Hilflos in deinen Armen - Margaret Moore - E-Book
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Hilflos in deinen Armen E-Book

MARGARET MOORE

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Beschreibung

Stolz verwaltet die schöne Gillian d’Averette die Burg ihres verstorbenen Vaters. Kein Mann soll ihr diese Position streitig machen! Doch die Berührungen und Küsse des edlen Ritters Bayard de Boisbaston lassen sie dahinschmelzen und wecken nie gekannte Gefühle in ihr. Schon sehnt sich Gillian danach, die Seine zu werden - da erfährt sie von einer bösen Verschwörung. Treibt ihr Geliebter etwa nur ein Spiel mit ihr?

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Seitenzahl: 413

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IMPRESSUM

Hilflos in deinen Armen erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2007 by Margaret Wilkins Originaltitel: „The Notorious Knight“ erschienen bei: HQN Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICALBand 258 - 2009 by CORA Verlag GmbH, Hamburg Übersetzung: Martin Hillebrand

Umschlagsmotive: Harlequin Books S.A.

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733767075

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

England, 1205

Die Eisenringe des Kettenhemds klirrten, als Sir Bayard de Boisbaston den Arm hob und seine Männer anhalten ließ.

„Nun, Frederic?“, fragte er seinen jungen Knappen und wies dabei über das bewaldete Tal hinweg. „Was hältst du von Averette Castle?“

Blinzelnd blickte Frederic de Sere hinüber zu der aus grauem Stein erbauten Feste, die sich jenseits des Tals auf einer sanften Hügelkuppe erhob. „Klein, hm?“, fragte er zurück und wand sich dabei unschlüssig im Sattel.

„Von unserer Warte aus gesehen könnte man das meinen“, bestätigte Bayard. „Aber Kastelle sind nicht unbedingt immer ringförmig angelegt. Torhaus und Türme drüben an der Landstraße liegen eventuell auf der Schmalseite.“

Er zeigte auf die Bastionen, die das Haupttor flankierten. „Bogenschützen haben freies Schussfeld auf Fallgatter und Zugbrücke. Außerdem können sie aus günstigen Winkeln auf jeden anlegen, der dem Tor zu nahe kommt.“

Zudem hatte er bemerkt, dass man die Bäume und Büsche, die sonst bis dicht an die Landstraße heranreichten, abgeholzt oder gestutzt hatte. Zwischen Fahrweg und Wald erstreckte sich nun ein an beiden Seiten mindestens zehn Fuß breiter, farnüberwucherter Streifen. So blieb Reisenden bei Überfällen durch Feinde oder Wegelagerer noch Zeit, das Schwert zu ziehen und sich zu verteidigen.

Frederic schob sich eine hellbraune Locke aus der Stirn. „Ah, kapiert, Mylord.“

„Auf nach Averette!“, befahl Bayard, indem er sein Pferd mit einem Schenkeldruck in Schritt fallen ließ.

Man mochte dem verblichenen Burgherrn zu Averette, dem Vernehmen nach ein furchtbarer Grobian, noch so viel nachsagen, aber eines musste man ihm lassen: Zumindest in der Verteidigungstaktik hatte er einiges Geschick bewiesen. Das fiel Bayard sofort auf, als er jetzt mit seinen Männern schweigend am Fluss entlang in Richtung auf ein offenbar blühendes Dorf ritt, vorbei am Weiher und der Mühle mit dem sich stetig und gemächlich drehenden Rad. Rinder muhten auf einem benachbarten Feld; ein paar Schafe stoben erschrocken auseinander, als der Reitertrupp an ihrer Weide vorbeikam, und von den Hofstätten entlang der Straße ertönte Gänsegeschnatter und das Gackern von Hühnern.

Der Weiler an sich war nicht sonderlich groß, doch die Katen wirkten gepflegt und die Dörfler wohlgenährt. Eine Horde Kinder mit kläffenden Straßenkötern auf den Fersen stürmte aus einer Gasse zwischen einem Kerzenmacher und einer Schänke, deren Aushängeschild ein Hirschkopf zierte. Mit offenen Mündern staunte die Rasselbande die vorbeiziehenden Ritter an. In der Schänkentür stand ein vollbusiges Weibsbild, das Bayard und seine Mannen mit berechnendem Blick beäugte. Falls das Frauenzimmer jedoch von trinkfreudiger Kundschaft ausging, war es gewaltig auf dem Holzweg.

Als der Trupp den Dorfanger passierte, hielt alles ringsum mitten im Tun und Treiben inne und starrte den Reitern hinterdrein. An den Verkaufsständen unterbrachen Krämer und Kunden ihr Gefeilsche. Das Grüppchen alter Männer unter der riesigen Eiche bei der Schmiede, aus der selbst an diesem Sommertag die Rauchschwaden quollen, hörte auf zu palavern, und den Frauen und Mädchen beim Brunnen verging das Schwatzen.

Eins stand für Bayard fest: Kaum dass er außer Hörweite war, würde man sich wie üblich das Maul über ihn zerreißen – über seine Gestalt, seine Haltung, über die Narbe, die sich vom rechten Auge hinunter zum Kinn zog. Man würde spekulieren, wo, wie und durch wen er die wohl abbekommen hatte. Manche meinten wahrscheinlich, die Schmarre verschandele sein Gesicht; andere wiederum fanden, sie verleihe ihm ein gewisses Etwas.

Das Gerede kannte er bis zum Überdruss.

Über kurz oder lang würde dem einen oder anderen einfallen, dass er von dem berühmt-berüchtigten Sir Bayard de Boisbaston schon mal gehört hatte. Auch an den Spitznamen, den er sich bei seiner Ankunft am Hofe eingehandelt hatte, würde man sich erinnern. Ein sechzehnjähriger Jungspund war er damals gewesen, verhätschelt und eitel und fest entschlossen, sich einen Namen zu machen.

Das war ihm weiß Gott gelungen.

Verstohlen musterte er den fünfzehnjährigen Frederic, der nun hoheitsvoll zu Ross saß, die Augen stur geradeaus gerichtet, als merke er überhaupt nichts von den bewundernden Blicken, mit denen die holde Weiblichkeit die vorbeiziehenden Ritter bedachte.

Dabei genoss der Junge diese Aufmerksamkeit zweifellos in vollen Zügen. Ach, der Stolz und die Torheit der Jugend! Eines Tages würde auch Frederic vermutlich lernen, dass weibliche Bewunderung nicht immer etwas Gutes darstellte, dass nicht jede Verehrerin die Liebesmüh lohnte und es durchaus nicht immer einem Triumph gleichkam, wenn man in ihrem Bett landete.

Von der Burg drang ein Warnruf herüber.

Die Wache war also in Alarmbereitschaft. Angesichts der zu übermittelnden Nachricht hielt Bayard es für geboten, die Begegnung, die ihm nunmehr bevorstand, möglichst rasch hinter sich zu bringen. Er befahl seinen Männern, das Tempo zu beschleunigen, und ließ sein Pferd mit kurzem Fersendruck in leichten Trab übergehen.

Als sie sich dem Burgtor näherten, kam plötzlich ein Knabe hinter einem mit leeren Körben beladenen Bauernwagen hervorgesprungen. Wie ein aufgescheuchter Fasan flitzte der Bengel quer über die Dorfstraße auf die Pforte eines windschiefen Stangenzauns zu.

Fluchend zerrte Bayard an den Zügeln, und zwar so heftig, dass sich sein Hengst Danceur aufbäumte und empört wieherte. Fast gleichzeitig und gleichsam wie aus dem Nichts tauchte im Vorgarten eine Frau auf. So ungestüm, dass das obere Lederscharnier vom Zaunpfosten flog, riss sie das kleine Tor auf, schnappte sich den Knirps und floh mit dem Jungen auf dem Arm zurück in den gepflegten Garten. Das Kind an sich gepresst, starrte sie aufgebracht den Ritter an, als habe der den Kleinen vorsätzlich über den Haufen reiten wollen.

Mit pochendem Herzen, als hätte er gerade einen Überfall überstanden, erwiderte Bayard den Blick. Er hatte dem Knirps kein Haar gekrümmt, aber es wäre auch nicht seine Schuld gewesen, wenn dem Kleinen, der ihm quasi direkt ins Pferd gerannt war, doch etwas zugestoßen wäre.

Genau das wollte er der undankbaren Bauersfrau gerade erklären, da fiel ihm der Auftrag ein, der ihn hergeführt hatte. Hilfe sollte er bieten, nicht Zwist, und daher schluckte er seinen Ärger hinunter. In der Annahme, ein paar klingende Taler würden die Wogen der Empörung schon glätten, stieg er aus dem Sattel und stapfte durch das ramponierte Tor auf Mutter und Kind zu.

Der Knirps, ein etwa sechsjähriger Bub, sah den Ritter aus kugelrunden Augen ehrfürchtig an, während die Mutter nach wie vor ein finsteres Gesicht zog. Gekleidet war sie in schlichte Bauerntracht aus hellbrauner Wolle, und ihr honigbraunes Haar war von einem Linnenschleier bedeckt. Eine ausgesprochene Schönheit konnte man sie zwar nicht nennen, doch dafür hatte sie offenbar Temperament. Nun hatte Bayard normalerweise nichts gegen heißblütige Frauen einzuwenden, schon gar nicht im Bett, doch wenn sich diese Eigenschaft gegen ihn richtete, hielt sich seine Begeisterung in Grenzen.

Jetzt kam ein vierschrötiger Mann in grober, selbst gesponnener Bauernwolle hinter der Kate hervor. Verdattert, als habe er noch nie einen Edelmann mit Geleitschutz gesehen, ließ er den Blick von Bayard über Frederic zu den berittenen Soldaten auf der Dorfstraße wandern und von dort wieder zurück zu der Frau.

Vielleicht wunderte er sich aber auch nur darüber, dass ein Ritter in seinem Vorgarten stand.

Die Frau reichte dem Mann den Knaben, verschränkte die Arme vor der Brust – wobei sie ungewollt erkennen ließ, dass sie einen sehr hübschen Busen hatte – und wandte sich ohne einen Hauch von Unterwürfigkeit oder Ehrerbietung an Bayard. „Was habt Ihr hier zu schaffen, Herr Ritter?“

„Was fällt dir ein?“, entrüstete sich Frederic. „Eine Frechheit, in einem solchen Ton mit einem Edelmann zu sprechen!“

„Halt dich zurück, Junge!“, knurrte Bayard und bedachte seinen empörten Knappen mit einem mahnenden Blick.

Schon mit den ersten Worten, die ihr über die vollen, missmutig verkniffenen Lippen kamen, hatte sich die vermeintliche Bauersfrau verraten. In ihrem Tonfall fehlte der bäuerliche Dialekt, der ländliche Singsang.

Bayard setzte den Helm ab, klemmte ihn sich unter den Arm und verneigte sich. „Seid mir gegrüßt, Mylady. Ich bin Sir Bayard de Boisbaston und bringe Euch Neuigkeiten von Eurer Schwester.“

Nicht ganz unerwartet für Bayard blitzten die grünen Augen der Frau überrascht auf, doch das Leuchten verlosch schnell. Sie versuchte auch gar nicht erst, sich zu verstellen. „Was für eine Nachricht sollte das sein?“, fragte Lady Gillian d’Averette kühl. „Und überhaupt: von welcher meiner Schwestern?“ Sie tat so, als sei es für sie alltäglich, vor Bauernkotten Zwiesprache mit Rittern zu halten, und das in bäuerlicher Tracht.

Möglicherweise stimmte das ja, und sie stand daher jetzt in ihrer üblichen Kleidung vor ihm. Armand hatte ihn schließlich vorgewarnt, dass die Schwester seiner Braut häufig aus der Rolle tanze. Einzelheiten hatte er sich allerdings gespart. Womöglich fand sie auch nichts dabei, wichtige Angelegenheiten vor aller Augen und Ohren zu besprechen. Das sah Bayard allerdings anders. „Ich glaube nicht, Mylady, dass dies für Euch der geeignete Ort ist für die Lektüre des Briefes, den ich Euch überbringe.“

Sie schürzte die Lippen, und fast hatte er den Eindruck, als wolle sie seinen dezenten Rat zurückweisen. Zum Glück tat sie es nicht.

„Nun, meinetwegen!“ Mit wenig damenhaften Schritten stolzierte sie an ihm vorbei und rief ihm über die Schulter zu: „Dann kommt halt mit, so Ihr die Güte habt!“

Neben dem Hinweis auf die Bauerntracht hätte Armand noch erwähnen können, dass seine zukünftige Schwägerin einen Befehlston wie eine Kaiserin am Leibe hatte, dass sie mit dem Fuß aufstampfte wie ein wutentbrannter Krämer und bei alledem nicht einmal annähernd so schön war wie ihre Schwester Adelaide. Einen Begrüßungskuss hatte sie ihm ebenfalls verweigert.

Ja, sapperlot!, dachte Bayard, als er ihr folgte. Da bist du ja selbst von dem Kerl, der dich in Frankreich gefangen gehalten hat, freundlicher begrüßt worden!

Nun, sei’s drum: Er nahm sich vor, kein Wort über ihr taktloses Auftreten zu verlieren und ihre brüske Art nach Möglichkeit zu ignorieren. An sich hatte er sowieso nicht erwartet, mit offenen Armen empfangen zu werden. So gesehen tat es nichts zur Sache, dass sie von seinem Kommen wenig begeistert schien. Armand hatte ihn gebeten, der Schwester seiner Gemahlin eine Nachricht zu überbringen und zu ihrem Schutz bei ihr zu bleiben. Daran gedachte Bayard sich nun voll und ganz zu halten.

Welche Neuigkeiten mochte dieser anmaßende Flegel wohl von Adelaide und dem Königshof bringen? Das fragte sich Gillian, als sie zur Burg eilte, um in ihrer Kemenate ungestört nachzudenken.

Gute bestimmt nicht.

Sie sowie ihre Schwestern Adelaide und Elizabeth – für ihre Freunde nur Lizette – waren Mündel des Königs. Das hieß, dass König John nach Gutdünken über sie verfügen konnte. Er durfte sie beispielsweise je nach Lust und Laune verheiraten, ganz gleich, ob sie dabei glücklich wurden oder nicht. Außerdem vergab er Vormundschaften über junge männliche Erben an Günstlinge, die in der Folge die betreffenden Anwesen plünderten, noch ehe die Knaben volljährig wurden und ihr Erbe antreten konnten. Ja, an das Wohl und Wehe der ihm Anvertrauten, das Volk von England eingeschlossen, verschwendete er nicht einen Gedanken.

Wer mochte da voraussagen, was er sich für sie oder die Leute von Averette ausgedacht hatte? Und wieso war ausgerechnet dieser Ritter damit beauftragt, ihr die Nachricht von ihrer Schwester zu übermitteln? Falls Adelaide erkrankt war, hätte man doch einen Dienstboten geschickt!

Musste man etwa befürchten, dass der König für Adelaide oder Lizette oder gar für sie einen Gatten bestimmt hatte? Und dass dieser Ritter der ausersehene Bräutigam war?

Gott behüte, nein! Das wollte sie lieber nicht hoffen. Jedenfalls nicht für sie, nicht einen wie diesen Klotz, diesen dünkelhaften Schnösel, der sie und alle Welt mit penetranter Verachtung strafte.

Im Laufe der Jahre hatte sie etliche Männer wie ihn kennengelernt. Zweifellos glaubte dieser Sir Bayard auch noch, er könne ihr imponieren mit seinem Rang, seiner Haltung, seinem guten Aussehen. Gewiss, ein schmucker Bursche war er, da biss die Maus keinen Faden ab. Trotz der dünnen Narbe, die sich von seinem rechten Augenwinkel bis hinunter zum Kinn zog. Aber Gillian war nun mal kein flatterhaftes, dummes Gör. So leicht ließ sie sich nicht beeindrucken.

Ein einziges Mal nur war sie einem Ritter begegnet, der sich großherzig, gütig und bescheiden verhalten hatte und zu ihrem Erstaunen mehr an ihr interessiert war als an ihren beiden Schwestern. Doch das lag Jahre zurück, und James d’Ardenay lebte nicht mehr.

Einmal mehr musterte sie Sir Bayard. Was mochte ihm jetzt, während sie sich der Burg näherten, durch den Kopf geistern? Wie viel der Zehnt einbrachte? Die Zahl der Bauern, die ihm Gefolgschaft leisten und gegebenenfalls im Kampf für ihren Lehnsherrn ihr Leben einsetzen mussten?

Gillian hingegen sah ihr Zuhause und die Menschen, die mit ihrer Hände Arbeit Averettes Wohlstand mehrten und es in Notzeiten verteidigten. Sie sah Männer und Frauen mit Namen, Gesichtern, Familien, Hoffnungen und Träumen. Menschen wie den jungen Davy zum Beispiel, der mehr über die Geschichte dieses Dorfes und seiner Bewohner wusste als sonst jemand. Oder Old Davy – für sie so etwas wie ein Großvater. Sein Weib war mütterlicher zu ihr gewesen, als es die eigene, stets kränkelnde Mutter jemals hatte sein können.

Sie kannte den Müller und den Bäcker mit ihrem ewigen Hader, den Schankwirt Sam und seine Schankmagd Peg, den wortkargen Kerzenmacher, der einem kaum drei Worte gönnte. Sie sah Menschen wie Hale, den Flurschütz, Vater des kleinen Teddy, den Sir Bayard um ein Haar über den Haufen geritten hätte. Der Zwischenfall war dem edlen Ritter anscheinend nicht sonderlich nahegegangen. Vermutlich war er der Ansicht, mit einem Sümmchen ließe sich die Sache bestimmt angemessen aus der Welt schaffen.

Viele andere wären noch zu nennen gewesen, jeder Einzelne einzigartig, manche liebenswerter als andere, doch allesamt ihrem Schutz anvertraut – wie das gesamte Gesinde, die Burg und das Gut.

Und wahrhaftig, für diesen Schutz gedachte sie auch zu sorgen. Bis zum allerletzten Atemzug, ganz gleich, wer gerade auf dem Thron sitzen mochte.

Als sie sich dem Vorwerk nährten, kamen ihnen zehn Mann der Burgwehr im Laufschritt entgegen. Einer gespickten Mauer gleich verwehrten sie den Ankömmlingen mit eingelegten Lanzen den Zutritt. Das Fallgatter war herabgelassen, das Innentor geschlossen. Etliche Bogenschützen gingen auf den Zinnen in Stellung.

Bayard hatte nichts anderes erwartet. „Hervorragend ausgebildet, Eure Leute“, bemerkte er, als er und Lady Gillian stehen blieben. Es war der Versuch, so etwas wie einen Waffenstillstand herzustellen.

Gillian platzte schier vor Stolz, als hätte sie die Soldaten persönlich gedrillt. „Allerdings!“, entgegnete sie, um dann mit lauter, klarer Stimme zu rufen: „Alles in Ordnung!“

Über die Mienen der Burgsoldaten huschte ein merkwürdiger Ausdruck, der Bayard nicht entging. Anscheinend bedeutete er, dass keineswegs alles in Ordnung war. Die Burgherrin hatte wohl nur zu verstehen gegeben, dass keine unmittelbare Gefahr drohte, man aber trotzdem kampfbereit bleiben solle.

Langsam ging das Fallgatter hoch. Die Lanzenträger teilten sich in zwei Reihen, schwenkten nach links beziehungsweise rechts und bildeten beiderseits der Zufahrt zum Burgtor eine Gasse. Brav marschierte Bayard im Gleichschritt neben der Hausherrin durch das mächtige Torhaus hinein in die Vorburg, die einen Appellplatz, einen Garten, ein Schmiedewerkstatt und einen runden, steinernen Taubenschlag umfasste. Bayard erkannte, dass er mit seiner anfänglichen Vermutung richtig gelegen hatte: Der von der Landstraße aus sichtbare Teil der Ringmauer ließ beileibe nicht auf die wirkliche Größe der Befestigungsanlage schließen. Die Burg war birnenförmig angelegt, mit Burgtor und Vorwerk am schmalen Ende.

Durch eine massige, mit eisenbeschlagenen Eichenbalken bewehrte Torhalle gelangten sie in den Innenhof der Hauptburg. Nach Bayards Einschätzung war die Feste in den letzten fünfzig Jahren entstanden, wenngleich der runde, jenseits des Rittersaals aufragende Bergfried erkennbar älter war. Nach den schwarzen Rußflecken unter einigen der schmalen Schießscharten zu urteilen, hatte der Turm schon des Öfteren gebrannt. Dass er gleichwohl noch stand, zeugte vom Können der Baumeister und der Güte des Mörtels.

Die Hauptgebäude innerhalb der Innenmauer bestanden aus dem großen Burgsaal, der Burgkapelle, dem Zeughaus, den Stallungen sowie der Küche, die über einen Gang mit dem Burgsaal verbunden war. Der an die Westseite des Rittersaals anschließende, zweigeschossige Palas beherbergte die herrschaftlichen Räumlichkeiten, eventuell auch einige Kammern für Gäste. Falls nicht, so vermutete Bayard, mussten er und Frederic wohl mit den Soldaten und dem männlichen Gesinde im großen Saal übernachten.

Im Gegensatz zu vielen Burgen lagen nicht haufenweise Fässer oder Körbe draußen herum; nirgendwo sah man beschädigte Karren oder sonstige Gegenstände, die man einfach an Ort und Stelle liegen oder stehen gelassen hatte, bis sie instand gesetzt werden konnten. Ja, der Burghof war beinahe peinlich sauber. Lediglich von den Ställen wehte ein Hauch von Mistgeruch herüber, was aber wiederum auch nur bedeuten konnte, dass sie oft ausgemistet wurden.

Zwar ließ die allgemeine Reinlichkeit in der Feste Bayard nicht unbeeindruckt, doch kam ihm eines nicht geheuer vor: Die Stille und das Fehlen von Gesinde – oder zumindest ließ sich niemand der Dienstboten sehen. Keiner, der aus dem Fenster oder durch eine Tür spähte, obwohl die Ankunft der Neuankömmlinge alles andere als lautlos verlief. Entweder hatte man hier die am wenigsten neugierigen Knechte und Mägde, denen er je begegnet war, oder seine Begleiterin regierte das Gut mit eiserner Faust.

Eine Hälfte der Bogenschützen schirmte inzwischen den Innenhof ab, die Pfeile mit den gekerbten Spitzen auf die kopfsteingepflasterte Fläche gerichtet, die mittlerweile von einem Spalier aus weiteren Burgsoldaten gesichert wurde. In der Hofmitte stand ein Hüne mit einem Oberkörper wie ein Bierfass, das Gesicht glatt rasiert, die Miene grimmig, das Haar bereits von grauen Fäden durchzogen. Barhäuptig, aber ansonsten in vollem Harnisch, hatte er sich dort aufgebaut und machte Front zum Tor, als sei er bereit, sich einem Angriff ganz allein entgegenzustellen.

Vermutlich, so Bayard, der Hauptmann der Burgwehr.

„Mylady“, grüßte der Hüne mit schottischem Akzent und musterte den Gast von Kopf bis Fuß.

Ein Schotte? Das war interessant. Während der Kämpfe in Frankreich, als König John seine verloren gegangenen Besitzungen zurückzuerobern versuchte, hatte Bayard die Schotten schätzen gelernt.

„Sir Bayard, das hier ist Iain Mac Kendran, der Hauptmann meiner Burggarnison“, erklärte Lady Gillian mit dem Anflug eines Lächelns. „Er ist verantwortlich für den guten Ausbildungsstand meiner Wehr.“

Offenbar mochte sie den Schotten, was ebenfalls interessant war. So manche Burgherrin behandelte ihre Beschützer kaum besser als einen Jagdhund oder Jagdfalken. „Es ist mir eine Ehre.“

Der Schotte reagierte mit einem abfälligen Schnauben – abermals ein Verhalten, das Sir Bayard nicht gewohnt war.

„Er bringt Kunde von Lady Adelaide“, erklärte die Burgherrin, derweil Bayard Mühe hatte, sich seinen Unmut nicht anmerken zu lassen. Auch bezüglich des Garnisonshauptmanns hätte Armand ihn vorwarnen können.

Der hob inzwischen die buschigen, grauschwarzen Augenbrauen. „Ach, tatsächlich?“

„Allerdings“, bekräftigte Bayard, wobei er eine Spur von Missfallen über den dreisten Ton mitschwingen ließ. „Euer Hauptmann verdient eine Auszeichnung, Mylady. Trotz seiner Sehschwäche trägt er eine große Verantwortung.“

„Mit meinen Augen ist alles in Ordnung“, knurrte der Schotte und runzelte etwas verwirrt die Stirn.

Ironisch lupfte Bayard nun seinerseits die Augenbraue. „Den Eindruck hatte ich nicht. Unten an Eurem Kettenhemd ist ein Rostfleck.“

Der Schotte senkte den Blick, die Lady ebenso. Bayard gestatte sich ein leises, befriedigtes Schmunzeln, als der Schotte rot anlief, weil er unten an seinem Hauberk tatsächlich drei Rostflecken erspähte.

Das ließ Bayards dunkle Augen noch amüsierter und herausfordernder blitzen. „Und noch eins fiel mir auf, Mylady. Wir sind noch nicht dazu gekommen, den Begrüßungskuss auszutauschen.“

2. KAPITEL

Bayard war gespannt, wie Lady Gillian auf seinen milden Rüffel wohl reagieren mochte. Allerdings wunderte er sich nicht, als sie mit herausfordernd blitzenden grünen Augen auf ihn zutrat, sich forsch auf die Zehenspitzen stellte und ihn schwungvoll auf beide Wangen küsste. Als sie sich von ihm löste, waren ihre eigenen runden Wangen mehr als nur zartrosa angelaufen.

„Ei, wie stürmisch!“, bemerkte er, den Blick in ihre Augen versenkt. „Vielleicht bin ich am Ende ja doch noch entzückt, dass man mich nach Averette geschickt hat.“

Während sie noch tiefer errötete, öffnete sich das Tor zum Burgsaal, und ein Mann erschien auf der Schwelle. Er war etwa so alt wie Bayard und trug eine bodenlange Tunika. Man hätte ihn für den Burgkaplan halten können, doch fehlte ihm die Tonsur. Außerdem sah er das Burgfräulein auf eine Weise an, die beileibe nicht priesterlich fromm zu nennen war.

Auch das fand Bayard interessant. Vielleicht hatte ihn sein erster Eindruck von Lady Gillian ja getäuscht, betrachtete man ihren herzhaften Begrüßungskuss und die offensichtliche Zuneigung des jungen Mannes da drüben. Bislang hatte Bayard sie eher für eine jener Adelstöchter gehalten, die hervorragend zur Nonne taugten.

Nun, sei’s drum, es tat ohnehin nichts zur Sache. Er war auf Armands Bitte hin hier und aus diversen anderen Gründen, nicht aber, um sich mit eigensinnigen jungen Damen zu verlustieren.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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