Hexerei zur Teestunde: Ein unheilvoller Band (Ein Cozy-Krimi in einem kuriosen Buchladen — Buch 1) - Sophie Love - kostenlos E-Book + Hörbuch

Hexerei zur Teestunde: Ein unheilvoller Band (Ein Cozy-Krimi in einem kuriosen Buchladen — Buch 1) Hörbuch

Sophie Love

5,0

Beschreibung

"Der perfekte Liebesroman für den Urlaub mit dem gewissen Etwas: sein Enthusiasmus und die wunderschönen Beschreibungen bieten einen unerwarteten Blick auf die Komplexität der sich entwickelnden Liebe und der sich veränderten Psyche. Er ist eine unterhaltsame Empfehlung für Fans von Liebesromanen, die nach etwas mehr Komplexität bei ihrer Lektüre suchen." --Midwest Book Review (Für jetzt und für immer) HEXEREI ZUR TEESTUNDE: EIN UNHEILVOLLER BAND ist der Debut-Roman einer neuen, mitreißenden Cozy-Krimireihe der Bestsellerautorin Sophie Love, Autorin der Reihe Die Pension in Sunset Harbor, einem Nr.-1-Bestseller mit mehr als 200 Fünf-Sterne-Bewertungen. Als die 29-jährige Alexis Blair bei ihrer Arbeit in einem Verlag gefeuert wird und am selben Tag auch noch die Beziehung zu ihrem Freund in die Brüche geht, fragt sie sich, ob das alles vielleicht Zeichen sind, einen Neuanfang zu wagen. Sie beschließt, dass es an der Zeit ist, ihren Kindheitstraum zu verwirklichen: ein eigener Buchladen – selbst, wenn sie dafür Boston hinter sich lassen und eine Stelle in einem kuriosen Buchladen in einer Kleinstadt am Meer, die eine Stunde entfernt liegt, annehmen muss. Doch Alexis erkennt bald, dass der sonderbare Laden mehr ist als nur ein Geschäft für seltene und magische Bücher. In dem geheimen Hinterzimmer des Ladens, mit dem exzentrischen Besitzer und in der Kleinstadt selbst geht etwas Seltsames vor sich. Und als eine Leiche auftaucht, steckt Alexis plötzlich mit ihrer geliebten zugelaufenen Katze bis über beide Ohren in der Sache drin. Dieser packende Krimi steckt voller übernatürlicher Phänomene, Rätsel, Geheimnisse und Liebe vor der Kulisse einer Kleinstadt, die genauso sonderbar und liebenswert wie der Laden ist – DER KURIOSE BUCHLADEN ist ein Roman, der Ihr Herz erwärmt und bis spät in die Nacht für gute Unterhaltung sorgt. "Die Romantik ist spürbar, aber sie ist nicht erdrückend. Applaus an die Autorin für den gelungenen Auftakt zu einer Romanreihe, die uns Unterhaltung pur verspricht." --Books and Movies Reviews (Für jetzt und für immer) Buch 2 und Buch 3 in der Romanreihe —EIN TÖDLICHES MANUSKRIPT und EINE GEFÄHRLICHE SEITE — sind jetzt auch verfügbar!

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Zeit:6 Std. 57 min

Veröffentlichungsjahr: 2021

Sprecher:Vanessa Frankenbach

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HEXEREI ZUR TEESTUNDE:

EIN UNHEILVOLLER BAND

(EIN COZY-KRIMI IN EINEM KURIOSEN BUCHLADEN — BUCH 1)

S O P H I E   L O V E

Sophie Love

Die Bestsellerautorin Sophie Love, ist Autorin der romantischen Komödienreihe DIE PENSION IN SUNSET HARBOR, die acht Bücher umfasst; der romantischen Komödienreihe DIE LIEBE AUF REISEN, die fünf Bücher umfasst; der neuen Cozy Mystery Serie DAS GEISTERHAFTE ANWESEN, die drei Bücher umfasst (und es werden noch mehr erwartet); und der neuen Cozy Mystery Serie EIN KURIOSER BUCHLADEN, die drei Bücher umfasst (und es werden noch mehr erwartet).

Sophie würde sich freuen, von Ihnen zu hören, also besuchen Sie www.sophieloveauthor.com

BÜCHER VON SOPHIE LOVE

EIN COZY-KRIMI IN EINEM KURIOSEN BUCHLADEN

HEXEREI ZUR TEESTUNDE: EIN UNHEILVOLLER BAND (Buch 1)

EIN COZY-KRIMI MIT HUNDESPÜRNASE CASPER

DAS GEISTERHAFTE ANWESEN: MORD ZUM FRÜHSTÜCK (Buch 1)

DIE PENSION IN SUNSET HARBOR

FÜR JETZT UND FÜR IMMER (Buch 1)

FÜR IMMER UND EWIG (Buch 2)

FÜR IMMER MIT DIR (Buch 3)

WENN ES DOCH NUR FÜR IMMER WÄRE (Buch 4)

FÜR IMMER UND EINEN TAG (Buch 5)

FÜR IMMER UND NOCH EIN TAG (Buch 6)

FÜR DICH FÜR IMMER (Buch 7)

WEIHNACHTEN FÜR IMMER (Buch 8)

DIE LIEBE AUF REISEN

DAS FESTIVAL DER LIEBE (Buch 1)

ITALIENISCHE NÄCHTE (Buch 2)

EINE LIEBE IN PARIS (Buch 3)

INHALTSVERZEICHNIS

KAPITEL EINS

KAPITEL ZWEI

KAPITEL DREI

KAPITEL VIER

KAPITEL FÜNF

KAPITEL SECHS

KAPITEL SIEBEN

KAPITEL ACHT

KAPITEL NEUN

KAPITEL ZEHN

KAPITEL ELF

KAPITEL ZWÖLF

KAPITEL DREIZEHN

KAPITEL VIERZEHN

KAPITEL FÜNFZEHN

KAPITEL SECHZEHN

KAPITEL SIEBZEHN

KAPITEL ACHTZEHN

KAPITEL NEUNZEHN

KAPITEL ZWANZIG

KAPITEL EINUNDZWANZIG

KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG

KAPITEL DREIUNDZWANZIG

KAPITEL VIERUNDZWANZIG

KAPITEL EINS

Lex riss aufgeregt und ungeduldig an dem Paket und zerrte an den Kartonklappen, um an den Inhalt zu gelangen. Ordentlich, in zwei Reihen angeordnet, die Deckel Kante an Kante ausgerichtet, befanden sich darin die Prüfdrucke, auf die sie gewartet hatte.

Sie nahm einen davon heraus und bewunderte ihn. Sie drehte das Buch so, dass der glänzende Schutzumschlag das Licht einfing. Es sah toll aus. Der erste Blick auf ein neues Buch war immer etwas Besonderes: Der Geruch, der den Seiten entströmte, das Auspacken, das Bewundern des Umschlages und zu sehen, wie die Designidee im Druck aussah.

Es brachte Lex immer wieder in ihre Kindheit zurück, zu den Momenten, wenn die Buchhandlung ihres Vaters Lieferungen neuer Bücher zum Verkauf erhalten hatte. Sie war eifrig bemüht gewesen, ihm zu helfen, indem sie die Bücher aus der Kiste genommen hatte und losgerannt war, um sie in die Regale zu stellen, wo sie dann ein paar Augenblicke verweilte, um sie zu bewundern. Sie hatte immer geglaubt, dass sie eines Tages in seine Fußstapfen treten würde.

Doch diese Ausgaben waren für einen anderen Zweck bestimmt. Lex kehrte in die Realität zurück, klappte den Deckel des Bandes auf und warf einen Blick auf das Innere. Sie suchte nach Druckfehlern, Tippfehlern, Fehlern in der Ausrichtung – alles Dinge, die die Qualität eines seriösen Buches mindern könnten.

Dies war ein seriöses Buch, mit einem ernstzunehmenden Thema. Es behandelte die Entdeckungen eines Professors für Zell- und Molekularphysiologie in Yale, der die letzten zwei Jahrzehnte seiner Karriere in einer Forschungsposition verbracht hatte. Eine Autorin, die sich auf wissenschaftliche Sachbücher spezialisiert hatte, hatte sich des Themas angenommen und Lex hatte es in ihrer Rolle als Lektorin des Verlages, für den sie arbeitete, mühsam durchgearbeitet. Es verständlich zu machen, selbst für den durchschnittlichen Wissenschaftsstudenten, war eine echte Herausforderung gewesen, aber nach einem Jahr harter Arbeit war sie schließlich zum Abschluss gekommen.

Lex legte es auf einen unordentlichen Stapel von Korrekturen, Umschlag-Optionen und gebundenen Manuskripten auf ihrem Schreibtisch, bereit, sich darin zu vertiefen. Sie blätterte durch die Seiten, wobei sie den Geruch des neuen Buches genüsslich einsog und liebevoll einen Finger auf eine der Illustrationen legte. Es war ein bittersüßes Gefühl, endlich das Ende dieses Projekts zu erreichen. Von allen Manuskripten, mit denen sie sich im vergangenen Jahr beschäftigt hatte, war dies eines der anspruchsvollsten gewesen – und es verschaffte ihr höchste Befriedigung, es unter Dach und Fach zu bringen.

Trotz der Aufregung über das neue Buch wanderten ihre Gedanken wieder zurück zu ihrem Vater. Eine Erinnerung kam ihr in den Sinn, als sie die in Kisten verpackten Bücher betrachtete, der Duft der neu gebundenen Seiten stieg von ihnen auf und brachte etwas aus der Zeit zurück, bevor er aus ihrem Leben verschwunden war. Das Auspacken einer neuen Bücherkiste mit ihm war immer eine besondere Freude gewesen.

Lex drehte sich beim Klang der Stimme ihres Vaters um, die in den Regalen widerhallte. „Wo bist du, mein Engel?“, rief er.„Science Fiction und Fantasy“, rief Lex zurück und nannte ihm damit den Namen der Abteilung, in der sie stand. Der Laden war nicht groß, aber groß genug, um verschiedene Bereiche für verschiedene Genres zu haben, und die Regale waren so dicht nebeneinander gepackt, dass es unmöglich war, jemanden auf der anderen Seite des Regals zu sehen.

Ihr Vater kam um die Ecke, groß und bärtig, wie immer mit einem Funkeln in den Augen. Sein Haar war so dunkel, dass es fast schwarz war, es war das Haar, das Lex geerbt hatte. Er streckte ihr mit einem Grinsen die Arme entgegen. „Da ist meine Buchfee“, sagte er. „Komm her. Die neue Lieferung ist da.“

„Alexis Blair, Sie sind spät dran.“

Lex sprang fast aus ihrem Stuhl und warf den Probedruck mit einem Knall auf den Schreibtisch. Mehrere Stifte, die durch den Aufprall aufgerüttelt wurden, fielen klappernd auf den Boden und rollten unter ihren Schreibtisch. Sie blickte auf und sah einen anderen Redakteur, der den Kopf durch die Tür ihres Büros streckte. In dem kleinen Raum war kaum genug Platz, um die Tür vollständig zu öffnen, ohne gegen ihren Schreibtisch zu stoßen, und sie ließ sie oft angelehnt stehen, damit etwas Sauerstoff hereinkam. Es war das kleinste Büro im ganzen Gebäude – sogar der Schrank des Hausmeisters war einen Hauch größer.

„Oh, Gott“, murmelte sie, schaute auf die Uhr und errötete. „Entschuldigung! Ich habe gerade die Lektoratsausgabe von Ein Einblick in das endokrine System erhalten. Ich habe das Zeitgefühl verloren.“ Lex zwängte sich an der Seite ihres Schreibtisches vorbei, der sich beklemmend nahe an den Regalen auf jeder Seite des Raumes befand, und folgte ihrem Kollegen in den Flur.

„Sie und Ihre wissenschaftlichen Bücher“, lachte er. Matt Lang war in der Belletristikabteilung der Bostoner Niederlassung des Fully Booked!-Verlages tätig und auf Bücher für junge Erwachsene spezialisiert. Er war einer der beliebtesten Redakteure im Gebäude. Obwohl es viele andere Redakteure gab, hatte er es geschafft, innerhalb von nur wenigen Jahren fast bis an die Spitze aufzusteigen. Es ging das Gerücht um, dass er eine der Chefredakteurinnen ersetzen würde, sobald sie in den Ruhestand ging, was nicht mehr in allzu ferner Zukunft lag.

Er war erst fünfundzwanzig, was überhaupt nicht fair war. Lex war sieben Jahre älter als er, doch mit ihrer Karriere ging es überhaupt nicht voran. „Ich kann nichts dafür.“ Lex lächelte ihn an. Sie konnte nicht anders, trotz des Gefühls von Neid: Matt hatte echtes Charisma. „Ich bin immer so aufgeregt, wenn es ein Thema ist, das mir wirklich Spaß macht.“

„Sie haben Naturwissenschaften studiert, nicht wahr?“, rief Matt über die Schulter, während sie aus den Büros im Keller nach oben in den hellen und luftigen ersten Stock liefen. „Was war es noch mal?“

„Ich habe ein Doppelstudium absolviert, Chemie und Weltgeschichte“, korrigierte ihn Lex. Nicht, dass es sonst viel zu sagen gäbe – und er hätte es wahrscheinlich in wenigen Minuten wieder vergessen. Matt hatte die Fähigkeit, den Anschein zu erwecken, er interessiere sich für jedermann, obwohl das Einzige, was ihn interessierte, wahrscheinlich nur die Sorge war, dass seine kupferbraunen Haare so geschmeidig wie möglich fielen.

Lex steckte ihr eigenes glattes dunkles Haar unbewusst hinter die Ohren und fühlte, wie die ordentlich geschnittenen Enden gegen ihren Nacken streiften. Sie wusste nicht, warum das wichtig war. Außer natürlich, dass Matt im Büro so etwas wie ein Superstar war – während sie mehr oder weniger unscheinbar in der Menge verschwand.

Alle warteten im verglasten Konferenzraum auf sie. Sie saßen um einen ovalen Tisch herum, Notizbücher und Stifte vor sich liegend. Lex fiel sofort auf, dass sie ihres auf dem Schreibtisch zurückgelassen hatte. Ein weiterer großer Fehler. Es gab keine Möglichkeit, das jetzt zu ändern – nicht, nachdem sie die Besprechung schon so lange vertrödelt hatte.

„Ich habe sie gefunden“, sagte Matt triumphierend, als er durch die Türen mit den Stahlgriffen eintrat, und hob die Hände, als wolle er seinen Sieg feiern. Es gab ein Raunen der Anerkennung am Tisch, die meisten spielten einfach mit.

„Es tut mir so leid“, stammelte Lex, eilte herein und setzte sich hastig auf ihren Platz. „Die Korrekturen kamen gerade herein und ich wurde abgelenkt, und …“

„Schon gut, schon gut“, sagte Bryce Kowlowski, der Seniorpartner. Er war der Leiter der Akquisitionsabteilung und Lex' direkter Vorgesetzter – und er sah nicht gerade erfreut aus. Das war nicht gut, wenn man bedachte, dass er die Macht hatte, zu entscheiden, wie viele neue Autoren sie jedes Jahr aufnehmen konnte. Sie hatte ohnehin schon nur ein winziges Budget. „Nehmen Sie einfach Platz, Lex. So. Monatliche Berichte, bitte.“

„Ich fange an“, sagte Matt schmunzelnd, als er sein Notizbuch von seinem Platz rechts von Bryce aus aufklappte. „Der Start für das fünfte Buch in der Reihe Zauberschule für Trotzköpfe läuft sehr gut. Wir haben in der New York Times die Nummer eins gehalten und zwei Wochen hintereinander die Verkaufscharts von Barnes und Noble angeführt. Auch die ersten vier Bücher sind wieder in die Listen aufgenommen worden. Die Verhandlungen mit Warner Brothers für die Serie mit sieben Filmen sind fast abgeschlossen.“

„Fantastisch“, sagte Bryce und ließ seinen eigenen Stift auf den Tisch fallen, um seine Hände für einen Applaus zu heben. „Das sind tolle Nachrichten, Matt. Gut gemacht.“

Um den Rest des Tisches herum klatschten Lex und die anderen gehorsam mit. Ihr Kopf brummte und ihr wurde schwindlig bei dem Gedanken, dass sie alles aus dem Gedächtnis berichten musste. Nicht, dass es viel zu berichten gäbe – was es nur noch schlimmer machte.

„Karen, was ist mit Ihnen?“, fragte Bryce und wandte sich an die Redakteurin, die rechts von Matt saß. Sie war eine extrem schlanke Frau mit eckigen Schultern, die Lex immer an die Hexen in Hokus Pokus erinnerte, bereit, so viele Kinder zu opfern, wie nötig waren, um ihren eigenen Schönheitszauber zu sprechen. Abgesehen von ihrem ausgeprägten Bostoner Akzent.

Es war wahrscheinlich kein Zufall, dass Karen sich auf Biografien und Memoiren spezialisierte und dabei meist mit prominenten Kunden zu tun hatte. Lex hatte einmal geglaubt, dass sie alle Bücher liebte, bis sie versucht hatte, die Titel zu lesen, die Karen Johnson in die Firma brachte.

„Es ist alles wahr, Deau hat gerade hunderttausend Exemplare überschritten“, berichtete Karen mit ihrer rauen, nasalen Stimme. Nach jeder Ankündigung machte sie eine kurze Pause in Erwartung eines Lobs, doch Bryce ermunterte sie lediglich mit einem Nicken, weiterzumachen. „Dwayne Johnson gegen den Rest der Welt wurde gerade als Biopic unterzeichnet. Wir sehen hohe Zahlen an Vorbestellungen für Kevin Hart: Kurzgeschichten, die ab dem Erscheinungstag nächste Woche auf jeder Bestsellerliste ganz oben stehen sollten.“

„Das ist unglaublich, Karen, herzlichen Glückwunsch“, rief Bryce aus und hob seine Hände für einen weiteren Applaus. „Zwei aufeinanderfolgende Bestseller – gut gemacht, erstklassige Leistung. Dies wird unsere Position als Nummer eins unter den Herausgebern von Promi-Autobiografien bestätigen. Wir sind fest entschlossen, den Kiss and Tale-Verlag dieses Jahr zu überholen.“

Die Kollegen am Tisch murmelten Glückwünsche, aber Lex konnte sich nicht dazu durchringen, mitzumachen. Es war alles so seelenlos. Sie hatte an Diskussionen teilgenommen, bei denen Promi-Memoiren abgelehnt wurden, weil die Autorin nicht genügend Instagram-Anhänger hatte – oder sie akzeptierten sie einfach, weil sie welche hatten. Es bedeutete ihr nichts. Es hatte keinen Tiefgang – kein Herz.

Lex schaltete ab, während Bryce weiter um den Tisch herumfragte, und starrte aus dem Fenster hinter ihm auf die Skyline von Boston. Es war ein klarer Tag und der Blick über die Stadt war wie immer atemberaubend – obwohl sie sich in der Zeit, in der sie dort arbeitete, bereits mehr als nur daran gewöhnt hatte. Es war ihr Zuhause, aber das Starren half nicht, ihre Nerven zu beruhigen. Sie versuchte verzweifelt, sich an die Zahlen zu erinnern, über die sie berichten musste, und wünschte, sie hätte daran gedacht, das Notizbuch mit all ihren sorgfältigen Aufzeichnungen mitzubringen. Es würde keinen großen Unterschied machen, das wusste sie. Die Zahlen waren nicht hoch, nicht im Vergleich zu den Promi-Verkäufen.

Dabei waren die Autobiografien selbst nicht einmal real, geschweige denn gut. Sie waren voll von Klatsch und Gerüchten, Hörensagen und erfundenen Geschichten, um die Berühmtheiten besser aussehen zu lassen. Sie brauchten nur jemanden „Herr X“ zu nennen oder so zu tun, als würden sie die Namen aus Gründen der Privatsphäre ändern, und schon konnten sie Geschichten erfinden, ohne dass sie jemand widerlegen konnte.

„Lex?“, fragte Bryce und holte sie aus ihren Gedanken heraus, damit sie ihren Bericht ablieferte. Sie ließ den Stift, den sie zwischen den Fingern gedreht hatte, auf den Tisch fallen, blickte auf ihre Hände hinunter und stellte fest, dass es ihr gelungen war, die Feder gegen ihren Daumen zu drücken, wodurch sich ein schwarzer Fleck dort ausbreitete. „Was ist mit Ihnen?“

Lex rutschte unbehaglich in ihrem Sitz, steckte ihren Daumen in die Handfläche und versuchte, ihn zu verbergen. Das Letzte, was sie wollte, war, dass Matt und Karen ihre Ungeschicklichkeit bemerkten und wieder anfingen, darüber zu lachen. „Pilger-Ausgaben: Das Leben in den neuen Kolonien ist in die engere Wahl für den Wolfson-Preis für Geschichtsbücher und den Nationalen Buchpreis für Sachbücher gekommen“, sagte sie und hoffte, dass Bryce sie nicht zu den Zahlen drängen würde. „Es gibt Gerüchte über einen Pulitzer für Geschichte für Postalische Belege und Migrationsmuster. Wir werden es natürlich erst wissen, wenn sie bekannt gegeben werden.“

„Und die Verkaufszahlen?“, fragte Bryce erwartungsvoll, sein Stift schwebte über seinem Notizbuch.

Lex schluckte. „Weniger als fünftausend“, gab sie zu.

„Für welche? Pilger oder Post?“

„Für alles“, sagte Lex und fühlte mehr, als dass sie hörte, wie im Raum scharf der Atem eingezogen wurde. Es war ihr bisher schlimmster Monat und die überwiegende Mehrheit dieser Verkäufe war an Bibliotheken und Schulen geliefert worden.

Bryces Blick verweilte einen Moment lang auf ihr, bevor er langsam den Kopf schüttelte und sich umdrehte, um eine Notiz zu machen. Sie wusste, dass es niedrig war. Aber auf ihrem Spezialgebiet, den wissenschaftlichen und historischen Texten, gab es selten einen großen Markt. Diese Bücher waren wichtig – so wichtig, dass sie sich auf den Tisch stellen und es herausschreien wollte, bis der Rest der Redakteure es verstand –, aber es war eine geringe Zahl von Menschen auf der Welt, die sie voll und ganz verstehen konnten, geschweige denn kaufen wollten.

Sie wusste, dass es nur der Aussicht auf die Auszeichnungen und den beeindruckenden Rezensionen zu verdanken war, dass Bryce überhaupt in Erwägung zog, ihre Abteilung nicht sofort zu schließen. Sie hatte eine Liste der besten Autoren auf diesem Gebiet mit bahnbrechenden Ansichten und Entdeckungen zusammengestellt – aber das Problem war, dass die meisten von ihnen nur ein oder zwei Bücher veröffentlichten, da die Erstellung jedes einzelnen Buches sehr viel Zeit in Anspruch nahm und sie in der Regel hoch spezialisiert waren. Wenn sie diese beeindruckenden Titel nicht weiterhin reinbringen konnte, würde sie ihre Position nicht mehr lange behalten können.

Doch während Bryce die anderen Editoren entließ, um sich wieder an die Arbeit zu machen, wusste Lex, dass sie dieses Jahr eine gute Ernte gehabt hatte. Die Bücher waren Gewinner und sie hatten das Potenzial, die Welt zu verändern, und das bedeutete schon etwas.

„Gut gemacht“, sagte Karen und kam mit ausgestreckter Hand auf sie zu. „Ein Pulitzer.“ Lex wusste durch den kaum verhohlenen Unterton in ihrer Stimme, dass sie spottete und nicht wirklich gratulierte, aber sie streckte automatisch die Hand aus, um Karen trotzdem die Hand zu schütteln.

Zu spät erinnerte sie sich an die Tinte auf ihren Fingern und sie blickte entsetzt nach unten, um zu sehen, wie sich der schwarze Fleck auf Karen übertrug und ihre Handfläche und die Stelle bedeckte, an der Lex' Daumen gelegen hatte.

Lex wollte etwas sagen, sich entschuldigen, aber Karen hatte sich bereits mit einem hochmütigen Gackern an Matt gewandt, das offensichtlich dazu gedacht war, Lex wissen zu lassen, dass die Glückwünsche geheuchelt gewesen waren. Während sie das tat, wischte Karen mit der gleichen Hand unter ihrem Auge durch, als wolle sie Tränen der Heiterkeit entfernen. Ein schwarzer Pandabär-Augenstrich erschien über ihrem sorgfältig aufgetragenen Make-up.

Lex biss sich auf die Lippe. Der Stift war ein Marker, den ihre Autoren für Unterschriften verwendeten – dauerhaft und nur schwer wieder von der Haut zu entfernen. Sie tat so, als müsste sie ihren Stuhl fester unter den Tisch schieben, damit sie Karen nicht ins Gesicht lachen würde, und auch, damit sie weit genug weg war, um nicht verdächtigt zu werden, wenn jemand Karen darauf aufmerksam machte.

„Lex“, sagte Bryce, seine Stimme war leise, obwohl sie nun die einzigen Personen waren, die sich noch im Konferenzraum befanden. „Können Sie mich in mein Büro begleiten?“

Lex fühlte, wie ihr Herz beim Klang seiner Stim me in den Magen rutschte, und es dauerte noch einige Augenblicke, bis sie ihren Körper, der plötzlich mit Blei gefüllt zu sein schien, davon überzeugte, sich vom Tisch umzudrehen und ihm zu folgen.

***

„Schauen Sie“, sagte Bryce, während er Lex über die Fläche seines eigenen Schreibtisches hinweg ansah. Er war mit Bildern seiner Kinder vollgestellt, aber hinter ihm befand sich eine Wand mit gerahmten Auszeichnungen und Urkunden, sogar mit Titelseiten von Zeitschriften. Er hatte eine lange und erfolgreiche Karriere hinter sich. „Es ist nicht so, dass ich Ihre Bücher nicht wichtig finde.“

Was Gesprächseröffnungen betraf, so schien diese nichts Gutes zu verheißen. „Selbstverständlich sind sie wichtig“, sagte Lex und fühlte sich sofort in die Defensive gedrängt. „Sie verändern die Welt. Sie prägen die Geschichte. Die Forschungen des Professors über das endokrine System werden wahrscheinlich noch jahrzehntelang an medizinischen Fakultäten gelehrt werden.“

„Ja, aber die Sache ist die“, sagte Bryce und schob seine moderne Brille mit dem schweren Gestell ein wenig höher, „Sie verkaufen sich einfach nicht sehr gut. Ich habe mit den anderen Partnern darüber gesprochen und in Ihrem Namen Lobbyarbeit betrieben, aber sie halten es einfach nicht für richtig, dass Fully Booked! weiterhin Verluste hinnehmen muss – selbst wenn es die Welt verändern sollte.“

Lex sah ihn einen Moment lang an, kaum in der Lage zu begreifen, was er sagte. „Was ist mit den Auszeichnungen?“, fragte sie. „Die Rezensionen? Sie lassen das Unternehmen gut aussehen, bringen uns in die Zeitungen …“

„Leider lassen sie uns nur für andere akademische Autoren und Verleger gut aussehen“, sagte Bryce. Sein Mund war eine bedauernde Linie, die sich an den Rändern nach unten wölbte.

„Aber Benzin aus Pilzen herstellen war absolut bahnbrechend für sein Gebiet und es war so beliebt …“

„Leider ist sein 'Gebiet' – die realistischen Kapazitäten für den Anbau anaerober Pilze als Biokraftstoffquelle – extrem klein. Es wurden nur fünfhundert Exemplare verkauft.“ Bryce seufzte. „Es tut mir wirklich leid, Lex. Sie sind eine gute Redakteurin. Sie haben ein Auge dafür. Es ist nur so, dass die Art von Büchern, mit denen Sie handeln, so erstaunlich sie auch sind, sich einfach nicht verkaufen.“

Lex versuchte, klar zu denken, schüttelte leicht den Kopf und versuchte, zu entschlüsseln, was das alles zu bedeuten hatte. „Was … was für Bücher soll ich … welche Art von Büchern soll ich dann reinbringen?“

Bryce bewegte sich unbehaglich, seine Hände falteten sich auf dem Tisch in der Nähe ihrer Hände übereinander, als ob er dem Drang widerstehen wollte, ihre Hand zu nehmen. „Es tut mir leid, Lex“, sagte er erneut. „Wir gehen in eine ganz andere Richtung. Ganz weg vom Sachbuch, abgesehen von den Memoiren. Ich möchte, dass Sie mit Karen bei den Prominenten-Autobiografien zusammenarbeiten.“

Lex starrte ihn stumm an, die Worte drangen in ihre Ohren, aber nicht in ihr Verständnis. Der Boden fühlte sich an, als ob er unter ihr nachgäbe. Wie konnte er glauben, dass sie in Karens Abteilung arbeiten könnte?

„Das kann ich nicht tun.“ Lex schluckte, ihre Kehle war plötzlich staubtrocken. „Ich kann nicht mit Prominenten arbeiten.“

„Lex, ich glaube, Sie verstehen das nicht“, sagte Bryce. „Das steht nicht zur Debatte. Ihre Abteilung wird nicht mehr existieren und es gibt nur noch eine Abteilung mit einer offenen Stelle. Sie gehen zu den Prominenten.“

Lex wusste irgendwo tief in ihrem Inneren, dass sie diesen Job brauchte. Dass sie in Schwierigkeiten geraten würde, wenn sie ihn verlieren würde. Dass sie vielleicht auch ihre Wohnung verlieren würde und vielleicht im Alter von zweiunddreißig Jahren wieder bei ihrer Mutter einziehen müsste. Aber darüber hinaus sprudelte aus ihrem Herzen die Gewissheit, dass sie dies unmöglich tun könnte.

„Wie kann ich an diesen Büchern arbeiten?“, fragte sie verzweifelt. „Sie wissen, dass ich das nicht tun kann. Als ich das erste Mal hierherkam, wollte ich für Sie arbeiten, weil Sie große literarische Werke veröffentlicht haben. Echte Bücher. Dinge, die einen Unterschied machten.“

„Ich weiß.“ Bryce seufzte, rieb sich die Augen und sagte: „Ich weiß. Die Dinge haben sich in der Verlagswelt verändert. Wir müssen mit E–Books konkurrieren und das ist es, was sich im Moment verkauft. Den Leuten über mir geht es nicht um literarisches Können, sie schauen auf die Zahlen.“

„Das kann ich nicht tun.“ Lex blickte auf ihre Hand, die schwarze Tinte auf ihrem Daumen. Irgendwie erinnerte sie sich in diesem Moment an ihren Vater, der Preisetiketten für Bücher handgeschrieben hatte. Er hatte alles in seinen Traum gesteckt, eine Buchhandlung zu führen. Als er das Geschäft verloren hatte, hatte sich alles geändert. Verlorene Träume, das Scheitern – es gab Schicksale, die schlimmer waren als der Verlust des Arbeitsplatzes. „Ich weiß, die Leute werden mich für verrückt halten, weil ich das sage, aber ich kann nicht nur auf die Zahlen schauen. Ich brauche diesen Job, dieses Gehalt … das brauche ich wirklich. Aber hier zu bleiben, hier unter diesen Umständen zu arbeiten … Ich kann es nicht tun. Nicht um den Preis, den Teil des Jobs zu verlieren, den ich liebe.“

„Tun Sie das nicht“, sagte Bryce und schüttelte den Kopf. „Sie haben so lange daran gearbeitet, diesen Job zu bekommen. Gehen Sie jetzt nicht.“

„Es tut mir leid“, sagte sie und hörte die Worte aus der Ferne kommen, als ob jemand anderes sie sagen würde. „Ich bin Ihnen so dankbar für alles, was Sie für mich getan haben – die Unterstützung, dass Sie hinter mir gestanden haben, als die Verkaufszahlen niedrig waren. Aber ich werde kündigen müssen.“

Bryce starrte sie an, sein Mund klappte weit auf. Lex konnte nicht sagen, dass sie überrascht war. In der ganzen Zeit, in der sie bei Fully Booked! arbeitete, hatte sie noch nie etwas so Gewagtes getan wie das.

„Ich werde Ihnen ein Empfehlungsschreiben geben“, sagte er schließlich.

„Das ist lieb“, sagte Lex und lächelte dabei abwesend. „Ich halte es für unwahrscheinlich, dass ich wieder einen Job wie diesen finden werde. Niemand will einen Sachbuchredakteur mit einer Bilanz von schlechten Verkaufszahlen und obskuren Titeln. Sie haben recht, der Markt hat sich verändert. Vielleicht ist es auch für mich an der Zeit, mich zu ändern. Mir selbst treu zu sein und zu sehen, wohin mich das führt.“

„Ich würde Ihnen die Hand schütteln“, sagte Bryce mit einem etwas dünnen Lächeln, „Aber ich möchte nicht Gefahr laufen, für die nächsten zwei Stunden Tinte von meinen Fingern abwaschen zu müssen.“

Lex lachte halbherzig, hob ihre eigene Hand hoch und enthüllte die Tinte, die er schon entdeckt hatte. „Es war eine gute Zeit“, sagte sie.

„Das war es.“ Bryce sackte in seinem Stuhl zurück und sah enttäuscht aus. „Ich wünsche Ihnen Glück bei, was auch immer Sie jetzt tun wollen.“

Irgendwie schaffte es Lex mit mechanischen Bewegungen von dem Stuhl aufzustehen, ihn ordentlich zum Schreibtisch zu schieben und sich dann zur Tür zu drehen. Nichts fühlte sich in diesem Moment ganz real an.

„Ihre Kündigung ist sofort wirksam“, sagte Bryce schnell und hob den Kopf, um ihr nachzurufen, bevor sie gehen konnte. „Das ist Firmenpolitik in einer Situation wie dieser. Karen wird sich darum kümmern, Ihre aktuellen Bücher fertig zu bearbeiten und sicherzustellen, dass wir alles für Ihre Autoren tun werden, was wir können. Sie werden Ihr Gehalt noch für weitere vier Wochen erhalten, aber wir können Sie nicht wiedereinstellen. Datenschutz und Zeitpläne und all das. Das riskieren sie nicht gern.“

Lex starrte ihn noch einmal einen Moment lang an, ihre Hand lag auf dem Türgriff. Er sah nicht unfreundlich aus. Tatsächlich schien es ihm leid zu tun, das sagen zu müssen. Ein wilder Einwand erhob sich in ihr, dass man ihr nicht einmal genug Zeit geben würde, sich zu verabschieden, aber wenn sie darüber nachdachte, dann waren nicht viele Leute hier, die sie wirklich ihre Freunde nennen würde. Bryce war immer nett zu ihr gewesen und hatte sie unterstützt. Aber das war alles nun vorbei.

Sie drehte sich um und ging wie betäubt in ihr Büro zurück. Sie überlegte benommen, dass sie irgendwo eine Kiste finden müsste, um ihre Sachen einzupacken, und fragte sich, was sie jetzt wohl tun würde.

KAPITEL ZWEI

Lex lehnte sich an den Türrahmen, sie fühlte sich müde und ausgelaugt von den Ereignissen des Tages und der Fahrt durch halb Boston. Als sich die Tür öffnete, fiel sie beinahe in die Wohnung und in die Arme des Mannes, der seit sechs Monaten ihr Freund war, Colin. Er trug ein Grinsen auf seinem sommersprossigen Gesicht, als er sie begrüßte, aber es verblasste schnell, als er ihrem Blick begegnete.

„Lexie? Was ist los?“, fragte er.

Sie seufzte, ließ den Kopf hängen und blickte für einen Moment auf den Teppich, bevor sie antwortete. „Ich habe meinen Job verloren. Kann ich reinkommen?“

Colin trat sofort zur Seite und ließ sie vorbei, schloss die Tür hinter sich, kam zu ihr und umarmte sie. Ihr Kopf ruhte an seiner Schulter, ihre Nase füllte sich mit dem Patschuli-Geruch seiner Kleidung, der immer einen Nies- oder Hustenreiz bei ihr auslöste. Ihr Kopf zuckte instinktiv zur Seite in dem Versuch, genug Platz zu bekommen, um unparfümierte Luft zu atmen. Colin trat zurück und nahm dies offensichtlich als Zeichen dafür, dass sie mit der Umarmung fertig war.

„Ich dachte, du warst reif für eine Auszeichnung“, sagte er und führte sie durch die Diele, damit sie sich auf sein Sofa setzen konnte. Es war übersät mit Exemplaren einer Zeitschrift, über ungelöste Rätsel und Verschwörungstheorien, die er abonniert hatte, und sie schob ein paar von ihnen beiseite, um einen Platz freizumachen.

„Das Buch, nicht ich“, korrigierte Lex ihn. „Und das ist es immer noch. Anscheinend verdiene ich ihnen aber nicht genug Geld.“

„Ach, Liebes“, sagte Colin, zog die Nase kraus und schüttelte den Kopf, als er sich neben ihr auf die Couch sacken ließ. Sein widerspenstiges braunes Haar rutschte ihm dabei in die Augen. „Es tut mir leid. Willst du eine Pizza und ein paar Bier, einen schrecklichen Film ansehen und dich später vielleicht bei mir ausweinen?“

Das zauberte endlich ein Lächeln in Lex' Gesicht. Er kannte sie inzwischen gut genug, um zu wissen, dass Wohlfühlessen und schlechtes Kino ein zuverlässiges Heilmittel für fast alle ihre Leiden waren. „Klingt großartig“, stimmte sie zu und wollte den Tag zumindest positiv beenden.

Colin grinste, lehnte sich dann zu ihr herüber und drückte ihr einen Kuss auf die Schläfe. „Ich hole die Karte.“

Während er seine Küchenschubladen durchsuchte, hob Lex ein offenes Magazin vom Kaffeetisch auf und seufzte. Es enthielt einen Artikel über die neuesten alternativen Geschichtssendungen, die auf Streaming-Diensten verfügbar waren, und Colin hatte einen davon mit rotem Stift eingekreist: Hitlers Tod: Mythos oder Realität? Lex warf das Magazin angewidert beiseite, sie hatte für einen Tag genug Unsinn gehört.

Stattdessen nahm sie die Fernbedienung in die Hand und begann, den Abschnitt mit den Verfilmungen durchzublättern, um einen Film zu finden, den sie sich ansehen wollte. Sie fand viele Titel, die sich gut anhörten, aber diese wollte sie lieber an einem anderen Tag ansehen, an dem sie sie eher zu schätzen wüsste. Am Ende entschied sie sich für ein Buch ohne Tiefgang für junge Erwachsene, das im letzten Jahr verfilmt worden war – glücklicherweise nicht eine von Matts Veröffentlichungen.

„Willst du das Übliche, Lexie?“, rief Colin von der Tür aus und hielt sein Handy ans Ohr. „Ich hole auch einen Becher Eiscreme für später.“

„Das Übliche ist gut“, stimmte Lex zu. Es war nichts Falsches daran, zu wissen, was man wollte. Eine bequeme Routine hatte noch nie jemandem geschadet und sie brauchte Trost. „Hast du Der Rebellenspieler gesehen?“

„Ja, aber es macht mir nichts aus, ihn noch einmal zu sehen“, sagte Colin und hielt dann eine Hand hoch, als er verbunden wurde. „Hallo? Ja, ich möchte eine Bestellung aufgeben …“

Lex ließ ihre Gedanken schweifen, während Colin die Bestellung durchgab. Ihre Augen wanderten durch den vertrauten Raum und verweilten auf der Figur einer Eule, die schon so lange in Colins Bücherregal stand, wie sie ihn kannte. Sie trug nun einen Hut aus Alufolie, er war winzig, passte aber perfekt. Lex hielt ein Glucksen zurück. Auch wenn er an viele verrückte Theorien glaubte, hatte Colin auch einen Sinn für Humor. Er musste ihn nach ihrem letzten Streit aufgesetzt haben, in dem sie ihm vorgeworfen hatte er sei kurz davor, einen Aluhut zu brauchen (ein Streit, der in Gelächter endete, als Colin ihr in einem ernsten Tonfall mitteilte, dass Alufolie wahrscheinlich Signale verstärken würde, die man vielleicht eher ausblenden wollte).

Dennoch war es nur ein weiterer Streit gewesen, einer von vielen. Er konnte so hartnäckig sein. Lex fragte sich, ob sie in der Lage sein würde, einen weiteren Streit zu ertragen.

„Es wird in zwanzig Minuten hier sein, Schatz“, sagte Colin, als er wieder hereinkam, um seinen Platz neben ihr auf dem Sofa einzunehmen. Er legte ihr seinen gebräunten Arm um die Schultern und zog sie an sich. „Es wird alles gut werden.“

Er legte seine Füße auf den Couchtisch, begann, an dem Bier zu nippen, das er mitgebracht hatte, und drückte ihr auch eins in die Hand. Er drückte auf „Play“ im Film und lehnte sich zurück, seine Aufmerksamkeit richtete sich nun vollends auf den Bildschirm.

Lex kuschelte sich an ihn, aber sie schaute nicht auf den Film, sondern auf ihr Spiegelbild, das immer dann zu sehen war, wenn der Bildschirm dunkel genug war. Colin, der fröhlich sein Bier trank und über die Handlung grinste. Sie selbst, ihr dunkles Haar, in der Spiegelung fast unsichtbar, ging am Hals in die Bluse mit schwarzem Kragen über, die sie bei der Arbeit getragen hatte. Ihre Lippen waren von der Anspannung zusammengepresst, ihre braunen Augen klein, die Lider schwer vor Müdigkeit. Sie sah erschöpft und niedergeschlagen aus.

Colin hingegen betrachtete den Film mit völlig unbeschwertem Vergnügen. Sie wusste, dass es das war, was sie sich gewünscht hatte, aber irgendwie ärgerte es sie ein wenig, dass ihm die Tatsache, dass sie ihren Job verloren hatte, nicht das Geringste auszumachen schien. Er hätte ihren Arbeitgeber verfluchen können, überlegte sie. Oder ihr helfen, ein Stellengesuch einzurichten, damit sie etwas Neues finden konnte. Irgendetwas, alles, nur nicht, es unter den Teppich zu kehren, als hätten sie über nichts Ernsteres gesprochen, als das Wetter.

Es war allerdings auch nicht so, als gäbe es wirklich etwas, worüber sie sich beschweren könnte. Er war nett und unterstützte sie und redete ihr kein schlechtes Gewissen ein, weil sie ihren Job verloren hatte. Das war schon etwas. Viele Männer hätten in der Situation anders reagiert. Sie zwang sich, sich zu entspannen, lehnte den Kopf an seine Brust und versuchte, sich auf den Film zu konzentrieren.

Die Pizza kam selbstverständlich mitten in einer Schlüsselszene. Lex und Colin stöhnten gleichzeitig laut auf und lachten dann, als Lex nach der Fernbedienung griff, um den Film anzuhalten. Er rannte hinunter in die Eingangshalle, um sie vom Pizzaboten in Empfang zu nehmen, und kam gerade zurück, als Lex ein paar neue Biere aufmachte.

„Es riecht so gut“, sagte er und legte die Schachtel auf den Kaffeetisch.

Lex stellte die Biere neben der Pizza ab, klappte den Deckel der Schachtel auf und streckte die Hand aus, um das erste Stück mit dem köstlichen geschmolzenen Käse zu nehmen, das noch so heiß war, dass es dampfte. „Was du nicht sagst“, sagte sie, atmete tief ein und nahm einen Bissen. Der Geschmack explodierte in ihrem Mund: heißer, fettiger Käse auf Tomate, perfekt gebackener Teig und ein saftiges Stück Champignon, alles zusammen in einem Bissen.

Colin drückte auf „Play“ und lehnte sich zurück, beide aßen mit dem Kopf über der Schachtel, eine Hand schwebte unter jeder Scheibe in der Luft, um etwaige verirrte Krümel aufzufangen.

Der Film war alles andere als originell und nicht ganz so fesselnd, wie Lex es sich gewünscht hätte, aber immerhin war es die Ablenkung, die sie wollte. Sie beobachtete die Teenager-Heldin mit einem Augenrollen – konnte das Mädchen nicht schon erkennen, dass sie in etwas Magisches verstrickt war? Die Figuren in solchen Geschichten schienen immer so dumm zu sein. Sie fanden nie heraus, was los war, bis sie jemand mit der Nase darauf stieß. Sie brachten sich selbst in die gefährlichsten Situationen.

Lex überlegte, dass eine Buchadaption vielleicht nicht die beste Filmwahl gewesen war. Letztendlich dachte sie nur an die Handlung und die Struktur – mit anderen Worten: an die Arbeit. Nicht, dass es noch ihre Arbeit war. Was würde sie jetzt tun? Was sie zu Bryce gesagt hatte, stimmte: Verlage neigten nicht sehr oft dazu, Stellen für hochgradig genrespezifische Redakteure auszuschreiben.

„Weißt du“, sagte Colin, als er den letzten Bissen eines seiner Stücke beendete, „Er sieht nicht einmal so aus, ernsthaft.“

Lex lenkte ihre Aufmerksamkeit zurück auf den Bildschirm und sah eine Ansicht der Erde aus dem Weltraum. Sie runzelte die Stirn und fragte sich, was sie verpasst hatte. „Wie meinst du das?“

„Der Planet. So ist er nicht. Er ist eigentlich flach.“

Lex starrte ihn an, ihr drittes Stück Pizza schwebte in der Luft vor ihrem Mund. „Nein, das ist er nicht.“

„Doch, das ist er.“ Colin drehte sich ihr voll zu, ein sicheres Zeichen dafür, dass er im Begriff war, sich auf eine eingehende Diskussion über etwas einzulassen, von dem er dachte, sie müsste es wissen. Er hatte wahrscheinlich auf einen Vorwand gewartet, um darüber zu sprechen. „Ich habe mich darüber informiert. Es ist eine riesige Verschwörung. Uns allen ist erzählt worden, dass die Erde rund ist, und wir haben all diese falschen Bilder, die angeblich aus dem Weltraum kommen sollen. Es ist nicht real. Und die Wissenschaft bestätigt das. Die Erde muss flach sein.“

„Colin“, sagte Lex betont ruhig, obwohl sie kaum fassen konnte, dass sie dieses Gespräch überhaupt führte. „Hör mir zu. Diese ‘Flacherdler’ sind Idioten. Nichts von all dem ist wahr.“

„Schau zum Horizont“, sagte Colin, wobei er lebhaft mit den Händen gestikulierte. „Er sollte eine Kurve zeigen, wenn die Erde rund ist, oder? Wenigstens eine leichte? Aber das tut er nicht. Er ist immer gerade. Sie haben Experimente gemacht und es stellte sich heraus, wenn man eine gerade Linie über die Erde misst – sie krümmt sich nicht. Sie ist völlig flach.“

„Nein, sie …“ Lex holte tief Luft und bemühte sich, ihn nicht anzuschreien. Ausgerechnet heute war nicht der Tag, an dem ihre Geduld auf die Probe gestellt werden sollte. „Colin. Man kann die Krümmung der Erde mit bloßem Auge nicht sehen, weil die Erde riesig ist. Außerdem haben Menschen die Krümmung gemessen und sie ist da. Man kann nicht einfach all seine Informationen aus Flat Earth-Foren beziehen. Schlag es richtig nach – viele Menschen haben es auf so viele Arten widerlegt. Ich zeige es dir sogar – schau mal hier, ich suche es auf meinem Telefon – Fotos, die die NASA von der ISS aus gemacht hat. Siehst du?“

„Oh, Lexie, du bist auch darauf reingefallen“, sagte Colin und griff mit einem Ausdruck voller Mitgefühl nach ihrer Hand. „Das ist es, was sie uns glauben machen wollen, weißt du? Denn es gibt wirklich wertvolle Materialvorkommen am Rande der Erde. Kurz bevor sie ins Weltall abfällt, gibt es Minen, mit denen die Regierungen der Welt ihr ganzes Geld verdienen. Sie wollen nur nicht, dass wir davon erfahren, damit sie den ganzen Reichtum kontrollieren und uns sagen können, was wir tun sollen. Alle Fotos sind gefälscht – niemand ist jemals im Weltraum gewesen. Ich zeige dir ein paar Webseiten. Man muss einfach die Augen öffnen und die Wahrheit erkennen.“

Lex riss ihre Hand aus Colins Griff und ließ das Stück Pizza, das sie gerade angebissen hatte, wieder in die Schachtel fallen. „Weißt du was, Colin“, sagte sie. Für sie war es ein langer Tag in einer Reihe von langen Tagen gewesen und jetzt versuchte er, ihr etwas zu erklären, dass sie allein schon durch ihre Arbeit besser verstand als er. „Meine ganze Arbeit dreht sich um Wissenschaft und Geschichte. Und du denkst, ich wüsste es nicht, wenn die Erde flach wäre?“

Colin runzelte die Stirn. „Ich denke nur, dass du es verdienst, die Wahrheit zu erfahren, anstatt wie der Rest der Schafe herumzulaufen. Du hast mir nicht geglaubt, was die gefälschten Mondlandungen betrifft, oder die Echsenmenschen, die den Planeten beherrschen und uns kontrollieren, oder die Illuminaten und ihre geheimen Botschaften! Du bist so engstirnig! Ich weiß nicht, ob ich mit jemandem eine Beziehung führen kann, der einfach nicht offen für die Wahrheit ist“.

Lex schüttelte ungläubig den Kopf. Colins Worte waren wahrscheinlich eine leere Drohung – eine Drohung, die sie normalerweise veranlasst hätte, einen Rückzieher zu machen und stattdessen zu versuchen, ihn zu beruhigen. Aber wozu? Damit er das nächste Woche und die Woche danach einfach wieder tun konnte? „Ich habe keine Geduld mehr für solchen Unsinn“, sagte sie, mehr zu sich selbst als zu Colin, denn er hörte offensichtlich sowieso nicht zu. „Ich kann das nicht mehr tun. Das war's. Mir reicht's! Ich habe genug!“

Sie stand vom Sofa auf und packte im Vorbeigehen ihre Tasche, die neben der Tür stand. Eine kalte Wut erfüllte sie – Wut, die durch die Entlassung und Karens Selbstgefälligkeit und Colins Unempfindlichkeit und den ganzen Rest geschürt worden war, und die sie nun mit einem gewaltigen Energieschub vorwärtstrieb.

„Lexie, Schatz, wohin gehst du?“, rief Colin. Er klang nicht besorgt oder verärgert – eher gleichgültig. Als glaubte er nicht, dass sie wirklich gehen würde. Hinter ihm lief der Film noch, völlig vergessen. Sie wusste, dass er ihr nicht zugehört hatte, nicht wirklich.

„Ich gehe nach Hause“, schrie Lex ihr über die Schulter. „Und ich komme nicht zurück. Ich bin fertig mit dir, Colin. Versuch nicht, mich noch einmal anzurufen.“

KAPITEL DREI

Aufgeregt lief Lex schnell auf ihren Vater zu und dieser hob sie schwungvoll hoch, um sie nach hinten in den Laden zu tragen. Hinter der großen, dunkelrot lackierten Holztheke befand sich eine Tür, die zur Außenwelt führte, wo eine Palette mit Kisten wartete.

„Vorsicht“, sagte ihr Vater und hielt seine Hand schützend über ihren Rücken, als er sie absetzte und ein Taschenmesser hervorholte. Sorgfältige und präzise Schnitte lösten das Klebeband von jeder Kiste, eine nach der anderen, und dann stellte er eine auf den Boden, sodass Lex sie leicht erreichen konnte.

Lex tauchte eifrig ein und zog ein nagelneues Exemplar eines Buches mit dem Bild einer Königin in einem Tudorkleid heraus, die von einem Dornenmotiv umringt war.

Ihr Vater fragte: „Wo kommt das hin, mein Engel?“, und legte ihr eine Hand auf die Schulter.

„Historische Romane“, verkündete Lex, ihre Hände suchten schon, um die beiden anderen Bände des gleichen Buches aus der Kiste zu holen.

„Gut gemacht. Räum sie weg und ich fange mit diesen hier an“, sagte er und strich ihr zärtlich übers Haar.

Lex grinste und rannte durch die Regale zurück, einen Weg, den sie im Dunkeln mit geschlossenen Augen finden würde. Das war ihre Welt: die hoch aufragenden Regale, der Geruch der neuen Bücher, die verwitterten und abgenutzten Seiten der Secondhand-Abteilung, die alphabetisch und nach Genres geordnet waren, die besonnene Stille der Kunden. Ihr Vater war immer einen Schritt hinter ihr, zeigte ihr die besten Titel, führte sie in schöne neue Welten ein …

Sie stellte die Bücher ins Regal und drehte sich um, aber ihr Vater war nicht mehr im Hinterzimmer. „Papa?“, rief sie, ihre Stimme hallte seltsam an einem Ort ohne menschliches Leben wider. „Papa? Wo bist du?“

Lex wachte auf und fühlte, wie ein Schauer durch ihren Körper lief. Sie schwitzte, die Erinnerung an den Traum wiederholte sich immer wieder in ihrem Kopf. Wie sie instinktiv gewusst hatte, dass ihr Vater weg war.

Weil er tatsächlich weg war, nicht nur im Traum, auch im wirklichen Leben. So idyllisch ihr das Leben als Kind auch erschienen war, sie hatte keine Ahnung gehabt, was sich hinter den Kulissen abgespielt hatte. Keine Ahnung, dass ihre Eltern sich stritten, dass das Geld knapp war, dass die Gewinnspannen beim Verkauf nicht hoch genug waren. Langsam, im Laufe von ein paar Jahren, war die Abteilung für Secondhand-Bücher gewachsen, bis der ganze Verkaufsraum aus gebrauchten Büchern bestanden hatte, eine Verkaufsstrategie, von der ihr Vater wohl geglaubt hatte, dass sie den Laden retten würde.

Lex erinnerte sich daran, wie sie zwischen diesen Regalen entlanggeschlendert war und sie sogar noch mehr geliebt hatte. Die gebrauchten Bücher hatten einen ganz anderen Geruch, einen Geruch von altem Papier und Leben. Jedes von ihnen hatte seine eigene Geschichte und Vergangenheit – nicht nur den Text auf der Seite, sondern das Leben des Buches selbst. Widmungen, die mit Bleistift oder Feder in die Einbände gekritzelt waren. Die Ränder der Seiten gut abgegriffen, zerknittert oder zerrissen, gelegentliche Anmerkungen am Rand. Die Knitterfalten auf dem Buchrücken, die bezeugten, dass das Buch immer wieder gelesen, geliebt und in einer Tasche herumgetragen worden war.

Es war magisch gewesen, bis es das eines Tages nicht mehr war. Der Laden ging pleite und ihre Eltern setzten sich mit ihr zusammen, um ihr an einem dunstigen Sommernachmittag, als es sich so angefühlt hatte, als könne nichts ihr Glück trüben, zu sagen, dass sie sich scheiden ließen.

Lex hatte mit ihrem Vater gehen wollen. Aber sie war bei ihrer Mutter geblieben, während ihr Vater in einem Motel wohnte, auf der Suche nach einer neuen Wohnung, die er dauerhaft mieten wollte. Und dann, eines Tages, hatte er ausgecheckt und war nie wieder zurückgekehrt.

Lex hatte ihn seitdem nicht mehr gesehen.