Hilperich - Jakob Wassermann - E-Book

Hilperich E-Book

Jakob Wassermann

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Beschreibung

Hilperich ist eine längere Erzählung von Jakob Wassermann. Reinlesen: Ich lebte also und beschäftigte mich nach meiner Art. Bis zu meinem zweiundzwanzigsten Jahr wie gesagt. Da ereignete es sich eines Morgens im Frühling, ich ging gerade zum Amt, daß ich im düsteren Korridor unseres uralten Gerichtsgebäudes ein junges Mädchen stehen sah, welches forschend und unruhig den langen Gang bald hinauf, bald hinunter blickte. Ich trat zu ihr hin und fragte unverhohlen nach ihrem Begehren. Sie antwortete etwas in italienischer Sprache, und da ich sie nicht verstand, schüttelte ich den Kopf und ging langsam meiner Wege. Das ist ein teuflisches Frauenzimmer, sagte ich mir, denn ich hatte im Leben Schöneres nicht gesehen. Voller Gedanken kam ich in die Amtsstube und setzte mich an meinen Tisch. Drei Personen von den Parteien waren schon anwesend. Der Diener schrie in den Flur hinaus: »Bianca Spinola!« und das schöne Mädchen trat ein.

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Seitenzahl: 36

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Hilperich

Hilperich - 0Hilperich - 1AnmerkungstextImpressum

Hilperich - 0

Ein Schiffer fährt den dunklen Strom Hinunter ohn Bedacht. Die Lüfte ruhn, das Wasser schweigt, Und mählig wird es Nacht.

Hilperich - 1

Kanzlist Johann Querschneider zu Nürnberg, ein seltsamer Kauz, ein Hungerleider doch nach Diogenes' Art, erzählt: Vierundzwanzig Jahre sind seit meines Vaters Tod verflossen. Ich bin ein uneheliches Kind und führe den Namen meiner Mutter. Bis zu meinem zweiundzwanzigsten Jahr wußte ich von meinem Vater nichts, nicht einmal ob er lebte. Ich hatte mich nicht sonderlich dafür interessiert; Gott weiß aus welchem Grund ich stets darüber hinweg dachte. Meine Mutter verfuhr in diesem Punkt sehr kategorisch. Wenn ich fragte, so lachte sie mir ins Gesicht. Ich zerbrach mir nicht den Kopf, sondern lebte so hin, nicht schlechter und nicht besser als andere; Geld hatten wir wenig, litten aber keinen Mangel. Meine Mutter bezog irgendwoher eine kleine Pension, besorgte Nähereien für einige Bürgersfrauen im Bezirk, und ich selbst war beim Amtsgericht als Schreiber angestellt.

Ich lebte also und beschäftigte mich nach meiner Art. Bis zu meinem zweiundzwanzigsten Jahr wie gesagt. Da ereignete es sich eines Morgens im Frühling, ich ging gerade zum Amt, daß ich im düsteren Korridor unseres uralten Gerichtsgebäudes ein junges Mädchen stehen sah, welches forschend und unruhig den langen Gang bald hinauf, bald hinunter blickte. Ich trat zu ihr hin und fragte unverhohlen nach ihrem Begehren. Sie antwortete etwas in italienischer Sprache, und da ich sie nicht verstand, schüttelte ich den Kopf und ging langsam meiner Wege. Das ist ein teuflisches Frauenzimmer, sagte ich mir, denn ich hatte im Leben Schöneres nicht gesehen. Voller Gedanken kam ich in die Amtsstube und setzte mich an meinen Tisch. Drei Personen von den Parteien waren schon anwesend. Der Diener schrie in den Flur hinaus: »Bianca Spinola!« und das schöne Mädchen trat ein.

Die Verhandlung betraf einen schwierigen und absonderlichen Fall. Der alte Rat Hilperich (ein Mann, den jedes Kind auf der Straße kannte, und dessen abenteuerliche Vergangenheit den Gegenstand vieler Erzählungen bildete) war auf den Einfall gekommen, eines seiner unehelichen Kinder, ein junges Mädchen aus dem Trentino, an einen Bankbeamten zu verheiraten. Alles war schon im besten Zug gewesen, die jungen Leute selbst im Einvernehmen, als plötzlich die Mutter des Beamten mit Zeter und Mordio erschien: der junge Ehekandidat sei gleichfalls ein Kind Hilperichs. Was der alte Herr vorerst gründlich bestritt. So kam die Sache vors Gericht und bildete lange Zeit das Gelächter der amtlichen Personen und der ganzen Stadt. Mit Neugierde sah ich den alten Mann an, der nun vor dem Richter erschienen war. Sicherlich zählte er mehr denn siebzig Jahre, obwohl seine blauen Augen strahlend und lebhaft waren. Seine hagere und etwas gebogene Gestalt hatte etwas Majestätisches, und dieser Eindruck wurde verstärkt durch das Trotzige, Verbissene, Verächtliche seines Gesichtes. Wenn unter den zusammengezogenen Brauen die Augen verschwanden und die verkniffenen, schmalen Lippen sich hinter dem weißen Bart wie hinter dünnem Buschwerk versteckten, mochte man wohl Furcht empfinden, und das rote Gesicht, das vom Alter weniger versengt schien als von den Leidenschaften, konnte man nicht leicht vergessen. Das ist also der alte Hilperich, dachte ich mir und mußte gleichzeitig lächeln, weil ich sah, daß die Sonne auf die schwarze Kappe und den schwarzen Bart des Richters ein goldenes Emblem gemalt hatte. Das alles sehe ich noch deutlich. Auch den hübschen und verschwiegen aussehenden jungen Mann, den Bankbeamten; er hatte eine Narbe mitten auf der Stirn. Dann seine Mutter, eine sehr dicke Frau, welche fortwährend Schokoladestückchen aus der Tasche zog, wodurch aber die, Redekraft ihrer Zunge keineswegs verringert wurde. Dann das junge Mädchen, aber von diesem will ich jetzt nicht reden. Der Richter wiegte den Kopf, fragte dies und jenes, und seine Klugheit war bald erschöpft.