag mir unbedingt Bescheid, wenn du mit dem nächsten Piercing loslegst. Ach, und wenn du Stress hast – klingle einfach durch. Mir fällt bestimmt eine Entspannungsübung ein.« Er ergriff ihre Hand und deutete einen Handkuss an. »Ciao, bella. Wir werden uns in Zukunft ohnehin öfter sehen. Schließlich spielt dein Bruder jetzt in meiner Band. Hat mich sehr gefreut.« Er zwinkerte ihr zu.

Julia warf Oliver einen triumphierenden Blick zu. »Okay, ich hau dann also schon mal ab. Bis später Bruderherz. Und sei pünktlich zum Abendessen zu Hause.« Sie ging los, schwang sich ohne ein weiteres Wort auf ihr Fahrrad, das sie gleich hinter dem Brunnen abgestellt hatte, und radelte davon.

Tom sah ihr bewundernd hinterher. »Tolles Mädchen«, seufzte er.

Er holte einen Autoschlüssel aus der Hosentasche. »Wir müssen los. Wir haben heute Abend noch einen Auftritt auf einer großen Party. Also, wie besprochen. Wir kümmern uns um einen Probenraum und ein Haus oder eine Wohnung. Das ist ja wohl kein Problem hier. Und dann legen wir so schnell wie möglich los. Alles klar? Über Kohle und den ganzen anderen Mist sprechen wir dann später.«

Sie gaben sich die Hand und Oliver sah zu, wie Tom, Ronnie und Luis in einen feuerroten Pontiac Firebird stiegen und davonfuhren.

»Alter Schwede«, sagte Bosse bewundernd. »Das ist eine 3,1-Liter-Maschine, auf jeden Fall. Verbrauch nicht unter 12 Liter Benzin. Wenn du jetzt berühmt wirst, kannst du dir auch so einen leisten. Ist das geil oder ist das nicht geil?«

Oliver zuckte mit den Achseln. »Sehr cool«, gab er zu. »Ich habe damals gedacht, mehr als ein gebrauchter Trecker ist im Leben nicht drin.« Er sprach nicht aus, was Bosse ohnehin wusste.

Damals, als Julias Vater noch lebte und er nicht Sänger, sondern Bauer werden wollte. Schlagartig wurde Oliver kochend heiß. Es stimmte wirklich: Er würde jetzt endlich Sänger werden.

Vor Erleichterung stöhnte er laut. Es hatte alles so geklappt, wie er gehofft hatte und noch viel, viel besser.

»Geht’s dir gut, Kumpel?«, fragte Bosse besorgt. »Du siehst gerade etwas seltsam aus. Als ob du an Starkstrom angeschlossen wärst oder dich ein Kugelblitz getroffen hätte.«

Oliver grinste. »So ähnlich fühle ich mich jetzt auch. Die Sache mit der Band sackt erst ganz allmählich. Ich bin total durcheinander.«

Bosse grinste. »Ich finde das so toll. Ganz ehrlich. Du bist besser als Samu oder die Toten Hosen oder Thirty Seconds to Mars oder alle zusammen. Ich gönn dir das so.«

Er umarmte Oliver und drückte ihm vor Freude beinahe die Luft ab.

»Ist gut, Mann«, ächzte Oliver und befreite sich aus Bosses Klammergriff. Aber in Wirklichkeit freute er sich riesig über Bosses Lob. Einen Freund wie Bosse gab es nur ganz selten. Oliver kannte eigentlich niemanden, der sich so bedingungslos über das Glück oder den Erfolg des anderen freuen konnte. Auch nicht Julia, selbst wenn sie es immer wieder sagte.

Gerade heute hatte er das Gefühl gehabt, dass sie die Nachricht, dass er in die Band einsteigen durfte, geradezu ignoriert hatte.

Stattdessen hatte sie schnippische Bemerkungen in seine Richtung geschossen und den Frauenhelden Tom mit ihrem nackten Bauch provoziert.

So sehr er sich darüber freute, dass er sich mit Julia wieder so verbunden fühlte wie früher, so wenig konnte er verstehen, warum sie ihn manchmal so provozierte. Vielleicht sollte er sie in einem stillen Moment einfach fragen, was los war. Aber dafür war momentan keine Zeit. Denn jetzt ging erst einmal die Sache mit der Band los. Konnte genauso gut sein, dass sich Julia wieder beruhigte. Selbst wenn Bio nicht seine Stärke war: Mädchen hatten manchmal auch einfach schlechte Laune, weil ihre Hormone verrückt spielten. So viel wusste er dann doch. Auch wenn darüber nachzudenken, ihm ein wenig peinlich war.

Als ob Bosse Olivers Gedanken lesen könnte, begann er plötzlich laut über das Geplänkel mit Julia nachzudenken.

»Ich will dich wirklich nicht schon wieder stressen, Kumpel«, sagte Bosse. »Aber mit dieser Schwesternnummer hast du gerade ganz schönes Chaos angerichtet. Und genau das meinte ich kürzlich. Das passt einfach nicht.«

Oliver sah ihn verständnislos an. »Was meinst du? Ich verstehe kein Wort.«

Bosse seufzte. »Na, Tom glaubt jetzt, ihr seid richtige Stiefgeschwister, die zusammen wohnen. Weil es das anders eben nicht gibt, eine Schwester, die in Wirklichkeit gar keine Schwester ist. Und Julia denkt das auch. Selbst wenn sie zu dir was anderes sagt. Deshalb hat sie auch so komisch gelacht. Und danach war sie zickig.«